(Contra Haereses) 106

106

6. Kapitel: Die Moral der Gnostiker

1.

Aus drei Stücken also besteht der Mensch. Das Materielle, die linke Seite, geht notwendig zugrunde, da es keinen Hauch von Unsterblichkeit aufnehmen kann; das Seelische, die rechte Seite, das zwischen dem Geistigen und Körperlichen liegt, geht dorthin, wohin es sich neigen wird; das Geistige aber ist dazu hinausgesandt, damit es hienieden durch die Vermählung mit dem Seelischen gestaltet, erzogen und emporgehoben werde. Das sei das „Salz und Licht der Welt“ (Vgl. Mt. Mt 13,14). Doch auch dem Seelischen taten sinnliche Zuchtmittel not. Deswegen wurde die Welt erschaffen und kam der Heiland zu dem mit freiem Willen ausgerüsteten Seelischen, um es zu retten. Von dem nämlich, was er retten wollte, nahm er die Erstlinge, von der Achamoth das Geistige, von dem Demiurg den seelischen Christus, von der Heilsordnung aber den umkleidenden Leib, der zwar eine seelische Substanz besitzt, aber mit unsäglicher Kunst so eingerichtet wurde, daß er sichtbar, greifbar und leidensfähig wurde, Materielles aber nahm er nichts an, denn das Materielle ist für das Heil unempfänglich. Die Vollendung aber wird eintreten, wenn das Geistige, d. h. die geistigen Menschen, die eine vollkommene Erkenntnis Gottes und der Achamoth besitzen — das sind die in den Mysterien Unterrichteten — durch diese Erkenntnis umgestaltet und vollendet sein werden.



2.

Seelisch aber werden erzogen die seelischen Menschen, die auf ihre Werke und den schlichten Glauben bauen und keine vollkommene Erkenntnis besitzen. Das sind wir von der Kirche, denen allerdings zur Seligkeit gute Werke notwendig sind. Sie aber werden nicht durch die Werke, sondern durch ihre geistige Natur auf jeden Fall selig. Wie nämlich das Materielle unmöglich selig werden kann, weil es der Seligkeit nicht fähig ist, so kann das Geistige — was sie selber sind — nicht verdammt werden, wie auch immer seine Taten waren. Wie nämlich das Gold im Kote seine Schönheit nicht verliert und seine Natur bewahrt, unbeeinträchtigt von dem Kote, so werden auch sie nicht beschädigt, noch verlieren sie ihre geistige Wesenheit, da ihnen die materiellen Handlungen nichts anhaben können,



3.

Daher tun denn auch die Vollkommensten von ihnen alles Verbotene ohne Scheu, jene Dinge, von denen die Schriften versichern, daß „die, welche solches tun, das Reich Gottes nicht erben werden“ (Ga 5,21). Götzenopfer essen sie unbedenklich und glauben sich nicht dadurch zu beflecken. Bei jedem Feiertagsvergnügen der Heiden, das zu Ehren der Götzen veranstaltet wird, stellen sie sich als die ersten ein. Nicht einmal von den bei Gott und den Menschen verhaßten Tierkämpfen und menschenmordenden Einzelkämpfen halten manche sich fern. Andere dienen maßlos den Lüsten des Fleisches und sagen, man müsse das Fleisch dem Fleische, den Geist dem Geiste darbringen. Einige wiederum schänden heimlich die Weiber, die sie in ihrer Lehre unterrichten, — oftmals schon haben es Frauen, die von ihnen verführt waren und sich alsdann bekehrten, mit ihrer sonstigen Verirrung bekannt —; andere nahmen öffentlich und ohne Scheu Frauen, in die sie sich verliebt hatten, ihren Männern weg und machten sie zu ihren Weibern; noch andere schließlich, die anfangs ehrbar mit ihnen wie mit Schwestern zu verkehren vorgaben, wurden im Laufe der Zeit ertappt, als die Schwester von dem Bruder schwanger geworden war.



4.

Nicht genug damit: während sie vieles Schändliche und Gottlose begehen, fallen sie über uns her, die wir aus Gottesfurcht uns hüten, auch nur in Gedanken oder Worten zu sündigen, wie über Idioten und Dummköpfe; sich selbst aber überheben sie, indem sie als die Vollkommenen sich bezeichnen und den Samen der Auserwählung. Wir sollen die Gnade nur zum Gebrauch erhalten und danach wieder verlieren, sie wollen die Gnade von oben her aus der unaussprechlichen und unnennbaren Verbindung als ihr Eigentum in Besitz haben, und deswegen werde ihnen „noch hinzugelegt werden“ (Vgl. Lk. Lc 19,26).



5.

Deswegen müssen sie sich auch immer um das Geheimnis der Eheverbindung bemühen. Und deswegen reden sie den Unverständigen wortwörtlich vor: Wer in dieser Welt ist [der Gnostiker] und kein Weib liebt, so daß dasselbe bezwungen wird, der ist nicht aus der Wahrheit, noch wird er zur Wahrheit gelangen. Wer aber von dieser Welt ist [der Psychiker] und vom Weibe bezwungen wird, der kommt nicht zur Wahrheit, eben weil er der Begierde zum Weibe unterlegen ist. Wir also, die Psychiker, die wir von dieser Welt sind, brauchen die Enthaltsamkeit und gute Werke, damit wir dadurch in den Ort der Mitte gelangen; sie aber, die Geistigen und Vollkommenen, keineswegs. Denn nicht die Werke fuhren ins Pleroma hinein, sondern der Same, der von dort im Anfangsstadium entsendet, hier aber vollendet wird.




107

7. Kapitel: Dreierlei Menschen und ihr Los

1.

Wenn aber der gesamte Same vollendet ist, dann verläßt ihre Mutter Achamoth den Ort der Mitte, um in das Pleroma einzugehen und dort ihren Bräutigam, den Heiland zu empfangen, der aus dem All geworden ist, und dann vereinigt sich der Heiland mit der Sophia, der Achamoth. Das ist der „Bräutigam und die Braut“ (Vgl. Mt. Mt 9,15). Das Brautgemach aber ist das gesamte Pleroma. Dana ziehen die Geistigen, die ihre Seelen abgelegt haben und reine Geister geworden sind, ungehindert und ungesehen in das Pleroma ein, um den Engeln aus der Umgebung des Heilandes als Bräute zugeführt zu werden, und auch der Demiurg siedelt über nach dem Ort seiner Mutter Sophia, dem Ort der Mitte, und hier machen auch die Seelen der Gerechten halt, denn nichts Seelisches kann in das Pleroma eingehen. Danach aber wird das in der Welt verborgene Feuer hervorbrechen, sich entzünden, alle Materie zerstören und zugleich mit ihr vernichtet und in das Nichts übergeführt werden. Der Demiurg aber hat vor der Ankunft des Heilands von diesen Dingen nichts gewusst.



2.

Manche jedoch sagen, er habe Christum als seinen eigenen, wenn schon seelischen Sohn hervorgebracht, von diesem redete er durch die Propheten. Er ging durch Maria hindurch, wie Wasser durch die Rinne läuft, auf ihn ist bei der Taufe der von dem Pleroma des Alls abstammende Heiland in Gestalt einer Taube hinabgestiegen, wie in ihm auch der geistige Same der Achamoth gewesen ist. Aus folgenden vier Dingen also soll unser Heiland zusammengesetzt sein, indem er die Form der ursprünglichen ersten Vierheit beibehielt: aus dem Geistigen, das aus der Achamoth stammte, aus dem Seelischen von dem Demiurgen, aus der unsagbar kunstvoll hergerichteten Wohnstätte und aus dem in Gestalt einer Taube auf ihn herabgestiegenen Heiland. Leidensunfähig aber war er und konnte nicht leiden, da er unbesiegbar und unsichtbar war. Darum hat sich, als er zu Pilatus geführt wurde, der ihm eingepflanzte Geist Christi zurückgezogen. Ebensowenig hat auch der von der Mutter stammende Same gelitten, da er als geistiges und selbst für den Demiurgen unsichtbares Wesen nicht leiden konnte. So litt denn nur der seelische Christus und der aus der Heilsordnung geheimnisvoll zubereitete, damit in ihm die Mutter das Bild jenes oberen Christus darstellte, die sich bis zum Kreuze ausdehnte und die Achamoth nach seiner Wesenheit gestaltete. Denn die irdischen Vorgänge sind nur die Abbilder jener Ereignisse.



3.

Die den Samen der Achamoth empfangen haben, sind besser als die übrigen Seelen, darum liebt sie der Demiurg auch mehr als die andern, indem er meint, daß er sie so erschaffen habe, und die wahre Ursache nicht kennt. Deshalb verordnete er sie auch zu Propheten, Priestern und Königen. Da aber die Propheten von besserer Wesenheit sind, hat der Same vieles durch ihren Mund gesprochen; vieles aber von diesen höheren Dingen hat auch die Mutter gesprochen, jedoch durch ihn und die von ihm abstammenden Seelen. Demgemäß zerfallen die Prophezeiungen in solche, die vom Sperma, in solche, die von der Mutter, in solche, die von dem Demiurgen kommen. Ebenso hat Jesus seine Aussprüche teils vom Heiland, teils von der Mutter, teils von dem Demiurgen, wie wir im Verlauf unseres Werkes zeigen werden.



4.

Der Demiurg aber, der ja das, was über ihm ist, nicht kennt, wird zwar von seinen Aussprüchen bewegt, achtet sie aber gering, indem er ihre eigentliche Ursache verkennt und bald den Geist mit der diesem eigentümlichen Bewegung, bald auch den Menschen oder auch irgend einen niederen Anstoß dafür ansieht. In dieser Unwissenheit verharrte er bis zur Ankunft des Herrn. Wie der aber kam, hat er alles von ihm erfahren und ist freudig mit allen Kräften ihm entgegengeeilt. Er ist der Hauptmann im Evangelium, der zu dem Heiland sprach: „Auch ich nämlich habe unter meiner Botmäßigkeit Soldaten und Knechte, und wenn ich etwas befehle, so tun sie es“ (Mt 8,9). Er wird aber seine Weltregierung bis zur festgesetzten Zeit fortführen, hauptsächlich weil ihm die Kirche am Herzen liegt, dann aber weil er weiß, daß ihm als Kampfpreis bestimmt ist, an den Ort seiner Mutter zu gelangen.



5.

Es gibt also dreierlei Menschen: geistige, materielle und seelische, wie Kain, Abel und Seth; aus diesen weisen sie die drei Naturen nicht mehr für den einzelnen, sondern für die ganzen Gattungen nach. Die materielle Gattung geht einfach zugrunde; die seelische wird, wenn sie den bessern Teil erwählt, an dem Ort der Mitte ausruhen, wenn sie aber das Schlechtere erwählt, wird ihr nach ihrem Wunsch geschehen; das Geistige aber, das die Achamoth von ehemals bis jetzt in die Seelen der Gerechten einpflanzte, das wird hienieden erzogen und ernährt, weil es ja unmündig entlassen wurde, später aber der Vollendung gewürdigt, indem es als Braut den Engeln des Heilandes übergeben wird, während ihre Seelen notwendigerweise in dem Ort der Mitte bei dem Demiurgen auf ewig ausruhen werden. Aber auch die seelischen Seelen zerfallen wieder in zwei Abteilungen: die einen sind von Natur gut, die andern böse. Nur die guten sind fähig, den Samen aufzunehmen, die von Natur bösen werden ihn niemals empfangen.




108

8. Kapitel: Weiterer Mißbrauch der Hl. Schrift

1.

Das sind nun ihre Lehrmeinungen, die weder die Propheten verkündeten, noch der Herr lehrte, noch die Apostel überlieferten, die sie besser zu verstehen sich rühmen als alle anderen, die niemals gelehrt, nirgends in der Schrift enthalten sind, und die sie doch vorlesen. Indem sie, wie man so sagt, aus Sand Seile flechten, suchen sie ihren Lehren die Parabeln des Herrn, die Aussprüche der Propheten oder die Worte der Apostel anzupassen, damit ihr Hirngespinst nicht ohne Zeugnisse bleibe. Aber die Ordnung und den Zusammenhang der Schriften übertreten sie und lösen nach Kräften die Glieder der Wahrheit auf. Sie versetzen und stellen um, verändern völlig den Sinn und täuschen viele durch ihre trügerische Zusammenstellung der Reden des Herrn. Gleichwie wenn jemand an dem von einem weisen Künstler aus bunten Steinen schön zusammengestellten Bilde eines Königs die zugrunde liegende menschliche Gestalt auflösen, die Steine versetzen und umändern, die Gestalt eines Hundes oder Fuchses machen und dazu noch schlecht ausführen wollte und behaupten, das sei jenes schöne Bild des Königs, das der weise Künstler fertigte, um so durch sein Steingebilde die Unerfahrenen in Irrtum zu führen, die keine Ahnung von der wirklichen Gestalt eines Königs haben, und ihnen einzureden, die stinkende Figur des Fuchses sei das schöne Bild des Königs — auf genau dieselbe Weise flicken auch diese Alteweibermärchen zusammen, reißen dann Reden, Worte und Parabeln aus ihrem Zusammenhang und wollen diese Worte des Herrn ihren Fabeln anpassen. So erhielten sie die oben erzählte Geschichte von den innern Vorgängen im Pleroma.



2.

Was sie aber für die äußern Vorgänge des Pleroma aus den Schriften sich anzueignen versuchen, ist folgendes: Der Herr ist in den letzten Zeiten der Welt in sein Leiden geraten, um das über den letzten der Äonen gekommene Leiden anzuzeigen, und durch sein Ende zu offenbaren das Ende des Schicksals der Äonen. Das zwölfjährige Mädchen aber, die Tochter des Synagogenvorstehers, die der Herr durch seine Gegenwart von den Toten auferweckte, ist ein Sinnbild der Achamoth, welche ihr Christus gestaltete, indem er sich nach ihr ausstreckte und zum Bewußtsein zurückführte, daß sie das Licht verlassen hatte. Daß aber der Heiland ihr, als sie außerhalb des Pleroma im embryonalen Zustande verweilte, erschienen sei, das hat Paulus im Korintherbriefe mit den Worten gesagt: „Zuletzt ist er auch mir erschienen als einer frühzeitigen Geburt“ (1Co 15,8). Auch das Herniedersteigen zu der Achamoth in Begleitung seiner Altersgenossen hat er gleichfalls in demselben Briefe kundgetan, indem er sagt: „Das Weib soll wegen der Engel einen Schleier auf dem Kopfe tragen“ (Ebd. 11,10). Und als der Heiland zu ihr kam, da warf aus Scham Achamoth einen Schleier um; das zeigt Moses an, indem er einen Schleier über sein Angesicht legte. Ebenso tat ihre schmerzlichen Leiden der Heiland am Kreuze kund. Und indem er rief: „O mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46) erinnerte er daran, daß die Sophia von dem Lichte verlassen und vom Horos am Weiterdringen verhindert wurde. Auf ihre Trauer nimmt Bezug sein Ausspruch: „Meine Seele ist betrübt bis zum Tode“ (Mt 26,38), auf ihre Angst ebenso sein Wort: „Vater, wenn es möglich ist, gehe an mir dieser Kelch vorüber“ (Ebd. 39), und auf ihre Verwirrung auch sein Wort: „Und was ich sagen soll, weiß ich nicht“ (Jn 12,27).



3.

Die drei Gattungen der Menschen hat er so angezeigt: Die materielle, indem er zu dem, der ihn fragte: „Soll ich Dir folgen?“ sprach: „Des Menschen Sohn hat nicht, wohin er sein Haupt lege“ (Lc 9,57), die seelische, da er dem, der da sagte: „Ich will Dir folgen, doch laß mich zuerst von meinen Hausgenossen Abschied nehmen“, antwortete: „Keiner, der seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, ist für das Himmelreich tauglich“ (Ebd. 9,61f.). Das war einer von den Mittleren und ebenso auch jener, der da behauptete, die meisten Stücke der Gerechtigkeit erfüllt zu haben, dann aber nicht folgen wollte, indem der Reichtum ihn hinderte vollkommen zu werden. Das also war auch einer von den seelischen Menschen. Das Geistige aber hat der Heiland bezeichnet, indem er sprach: „Laß die Toten ihre Toten begraben, du aber geh und verkündige das Reich Gottes“ (Ebd. 9,60). Und der Zöllner, zu dem er sprach: „Steig eilends herab, denn heute muß ich in deinem Hause verbleiben“ (Ebd. 19,5), der gehörte auch zu dem geistigen Geschlecht. Auch die Parabel von dem Sauerteig, den das Weib unter die drei Scheffel Mehl verbarg, zeigt nach ihnen deutlich die drei Gattungen an. Das Weib nämlich soll die Sophia bedeuten, die drei Scheffel Mehl aber die drei Gattungen von Menschen, die geistige, seelische und materielle. Der Sauerteig soll der Heiland selbst sein. Auch Paulus hat deutlich die geistigen, seelischen und materiellen Menschen bezeichnet. „Wie der Irdische, so auch die Irdischen“, sagt er an einer Stelle (1Co 15,46) , an einer andern aber: „Der seelische Mensch faßt nicht, was des Geistes ist“ (Ebd. 2,14), and wiederum: „Der Geistige beurteilt alles“ (Ebd. 2,15). Die eben genannte zweite Stelle zielt auf den Demiurgen, der als seelisches Wesen weder die Mutter kennt, die geistig ist, noch ihren Samen, noch die im Pleroma befindlichen Äonen. Daß aber der Heiland von denen, die er retten wollte, die Erstlinge aufnahm, bezeichnet Paulus mit den Worten: „Wenn die Erstlinge heilig sind, ist es auch die Masse“ (Rm 11,16). Der Erstling bedeutet das Geistige, die Masse sind wir, d, h. die seelische Kirche, von der er die Teigmasse angenommen und in sich erhoben hat, da er selbst der Sauerteig war.



4.

Auch daß die Achamoth außerhalb des Pleroma herumirrte, von dem Christus gestaltet und von dem Heiland aufgesucht wurde, sehen sie offenbart in den Worten: „Ich bin gekommen zu den Verirrten“ (Vgl. Lk. Lc 15,4). Das verirrte Schaf nämlich erklären sie für ihre Mutter, von der die irdische Kirche ausgesät sein soll; die Verirrung aber für ihren schmerzvollen Aufenthalt außerhalb des Pleroma, aus dem die Materie entstanden sein soll. Das Weib, das ihr Haus auskehrt und die Drachme findet, deuten sie als die obere Sophia, die ihre Enthymesis verloren hatte und sie später fand, als alles durch die Ankunft des Heilandes gereinigt wurde. Darum wird diese auch nach ihnen wieder in das Pleroma eingesetzt. Simeon, der Christum auf seine Arme nahm, Gott dankte und sprach: „Nun entlassest Du Deinen Diener, o Herr, nach Deinem Worte in Frieden“ (Ebd. 2,28)ist ein Abbild des Demiurgen, der durch die Ankunft des Heilandes seine Veränderung spürte und dem Bythos Dank sagte, Die Prophetin Anna, von der es im Evangelium heißt, daß sie sieben Jahre mit ihrem Manne verkehrte, die ganze übrige Zeit aber Witwe blieb, bis sie den Heiland sah und erkannte und von ihm zu allen redete, bedeutet auf das klarste die Achamoth, die auf kurze Zeit mit ihren Gefährten den Heiland erblickte, die ganze übrige Zeit aber in der Mitte blieb und ihn erwartete, bis er wieder kommen und sie in ihre Verbindung einsetzen werde. Sogar ihr Name ist von dem Heiland offenbart, indem er sagte: „Gerechtfertigt ist die Weisheit vor ihren Kindern“ (Ebd. 7,35); auch von Paulus mit den Worten: „Weisheit aber reden wir unter den Vollkommenen“ (1Co 2,6). — Auch die Eheverbindungen innerhalb des Pleroma hat Paulus mit dem einen Worte gekennzeichnet, indem er von den Ehen dieses Lebens schreibt: „Dies Geheimnis ist groß, ich sage aber in Christas und der Kirche“ (Ep 5,32).



5.

Ferner hat Johannes, der Schüler des Herrn, die erste Achtheit auf folgende Weise gelehrt: Da derselbe Johannes den Anfang aller Dinge darstellen wollte, wonach der Vater alles hervorgebracht hat, da stellte er gewissermaßen als Anfang das zuerst vom Vater Erzeugte hin, das er auch den Eingebornen Sohn und Gott nannte, in welchem der Vater das All wie in einem Samenkeime hervorbrachte. Von diesem ist der Logos ausgegangen und in ihm die ganze Wesenheit der Äonen, die später der Logos selber gestaltete. Da er nun vom ersten Anfang sprechen will, so beginnt er geziemenderweise seinen Unterricht von dem Anfang, d. h. vom Vater und dem Logos, indem er also spricht: „Im Anfange war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort, dieses war im Anfang bei Gott“ (Jn 1,1-2). Zuerst unterscheidet er sie dreifach: Gott, den Anfang und das Wort, dann zieht er sie in eins zusammen, um den Ausgang des Sohnes und des Logos anzuzeigen und auch die zwischen ihnen gegenseitig und dem Vater bestehende Einheit. In dem Vater nämlich und aus dem Vater ist der Anfang, und in dem Anfang wie aus dem Anfang ist der Logos. Darum sagte Johannes ganz richtig: „Im Anfange war das Wort“, denn das Wort war in dem Sohne, „und das Wort war bei Gott“ d. h. bei dem Anfang, „und Gott war das Wort“ natürlich, denn was aus Gott geworden, ist selber Gott. „Dieser war im Anfang bei Gott“, damit zeigte er die Reihenfolge des Ausganges an; „alles ist durch ihn geworden und ohne ihn wurde nichts“, denn allen Äonen nach ihm hat der Logos Wesenheit und Gestalt gegeben. „Aber was in ihm geworden ist, ist das Leben.“ Damit weist er auf die eheliche Zeugung hin; von dem All nämlich sagt er, daß es durch ihn geworden sei, das Leben aber ist in ihm geworden. Dieses in ihm gewordene Leben steht ihm also näher als das durch ihn Gewordene, denn es ist mit ihm zusammen und bringt durch ihn Früchte. Indem Johannes dann fortfährt: „Und das Leben war das Licht der Menschen“, hat er die Kirche und den Menschen mit demselben Namen bezeichnet, damit er durch denselben Namen ihre eheliche Gemeinschaft bezeichne. Denn aus dem Logos und der Zoe[16] wurde der Mensch und die Kirche. Licht der Menschen aber nannte er das Leben, weil sie von der Zoe erleuchtet wurden, d. h. gestaltet und geoffenbart. Dasselbe sagt auch Paulus mit den Worten: „Alles, was sich offenbart, ist Licht“ (Ep 5,13).



6.

Da nun die Zoe den Menschen und die Kirche offenbarte und gebar, so wird sie mit Recht ihr Licht genannt. Dies alles hat der Apostel deutlich angezeigt und auch die zweite Vierheit, die da aus dem Logos und der Zoe, dem Menschen und der Kirche besteht. Aber auch die erste Vierheit tat er kund. Indem er nämlich von dem Heiland spricht und sagt, daß alles außerhalb des Pleroma von ihm gestaltet wurde, lehrt er, der Heiland sei eine Frucht des gesamten Pleroma. Er nannte ihn auch das Licht, das in der Finsternis leuchtete und von ihr nicht begriffen wurde, weil er ja von ihr nicht als der Ordner aller aus dem Leid entstandenen Dinge erkannt wurde. Sohn und Wahrheit und Leben und Fleisch gewordenes Wort nennt er ihn. „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, und es war seine Herrlichkeit, wie die des Eingebornen, die ihm vom Vater verliehen wurde, voll der Gnade und Wahrheit.“ In Wirklichkeit aber heißt es: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir sahen seine Herrlichkeit als die des Eingebornen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit“ (Jn 1,14). Genau also offenbarte er die erste Vierheit: den Vater und die Gnade[17] , den Eingebornen und die Wahrheit[18] . Ebenso hat Johannes von der ersten Achtheit und Mutter aller Äonen gesprochen, denn er nannte den Vater und die Charis, den Eingebornen und die Wahrheit, den Logos und das Leben, den Menschen und die Kirche.




109

9. Kapitel: Widerlegung der gnostischen Schrifterklärung

1.

Das ist, mein Lieber, die Methode, mit der sie sich selbst betrügen, indem sie die Schriften misshandeln und ihren Hirngespinsten anzupassen versuchen. Deshalb habe ich Dir auch ihre Redereien vorgeführt, damit Du daraus die Hinterlist ihres Betruges und die Bosheit ihres Irrtums erkennest. Erstens, wenn dem Johannes daran lag, die obere Achtheit anzuzeigen, dann hätte er wohl die Reihenfolge des Hervorganges innegehalten und die erste Vierheit als die ehrwürdigere zuerst genannt und dann die zweite angefügt, damit durch diese Reihenfolge in der Nennung auch die Reihenfolge in der Achtheit angezeigt werde. Nicht aber hätte er nach einem so großen Zwischenraum, der den Anschein erweckt, als hätte er sie zunächst vergessen und sich später erst besonnen, die erste Vierheit an letzter Stelle erwähnt. Zweitens, wenn er die Verbindungen hätte offenbaren wollen, dann hätte er den Namen der Kirche gewiß nicht ausgelassen. Er hätte sich entweder wie bei den übrigen Verbindungen mit der Anführung der männlichen Namen begnügt, da man sich hier wie dort jene hinzudenken kann, um überall die Gleichmäßigkeit zu beobachten, oder wenn er die Verbindungen der übrigen aufzählte, dann hätte er auch die Ehehälfte des Menschen genannt, nicht aber uns es überlassen, ihren Namen durch Wahrsagerei zu erraten.



2.

Ihre Schriftauslegung ist also eine offenkundige Fälschung. Denn wenn Johannes einen allmächtigen Gott und einen Eingebornen, Christus Jesus, verkündet, durch den er alles gemacht sein läßt, diesen Sohn als das Wort Gottes, als den Eingebornen, als den Urheber aller Dinge, als das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, als den Urheber der Welt, als den, der in sein Eigentum kam und Fleisch geworden ist und unter uns wohnte — so verdrehen diese offensichtlich den richtigen Sinn und unterscheiden in Bezug auf ihren Ursprung den Eingebornen, den sie auch Anfang nennen, von dem Heiland, lassen den Logos hinwiederum einen Sohn des Erstgebornen sein und den Christus, wieder einen andern, zur Wiederherstellung des Pleroma ausgegangen sein. So reißen sie alle diese Schriftworte von der Wahrheit los und mißbrauchen die Namen, indem sie diese in ihre eigene Dichtungen hineinzwängen, damit nur ja nicht unser Johannes an so viel Stellen von dem Herrn Jesus Christus gesprochen habe. Wenn er den Vater nannte, die Gnade, den Eingebornen, die Wahrheit, das Wort, das Leben, den Menschen, die Kirche, dann hat er nach ihren Voraussetzungen von der ersten Achtheit gesprochen, aber bei Leibe nicht von seinem Herrn und Meister Jesus Christus. Und doch hat er so deutlich dargetan, daß er nicht von ihren Verbindungen, sondern von unserm Herrn Jesus Christus sprach, den er als den Sohn Gottes kannte. Indem er nämlich das von ihm oben über das Wort Gesagte zusammenfaßt, erklärt er: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Nach ihrer Voraussetzung aber ist nicht das Wort Fleisch geworden, da es ja gar nicht aus dem Pleroma herauskam, sondern der Heiland der Weltordnung, der jünger ist als der Logos.



3.

Wisset also, ihr Unverständigen, daß Jesus, der für uns gelitten hat und unter uns wohnte, selber das Wort Gottes ist. Denn wenn irgendein anderer von den Äonen, um uns zu retten, Fleisch geworden wäre, dann hätte der Apostel gewiß von einem andern gesprochen. Wenn aber das Wort des Vaters, das zu uns hinabstieg, dasselbe ist, welches hinaufstieg, nämlich der eingeborne Sohn des einen Gottes, der da nach dem Wohlgefallen des Vaters für die Menschen Fleisch wurde, dann paßt das Wort nicht auf einen andern, noch auf die Achtheit, sondern bloß auf den Herrn Jesus Christus. Denn nach ihnen ist ja das Wort überhaupt nicht Fleisch geworden, sondern der Heiland hat einen seelischen Leib angenommen, der ihm infolge des Heilsplanes unsagbar künstlich hergerichtet war, um sichtbar und greifbar zu werden. Fleisch ist jenes alte, aus der Erde für Adam von Gott gemachte Gebilde, welches nach dem Zeugnis des Johannes das Wort Gottes in Wahrheit annahm, und aufgelöst ist ihre erste und ursprüngliche Achtheit. Das Wort, der Eingeborne, das Leben, das Licht, Heiland, Christus und Sohn Gottes, der für uns Fleisch geworden, das ist ein und dasselbe, und aufgelöst ist die Wohnstätte der Achtheit. Da aber diese aufgelöst ist, ist ihr ganzes Kartenhaus eingestürzt, das sie fälschlich auf den Grund der Schriften aufgebaut hatten.



4.

Indem sie die zerstreut gebrauchten Redewendungen und Namen zusammenlesen, tun sie dem natürlichen Sinne Gewalt an. Sie machen es ähnlich wie diejenigen, die sich ein ganz beliebiges Thema stellen und dasselbe dann in Homerischen Versen bearbeiten, so daß die Unkundigen glauben können, Homer habe das aus dem Stegreif gestellte Thema besungen, und viele werden durch die künstliche Wortfolge zu glauben verführt, daß vielleicht doch die Sache so von Homer gemacht sei. Es sei mir erlaubt, des Beispiels halber jene Verse Homers anzuführen, die jemand auf Herkules zusammengestellt hat, der im Auftrag des Eurystheus den Höllenhund holen sollte. Denn das Verfahren beider hat große Ähnlichkeit. 

   Also sprechend entließ aus dem Hause den schmerzlich bewegten[19] 

   Herkules, den zu gewaltigen Taten befähigten Helden[20] , 

   Eurystheus, des Stenelos Sohn, der Enkel des Perseus[21] , 

   Daß aus der Hölle den Hund er hole des düsteren Hades.[22] 

   Er nun ging wie ein Löwe vom Berge, der Stärke vertrauend[23] , 

   Eilig hinab in die Stadt. Es begleiteten sämtliche Freunde[24] , 

   Mädchen und Jünglinge ihn und im Dulden erfahrene Greise[25] , 

   Kläglich jammernd um ihn, als ob er gehe zum Tode[26] . 

   Hermes gab das Geleit und auch die blauäugige Pallas[27] , 

   Denn im befreundeten Herzen empfand sie, wie sehr er bedrängt war[28] . 

   Welcher Harmlose sollte von solchen Versen nicht verführt werden und glauben, daß sie Homer auf dieses Thema gemacht habe! Dem Homerkenner sind die Verse zwar bekannt, aber das Thema wird ihm unbekannt sein, indem er weiß, daß dies auf Odysseus, jenes auf Herakles, das auf Priamus oder auf Menelaus und Agamemnon geht. Nimmt er nun die Verse auseinander und stellt jeden an seinen richtigen Platz, dann fällt die ganze Geschichte auseinander. Ebenso wird der, welcher die Richtschnur der Wahrheit unerschütterlich in sich festhält, die er in der Taufe empfangen hat, zwar die Namen und Redewendungen und Parabeln aus den Schriften, aber nicht ihre gotteslästerlichen Hirngespinste anerkennen. Zwar wird er die Mosaiksteinchen erkennen, aber den Fuchs nicht für das Bild des Königs halten. Er wird jeden der Aussprüche an seine gehörige Stelle setzen und dem Körper der Wahrheit sie einverleiben, aber ihre Phantasiegebilde bloßlegen und als haltlos dartun.



5.

Da aber diesem Theaterstück noch der Abschluß fehlt, indem jemand, ihre Fabeleien erklärend, sie abfertigt, so hielten wir es für richtig, zuvor darzulegen, wie die Väter dieser Sagen von einander abweichen, da sie aus verschiedenen Geistern des Irrtums stammen. Daraus schon kann man deutlich erkennen, noch bevor ihr Irrtum aufgedeckt ist, daß zuverlässig nur die von der Kirche verkündete Wahrheit ist, ihre Lügenrede aber falsch.




110

10. Kapitel: Die Kirche als Trägerin der Wahrheit

1.

Die Kirche erstreckt sich über das ganze Weltall bis an die äußersten Grenzen der Erde. Sie hat von den Aposteln und ihren Schülern den Glauben empfangen, den Glauben an den einen Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde und der Meere und alles was in ihnen ist, und an den einen Christus Jesus, den Sohn Gottes, der, um uns zu erlösen, Fleisch angenommen hat, und an den heiligen Geist, der durch die Propheten die Heilsordnung Gottes verkündet hat, die zweifache Ankunft des Herrn, seine Geburt aus der Jungfrau, sein Leiden, seine Auferstehung von den Toten und die leibliche Himmelfahrt unseres lieben Herrn Christus Jesus und seine Wiederkunft vom Himmel in der Herrlichkeit des Vaters, um „alles wiederherzustellen“ (Ep 1,10)und alles Fleisch der ganzen Menschheit wiederzuerwecken, damit vor Jesus Christus, unserm Herrn und Gott, unserm Heiland und König, nach dem Wohlgefallen des unsichtbaren Vaters, „jedes Knie sich beuge derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind, und jegliche Zunge ihn preise“ (Phil. 2,10f.). Dann wird er ein gerechtes Gericht über alle halten. Die Geister der Bosheit und die ungehorsamen Engel, die von Gott abfielen, und die Gottlosen und Ungerechten und Frevler und Gotteslästerer wird er in das ewige Feuer schicken. Den Gerechten aber und Frommen und denen, die seine Gebote beobachtet haben, und die in seiner Liebe verharrt sind teils von Anfang, teils seit ihrer Bekehrung, denen wird er das ewige Leben in Gnaden schenken und mit ewiger Herrlichkeit sie umkleiden.



2.

Nun wohl, diese Botschaft und diesen Glauben bewahrt die Kirche, wie sie ihn empfangen hat, obwohl sie, wie gesagt, über die ganze Welt zerstreut ist, sorgfältig, als ob sie in einem Hause wohnte, glaubt so daran, als ob sie nur eine Seele und ein Herz hätte, und verkündet und überliefert ihre Lehre so einstimmig, als ob sie nur einen Mund besäße. Und wenngleich es auf der Welt verschiedene Sprachen gibt, so ist doch die Kraft der Überlieferung ein und dieselbe. Die in Germanien gegründeten Kirchen glauben und überliefern nicht anders als die in Spanien oder bei den Kelten, die im Orient oder in Ägypten, die in Lybien oder in der Mitte der Welt. So wie Gottes Sonne in der ganzen Welt eine und dieselbe ist, so dringt auch die Botschaft der Wahrheit überall hin und erleuchtet alle Menschen, die zur Erkenntnis der Wahrheit kommen wollen. Der größte Redner unter den Vorstehern der Kirche kann nichts anders verkünden, denn niemand geht über den Meister; und auch der Schwachbegabte wird nichts von der Überlieferung weglassen. Es ist nur ein und derselbe Glaube, ihn kann nicht vermehren, wer viel versteht zu reden, nicht vermindern, wer wenig spricht.



3.

Wenn nun einzelne mehr als die andern verstehen und wissen, so haben sie keineswegs eine andere Lehre, oder einen andern Gott neben dem Urheber und Schöpfer und Ernährer des Weltalls, gleich als ob ihnen dieser nicht genüge, noch einen andern Christus oder Eingebornen. Ihre höhere Kenntnis besteht vielmehr darin, daß sie den Inhalt der Parabeln verarbeiten und dem Fundament des Glaubens einverleiben, daß sie das Ziel und die Absicht Gottes mit der Menschheit klarlegen, und die Langmut Gottes bei dem Abfall der ungehorsamen Engel, wie bei dem Ungehorsam der Menschen. Sie erörtern, warum ein und derselbe Gott dieses zeitlich, jenes ewig gemacht hat, dies himmlisch, jenes irdisch; sie bemühen sich, zu verstehen, warum der unsichtbare Gott den Propheten nicht in einer, sondern in verschiedenen Gestalten erschien, weshalb mehr als ein Bund mit der Menschheit geschlossen wurde, und welches die besondere Art eines jeden war. Sie suchen zu erforschen, warum Gott „alles im Unglauben verschlossen habe, um sich aller zu erbarmen“ (Rm 11,32), und dankbar zu verstehen, warum das Wort Gottes Fleisch geworden ist und gelitten hat, und warum die Ankunft des Sohnes Gottes in den letzten Zeiten stattfindet, d. h. der Anfang am Ende erscheinet. Sie legen auseinander, was in den Schriften über das Ende und die letzten Dinge enthalten ist und verschweigen nicht, warum Gott die einst verstoßenen Heiden nun zu Miterben, Tischgenossen und Mitbürgern der Heiligen gemacht hat. Sie verkünden, auf welche Weise „dieses sterbliche Fleisch anziehen wird die Unsterblichkeit, das Vergängliche die Unvergänglichkeit“ (1Co 15,54)und „wie das Nichtvolk zum Volk und die Nichtgeliebte zur Geliebten geworden ist“ (Os 2,23 Rm 9,25), und wie „mehr Kinder die einsame hat, als die, welche den Mann hat“ (Is 54,1 Ga 4,27). In Bezug auf diese und ähnliche Stellen rief der Apostel aus: „O Tiefe des Reichtums und der Weisheit und der Erkenntnis Gottes. Wie unerforschlich sind seine Urteile und wie unergründlich seine Wege!“ (Rm 11,23) Darin aber besteht nicht ihre höhere Kenntnis, daß sie über den Schöpfer und Demiurgen hinaus noch als Mutter die Enthymesis eines verirrten Äonen ersinnen und so bis zur Gotteslästerung sich versteigen. Auch lügen sie nicht über diese wieder hinaus noch ein Pleroma, oder dreißig oder ein ganzes Volk von Äonen hinzu. Solche Lehrmeister sind wahrlich von der göttlichen Einsicht verlassen. Die gesamte Kirche aber, wie gesagt, hat nur einen und denselben Glauben, verkündet nur diesen für die ganze Welt.





(Contra Haereses) 106