Ad gentes DE



DEKRET

ÜBER DIE MISSIONSTÄTIGKEIT DER KIRCHE

AD GENTES

EINLEITUNG

1 Zur Völkerwelt von Gott gesandt, soll die Kirche “das allumfassende Sakrament des Heils” (1) sein. So müht sie sich gemäß dem innersten Anspruch ihrer eigenen Katholizität und im Gehorsam gegen den Auftrag ihres Stifters (2), das Evangelium allen Menschen zu verkünden. Denn auch die Apostel, auf die die Kirche gegründet worden ist, haben, den Spuren Christi folgend, “das Wort der Wahrheit verkündet und Kirchen gezeugt” (3) . Pflicht ihrer Nachfolger ist es, diesem Werk Dauer zu verleihen, “damit das Wort Gottes seinen Lauf nehme und verherrlicht werde” (2Th 3,1) und die Herrschaft Gottes überall auf Erden angekündigt und aufgerichtet werde.

In der gegenwärtigen Weltlage, aus der für die Menschheit eine neue Situation entsteht, ist die Kirche, die da ist Salz der Erde und Licht der Welt (4), mit verstärkter Dringlichkeit gerufen, dem Heil und der Erneuerung aller Kreatur zu dienen, damit alles in Christus zusammengefaßt werde und in ihm die Menschen eine einzige Familie und ein einziges Gottesvolk bilden. Im Dank gegen Gott ob der trefflichen Arbeit, die durch den hochherzigen Einsatz der ganzen Kirche bislang vollbracht wurde, will diese Heilige Synode deshalb die Grundsätze der missionarischen Tätigkeit umreißen und die Kräfte aller Gläubigen sammeln, damit das Volk Gottes, auf dem schmalen Weg des Kreuzes voranschreitend, die Herrschaft Christi des Herrn, vor dessen Augen die Jahrhunderte stehen (5), ausbreite und seiner Ankunft die Wege bahne.

(1) II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 48: AAS 57 (1965) 53.
(2) Vgl. Mc 16,15.
(3) Augustinus, Enarr. in ps. 44, 23: PL 36, 508; CChr 38,150.
(4) Vgl. Mt 5,13-14.
(5) Vgl. Si 36,19.


1. Kapitel

Theologische Grundlegung

2 Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen nach “missionarisch” (d. h. als Gesandte unterwegs), da sie selbst ihren Ursprung aus der Sendung des Sohnes und der Sendung des Heiligen Geistes herleitet gemäß dem Plan Gottes des Vaters (6).

Dieser Plan entspringt der “quellhaften Liebe”, dem Liebeswollen Gottes des Vaters. Er, der ursprungslose Ursprung, aus dem der Sohn gezeugt wird und der Heilige Geist durch den Sohn hervorgeht, hat uns in seiner übergroßen Barmherzigkeit und Güte aus freien Stücken geschaffen und überdies gnadenweise gerufen, Gemeinschaft zu haben mit ihm in Leben und Herrlichkeit. Er hat die göttliche Güte freigebig ausgegossen und gießt sie immerfort aus, so daß er, der Schöpfer von allem, endlich “alles in allem” (
1Co 15,28) sein wird, indem er zugleich seine Herrlichkeit und unsere Seligkeit bewirkt. Es hat aber Gott gefallen, die Menschen nicht bloß als einzelne, ohne jede gegenseitige Verbindung, zur Teilhabe an seinem Leben zu rufen, sondern sie zu einem Volk zu bilden, in dem seine Kinder, die verstreut waren, in eins versammelt werden sollen (7).

(6) Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 2: AAS 57 (1965) 5f.
(7) Vgl. Jn 11,52.


3 Dieser umfassende Plan Gottes für das Heil des Menschengeschlechtes wird nicht allein auf eine gleichsam in der Innerlichkeit des Menschen verborgene Weise verwirklicht, ebenso nicht bloß durch Bemühungen, auch religiöser Art, mit denen die Menschen Gott auf vielfältige Weise suchen, “ob sie ihn vielleicht berühren oder finden möchten, wiewohl er nicht ferne ist von einem jeden von uns” (vgl. Ac 17,27). Diese Bemühungen bedürfen nämlich der Erleuchtung und Heilung, wenn sie auch aufgrund des gnädigen Ratschlusses des vorsorgenden Gottes zuweilen als Hinführung zum wahren Gott oder als Bereitung für das Evangelium gelten können (8). Gott hat vielmehr beschlossen, auf eine neue und endgültige Weise in die Geschichte der Menschen einzutreten; so wollte er Frieden und Gemeinschaft mit sich herstellen und brüderliche Verbundenheit unter den Menschen, die doch Sünder sind, stiften. Darum sandte er seinen Sohn in unserem Fleisch, damit er durch ihn die Menschen der Gewalt der Finsternis und Satans entreiße (9) und in ihm die Welt sich versöhne (10). Ihn also, durch den er auch die Welten erschuf (11), bestimmte er zum Erben des Alls, daß er alles in ihm erneuerte (12). Denn Christus Jesus ist in die Welt gesandt worden als wahrer Mittler Gottes und der Menschen. Da er Gott ist, “wohnt in ihm leibhaftig die ganze Fülle der Gottheit” (Col 2,9); der menschlichen Natur nach aber ist er, “voll Gnade und Wahrheit” (Jn 1,14), als neuer Adam zum Sünder sind, stiften. Darum sandte er seinen Sohn in unserem Fleisch, damit er durch ihn die Menschen der Gewalt der Finsternis und Satans entreiße (9) und in ihm die Welt sich versöhne (10). Ihn also, durch den er auch die Welten erschuf (11), bestimmte er zum Erben des Alls, daß er alles in ihm erneuerte (12).

Denn Christus Jesus ist in die Welt gesandt worden als wahrer Mittler Gottes und der Menschen. Da er Gott ist, “wohnt in ihm leibhaftig die ganze Fülle der Gottheit” (Col 2,9); der menschlichen Natur nach aber ist er, “voll Gnade und Wahrheit” (Jn 1,14), als neuer Adam zum Haupt der erneuerten Menschheit bestellt. So hat der Sohn Gottes die Wege wirklicher Fleischwerdung beschritten, um die Menschen der göttlichen Natur teilhaft zu machen; unseretwegen ist er arm geworden, da er doch reich war, damit wir durch seine Armut reich würden (13). Der Menschensohn kam nicht, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld hinzugeben für die vielen, das heißt für alle (14). Die heiligen Väter verkünden beständig, daß nicht geheilt ist, was nicht von Christus angenommen ist (15). Er hat aber, ausgenommen die Sünde, die volle Menschennatur angenommen, wie sie sich bei uns findet, die wir elend und arm sind (16). Christus, “den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat” (Jn 10,36), hat nämlich von sich selbst gesagt: “Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt, frohe Botschaft den Armen zu künden; er hat mich gesandt, zu heilen, die zertretenen Herzens sind, den Gefangenen Freilassung anzukündigen und den Blinden das Augenlicht” (Lc 4,18). Und an anderer Stelle: “Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und heil zu machen, was verloren war” (Lc 19,10).

Was aber vom Herrn ein für allemal verkündet oder in ihm für das Heil des Menschengeschlechts getan worden ist, muß ausgerufen und ausgesät werden bis ans Ende der Erde (17) , beginnend von Jerusalem aus (18) . So soll, was einmal für alle zum Heil vollzogen worden ist, in allen im Ablauf der Zeiten seine Wirkung erlangen.

(8) Vgl. Irenäus, Adv. Haer. III., 18, 1: “Das Wort, welches bei Gott ist, durch das alles gemacht worden ist und das immer dem Menschengeschlecht zugegen war ...”: PG 7, 932; Adv. Haer. IV, 6, 7: “Der Sohn, der von Anfang an seinem Gebilde zur Seite stand, offenbart den Vater allen, wem, wann und wie der Vater will”: ebd. 990; vgl. IV, 20, 6 u. 7: ebd. 1037; Demonstratio 34: Patr. Or. XII 773; Sources Chrét. 62 (Paris 1958) 87; Clemens v. Alexandrien, Protr. 112, 1: GCS Clemens I, 79; Strom. VI 6, 44, 1: GCS Clemens II, 453; 13, 106, 3 u. 4: ebd. 485. Zur Lehre selbst vgl. Pius XII., Radiobotschaft, 31.Dez. 1952; II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 16: AAS 57 (1965) 20.
(9) Vgl. Col 1,13 Ac 10,38.
(10) Vgl. 2Co 5,19.
(11) Vgl. He 1,2 Jn 1,3 Jn 1,10 1Co 8,6 Col 1,16.
(12) Vgl. Ep 1,10.
(13) Vgl. 2Co 8,9.
(14) Vgl. Mc 10,45.
(15) Vgl. Athanasius, Ep. ad Epictetum 7: PG 26, 1060; Cyrill v. Jerusalem, Catech. 4, 9: PG 33, 465; Marius Victorinus, Adv. Arium 3, 3: PL 8, 1101; Basilius, Ep. 261, 2: PG 32, 969; Gregor v. Nazianz, Ep. 101: PG 37, 181; Gregor v. Nyssa, Antirrheticus, Adv. Apollin. 17: PG 45, 1156; Ambrosius, Ep. 48, 5: PL 16, 1153; Augustinus, In Ioann. Ev. tr. 23, 6: PL 35, 1585; CChr 36, 236. Er zeigt überdies von da aus, daß der Heilige Geist uns nicht erlöst hat, weil er nicht Fleisch angenommen hat: De Agone Christ. 22, 24: PL 40, 302; Cyrill v. Alexandrien, Adv. Nest. I, 1: PG 76, 20; Fulgentius, Ep. 17, 3, 5: PL65, 454; Ad Trasimundum III., 21: PL 65, 284 (über Traurigkeit und Furcht).
(16) Vgl. He 4,15 He 9,28.
(17) Vgl. Ac 1,8.
(18) Vgl. Lc 24,47.
4 Um dies zu vollenden, hat Christus vom Vater her den Heiligen Geist gesandt, der sein Heilswerk von innen her wirken und die Kirche zu ihrer eigenen Ausbreitung bewegen soll. Ohne Zweifel wirkte der Heilige Geist schon in der Welt, ehe Christus verherrlicht wurde (19). Am Pfingsttage jedoch ist er auf die Jünger herabgekommen, um auf immer bei ihnen zu bleiben (20). Die Kirche wurde vor der Menge öffentlich bekanntgemacht, die Ausbreitung des Evangeliums unter den Heiden durch die Verkündigung nahm ihren Anfang, und endlich wurde die Vereinigung der Völker in der Katholizität des Glaubens vorausbezeichnet, die sich durch die Kirche des Neuen Bundes vollziehen soll, welche in allen Sprachen spricht, in der Liebe alle Sprachen versteht und umfängt und so die babylonische Zerstreuung überwindet (21). Mit Pfingsten begann “die Geschichte der Apostel”, so wie durch die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Jungfrau Maria Christus empfangen worden war und wie Christus selbst dem Werk seines Dienstes zugeführt wurde, als der nämliche Heilige Geist beim Gebet auf ihn niederstieg (22).

Der Herr Jesus selbst aber hat, ehe er sein Leben freiwillig für die Welt hingab, den apostolischen Dienst so geordnet und die Sendung des Heiligen Geistes verheißen, daß beide sich darin zusammenfinden, das Werk des Heiles immer und überall zur Fruchtbarkeit zu bringen (23). Der Heilige Geist eint die ganze Kirche alle Zeiten hindurch “in Gemeinschaft und Dienstleistung, stattet sie mit den verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben aus” (24), wobei er die kirchlichen Einrichtungen gleichsam als Seele belebt (25), und senkt den gleichen Geist der Sendung, von dem Christus getrieben war, in die Herzen der Gläubigen ein. Bisweilen geht er sogar sichtbar der apostolischen Tätigkeit voran (26), wie er sie auch auf verschiedene Weisen unablässig begleitet und lenkt (27).

(19) Der Geist ist es, der durch die Propheten gesprochen hat: Symb. Constantinopol.: Denz.-Schönmetzer 150; Leo d. Gr., Sermo 76: “Als am Pfingsttag der Heilige Geist des Herrn die Jünger erfüllte, war dies nicht der Anfang des Geschenks, sondern die Hinzufügung der Fülle, denn auch die Patriarchen, Propheten, Priester und alle Heiligen der vorangegangenen Zeiten wurden durch des gleichen Geistes Heiligung belebt ... wenn auch nicht dasselbe Maß der Gaben war”: PL 54, 450-406. Auch Sermo 77, 1: PL 54, 412; Leo XIII., Enz. Divinum illud, 9. Mai 1897: ASS 29 (1897) 650-651. Auch Joh. Chrysostomus, obgleich er auf der Neuheit der Geistsendung am Pfingsttag insistiert: In Eph. c. 4 Hom. 10, 1: PG 62, 75.
(20) Vgl.
Jn 14,16.
(21) Über Babel und Pfingsten sprechen die Väter oft: Origenes, In Gen. c. 1: PG 12, 112; Gregor v. Nazianz, Oratio 41, 16: PG 36, 449; Joh. Chrysostomus, Hom. 2 in Pentec. 2: PG 50, 467; In Act. Apost.: PG 60, 44; Augustinus, Enarr. in ps. 54, 11: PL 36, 636; CChr 39, 664f.; Sermo 271: PL 38, 1245; Cyrill v. Alexandrien, Glaphyra in Genesim II: PG 69, 79; Gregor d. Gr., Hom. in Evang. Buch II, Hom. 30, 4: PL 76, 1222; Beda, In Hexaem. Buch III: PL 91, 125. Siehe überdies das Bild im Atrium der Markusbasilika in Venedig. Die Kirche spricht alle Sprachen und sammelt so alle in der Katholizität des Glaubens: Augustinus, Sermones 266.267.268.269: PL 38, 1225-1237; Sermo 175, 3: PL 38, 946; Joh. Chrysostomus, In Ep. I ad Cor., Hom. 35: PG 61, 296; Cyrill v. Alexandrien, Fragm. in Act.: PG 74, 758; Fulgentius, Sermo 8, 2-3: PL 65, 743-744. Über Pfingsten als Konsekration der Apostel zur Mission vgl. J. A. Cramer, Catena in Acta SS. Apostolorum (Oxford 1838) 24f.
(22) Vgl. Lc 3,22 Lc 4,1 Ac 10,38.
(23) Vgl. Jn 14-17; Paul VI. Ansprache im Konzil, 14.9.1964: AAS 56 (1964) 807.
(24) Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 4: AAS 57 (1965) 7.
(25) Augustinus, Sermo 267, 4: “Der Heilige Geist wirkt das in der ganzen Kirche, was die Seele in allen Gliedern eines Leibes tut”: PL 38, 1231. Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 7 (mit Anm. 8): AAS 57 (1965) 11.
(26) Vgl. Ac 10,44-47 Ac 11,15 Ac 15,8.
(27) Vgl. Ac 4,8 Ac 5,32 Ac 8,26 Ac 8,29 Ac 8,39 Ac 9,31 Ac 10 Ac 11,24-28 Ac 13,2 Ac 13,4 Ac 13,9 Ac 16,6-7 Ac 20,22-23 Ac 21,11 usw.


5 Der Herr Jesus rief von Anfang an “die zu sich, die er wollte, ... und bestellte Zwölf, damit sie bei ihm seien und er sie sende, zu verkündigen” (Mc 3,13) (28). So bildeten die Apostel die Keime des neuen Israel und zugleich den Ursprung der heiligen Hierarchie. Als er dann ein für allemal durch seinen Tod und seine Auferstehung in sich selbst die Geheimnisse unseres Heils und der Erneuerung von allem vollzogen hatte, gründete er, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist (29), vor der Aufnahme in den Himmel (30) seine Kirche als Sakrament des Heils, sandte die Apostel in alle Welt, so wie er selbst vom Vater gesandt worden war (31) , und trug ihnen auf: “Geht also hin, und macht alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und sie alles halten lehrt, was ich euch geboten habe” (Mt 28,19f.) “Geht in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium aller Kreatur. Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden” (Mc 16,15). So liegt auf der Kirche die Pflicht, den Glauben und das Heil Christi auszubreiten, und zwar sowohl aufgrund des ausdrücklichen Auftrags, der von den Aposteln her dem Bischofskollegium, dem die Presbyter zur Seite stehen, in Einheit mit dem Nachfolger Petri und obersten Hirten der Kirche überkommen ist, wie auch aufgrund des Lebens, das Christus in seine Glieder einströmen läßt. “Von ihm aus wird der ganze Leib zusammengefügt und zusammengehalten durch jedes Band der Dienstleistung gemäß dem Wirken nach dem Maß eines jeden Gliedes. So geschieht das Wachstum des Leibes zum Aufbau seiner selbst in Liebe” (Ep 4,16). Die Sendung der Kirche vollzieht sich mithin durch das Wirken, kraft dessen sie im Gehorsam gegen Christi Gebot und getrieben von der Gnade und Liebe des Heiligen Geistes allen Menschen und Völkern in voller Wirklichkeit gegenwärtig wird, um sie durch das Zeugnis des Lebens, die Verkündigung, die Sakramente und die übrigen Mitteilungsweisen der Gnade zum Glauben, zur Freiheit und zum Frieden Christi zu führen: So soll ihnen der freie und sichere Weg zur vollen Teilhabe am Christusgeheimnis eröffnet werden.

In dieser Sendung setzt die Kirche die Sendung Christi selbst fort, der den Armen frohe Botschaft zu bringen gesandt war, und entfaltet sie die Geschichte hindurch. Deshalb muß sie unter Führung des Geistes Christi denselben Weg gehen, den Christus gegangen ist, nämlich den Weg der Armut, des Gehorsams, des Dienens und des Selbstopfers bis zum Tode hin, aus dem er dann durch seine Auferstehung als Sieger hervorging. Denn solchermaßen sind alle Apostel in der Hoffnung gewandelt, sie, die in vielerlei Trübsal und Leiden ausfüllten, was an den Leiden Christi noch fehlt für seinen Leib, der da ist die Kirche (32). Oft auch erwies sich das Blut der Christen als Same (33).

(28) Vgl. auch Mt 10,1-42.
(29) Vgl. Mt 28,18.
(30) Vgl. Ac 1,11.
(31) Vgl. Jn 20,21.
(32) Vgl. Col 1,24.
(33) Tertullian, Apologeticum 50, 13: PL 1, 534; CChr I, 171.


6 Diese Aufgabe, welche das Bischofskollegium mit dem Nachfolger Petri an der Spitze unter dem Beten und Mitwirken der ganzen Kirche zu erfüllen hat, ist überall und in jeder Lage ein und dieselbe, auch wenn sie, je nach Umständen, nicht in der gleichen Weise ausgeübt wird. Folglich kommen die Unterschiede, die innerhalb dieser Tätigkeit der Kirche anzuerkennen sind, nicht aus dem inneren Wesen der Sendung selbst, sondern aus den Bedingungen, unter denen diese Sendung vollzogen wird.

Diese Bedingungen hängen entweder von der Kirche oder von den Völkern, den Gemeinschaften und den Menschen ab, an die sich die Sendung richtet. Obgleich nämlich die Kirche von sich aus die Gesamtheit oder die Fülle der Heilsmittel umgreift, wirkt sie doch nicht immer und nicht sogleich im vollen Umfang und kann dies auch nicht. Vielmehr kennt sie Anfänge und Stufen in ihrer Tätigkeit, mit der sie den Plan Gottes zu verwirklichen sucht. Ja bisweilen ist sie genötigt, nach glücklich begonnenem Voranschreiten abermals einen Rückschritt zu beklagen, oder sie verbleibt doch wenigstens in einem gewissen Zustand der Unvollständigkeit und Unzulänglichkeit. Was aber die Menschen, Gemeinschaften und Völker anlangt, so berührt und durchdringt sie diese nur schrittweise, und nimmt sie so in die katholische Fülle auf. Jeder der genannten Bedingungen bzw. Stadien müssen eigene Wirkformen und geeignete Mittel entsprechen.

Gemeinhin heißen “Missionen” die speziellen Unternehmungen, wodurch die von der Kirche gesandten Boten des Evangeliums in die ganze Welt ziehen und die Aufgabe wahrnehmen, bei denVölkern oder Gruppen, die noch nicht an Christus glauben, das Evangelium zu predigen und die Kirche selbst einzupflanzen. Sie werden durch die missionarische Tätigkeit verwirklicht und meist in bestimmten, vom Heiligen Stuhl bestätigten Gebieten ausgeübt. Das eigentliche Ziel dieser missionarischen Tätigkeit ist die Evangelisierung und die Einpflanzung der Kirche bei den Völkern und Gemeinschaften, bei denen sie noch nicht Wurzel gefaßt hat (34). So sollen aus dem Samen des Gotteswortes überall auf der Welt wohlbegründete einheimische Teilkirchen heranwachsen, die mit eigener Kraft und Reife begabt sind. Sie sollen eine eigene Hierarchie in Einheit mit dem gläubigen Volk sowie die zum vollen Vollzug christlichen Lebens gehörigen Mittel in einer der eigenen Art gemäßen Weise besitzen und so ihren Teil zum Wohl der Gesamtkirche beitragen. Das hauptsächliche Mittel dieser Einpflanzung ist die Verkündigung der Frohbotschaft von Jesus Christus, die auszurufen der Herr seine Jünger in die ganze Welt gesandt hat, damit die Menschen, wiedergeboren durch das Wort Gottes (35), mittels der Taufe der Kirche eingegliedert werden, die als Leib des fleischgewordenen Wortes vom Wort Gottes und vom eucharistischen Brot genährt wird und lebt (36).

Bei dieser missionarischen Tätigkeit der Kirche treten verschiedene Bedingungen zuweilen nebeneinander auf: zunächst solche des Neubeginns oder Pflanzens, dann solche der Neuheit oder Jugend. Sind diese vorüber, so endigt dennoch die missionarische Tätigkeit der Kirche nicht. Vielmehr obliegt den inzwischen konstituierten Teilkirchen die Pflicht, sie fortzusetzen und das Evangelium den einzelnen zu verkündigen, die noch draußen stehen.

Überdies ändern sich die Gemeinschaften, innerhalb deren die Kirche besteht, aus verschiedenen Ursachen nicht selten von Grund auf, so daß völlig neue Bedingungen auftreten können. Dann muß die Kirche erwägen, ob diese Bedingungen ihre missionarische Tätigkeit neuerdings erfordern. Außerdem sind die Verhältnisse manchmal von der Art, daß für bestimmte Zeit die Möglichkeit fehlt, die Botschaft des Evangeliums direkt und sofort vorzulegen. Dann können und müssen die Missionare geduldig, klug und zugleich mit großem Vertrauen wenigstens Zeugnis ablegen für die Liebe und Güte Christi und so dem Herrn die Wege bereiten und ihn in gewissem Sinn gegenwärtig werden lassen.

So wird deutlich, daß die missionarische Tätigkeit zuinnerst aus dem Wesen der Kirche hervorquillt. Sie breitet ihren heilschaffenden Glauben aus, verwirklicht in der Ausbreitung ihre katholische Einheit und wird von ihrer Apostolizität gehalten. Sie ist Vollzug der kollegialen Gesinnung ihrer Hierarchie und bezeugt, verbreitet und fördert ihre Heiligkeit. Mithin unterscheidet sich die missionarische Tätigkeit unter den Heiden sowohl von der pastoralen Tätigkeit, die den Gläubigen gegenüber auszuüben ist, als auch von den Bemühungen, die zur Wiederherstellung der christlichen Einheit unternommen werden. Gleichwohl sind diese beiden mit dem missionarischen Wirken der Kirche aufs engste verbunden (37); denn Spaltung der Christen “ist ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen” (38) und verschließt vielen den Zugang zum Glauben. Mithin sind von der Notwendigkeit der Mission her alle Gläubigen dazu gerufen, daß sie in einer Herde vereint werden und so vor den Völkern von Christus, ihrem Herrn, einmütig Zeugnis ablegen können. Wenn sie aber den einen Glauben noch nicht voll zu bezeugen vermögen, so müssen sie sich dennoch von gegenseitiger Wertschätzung und Liebe beseelen lassen.

(34) Schon Thomas v. Aquin spricht von der apostolischen Aufgabe, die Kirche zu pflanzen: vgl. Sent. Lib. I, dist. 16, q. 1, a. 2, ad 2 u.4; a. 3, sol.; Summa Theol.
I 43,7, ad 6; I-II 106,4, ad 4. Vgl. Benedikt XV., Enz. Maximum illud, 30. Nov. 1919: AAS 11 (1919) 445 u. 453; Pius XI., Enz. Rerum Ecclesiae, 28. Febr. 1926: AAS 18 (1926) 74; Pius XII., Ansprache an die Direktoren der Päpstlichen Missionswerke, 30. Apr. 1939; ders., Ansprache an die Direktoren der Päpstlichen Missionswerke, 24. Juni 1944: AAS 36 (1944) 210, wieder AAS 42 (1950) 727 u. 43 (1951) 508; ders., Ansprache an den einheimischen Klerus, 29. Juni 1948: AAS 40 (1948) 374; ders., Enz. Evangelii Praecones, 2. Juni 1951: AAS 43 (1951) 507; ders., Enz. Fidei donum, 15. Jan. 1957: AAS 49 (1957) 236; Johannes XXIII., Enz. Princeps Pastorum, 28. Nov. 1959: AAS 51 (1959) 835; Paul VI., Hom., 18. Okt. 1964: AAS 56 (1964) 911. Sowohl die Päpste wie Kirchenväter und scholastische Theologen sprechen oft von der “Ausbreitung” der Kirche: Thomas v. Aquin, Matthäuskomm. 16, 28; Leo XIII., Enz. Sancta Dei Civitas, 3. Dez. 1880: ASS 13 (1880) 241; Benedikt XV., Enz. Maximum illud, 30. Nov. 1919: AAS 11 (1919) 442; Pius XI., Enz. Rerum Ecclesiae, 28. Febr. 1926: AAS 18 (1926) 65.
(35) Vgl. 1P 1,23.
(36) Vgl. Ac 2,42.
(37) Es ist klar, daß in dieser Bestimmung der missionarischen Tätigkeit der Sache nach auch jene Gebiete Lateinamerikas eingeschlossen sind, in denen weder eine eigene Hierarchie noch ein Reifestand christlichen Lebens, noch eine ausreichende Evangeliumsverkündigung gegeben ist. Ob aber diese Gebiete vom Heiligen Stuhl tatsächlich als Missionsgebiete anerkannt werden, hängt nicht vom Konzil ab. Deshalb wird bezüglich der Verknüpfung zwischen dem Begriff der missionarischen Tätigkeit und bestimmten Gebieten absichtlich gesagt, diese Tätigkeit werde “meist” in bestimmten, vom Heiligen Stuhl bestätigten Gebieten ausgeübt.
(38) Vgl. lI. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. UR 1: AAS 57 (1965) 90.


7 Der Grund dieser missionarischen Tätigkeit ergibt sich aus dem Plan Gottes, der “will, daß alle Menschen heil werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn es ist nur ein Gott und nur ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle hingegeben hat” (1Tm 2,4-6), “und in keinem andern ist Heil” (Ac 4,12). So ist es nötig, daß sich alle zu ihm, der durch die Verkündigung der Kirche erkannt wird, bekehren sowie ihm und seinem Leib, der Kirche, durch die Taufe eingegliedert werden. Christus selbst hat nämlich “mit ausdrücklichen Worten die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe betont (39) und damit zugleich die Notwendigkeit der Kirche, in die die Menschen durch die Taufe wie durch eine Tür eintreten, bekräftigt. Darum könnten jene Menschen nicht gerettet werden, die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren wollten” (40). Wenngleich Gott Menschen, die das Evangelium ohne ihre Schuld nicht kennen, auf Wegen, die er weiß, zum Glauben führen kann, ohne den es unmöglich ist, ihm zu gefallen (41), so liegt also doch auf der Kirche die Notwendigkeit (42) und zugleich das heilige Recht der Evangeliumsverkündigung. Deshalb behält heute und immer die missionarische Tätigkeit ihre ungeschmälerte Bedeutung und Notwendigkeit.

Durch sie sammelt und ordnet der mystische Christusleib immerfort Kräfte zum eigenen Wachstum (43). Ihr nachzugehen werden die Glieder der Kirche durch die Liebe getrieben, mit der sie Gott lieben und durch die sie mit allen Menschen in den geistlichen Gütern des gegenwärtigen wie des künftigen Lebens Gemeinschaft zu haben verlangen.

Endlich gehört diese missionarische Tätigkeit zur vollen Verherrlichung Gottes, indem die Menschen sein Heilswerk, das er in Christus vollzogen hat, bewußt und in seiner Ganzheit annehmen. So wird durch sie der Plan Gottes erfüllt, dem Christus gehorsam und liebend gedient hat zur Herrlichkeit des Vaters, der ihn dazu gesandt hat (44), daß das ganze Menschengeschlecht ein Volk Gottes bilde, in den einen Leib Christi zusammenwachse und zu dem einen Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut werde. Das entspricht, da es die brüderliche Eintracht zum Ausdruck bringt, ganz den innersten Wünschen aller Menschen. So wird endlich der Ratschluß des Schöpfers, der den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen, wahrhaft erfüllt, wenn alle, die an der menschlichen Natur teilhaben, in Christus durch den Heiligen Geist wiedergeboren, in einmütigem Schauen der Herrlichkeit Gottes sagen können: “Vater unser” (45).

(39) Vgl. Mc 16,16 Jn 3,5.
(40) Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 14: AAS 57 (1965) 18.
(41) Vgl. He 11,6.
(42) Vgl. 1Co 9,16.
(43) Vgl. Ep 4,11-16.
(44) Vgl. Jn 7,18 Jn 8,30 Jn 8,44 Jn 8,50 Jn 17,1.
(45) Zu dieser Synthese vgl. die Rekapitulationstheologie des heiligen Irenäus. Vgl. auch Hippolyt, De Antichristo 3: “Alle begehrt er, alle möchte er retten, alle will er zu Kindern Gottes machen, und alle Geheiligten beruft er zu dem einen vollkommenen Menschen”: PG 10, 732; GCS Hippolyt I, 2, S. 6; Benedictiones Jacob 7: TU 38, 1, S. 18, Z. 4f.; Origenes, In Ioann. I, 16: “Dann wird das Gott erkennen derer, die, geleitet von dem Wort, das bei Gott ist, zu Gott gelangt sein werden, eine einzige Handlung sein, daß so, in der Erkenntnis des Vaters gebildet, wie jetzt nur der Sohn den Vater erkennt, alle wahrhaft Söhne seien”: PG 14, 49; GCS Origenes IV, 20; Augustinus, De sermone Domini in monte I, 41: “Wir wollen lieben, was mit uns zu jenem Reich kommen kann, wo niemand sagt: Mein Vater, sondern alle zu dem einen Gott sagen: Vater unser”: PL 34, 1250; Cyrill v. Alex., In Ioann. I: “Wir sind nämlich alle in Christus, und die gemeinsame Person der Menschheit findet in ihm neues Leben. Deshalb trägt er ja auch den Namen 'letzter Adam' ... Unter uns hat er nämlich gewohnt, der von Natur aus Sohn ist und Gott; darum rufen wir in seinem Geiste: Abba, Vater! Es wohnt aber das Wort in allen als in einem einzigen Tempel, den es unseretwegen und aus uns angenommen hat, um, alle in sich tragend, alle in dem einen Leib, wie Paulus sagt, den Vater zu versöhnen”: PG 73, 161-164.


8 Auch zu der menschlichen Natur und ihren Strebungen steht die missionarische Tätigkeit in enger Verbindung. Eben dadurch nämlich, daß sie Christus verkündet, offenbart die Kirche zugleich dem Menschen die ursprüngliche Wahrheit dessen, was es um ihn ist und worin seine volle Berufung liegt. Christus ist ja Ursprung und Urbild jener erneuerten, von brüderlicher Liebe, Lauterkeit und Friedensgeist durchdrungenen Menschheit, nach der alle verlangen. Christus und die Kirche, die von ihm durch die Predigt des Evangeliums Zeugnis gibt, überschreiten alle Besonderheit der Rasse oder der Nation und können deshalb von niemand und nirgendwo als fremd erachtet werden (46) . Christus selbst ist die Wahrheit und der Weg, welche die Predigt des Evangeliums allen zugänglich macht, indem sie an die Ohren aller die Worte eben dieses Christus heranträgt: “Tut Buße, und glaubt dem Evangelium” (Mc 1,15). Da aber, wer nicht glaubt, schon gerichtet ist (47), so sind die Worte Christi zugleich Worte des Gerichts und der Gnade, des Todes und des Lebens; denn wir können zum neuen Leben nur hinzutreten, indem wir das alte in den Tod hineingeben. Das gilt zunächst von den Personen, dann aber auch von den verschiedenen Gütern dieser Welt, die zugleich von der Sünde des Menschen und von der Segnung Gottes gezeichnet sind: “Alle haben nämlich gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes” (Rm 3,23). Niemand wird durch sich selbst und aus eigener Kraft von der Sünde erlöst und über sich hinausgehoben, niemand vollends von seiner Schwachheit, Einsamkeit oder Knechtschaft frei gemacht (48), vielmehr brauchen alle Christus als Beispiel, Lehrer, Befreier, Heilbringer, Lebensspender. In der Tat war das Evangelium in der Geschichte, auch der profanen, den Menschen ein Ferment der Freiheit und des Fortschritts und bietet sich immerfort als Ferment der Brüderlichkeit, der Einheit und des Friedens dar. Nicht ohne Grund wird Christus von den Gläubigen gefeiert als die “Erwartung der Völker und ihr Erlöser” (49).

(46) Benedikt XV., Enz. Maximum illud, 30. Nov. 1919: “Denn als Kirche Gottes ist sie katholisch und für kein Volk und keine Nation fremd ...”: AAS 11 (1919) 445. Vgl. Johannes XXIII., Enz. Mater et Magistra: “Von göttlichem Recht her gehört sie zu allen Völkern ... Wenn die Kirche sozusagen in die Adern irgendeines Volkes ihre Lebenskraft einbringt, ist sie deshalb nicht irgendeine Institution, die diesem Volk von außen her aufgestülpt wird, und sie versteht sich auch selbst nicht so ... Und deshalb unterstützen und vollenden sie (d. h. die in Christus Wiedergeborenen), was immer ihnen gut und wertvoll erscheint”, 25. Mai 1961: AAS 53 (1961) 444.
(47) Vgl. Jn 3,18.
(48) Vgl. Irenäus, Adv. Haer. III., 15, 3: “Sie waren Verkünder der Wahrheit und Apostel der Freiheit”: PG 7, 919.
(49) O-Antiphon der Vesper am 23. Dezember im römischen Brevier.


9 Die Zeit der missionarischen Tätigkeit liegt also zwischen der ersten Ankunft des Herrn und seiner Wiederkunft, bei der die Kirche von den vier Winden her wie die Ernte in die Herrschaft Gottes gesammelt wird (50). Bevor nämlich der Herr kommt, muß allen Völkern die frohe Botschaft verkündigt werden (51).

Missionarische Tätigkeit ist nichts anderes und nichts weniger als Kundgabe oder Epiphanie und Erfüllung des Planes Gottes in der Welt und ihrer Geschichte, in der Gott durch die Mission die Heilsgeschichte sichtbar vollzieht. Durch das Wort der Verkündigung und die Feier der Sakramente, deren Mitte und Höhepunkt die heilige Eucharistie darstellt, läßt sie Christus, den Urheber des Heils, gegenwärtig werden. Was immer aber an Wahrheit und Gnade schon bei den Heiden sich durch eine Art von verborgener Gegenwart Gottes findet, befreit sie von der Ansteckung durch das Böse und gibt es ihrem Urheber Christus zurück, der die Herrschaft des Teufels zerschlägt und die vielfältige Bosheit üblen Tuns in Schranken hält. Was an Gutem in Herz und Sinn der Menschen oder auch in den jeweiligen Riten und Kulturen der Völker keimhaft angelegt sich findet, wird folglich nicht bloß nicht zerstört, sondern gesund gemacht, über sich hinausgehoben und vollendet zur Herrlichkeit Gottes, zur Beschämung des Satans und zur Seligkeit des Menschen (52). So strebt die missionarische Tätigkeit auf die eschatologische Fülle hin (53), denn durch sie wird bis zu dem Maß und der Zeit, die der Vater in seiner Vollmacht festgesetzt hat (54), das Volk Gottes ausgebreitet, dem prophetisch gesagt ist: “Erweitere deines Zeltes Raum, und deine Zelttücher spanne aus! Spare nicht!” (
Is 54,2) (55) So entfaltet sich der mystische Leib bis zum Maß des Vollalters Christi (56), und der geistliche Tempel, worin Gott angebetet wird in Geist und Wahrheit (57), wächst und wird aufgebaut “auf dem Fundament der Apostel und Propheten, während Christus selbst der Eckstein ist” (Ep 2,20).

(50) Vgl. Mt 24,31; Didache 10, 5: ed. Funk I, 32.
(51) Vgl. Mc 13,10.
(52) II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 17: AAS 57 (1965) 20-21; Augustinus, De Civ. Dei 19, 17: PL 41, 646; Instructio der Kongregation für die Glaubensverbreitung: Collectanea I, n. 135, S. 42.
(53) Nach Origenes muß das Evangelium vor der Vollendung der Welt verkündet werden: Hom. in Lc. 21: GCS Orig. IX, 136, 21f.; In Matth. comm. ser. 39: ebd. XI., 75, 25f.; 76, 4f; Hom. in Jer. 3, 2: ebd. VIII., 308, 29f.; Thomas v. Aquin, Summa Theol. I-II 106,4, ad 4.
(54) Vgl. Ac 1,7.
(55) Hilarius v. Poitiers, In ps. 14: PL 9, 301; Eusebius v. Caesarea, In Is. 54, 2-3: PG 24, 462-463; Cyrill v. Alexandrien, In Is. V, cap. 54, 1-3: PG 70, 1193.
(56) Vgl. Ep 4,13.
(57) Vgl. Jn 4,23.



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