(Contra Haereses) 201

1. Kapitel: Gott, der einzige Gott

1.

Billig ist es, das erste und wichtigste Kapitel mit Gott dem Schöpfer zu beginnen, der Himmel und Erde gemacht hat und alles, was in ihnen ist; mit ihm, den jene gotteslästerlich als eine Frucht des Hysterema bezeichnen. Wir wollen zeigen, daß weder über ihm etwas ist, noch nach ihm, daß er nicht von jemand angetrieben, sondern nach seinem Ratschluß und freien Willen alles gemacht hat, da er allein Gott ist, allein Herr, allein Schöpfer, allein Vater, allein in sich alles enthaltend und für alles die Ursache des Daseins.



2.

Wie könnte über ihm ein andres Pleroma, oder ein andrer Anfang, eine andre Macht, ein andrer Gott sein, da doch Gott als die Fülle all dieser Dinge in seiner Unendlichkeit sie alle umfassen muß und von niemand umfaßt werden kann! Sollte aber etwas außer ihm sein, dann ist er nicht mehr die Fülle aller Dinge, noch umfaßt er alles. Dem Pleroma oder dem über alles erhabenen Gott wird nämlich das fehlen, was außer ihm sein soll. Wenn aber etwas fehlt oder jemandem genommen ist, dann ist dies schon nicht mehr das Pleroma oder die Fülle. Auch eine Grenze, Mitte und Ende wird es an denen haben, die außer ihm sind. Wenn es aber dort aufhört, wo etwas unter ihm ist, dann wird es dort anfangen, wo etwas über ihm ist. Ebenso müßte er auch von den übrigen Seiten notwendigerweise dasselbe erleiden und von dem, was außer ihm ist, umklammert, begrenzt und eingeschlossen werden; denn das, was nach unten begrenzt, die Grenze bildet, umschließt und umgibt den, der begrenzt wird. Ebenso ist wiederum nach ihnen der Allvater, den sie auch den Vorseienden und Voranfang nennen, samt ihrem Pleroma und der gute Gott des Markion in irgend etwas enthalten und eingeschlossen und von außen von irgend einer Macht umgeben, die notwendigerweise größer ist als er. Was nämlich umschließt, ist größer als das Umschlossene; was aber größer ist, ist auch als Herr stärker und mächtiger; was aber größer und stärker und mächtiger ist, das muß Gott sein.



3.

Da nämlich nach ihrer Ansicht noch etwas anderes existiert, das außerhalb des Pleroma sein soll, wohinein die obere Kraft bei ihrer Irrfahrt hinabgestiegen sein soll, so ist nur zweierlei möglich: Entweder schließt das Äußere ein und das Pleroma wird umschlossen. Sonst würde es nicht außerhalb des Pleroma sein. Wenn nämlich außerhalb des Pleroma noch etwas existiert, dann muß in seinem Innern das Pleroma enthalten sein, und das Pleroma wird von ihm umschlossen. Unter dem Pleroma aber verstehen sie den ersten Gott. Oder das Pleroma und das Andere sind von einander in unendlicher Entfernung getrennt. Dann aber muß noch ein Drittes existieren, welches das Pleroma und das Andere in unendlicher Entfernung auseinander hält. Dieses Dritte wird dann die beiden andern umgrenzen und umfassen und muß also größer sein als jene, da es die beiden wie in seinem Schoße enthält, und dann geht das mit dem Umfassen und Umfaßtwerden so ins Unendliche weiter. Denn wenn dieses Dritte bei dem Oberen beginnt und bei dem Unteren aufhört, dann muß es auch von den Seiten begrenzt werden und bei etwas anderem anfangen und aufhören, und das oben wie das unten wird wieder irgendwo seinen Anfang und sein Ende haben müssen und so fort ins Unendliche, so dass ihre Spekulation niemals stehen bleibt bei dem einen Gott, sondern immer weiter sich von dem wahren Gott entfernt und aus diesem Anlaß sich in das Nichtseiende verliert, indem mehr gesucht wurde, als wirklich ist.



4.

Ähnlich läßt sich das Gesagte auch auf die Markioniten anwenden. Denn seine beiden Götter müssen auch von einem unendlichen Zwischenräume umfaßt und begrenzt werden, der beide von einander trennt. So ist man gezwungen, nach jeder Richtung viele Götter anzunehmen, die in unendlicher Entfernung von einander abstehen und sich gegenseitig begrenzen. Mit demselben Rechte, wie sie behaupten, daß über dem Schöpfer des Himmels und der Erde noch ein Pleroma oder Gott sei, kann man über dem einen Pleroma noch ein anderes und wieder anderes errichten, und über dem einen Bythos noch ein anderes und ebenso zu seinen Seiten; und so geht das ins Unendliche weiter, und immer andere Pleromata und andere Bythos ist man gezwungen zu erdenken und darf niemals haltmachen, sondern immer andere noch suchen außer den schon erwähnten. Auch wird es ungewiß sein, ob das, was wir unten nennen, auch unten ist und nicht vielmehr oben, und umgekehrt ob das, was wir oben nennen, oben oder unten ist. Und keine festen Grenzen gibt es für unser Denken, und notwendig schweift es ab in unendliche Welten und unbegrenzte Götter.



5.

Unter diesen Voraussetzungen müßte jeder Gott mit dem Seinigen zufrieden sein und dürfte sich nicht neugierig um die andern kümmern. Sonst würde er ungerecht und habgierig werden und damit aufhören, Gott zu sein. Jede Schöpfung wird dann ihren Schöpfer verherrlichen, mit ihm zufrieden sein und einen andern nicht anerkennen. Andernfalls würde sie als abtrünnig gerechtesterweise von allen gerichtet werden und die geziemende Strafe empfangen. Denn entweder muß einer sein, der alles umfaßt und in seinem Gebiete alles nach seinem Willen gemacht hat, — oder es gibt viele und unbestimmte Schöpfer und Götter, die sich nach allen Richtungen gegenseitig begrenzen, und alle andern werden von außen wieder von einem andern, und zwar großem umfaßt; und dann muß man bekennen, daß jeder von ihnen in seinem Gebiet gleichsam eingeschlossen verbleibt, sodaß keiner von diesen Gott über alles ist. Wenn also jeder von ihnen im Vergleich zu den übrigen nur einen ganz winzigen Teil beherrscht, dann gebührt keinem mehr das Prädikat allmächtig, und so führt die Spekulation notwendig in den Abgrund der Gottlosigkeit.




202

2. Kapitel: Kein anderer schuf die Welt als Gott

1.

Die da behaupten, die Welt sei von Engeln oder von irgend einem andern Weltenschöpfer gemacht worden, ohne den Willen des allmächtigen Vaters, die sündigen zunächst gerade darin, daß sie sagen, ohne den Willen des höchsten Gottes hätten eine so große und so schöne Welt Engel gemacht. Sind denn die Engel tätiger als Gott, oder war jener zu träge oder zu klein, oder kümmerte es ihn nicht, ob das, was in seinem Eigentum gemacht wurde, gut oder schlecht ausfiel, sodaß er jenes vernichtete und verhinderte, dieses aber mit Freuden lobte? Wenn man das nicht einmal bei einem geschickten Menschen annehmen kann, dann etwa bei Gott?



2.

Alsdann mögen sie uns sagen, ob innerhalb seiner Herrschaft und seinem Gebiete diese Dinge gemacht sind oder in fremdem Gebiet, das außerhalb des seinigen liegt. Sagen sie: Im fremden Gebiet, dann treten ihnen gleichfalls alle oben erwähnten Ungereimtheiten entgegen, und der höchste Gott wird von dem, was außer ihm liegt, eingeschlossen und wird in demselben notwendig sein Ende finden. Sagen sie aber: Im eignen Gebiet, dann ist es sehr töricht zu behaupten, daß gegen seinen Willen in seinem Eigentum von den Engeln und seinen Untertanen oder von irgend einem andern die Welt geschaffen sei. Sorgt er denn nicht für alles in seinem Gebiet, sodaß er nicht weiß, was von den Engeln gemacht werden wird?



3.

Wenn aber jene nicht gegen, sondern mit seinem Willen und Wissen, wie andere wollen, die Welt gemacht haben, dann sind ja nicht mehr die Engel oder der Demiurg Ursachen der Schöpfung, sondern der Wille Gottes. Wenn nämlich der Weltenschöpfer die Engel selbst gemacht hat, so war er auch die Ursache dessen, was sie geschaffen haben, und die Erschaffung der Welt ist dem zuzuschreiben, der die Ursachen ihrer Erschaffung hergestellt hat Mögen sie auch sagen, daß von dem Urvater die Engel in langer absteigender Reihenfolge oder, wie Basilides will, der Demiurg erschaffen ist, so wird doch nichtsdestoweniger als Ursache der Schöpfung derjenige bezeichnet werden müssen, der die Ursache einer solchen Reihenfolge gewesen ist. So schreibt man auch dem Könige den Erfolg eines Krieges zu, wenn auf ihn die Ursachen des Sieges zurückgehen, und die Gründung dieses Staates oder die Verrichtung jenes Werkes dem, der die Ursachen für das gesetzt hat, was nachher vollendet wurde. Ebenso sagen wir auch nicht, daß das Beil das Holz der Bäume fällt oder daß die Säge schneidet, sondern am richtigsten möchte man sagen, daß derjenige es tut, der Beil und Säge zu diesem Zwecke gefertigt hat oder vielmehr jene Werkzeuge, durch die Beil und Säge gefertigt wurden. Geradeso muß man, auch wenn man ihre Behauptungen annimmt, den Allvater als den Schöpfer dieser Welt bezeichnen, nicht die Engel noch irgend einen andern Demiurgen außer dem, der sie hervorgebracht und die Ursachen dieser Schöpfung zuvor gesetzt hat.



4.

Vielleicht möchte solche Rede diejenigen betören and verführen, die Gott nicht kennen und ihn schwachen Menschen gleichstellen. Die sind allerdings nicht imstande, etwas ohne weiteres herzustellen, sondern bedürfen zu jeglichem Werke vieler Werkzeuge. Aber ganz unwahrscheinlich bleibt solche Rede für die, welche wissen, daß Gott keines Dinges bedarf, sondern durch sein Wort alles erschaffen und gemacht hat. Er braucht nicht die Hilfe der Engel zu dem, was gemacht wird, noch irgend eine Kraft, die viel kleiner ist als er und den Vater nicht kennt. Überflüssig ist die Annahme irgend eines Fehltrittes oder einer Unwissenheit, damit der, welcher anfangen sollte, ihn zu erkennen, Mensch werden konnte. Nein, in sich selbst gemäß seiner uns unerklärlichen und unergründlichen Voraussicht machte er alles, wie er wollte, und gab jedem seinen Platz und seine Ordnung und den Anfang seiner Entstehung, den geistigen Wesen die geistige und unsichtbare Natur, den Himmelsbewohnern die himmlische, den Engeln die engelische, den Tieren die tierische Natur, die Wasserbewohner paßte er dem Wasser an, die Erdbewohner der Erde, und so gab er allen die passende Beschaffenheit, Alles aber, was gemacht wurde, machte er durch sein unaussprechliches Wort.



5.

Es ist nämlich der Oberherrlichkeit Gottes eigentümlich, daß sie keiner Werkzeuge bedarf, um etwas zu schaffen. Ausreicht in jeder Hinsicht, wenn er etwas bilden will, sein eigenes Wort, wie auch Johannes, der Schüler des Herrn, von ihm sagt: „Alles ist durch ihn gemacht worden, und ohne ihn ist nichts gemacht worden“ (Jn 1,3).



6.

Da nun dieser Gott der Vater unseres Herrn Jesu Christi ist, sagt auch von diesem der Apostel Paulus: „Ein Gott Vater, der über alle, durch alles und in uns allen ist“ (Ep 4,6). Unsern bereits geführten Beweis, daß nur ein Gott existiert, werden wir noch durch die Worte der Apostel und die Reden des Herrn verstärken. Denn es wäre übel angebracht, die Stimmen der Apostel, des Herrn und der Propheten zu übergehen, aber auf die zu achten, die nichts Vernünftiges zu sagen wissen.




203

3. Kapitel: Ausführung des Weltplanes

1.

Unhaltbar also ist ihr Bythos, wie ihr Pleroma und der Gott des Markion. Wenn er nämlich etwas außer sich haben soll, was unter ihm ist, und sie dieses Leere und Schatten nennen, dann mußte erwiesenermaßen die Leere größer sein als das Pleroma. Unhaltbar ist aber auch die Behauptung, daß unterhalb dessen, der alles umfaßt, von einem andern die Schöpfung vollzogen sei. Dann muß man nämlich einräumen, daß etwas Leeres und Gestaltloses, in dem die Welt geschaffen wurde, unterhalb des geistigen Pleroma existiere, und daß der Urvater dies Gestaltlose mit oder ohne Wissen, was in ihm gemacht werden sollte, absichtlich so zurückgelassen habe. War es nun ohne sein Wissen, so ist er schon nicht mehr der allwissende Gott; auch kann man gar keinen Grund angeben, weswegen er diesen Ort solange Zeit unbenutzt gelassen hat. Kannte er aber und sah er im Geiste die Schöpfung voraus, die an jenem Orte entstehen sollte, dann hat er sie gemacht, wie er sie auch in seinem Innern im voraus gebildet hat.



2.

Möge man also aufhören zu sagen, daß die Welt von einem andern gemacht sei: Gott plante sie in seinem Geiste, und was er geplant hatte, das wurde. Denn unmöglich konnte ein anderer es im Geiste planen und ein anderer es machen, was von jenem im Geiste geplant war. Nun hatte er aber nach den Häretikern entweder eine ewige oder eine zeitliche Welt nur im Sinne, was beides unglaublich ist. Wenn er aber eine ewige Welt, eine geistige, unsichtbare geplant hätte, dann wäre auch eine solche geworden. Wenn sie aber einmal so geworden ist, wie sie ist, dann hatte er auch eine solche geplant, oder in der Vorsehung des Vaters wollte er, daß sie gemäß seiner geistigen Idee zusammengesetzt, veränderlich und vergänglich wäre. Da sie nun aber so ist, wie der Vater sie bei sich gebildet hatte, so ist die Schöpfung würdig des Vaters. Wenn daher jemand das, was der Vater des Weltalls in seinem Geiste geplant und vorausgebildet hat, so, wie es geschaffen wurde, als die Frucht eines Fehltritts und das Erzeugnis der Unwissenheit bezeichnet, so ist das eine große Gotteslästerung. Nach ihnen hätte der Allvater gemäß seines geistigen Planes Kinder des Fehltritts und Früchte der Unwissenheit gezeugt — denn das ist geworden, was er geplant hatte.




204

4. Kapitel: Zurückweisung des Bythos und des Fehltrittes

1.

Zu erklären bleibt also, warum Gott gerade diese Ordnung gewollt hat, aber nicht darf man die Schöpfung einem andern zuschreiben. Gott hat alles im voraus so vorbereitet, wie es geworden ist, müssen wir sagen, aber nicht dürfen wir uns einen Schatten und eine Leere dafür zurechtlegen. Übrigens wird man fragen: Woher die Leere? Soll sie etwa von dem Allvater und Erzeuger auch hervorgebracht sein, oder ist sie ihm an Ehre gleich und stammverwandt mit den übrigen Äonen, oder vielleicht noch älter als sie? Ist sie aber von ihm hervorgebracht, dann muß sie ihrem Erzeuger und den andern ähnlich sein, mit denen sie hervorgebracht wurde. Dann muß ohne Widerrede ihr Bythos samt der Sige dem Leeren ähnlich, d. h. selbst leer sein, und ebenso müssen auch die übrigen Äonen, da sie die Brüder der Leere sind, eine leere Wesenheit haben. Ist sie aber nicht hervorgebracht, dann ist sie von sich selbst geboren und erzeugt und der Zeit nach ebenbürtig ihrem Bythos, dem Allvater. Demnach muß ihre Leere von derselben Natur und Würde sein wie ihr Allvater. Entweder ist sie erzeugt von einem andern, oder sie ist von sich selbst erzeugt und geboren. Ist aber die Leere erzeugt, dann ist leer ihr Erzeuger Valentinus, leer seine Nachfolger. Ist sie aber nicht hervorgebracht, sondern von sich selbst geboren, dann ist die Leere ähnlich und verbrüdert mit dem von Valentinus verkündeten Vater und der gleichen Ehre wert, älter aber und ursprünglicher und verehrungswürdiger als die übrigen Äonen, selbst des Ptolemäus und Herakleon und aller andern, die dasselbe glauben.



2.

Sollten sie nun, hierdurch in die Eng« getrieben, zugeben, daß der Allvater alles umfasse und daß außerhalb des Pleroma nichts mehr sei — es müßte ja sonst durchaus von einem größeren umgrenzt und umschrieben werden — und das „Innerhalb“ und „Außerhalb“ sei nur gesagt wegen der Unkenntnis und Unwissenheit, nicht aber wegen örtlicher Verschiedenheit, in dem Pleroma aber oder in dem vom Vater umfaßten Raum sei von dem Demiurgen oder von den Engeln all das gemacht, wovon wir Kenntnis hätten, und das werde von der unaussprechlichen Größe umfaßt, wie das Zentrum in einem Kreise oder in der Tunika ein Flecken — so ergibt sich zunächst die Frage: Was muß das für ein Bythos sein, der da zuläßt, daß in seinem Schöße ein Flecken entsteht, und gestattet, daß in seinem Gebiete ein anderer als sein Geist etwas schafft und hervorbringt? Dadurch würde das ganze Pleroma als unwissend hingestellt, da es doch von vornherein den Fehltritt samt den aus ihm entstehenden Folgen hätte verhindern können und nicht dulden durfte, daß in Unwissenheit und Leidenschaft und Irrtum die Schöpfung geschah. Denn wer nachher den Fehler verbessert und ihn wie einen Flecken austilgt, der müßte doch viel eher gleich anfangs darauf achtgeben können, daß in seinem Gebiet kein Fehler vorkommt. Hat er im Anfang zugestanden, daß die Schöpfung so ausfiel, wie sie ausgefallen ist, so mußte das auch für immer so bleiben. Wenn etwas gleich im Anfang nicht verbessert werden kann, wie soll das später geschehen können? Oder wenn die Menschen zur Vollkommenheit berufen sein sollen, wie können dann ihre Urheber, von denen sie gemacht sein sollen, der Demiurg und die Engel, in Unvollkommenheit sein? Und wenn der Allgütige am Ende der Zeiten sich der Menschen erbarmt und ihnen die Vollkommenheit verleiht, dann hätte er sich doch zuerst derer erbarmen müssen, die den Menschen gemacht haben, und denen die Vollkommenheit geben müssen. So wäre dann das Erbarmen auf die Menschen übergegangen, und sie wären aus Unvollkommenen Vollkommene geworden. Wenn er also ihres Werkes sich erbarmte, dann hätte er sich zunächst ihrer erbarmen müssen und nicht zulassen dürfen, daß sie in solche Verblendung gerieten.



3.

Zerfallen muß aber auch ihre Lehre vom Schatten und dem Leeren, worin diese Schöpfung geschehen sein soll, wenn sie in dem Gebiet des Vaters erfolgte. Wenn sie nämlich ihr väterliches Licht als ein solches betrachten, das alles umfassen kann, was in ihm ist, und alles erleuchten, wie kann denn Leere und Schatten in dem sein, was von dem Pleroma und dem Lichte des Vaters umfaßt wird? Sie müßten dann doch den Ort innerhalb des Urvaters oder des Pleroma aufweisen, der von niemand erleuchtet oder besetzt war, in welchem die Engel oder der Demiurg die von ihm beliebte Schöpfung hätte vornehmen können. Nicht klein kann der Ort sein, an dem eine so große und so wunderbare Schöpfung gemacht wurde. Notwendig also machen sie den gesamten Raum innerhalb des Pleroma und ihres Vaters zu einer formlosen und finstern Leere, in der das geschaffen wurde, was geschaffen ist. Einen Tadel muß auch das Licht ihres Vaters erhalten, weil es nicht einmal das, was in ihm war, erleuchten und anfüllen konnte. Und schließlich, wenn sie dies als eine Frucht eines Fehltritts und ein Werk des Irrtums bezeichnen, dann bringen sie den Fehltritt und Irrtum in das Pleroma und in den Schoß des Vaters hinein.




205

5. Kapitel: Kein anderer Schöpfer ist möglich

1.

Für die also, die da sagen, daß außerhalb des Pleroma oder unterhalb des guten Gottes diese Welt gemacht sei, paßt das, was wir soeben gesagt haben, und sie werden samt ihrem Vater von dem außerhalb des Pleroma eingeschlossen werden, in dem sie auch werden aufhören müssen. Denen aber, die da sagen, daß in dem Gebiete des Vaters von irgend wem anders diese Welt gemacht sei, halten wir die soeben angeführten Unmöglichkeiten und Ungereimtheiten entgegen. Sie müssen entweder zugeben, daß innerhalb des Pleroma alles licht, angefüllt und tätig ist, oder sie werden das Licht des Vaters beschuldigen, daß es nicht alles erleuchten könne, oder sie müssen einräumen, dass wie der Teil, so auch das ganze Pleroma leer, ungeordnet und finster sei. Und dann beschuldigen sie alles, was sonst zur Schöpfung gehört, daß es zeitlich sei und das Ewige als materiell. Aber entweder muß die Schöpfung untadelig sein, da sie sich innerhalb des Pleroma und in dem Schöße des Vaters befindet, oder ihre Vorwürfe treffen ähnlich das gesamte Pleroma, und als Ursache der Unvollkommenheit erweist sich ihr Christus. Hat er doch nach ihrer Lehre seine Mutter, als er sie ihrem Sein nach gestaltete, aus dem Pleroma hinausgeworfen, d. h. sie von der Erkenntnis abgesondert. Er selbst hat also ihre Unwissenheit verursacht, indem er sie von der Erkenntnis trennte. Wie konnte er denn nun den übrigen Äonen, die doch vor ihm waren, die Erkenntnis gewähren und seiner Mutter sie vorenthalten? Denn er stellte sie doch außerhalb der Erkenntnis, indem er sie aus dem Pleroma hinaus wies!



2.

Wenn ferner einige von ihnen das „Innerhalb und außerhalb des Pleroma“ auf die Kenntnis und Unkenntnis deuten, insofern der, welcher in der Erkenntnis ist, innerhalb dessen ist, was er erkennt, dann müssen sie doch zugeben, daß sogar der Erlöser, den sie auch das All nennen, in der Unkenntnis gewesen ist. Sagen sie doch, er habe ihre Mutter gestaltet, nachdem er aus dem Pleroma ausgetreten war. Wenn sie also unter dem Außensein die Unkenntnis des Weltalls verstehen und der Erlöser, um ihre Mutter zu gestalten, aus dem Pleroma austrat, dann trat er eben auch aus der Erkenntnis des Weltalls und fiel in die Unkenntnis. Wie konnte er dann also die Erkenntnis verleihen, da er selbst außerhalb der Erkenntnis sich befand? Sollen wir doch außerhalb des Pleroma uns befinden, da uns ihre Erkenntnis abgeht! Wenn ferner der Erlöser, um das verlorene Schaf zu suchen, das Pleroma verließ, das Pleroma aber die Erkenntnis bedeutet, dann verlor er eben auch die Erkenntnis und fiel in Unkenntnis. Entweder muß man nämlich „außerhalb des Pleroma“ örtlich verstehen und dann stößt man auf die oben erwähnten Widersprüche — oder man deutet „innerhalb des Pleroma“ als Erkenntnis und „außerhalb des Pleroma“ als Unkenntnis, und dann ist ihr Erlöser sowohl wie noch viel zuvor ihr Christus in Unkenntnis gefallen, indem sie, um ihre Mutter zu erschaffen, das Pleroma verließen, d. h. außerhalb der Erkenntnis sich befanden.



3.

Diese Schlußfolgerungen lassen sich ähnlich gegen alle anwenden, die nicht von dem wahren Gott, sondern auf irgend eine andere Weise oder von den Engeln oder von irgend einem andern die Welt erschaffen sein lassen. Denn alles, was sie dem Demiurgen inbetreff der körperlichen und zeitlichen Welt nachsagen, das wird auf den Vater zurückfallen, da ja im Schöße des Pleroma das gemacht wurde, was mit Wissen und Willen des Vaters gleich wieder aufgelöst werden sollte. Denn nicht mehr ist der Demiurg die Ursache dieser Schöpfung, so sehr er auch meint, es zu sein, sondern der, welcher zuließ und gestattete, daß in seinem Gebiet die Erzeugnisse des Fehltritts und die Werke des Irrtums gemacht wurden, und in dem Ewigen Zeitliches, in dem Unvergänglichen Vergängliches, in dem Reiche der Wahrheit die Werke des Irrtums. Wenn aber ohne Erlaubnis und Billigung des Allvaters dieses gemacht wurde, dann ist der, welcher auf fremdem Gebiet ohne seine Billigung dies machte, mächtiger und kräftiger und hoheitsvoller als dieser. Wenn es aber der Vater nicht billigte, sondern nur erlaubte wegen einer gewissen Nötigung, so konnte er es entweder verhindern oder nicht. Konnte er es nicht verhindern, so war er schwach und kraftlos, konnte er es aber verhindern, dann war er ein Verführer und Heuchler und machte sich zum Sklaven der Notwendigkeit, indem er die Schöpfung zwar nicht guthieß, sie aber doch gestattete, als ob er sie guthieß. Dann hat er anfangs gestattet, daß der Irrtum Platz greife und sich ausdehne, und erst hernach versucht, ihn aufzuheben, nachdem schon viele übel zugrunde gingen wegen des Fehltritts.



4.

Es ist aber unziemlich zu sagen, daß der über alles erhabene Gott, der doch völlig frei in seinen Entschlüssen ist, einer Notwendigkeit sich unterordne, so daß etwas mit seiner Erlaubnis gegen seinen Willen existiert. Sonst müßten sie die Notwendigkeit als größer und mächtiger denn Gott betrachten, wie auch das Mächtigere älter ist als das übrige. Oder es hätte Gott gleich im Anfang die Ursachen der Notwendigkeit abschneiden müssen und nicht sich selbst von einer Notwendigkeit einschließen lassen dürfen, indem er das gestattete, was seiner nicht wert war. Denn viel besser und richtiger und göttlicher wäre es gewesen, gleich im Anfang den Beginn einer solchen Notwendigkeit abzuschneiden, als später gleichsam aus Reue zu versuchen, die Folgen solcher Notwendigkeiten wieder gut zu machen. Und wenn einer Notwendigkeit der Vater des Weltalls unterworfen sein sollte und wider seinen Willen bei der Schöpfung dem Geschicke erliegen und wider die Notwendigkeit und das Geschick nichts tun könnte, dann müßte er mit dem Zeus bei Homer sprechen: „Gerne gewähr ich es dir, jedoch ungerne von Herzen“ (Il. 5,43) . Auf diese Weise zeigt sich dann ihr Bythos als ein Sklave der Notwendigkeit und des Schicksals.




206

6. Kapitel: Gott konnte den Engeln nicht verborgen bleiben

1.

Wie aber konnte den Engeln oder dem Demiurgen der oberste Gott unbekannt bleiben, wenn sie in seinem Gebiete sich befanden, seine Geschöpfe waren und von ihm umfaßt wurden? Unsichtbar zwar konnte er ihnen wegen seiner Erhabenheit bleiben, aber unbekannt auf keinen Fall wegen seiner Vorsehung. Denn wenn sie auch infolge ihrer Abstammung sehr weit von ihm entfernt waren, wie jene lehren, so mußten sie dennoch ihren Herrn erkennen, wenn seine Herrschaft sich über alle erstrecken sollte, und ihn als ihren Schöpfer und Herrn des Weltalls anerkennen. Denn da sein unsichtbares Wesen wirkt, so gestattet es allen ein geistiges Fühlen und Verstehen von seiner machtvollen, ja allmächtigen Erhabenheit. Denn wenn auch „niemand den Vater kennt als der Sohn, und niemand den Sohn als der Vater und die, denen es der Sohn offenbart hat“ (Lc 10,22), so erkennen doch das Dasein eines Gottes und höchsten Herrn alle, wenn der ihren Seelen eingegossene Verstand[48] sie treibt und es ihnen offenbart.



2.

Folglich ist dem Namen des Allerhöchsten und Allmächtigen alles unterworfen, und alle Geister und Dämonen und die gesamte Unterwelt flohen bei der Anrufung seines Namens noch vor der Ankunft unseres Herrn von den Menschen; nicht als ob die Geister auf der Erde und die Dämonen ihn gesehen hätten, sondern weil sie wußten, daß ein über alles erhabener Gott existiert, vor dessen Namen sie zitterten und die gesamte Schöpfung und die Herrschaften und Mächte und alle ihm unterworfene Kraft erzittern. Oder erkennen etwa die, welche unter der Herrschaft der Römer stehen, obwohl sie niemals den Kaiser gesehen haben, sondern durch Land und Meer weit von ihm getrennt sind, aus seiner Herrschaft nicht den, der die höchste Oberherrschaft führt? Die Engel aber, die über uns stehen, oder ihr sogenannter Demiurg, die sollten den Allmächtigen nicht erkennen, wo bei seinem Namen das dumme Vieh zittert und flieht! Freilich haben auch die Tiere ihn sieht gesehen, aber dennoch sind sie alle dem Namen unseres Herrn unterworfen und dessen, der alles durch sein Wort gemacht und erschaffen hat, da es außer ihm keinen andern Weltenschöpfer gibt. Deswegen treiben die Juden bis auf den heutigen Tag durch eben denselben Namen die Dämonen aus, da alle den Namen ihres Schöpfers fürchten.



3.

Wenn sie also nicht wollen, daß ihre Engel unverständiger sind als das dumme Vieh, dann werden sie einsehen, daß diese notwendigerweise seine Macht und Herrschaft kannten, wenn sie auch den allerhöchsten Gott nicht gesehen haben. Offenbar ist es lächerlich, wenn sie behaupten, daß jene, die auf der Erde weilen, ihren allerhöchsten Gott kennen, den sie nicht gesehen haben, dem aber, der nach ihrer Lehre sie und die gesamte Welt erschaffen hat, obgleich er ganz erhaben über alle Himmel ist, nicht gestatten, daß er das weiß, was sie wissen, die Erdenwürmlein. Oder ihr Bythos müßte gerade unter der Erde in der Hölle sein, weswegen sie ihn auch eher erkannten, als die Engel in der Höhe! So verrückt sind sie geworden, daß sie ihren Demiurgen verrückt sein lassen. Wahrhaft erbarmungswürdige Verrücktheit, zu behaupten, daß er weder ihre Mutter erkannt hat, noch ihren Samen, noch das Pleroma der Äonen, noch den Urvater, noch die Wesenheit der von ihm erschaffenen Dinge, sondern daß nur die Abbilder von den Dingen im Pleroma zur Ehre der Oberen erschaffen wurden, indem der Erlöser heimlich wirkte!




207

7. Kapitel: Die Welt, kein Abbild der Äonen

1.

Keine blasse Ahnung also hat der Demiurg gehabt, als der Erlöser das Pleroma ehrte, indem er bei der Schöpfung durch seine Mutter die Abbilder und Gleichnisse der oberen Dinge hervorbrachte. Die Unmöglichkeit aber, daß außerhalb des Pleroma etwas existierte, in dem die Abbilder von den Dingen hätten erschaffen werden können, die innerhalb des Pleroma sind, haben wir schon bewiesen. Doch vielleicht macht es Freude, sie von allen Seiten zu widerlegen und als Lügner darzutun. Wenn also zur Ehre der Oberen der Erlöser diese Dinge nach ihrem Ebenbilde erschaffen hat, dann müßten sie doch immer fortdauern, damit das Geehrte in Ehre bleibe. Wenn diese aber vergehen, was nützt dann eine so kurzdauernde Ehre, die vordem nicht war und nachdem nicht mehr sein wird? Also wird der Erlöser von uns überführt, daß er mehr nach eitlem Ruhme strebte, als das Obere ehrte. Denn was für eine Ehre können zeitliche Dinge den ewigen, vergängliche den beständigen, verwesliche den unverweslichen einbringen! Legen doch sogar die vergänglichen Menschen kein Gewicht auf die Ehre, die schnell vergeht, sondern auf die, welche möglichst lange andauert. Mit Recht wird man sagen, daß solche schnell vergänglichen Dinge mehr zur Schande denen gereichen, die man ehren wollte, und daß dem Ewigen durch sein verwestes und zerstörtes Abbild Schande zugefügt wird. Was aber, wenn ihre Mutter nicht geweint und gelacht hatte und nicht in Not geraten wäre? Dann wäre der Erlöser nicht in der Lage gewesen, das Pleroma zu ehren, da ja die äußerste Verwirrung keine eigene Substanz hatte, durch die er den Urvater hätte ehren können.



2.

O eitlen Ruhmes Ehre, die sogleich vergeht und fürder nicht mehr sein wird! Denn kommen wird die Zeit, in der für gar nichts solche Ehre wird geachtet werden und ehrlos dann das Obere sein wird! Oder es wird abermals zur Ehre des Pleroma eine andere Mutter ausgesaugt werden müssen, die da weint und in Not gerät. Welch unähnliches, ja zugleich gotteslästerliches Ebenbild! Ein Ebenbild des Eingeborenen, welcher der Logos und der Vater des Weltalls sein soll, sei vom Demiurgen hervorgebracht und dieses Ebenbild kenne sich selbst nicht, kenne auch die Mutter nicht, kenne nichts von dem, was da ist, noch was von ihm erschaffen worden! Und ihr ertötet nicht vor euch selber, indem ihr die Unwissenheit direkt bis zu dem Eingeborenen hinaufführt! Sind diese Dinge nämlich nach dem Gleichnis der Oberen von dem Erlöser gemacht worden, ohne daß der etwas davon wußte, der nach dem Ebenbilde gemacht war, dann muß auch um den und bei dem, nach dessen Ebenbild der Ahnungslose gemacht ist, solche Unwissenheit geistigerweise existieren. Da nämlich beide geistig von ihm entsendet wurden, keineswegs aber gebildet oder zusammengesetzt, so ist es nicht möglich, daß sie in einigen Stücken das Ebenbild bewahrt, in anderen dasselbe verschandelt hätten, denn dazu wurde es doch ausgesandt, daß die obere Aussendung ihr Ebenbild habe. Ist es nun diesem unähnlich, dann trifft der Vorwurf den Erlöser, der wie ein stümperhafter Künstler ein unähnliches Bild hervorbrachte. Auch können sie nicht sagen, daß der Erlöser nicht die Kraft gehabt habe, es hervorzubringen, da sie ihn doch allmächtig nennen. Ist also das Bild unähnlich, dann taugt ihr Künstler nichts, und die Schuld fällt nach ihnen auf den Erlöser. Ist es aber ähnlich, dann findet sich auch bei dem Nous ihres Urvaters, d. h. bei dem Eingeborenen, dieselbe Unwissenheit, und der Nous des Vaters kannte weder sich selbst, noch den Vater, noch seine Geschöpfe. Hat er sie aber erkannt, dann muß auch der, welcher von dem Erlöser nach dem Ebenbild gemacht ist, das Ähnliche erkennen — und nach ihrer eigenen Lehre zerfällt ihre schreckliche Blasphemie.



3.

Aber auch sonst, wie könnten die vielen verschiedenen zahllosen Dinge dieser Schöpfung Abbilder der dreißig Äonen innerhalb des Pleroma sein, deren Namen wir nach ihrer Angabe im ersten Buche mitgeteilt haben! Nicht nur die so große Mannigfaltigkeit der gesamten Schöpfung, sondern nicht einmal den kleinsten Teil der Dinge im Himmel, über der Erde oder im Wasser können sie in Übereinstimmung bringen mit der kleinen Zahl ihres Pleroma. Daß in ihrem Pleroma nur dreißig Äonen sind, bezeugen sie selbst; daß man aber in jedem Teil der Schöpfung nicht bloß dreißig, sondern viele tausend Arten aufzählen kann, wird jedermann zugestehen. Wenn nun der erschaffenen Dinge so viele sind und diese aus den verschiedensten Bestandteilen bestehen, sich gegenseitig bekämpfen und töten, wie können denn diese Abbilder und Gleichnisse der dreißig Äonen des Pleroma sein, da doch diese nach ihnen einer Natur sind, aus Gleichem und Ähnlichem bestehen und sich nicht unterscheiden? Wenn ferner die irdischen Dinge die Abbilder jener sind und man einige Menschen von Natur „böse und andere von Natur gut nennt, dann müssen sich auch bei ihren Äonen diese Differenzen finden und einige von ihnen bei ihrer Aussendung von Natur gut und andere böse gewesen sein, damit doch die Erfindung ihres Ebenbildes den Äonen entspricht. Da weiterhin in der Welt einige Wesen zahm, andere wild, einige unschädlich, andere schädlich und das Verderben der übrigen sind, die einen über der Erde, die andern im Wasser oder in der Luft oder am Himmel sind, so müssen sich auch diese Beziehungen bei den Äonen vorfinden, wenn diese die Abbilder jener sein sollen. Schließlich noch müssen sie erklären, von welchem der Äonen denn ein Abbild jenes ewige Feuer ist, das der Vater dem Teufel und seinen Engeln bereitet hat (Mt 25,41) , und das doch auch zu der Schöpfung gehört.



4.

Sagen sie aber, die erschaffenen Dinge seien von dem in Leidenschaft geratenen Äonen erdacht worden, dann handeln sie zunächst gegen ihre Mutter gottlos, indem diese dann die Urheberin der schlechten und vergänglichen Abbilder wäre. Zweitens aber, wie könnten die vielen unähnlichen und von Natur entgegengesetzten Dinge von einem und demselben Urbilde abstammen? Aber auch wenn sie behaupten wollten, daß die vielen bestehenden Dinge Abbilder der vielen Engel des Pleroma seien, stimmt ihre Rechnung noch immer nicht. Einmal nämlich müßten sie nachweisen, daß bei des Engeln des Pleroma die einander entgegengesetzten Unterschiede beständen, wie ja auch ihre Abbilder einander von Natur entgegengesetzt sind. Zweitens aber umgeben allerdings den Schöpfer viele und unzählige Engel, wie alle Propheten bezeugen: „Zehntausend mal zehntausend stehen vor ihm und viele tausend mal tausend dienen ihm“ (Da 7,19). Wenn aber nach ihnen die Engel des Pleroma Abbilder der Engel des Demiurgen sind, dann bleibt ja doch die gesamte Schöpfung im Ebenbilde des Pleroma, indem nicht einmal die dreißig Äonen der vielgestaltigen Mannigfaltigkeit der Schöpfung nachfolgen.



5.

Wenn ferner diese Dinge nach dem Ebenbild jener geschaffen worden sind, so müssen jene wiederum nach dem Ebenbild anderer geschaffen sein. Denn wenn der Weltenschöpfer sie nicht aus sich selbst gemacht hat, sondern wie ein unbedeutender Künstler oder anfangender Lehrbursche nach fremden Vorbildern sie nachgebildet hat, woher hatte dann ihr Bythos die Gestalt seiner ersten Anordnung? Folgerichtig hat dieser das Vorbild von einem andern, der über ihm ist und dieser wiederum von einem andern. So muß denn Ihr Gerede von den Abbildern ins Unendliche gehen und ebenso von den Göttern, wenn wir mit unserm Verstande nicht halt machen bei einem Künstler und einem Gott, der aus sich selbst die Schöpfung gemacht hat. Bei den Menschen räumt man ein, daß jemand etwas aus sich erfunden habe, was für das Leben von Wert ist, ?— Gott aber, der die Welt doch hergestellt hat, sollte die Form seiner Geschöpfe und die Erfindung der schönen Weltordnung nicht von sich selbst haben?



6.

Wie können aber diese Dinge Abbilder von jenen sein, da sie ihnen entgegengesetzt sind und in keiner Beziehung zu ihnen stehen? Entgegengesetzte Dinge können ihren Gegensätzen zwar Verderben bringen, aber auf keine Weise ihre Abbilder sein, wie doch Feuer und Wasser, Licht und Finsternis und anderes derart keine gegenseitige Abbilder sind. So können auch die vergänglichen, irdischen, zusammengesetzten und vorübergehenden Dinge keineswegs die Abbilder der entsprechenden geistigen Wesen sein, wenn sie nicht zugeben, daß auch diese schon zusammengesetzt, umschrieben und geformt sind, also nicht mehr geistig, ausgebreitet, unbegrenzt und unfaßbar. Sind jene nämlich wahre Vorbilder, dann müssen sie auch geformt und umschrieben sein, und es ist unbestreitbar, daß sie dann nicht mehr geistig sind. Sind aber jene geistig, ausgedehnt und unfaßbar, wie kann dann das Geformte, Umschriebene ein Abbild dessen sein, was ohne Form und Grenzen ist?



7.

Wenn sie aber weder nach Gestalt noch Form, sondern bloß nach Zahl und Ordnung die Vorbilder ihrer Abbilder sein sollen, dann wären sie erstens nicht mehr Ab- und Ebenbilder der oberen Äonen — denn sie gleichen ihnen ja weder in Habitus noch in Gestalt — und zweitens mögen sie die Zahl und die Ausgänge der oberen Äonen in völligen Einklang bringen mit den Dingen dieser Schöpfung! Da sie aber nur dreißig Äonen aufweisen und eine so große Menge der erschaffenen Dinge die Abbilder dieser dreißig sein lassen, so werden sie von uns mit Recht als unvernünftig gescholten.





(Contra Haereses) 201