(Contra Haereses) 309

9. Kapitel: Matthäus und der Gott des Alten Testamentes

309 1.

Wir haben also klar bewiesen und werden es im weiteren Verlauf noch deutlicher tun, daß keinen anderen Gott und Herrn weder die Propheten, noch die Apostel, noch Christus der Herr als Gott und Herrn bekannt haben. So nennen die Propheten und Apostel den Vater und den Sohn, keinen anderen aber nennen sie Gott oder bekennen ihn als Herrn. Und der Herr selber nennt nur den Vater Gott und Herrn, den, der allein Gott ist und Herrscher über alles; und da er so es seinen Jüngern überliefert hat, und da ihre Zeugnisse dies bekunden, so müssen wir ihnen folgen, wenn anders wir ihre Schüler sein wollen. Der Apostel Matthäus nämlich wußte, daß der Gott, welcher dem Abraham die Verheißung gab, daß er seinen Samen „wie die Sterne des Himmels“ machen werde (
Gn 15,5) , derselbe sei wie jener, der durch seinen Sohn Jesus Christus uns von der Anbetung der Steine zu seiner Erkenntnis berufen hat, damit „das Nichtvolk zum Volke und die Nichtgeliebte zur Geliebten werde“ (Rm 9,25). Dieser erzählt von Johannes, dem Vorläufer des Herrn, er habe denen, die ihrer fleischlichen Gesinnung sich rühmten und eines schwankenden, überaus boshaften Sinnes waren, um sie von ihrer Bosheit zu bekehren, Buße mit den Worten gepredigt: „Ihr Natterngezücht, wer hat euch gelehrt, dem zukünftigen Zorn zu entrinnen? Bringet eine würdige Frucht der Buße! Sprechet nicht bei euch selbst: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch, daß Gott mächtig ist, aus jenen Steinen dem Abraham Söhne zu erwecken“ (Mt 8,7 ff.). Buße also verkündete er ihnen zur Abkehr von der Bosheit, aber keinen andern Gott predigte der Vorläufer Christi als den, der dem Abraham die Verheißung gegeben. Von diesem sagt abermals Matthäus in Übereinstimmung mit Lukas: „Dieser ist es, der von dem Herrn durch den Propheten genannt wurde: Stimme des Rufenden in der Wüste; Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade die Pfade unseres Gottes! Jedes Tal soll ausgefüllt, jeder Berg und Hügel abgetragen werden, und es wird das Krumme gerade und das Rauhe zu ebenem Wege werden, und alles Fleisch wird das Heil Gottes schauen“ (vgl. Mt. Mt 3,3 Lk. 3,4ff. ). Es ist also ein und derselbe Gott, der Vater unseres Herrn, der durch die Propheten verhieß, daß er den Vorläufer senden werde, und sein Heil, d. h. sein Wort, allem Fleische sichtbar machte und selbst Fleisch wurde, um sich in allem als ihr König zu offenbaren. Denn die gerichtet werden, sollten ihren Richter sehen und wissen, von wem sie gerichtet werden sollten; und die, welche die Herrlichkeit erlangen, sollten den kennen, der ihnen das Geschenk der Herrlichkeit verleiht.



2.

Indem Matthäus wiederum von dem Engel spricht, sagt er: ,,Der Engel des Herrn erschien dem Joseph im Traume“ (Mt 2,13). Welchen Herrn er meint, erklärt er: „Damit erfüllt würde, was von dem Herrn durch den Propheten gesagt ist: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen (Ebd. 2,15)



3.

Ferner sagt Matthäus bei der Taufe: „Es öffneten sich über ihm die Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube über ihn herabkommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe“ (Mt 3,16 f.). Kein Christus stieg damals auf Jesus herab, noch ist Jesus ein anderer als Christus, sondern das Wort Gottes ist Jesus, der Erlöser aller und der Beherrscher des Himmels und der Erde, wie wir oben gezeigt haben, und indem er Fleisch annahm und von dem Vater durch den Geist gesalbt wurde, ward er zu Jesus dem Gesalbten, wie Isaias sagt: „Ausgehen wird ein Sproß aus der Wurzel Jesse und eine Blume aufgehen aus seiner Wurzel, und ruhen wird über ihm der Geist Gottes, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Wissenschaft und der Frömmigkeit, und erfüllen wird ihn der Geist der Furcht Gottes. Nicht nach dem Ansehen wird er Recht schaffen und nicht richten nach dem Gerede, sondern richten wird er den Demütigen und strafen die Ruhmvollen der Erde“ (Is 11,1 ff.). Und wiederum sagt Isaias, indem er seine Salbung und den Grund derselben anzeigt: „Der Geist des Herrn ist über mir; deswegen hat er mich gesalbt; frohe Botschaft zu bringen den Demütigen, sandte er mich, zu heilen die Kleinmütigen, zu verkünden den Gefangenen Erlösung und den Blinden das Sehen, auszurufen das angenehme Jahr des Herrn und den Tag der Vergeltung, zu trösten alle Traurigen“ (Is 61,1 f.). Denn insofern das Wort Gottes aus der Wurzel Jesses Mensch wurde und ein Sohn Abrahams war, ruhte über ihm der Geist des Herrn, und wurde er gesalbt, den Demütigen frohe Botschaft zu bringen. Insofern er aber Gott war, urteilte er nicht nach Ansehen und richtete er nicht nach bloßem Gerede. „Er hatte nämlich nicht nötig, daß jemand ihm Zeugnis gab über einen Menschen, da er selbst wußte, was im Menschen war“ (Jn 2,25). Aber alle Betrübten rief er zu sich, und Verzeihung schenkte er denen, die von den Sünden in Knechtschaft geführt waren, und löste sie von ihren Banden gemäß dem Worte Salomons: „Mit den Stricken seiner Sünden wird ein jeder gefesselt“ (Pr 5,22). Der Geist Gottes stieg also auf ihn herab, wie er schon durch die Propheten verheißen hatte, daß er ihn salben werde, damit wir von der Fülle seiner Salbung empfangend gerettet würden. So lehrt also Matthäus.





10. Kapitel: Lukas und Markus über den Gott des Alten Testamentes

310 1.

Lukas aber, der Begleiter und Schüler der Apostel, spricht von Zacharias und Elisabeth, aus denen nach der Verheißung Gottes Johannes gezeugt wurde, mit den Worten: „Es waren aber beide gerecht vor Gott und wandelten tadellos in allen Geboten und Satzungen des Herrn“ (
Lc 1,6). Und wiederum sagt er von Zacharias: „Es geschah aber, als er sein Priesteramt vor Gott verwaltete gemäß der Reihenfolge nach der Gewohnheit des Priestertums, da traf ihn das Los, das Rauchopfer aufzulegen, und er ging hinaus und kam, um zu opfern, und trat in den Tempel des Herrn“ (Vgl. ebd. 1,8f.). Der Priester vor dem Herrn bekennt also seinerseits schlechthin ohne Vorbehalt und Zaudern den als Gott und Herrn, der Jerusalem auserwählt hat, dem Priestertum seine Gesetze gab, dessen Engel Gabriel ist. Einen andern über diesen nämlich kannte er nicht, denn wenn er irgend einen vollkommenern Gott und Herrn gekannt hätte außer diesem, dann würde er freilich jenen, den er für eine Frucht des Fehltrittes hielt, nicht schlechthin und unbedingt als Gott und Herrn bekennen, wie wir oben gezeigt haben. Ebenso sagt er auch, wenn er von Johannes spricht: „Er wird nämlich groß sein vor dem Herrn und viele der Söhne Israels wird er zu dem Herrn, ihrem Gott bekehren, und er selbst wird vor ihm einher gehen im Geist und in der Kraft des Elias, dem Herrn ein vollkommenes Volk zu bereiten“ (Ebd. 1,15 ff.). Wem also hat er das Volk bereitet, und vor welchem Herrn ist er groß geworden? Doch nur vor dem, der von ihm gesagt hat, daß dieser Johannes doch ein beträchtliches mehr gewesen ist als ein Prophet, und daß keiner unter den vom Weibe Geborenen größer gewesen ist als Johannes der Täufer (Mt 11,9 Mt 11,11) . Dieser bereitete das Volk vor auf die Ankunft des Herrn, indem er seinen Mitknechten Buße verkündete und predigte, damit sie von dem Herrn, wenn er erschien, Verzeihung erlangten und zu ihm sich bekehrten, von dem sie wegen ihrer Ursünden und Übertretungen sich entfernt hatten, wie David sagt: „Entfernt haben sich die Sünder seit dem Mutterschoß, abgeirrt sind sie von der Geburt her“ (Ps 57,4). Deswegen bekehrte er sie zu ihrem Herrn und bereitete dem Herrn ein vollkommenes Volk im Geist und in der Kraft des Elias.



2.

Und indem er wiederum von dem Engel spricht, sagt er: „In jener Zeit aber wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt und sprach zur Jungfrau: Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden bei Gott“ (Lc 1,26 Lc 1,30). Und von dem Herrn sagt er: „Dieser wird groß sein und Sohn des Allerhöchsten genannt werden, und geben wird ihm der Herr Gott den Thron Davids, seines Vaters, und herrschen wird er im Hause Jakobs in Ewigkeit, und seines Reiches wird kein Ende sein“ (Ebd. 1,32 ff.). Wer anders aber herrscht im Hause Jakobs ohne Unterbrechung in Ewigkeit als Christus Jesus, unser Herr, der Sohn des Allerhöchsten, der durch sein Gesetz und die Propheten versprochen hat, daß er sein Heil allem Fleische sichtbar machen werde, damit er werde des Menschen Sohn deshalb, damit auch der Mensch werde der Sohn Gottes? Darum frohlockte auch Maria und rief prophetisch im Namen der Kirche: „Hochpreiset meine Seele den Herrn, und es frohlockt mein Geist in Gott, meinem Heile. Denn angenommen hat er Israel als seinen Knecht, indem er sich erinnerte seiner Barmherzigkeit, wie er gesprochen hat zu unsern Vätern, dem Abraham und seinem Samen in Ewigkeit“ (Ebd. 1,46.47.54.55.). Durch diese gewichtigen Stellen beweist das Evangelium, daß eben der Gott, der zu den Vätern gesprochen hat, auch durch Moses das Gesetz gegeben hat, „wodurch wir wieder erkannt haben, daß er zu den Vätern gesprochen hat. Eben derselbe Gott ergoß über uns nach seiner großen Güte seine Barmherzigkeit, in der er uns anschaute als der Aufgang aus der Höhe und denen erschien, die in der Finsternis und im Schatten des Todes saßen, und unsere Füße lenkte auf den Weg des Friedens (Ebd. 1,78 f.) . Wie auch Zacharias aufhörte stumm zu sein, was er wegen seines Unglaubens geworden war, und mit dem neuen Geiste erfüllt, aufs neue Gott pries. Alles nämlich wurde erneut, als das Wort auf neue Weise seine Ankunft im Fleische bewirkte, um den Menschen für Gott zu gewinnen, der von Gott fortgegangen war. Deshalb wurden die Menschen auch gelehrt, Gott auf neue Weise zu verehren, aber nicht einen andern Gott, denn „es ist ein Gott, der die Beschneidung aus dem Glauben rechtfertigt und die Vorhaut durch den Glauben“ (Rm 3,30).



3.

Als aber Zacharias weissagte, sprach' er: „Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, denn er hat heimgesucht und Erlösung bereitet seinem Volke. Und er hat aufgerichtet ein Hörn des Heils für uns im Hause Davids, seines Knechtes, wie er gesprochen hat durch den Mund seiner heiligen Propheten, die von Ewigkeit sind, Errettung von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns haßten, um Barmherzigkeit zu tun mit unsern Vätern und sich zu erinnern seines heiligen Bundes. Denn er schwur dem Abraham, unserm Vater, daß er uns gebe, aus der Hand der Feinde befreit, ihm furchtlos zu dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinem Angesichte alle unsere Tage“ (Lc 1,68 ff.). Alsdann spricht er zu Johannes: „Und du, Knabe, wirst Prophet des Allerhöchsten genannt werden, denn du wirst vorangehen vor dem Angesichte des Herrn, ihm seine Wege zu bereiten, um das Verständnis des Heiles seinem Volke zu geben, zur Nachlassung ihrer Sünden“ (Ebd. 1,76 f.). Denn gerade die Kenntnis des Heiles fehlte ihnen, d. h., des Sohnes Gottes, die ihnen Johannes vermittelte, indem er sprach: „Siehe, das Lamm Gottes, welches hinwegnimmt die Sünde der Welt“ (Jn 1,29). Dieser war es, von dem ich sagte: „Nach mir kommt der Mann, der vor mir geworden ist, da er früher als ich war“ (Ebd. 1,15). „Und wir alle haben von seiner Fülle empfangen“ (Ebd. 1,16). Das also ist die Erkenntnis des Heils. Und keinen anderen Gott gibt es, noch einen, anderen Vater, oder Bythos, oder Pleroma von dreißig Äonen, noch Mutter einer Achtheit; sondern die Kenntnis des Heils war die Kenntnis des Sohnes Gottes, der auch Heil, Heiland und Hilfe ist und mit Recht genannt wird. Heil wird er genannt in der Stelle: „Auf Dein Heil habe ich gehofft, o Herr“ (Gn 49,18); Heiland wiederum, wenn es heißt: „Siehe, mein Gott, mein Heiland, auf ihn werde ich bauen“ (Is 12,2); Hilfe aber in der Stelle: „Bekannt machte der Herr seine Hilfe vor den Heiden“ (Ps 97,2). Heiland ist er als Sohn und Wort Gottes, Hilfe als Geist, „denn der Geist unseres Angesichtes“, heißt es, „ist Christus der Herr“ (Klg. 4,20), Heil aber als Fleisch, denn „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Jn 1,14). Dieses Heiles Kenntnis vermittelt Johannes denen, die Buße taten und an das Lamm Gottes glaubten, welches hinwegnimmt die Sünde der Welt.



4.

Es erschien, sagt er, auch den Hirten der Engel des Herrn, große Freude ihnen verkündend, „daß geboren war im Hause Davids der Heiland, welcher ist Christus, der Herr. Dann kam die Menge des himmlischen Heeres, welche Gott lobten und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Friede den Menschen guten Willens“ (Vgl. Lk. Lc 2,8 ff.). Nun behaupten die Gnostiker als Fälscher, daß diese Engel von der Achtheit gekommen seien und die Herabkunft des oberen Christus bezeichnet hätten. Doch diese Behauptung, daß der obere Christus und Heiland nicht geboren sei, sondern nach der Taufe Jesu der Anordnung gemäß erst auf diesen wie eine Taube herabgestiegen sei, stürzt dann zusammen, denn dann lügen die Engel der Achtheit nach ihnen, wenn sie sagen: „Euch ist heute in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr“ (Ebd 2,11). Nach ihnen ist ja weder Christus noch der Heiland damals geboren, sondern bloß der beauftragte Jesus, der von dem Demiurgen stammt, und auf diesen ist dann nach der Taufe, also erst dreißig Jahre später, der obere Heiland hinabgestiegen. In der Stadt Davids aber ist hinzugefügt, um zu verkünden, daß jene Verheißung erfüllt sei, die dem David von Gott gegeben wurde, daß nämlich aus der Frucht seines Leibes der ewige König stammen wird. Denn diese Verheißung hatte der Schöpfer der ganzen Welt dem David gegeben, wie David selber sagt: „Meine Hilfe ist vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“ (Ps 7,11). Und wiederum steht geschrieben: „In seiner Hand sind die Grenzen der Erde, und die Höhen der Berge sind sein. Denn sein ist das Meer, und er hat es gemacht, und das Festland haben seine Hände gegründet. Kommet, lasset uns anbeten und niederfallen vor ihm und weinen vor dem Angesichte des Herrn, der uns erschaffen hat, denn er ist der Herr, unser Gott“ (Ps 94,4 f.). Deutlich verbündet der Heilige Geist durch David denen, die hören wollen, daß es Menschen geben wird, die den verachten werden, der uns geschaffen hat und der allein der Herr ist. Darum besagt die angeführte Stelle: Irret nicht, außer diesem oder über diesem gibt es keinen andern Gott, auf den man mehr achten müßte. Uns aber will er fromm und dankbar gegen den machen, der uns gebildet und erschaffen hat und ernährt. Was also muß nicht mit denen geschehen, die so große Lästerungen gegen ihren Schöpfer erfunden haben! — Aber auch die Engel bestätigen uns dasselbe. Indem sie nämlich sagen: „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Friede“, preisen sie ihn als den Schöpfer der überhimmlischen Wesen in der Höhe und aller Dinge auf Erden, als den, der seinem Geschöpf, d. h. den Menschen, seine Heilsgnade vom Himmel gesandt hat. Deswegen heißt es auch von den Hirten, daß sie zurückkehrten, indem sie Gott priesen für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie es ihnen verkündet worden war (Vgl. Lk. Lc 2,20) . Keinen fremden Gott priesen die israelitischen Hirten, sondern den, der ihnen von dem Gesetz und den Propheten verkündet war, den Allschöpfer, den auch die Engel verherrlichten. Wenn aber die Engel einen anderen Gott verkündeten, nämlich den aus der Achtheit, und einen anderen die Hirten, dann haben die Engel der Achtheit ihnen den Irrtum und nicht die Wahrheit gebracht.



5.

Weiter sagt Lukas von dem Herrn: „Als die Tage der Reinigung erfüllt waren, brachten sie ihn nach Jerusalem, ihn dem Herrn darzustellen, wie geschrieben steht im Gesetze des Herrn: Jedes Männliche, das den Mutterleib öffnet, soll Heiligtum des Herrn genannt werden; und um als Opfer darzubringen, wie es im Gesetze des Herrn gesagt ist, ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben“ (Lc 2,22 ff). Da nennt er also ganz deutlich den, der das Gesetz gegeben hat, Herrn. Ebenso pries Simeon Gott und sprach: „Nun entlässest Du Deinen Diener, o Herr, in Frieden, weil meine Augen Dein Heil gesehen haben, das Du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker als ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zur Verherrlichung Deines Volkes Israel“ (Ebd. 2,29 ff.). Ähnlich verherrlichte die Prophetin Anna ihren Gott, als sie Christum sah, und sprach von ihm zu allen, die die Erlösung Israels erwarteten (Vgl. ebd. 2,38.) . All dieses weist hin auf den einen Gott, der eine neue Ordnung der Freiheit durch die neue Ankunft seines Sohnes den Menschen eröffnete.



6.

Deswegen begann auch Markus, der Dolmetsch und Begleiter Petri, die Niederschrift seines Evangeliums mit den Worten: „Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes, wie geschrieben steht bei dem Propheten: Siehe, ich sende meinen Engel vor Deinem Angesichte, der Deinen Weg bereiten soll. Die Stimme des Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade die Pfade vor unserm Herrn“ (Mc 1,1 ff.). Er sagt deutlich, daß der Anfang des Evangeliums die Stimmen der heiligen Propheten seien, und den, welchen sie als Herrn und Gott bekannt haben, weist er nach als den Vater unseres Herrn Jesu Christi, vor dessen Angesicht er gemäß seiner Verheißung einen Engel voraussenden wollte; das war Johannes, der im Geiste und in der Kraft des Elias in der Wüste rief: „Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade die Pfade vor unserm Herrn“ (Ebd. 1,3). Denn die Propheten verkündeten nicht immer einen andern Gott, sondern unter verschiedenen Bezeichnungen und mannigfaltigen Benennungen ein und denselben. Denn gar reich ist der Vater, wie wir in dem vorigen Buche gezeigt haben und aus den Propheten selbst im weiteren Verlaufe unserer Abhandlung zeigen werden. Am Ende seines Evangeliums aber sagt Markus: „Nachdem der Herr Jesus zu ihnen gesprochen hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und sitzet zur Rechten Gottes“ (Mc 16,19)und bestätigt das, was von den Propheten gesagt ist: „Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße“ (Ps 109,1). So ist es also ein und derselbe Gott und Vater, der von den Propheten verkündet und von dem Evangelium gelehrt worden ist, den wir Christen aus ganzem Herzen ehren und lieben als den Schöpfer des Himmels und der Erde und von allem, was darin ist.





11. Kapitel: Johannes über dasselbe Thema. — Die vier Evangelien als Ganzes

311 1.

Denselben Glauben verkündete Johannes, der Schüler des Herrn. Durch die Verkündigung seines Evangeliums wollte er jenen Irrtum widerlegen, den Kerinthus unter die Menschen gebracht hat und viel vor ihm die sog. Nikolaiten, die ein Abzweig der fälschlich sog. Gnosis sind. Diese wollte er widerlegen und dartun, daß es nur einen Gott gibt, der alles durch sein Wort gemacht hat, und nicht, wie jene sagen, einen, der die Welt erschaffen, und einen, der der Vater des Herrn ist; der eine sei der Sohn des Schöpfers, der andere, Christus, stamme von den Oberen, sei leidensunfähig und auf Jesus, des Schöpfers Sohn, hinabgestiegen und sei wiederum in sein Pleroma zurückgeflogen. Der Anfang sei der Eingeborene, das Wort sei der Sohn des Eingeborenen, und die Schöpfung hienieden sei nicht von dem ersten Gott gemacht, sondern von einer Kraft, die weit unter ihm stehe und weit entfernt sei von der Gemeinschaft mit den unsichtbaren und unaussprechbaren Wesen. Alles Derartige wollte der Schüler des Herrn austilgen und als Richtschnur der Wahrheit in der Kirche aufstellen, daß es nur einen allmächtigen Gott gibt, der durch sein Wort alles gemacht hat, das Sichtbare und das Unsichtbare, und zugleich kundtun, daß durch das Wort, durch welches Gott die Schöpfung hergestellt hat, er auch den Menschen, die in dieser Schöpfung sind, das Heil gewährt. Demgemäß beginnt er die Lehre seines Evangeliums folgendermaßen: „Im Anfange war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dieses war im Anfange bei Gott. Alles ist durch dasselbe gemacht worden, und ohne dasselbe ist nichts gemacht worden, was gemacht worden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen, und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen“ (
Jn 1,1 ff.). Alles, sagt er, ist durch dasselbe gemacht worden; in diesem „Allen“ also auch die gegenwärtige Schöpfung. Denn keineswegs kann ihnen zugestanden werden, „alles“ bezeichne nur die Dinge innerhalb ihres Pleroma. Wenn aber auch, dieses ihr Pleroma umfaßt, dann ist diese große Schöpfung nicht außerhalb desselben, wie wir in dem vorhergehenden Buche gezeigt haben; ist aber dieses außerhalb des Pleroma, was wir ebenso als unmöglich dargetan haben, dann ist ihr Pleroma nicht das „All“; also ist diese große Schöpfung nicht außerhalb.



2.

Doch Johannes selbst hat jede Mißdeutung ausgeschlossen, indem er sagt: „Er war in dieser Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht worden, und die Welt hat ihn nicht erkannt. Er kam in sein Eigentum, und die Seinigen nahmen ihn nicht auf“ (Ebd. 1,10 f.). Nach Markion aber und seinesgleichen ist die Welt nicht durch ihn gemacht worden; er kam nicht in sein, sondern in fremdes Eigentum. Nach anderen Gnostikern ist diese Welt von Engeln gemacht worden und nicht durch das Wort Gottes. Nach den Valentinianern aber ist die Welt wiederum nicht durch das Wort gemacht worden, sondern von dem Demiurgen. Jener[72] ließ nach dem Vorbilde der oberen Dinge diese als Abbilder werden, wie sie sagen, der Demiurg aber schuf diese Schöpfung. Durch ihn wollen sie diese Welt gemacht sein lassen, der von der Mutter ausgesandt wurde als Herr und Urheber der erschaffenen Ordnung, während das Evangelium deutlich sagt, daß durch das Wort, welches im Anfang bei Gott war, alles gemacht worden ist, und von diesem Worte heißt es, es ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt (Ebd. 1,14) .



3.

Nach jenen aber ist nicht das Wort Fleisch geworden, nicht Christus, noch der aus allem entstandene Heiland. Weder das Wort, noch Christus ist nach ihnen in diese Welt gekommen; der Heiland hat weder Fleisch angenommen, noch gelitten, sondern ist nur wie eine Taube auf den im voraus erwählten Jesus hinabgestiegen und dann, nachdem er den unbekannten Vater verkündet hatte, wieder in das Pleroma hinaufgestiegen. Einige aber lassen diesen vorerwählten Jesus, der durch Maria hindurchgegangen sein soll wie Wasser durch eine Röhre, Fleisch annehmen und leiden; andere den Sohn des Demiurgen, auf den der vorerwählte Jesus hinabstieg; andere wieder lassen einen Jesus von Joseph und Maria abstammen und auf diesen einen Christus hinabsteigen, der aus den oberen Regionen kam, unkörperlich und leidensunfähig war. Keiner der Häretiker lehrt aber, daß das Wort Fleisch geworden ist. Durchforscht man nämlich alle ihre Lehrsätze, so wird man finden, daß das Wort Gottes und der Christus von oben als unkörperlich und leidensunfähig von ihnen allen dargestellt wird. Die einen nämlich meinen, er habe sich offenbart, indem er gleichsam die menschliche Gestalt annahm, aber keineswegs geboren wurde oder Fleisch wurde, andere wieder sagen, er habe auch nicht einmal die Gestalt eines Menschen angenommen, sondern sei in Gestalt einer Taube auf den aus Maria geborenen Jesus herabgestiegen. Diese alle erweist der Schüler des Herrn als falsche Zeugen, indem er sagt: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“



4.

Und damit wir nicht noch fragen, welches Gottes Wort Fleisch geworden ist, fügt er sogleich belehrend hinzu: „Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. Dieser kam zum Zeugnis, damit er zeuge von dem Lichte. Nicht war er selbst das Licht, sondern damit er zeugte von dem Lichte“ (Jn 1,6 f.) . Johannes also, der Vorläufer, welcher von dem Lichte zeugte, war von Gott gesandt, natürlich von dem, dessen Engel Gabriel ist, der auch seine Geburt verkündete. Derselbe hatte durch die Propheten versprochen, daß er seinen Engel senden werde vor dem Angesicht seines Sohnes und den Weg bereiten, d. h. Zeugnis ablegen von dem Lichte im Geist und in der Kraft des Elias. Wessen Gottes Diener und Prophet war denn hinwiederum Elias? Doch dessen, der den Himmel und die Erde gemacht hat, wie er selbst bekennt. War also Johannes von dem Schöpfer und Urheber dieser Welt gesandt, wie hätte er dann von jenem Lichte Zeugnis ablegen können, das aus den unnennbaren und unsichtbaren Regionen herabgestiegen war? Ist es doch bei allen Häretikern ausgemacht, dass der Demiurg jene Kraft über sich nicht kennt, als deren Zeuge und Lehrer Johannes sich erweist. Deshalb sprach auch der Herr, daß er ihn für mehr als einen (Mt 11,9) halte. Denn die übrigen Propheten verkündeten die Ankunft des Lichtes vom Vater; sie begehrten gewürdigt zu werden, den zu sehen, den sie verkündigten. Johannes aber verkündete ihn ähnlich wie die anderen und sah ihn auch, als er ankam, wies auf ihn hin und überredete viele, an ihn zu glauben, so daß er Prophet und Apostel war. So ist er mehr als ein Prophet, denn „zuerst die Apostel und zuzweit die Propheten, alles aber von ein und demselben Gott“ (1Co 12,28).



5.

Gut war doch der Wein, wie er in der Schöpfung von Gott im Weinberge gemacht war und zuerst getrunken wurde. Denn niemand von denen, die ihn tranken, tadelte ihn, und auch der Herr nahm davon. Besser war der Wein, den das Wort kurzerhand aus Wasser zum Gebrauch der Hochzeitsgäste herstellte. Freilich hatte der Herr auch ohne Benutzung eines geschaffenen Dinges den Gästen Wein reichen, auch mit Speise Hungrige sättigen können; er tat es aber nicht, sondern nahm vielmehr irdisches Brot, sagte Dank und speiste die, welche sich niedergelassen hatten, und ebenso machte er aus Wasser Wein und gab den zur Hochzeit Geladenen zu trinken. Dadurch zeigte er an, daß derselbe Gott, der die Erde erschaffen und ihr befohlen hat, Früchte hervorzubringen, und dem Wasser seine Grenzen gegeben und die Quellen hervorgebracht hat, hier auch die gesegnete Speise und den gnadenvollen Trank in den letzten Zeiten durch seinen Sohn dem Menschenge-schlechte schenkt, der Unfaßbare durch den Faßbaren und der Unsichtbare durch den Sichtbaren, da er nicht außer ihm ist, sondern nur im Schoße des Vaters besteht.



6.

„Gott nämlich“, sagt er, „hat niemand jemals gesehen, nur der eingeborene Sohn Gottes, der im Schoße des Vaters ist, der hat es erzählt“ (Jn 1,18). Den seiner Wesenheit nach unsichtbaren Vater nämlich, in dessen Schoße er ist, den hat der Sohn allen verkündet. Deswegen erkennen ihn die, denen es der Sohn enthüllt hat, und wiederum gibt der Vater durch den Sohn die Erkenntnis seines Sohnes denen, die ihn lieben. Durch ihn hat auch Nathanael ihn kennen gelernt, dem der Herr das Zeugnis ausstellt, daß er ein wahrer Israelite ist, in dem kein Falsch ist (Jn 1,47) . Da erkannte der Israelit seinen König und sprach zu ihm: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel“ (Ebd. 1,49). Durch ihn belehrt, erkannte auch Petrus Christum als den Sohn des lebendigen Gottes, der da sprach: „Siehe, mein geliebtester Sohn, an dem ich Gefallen habe. Ich will auf ihn legen meinen Geist, und er soll den Heiden das Gericht verkünden. Nicht wird er streiten noch schreien, noch soll jemand in den Straßen seine Stimme hören. Ein geknicktes Rohr wird er nicht brechen und eines glimmenden Docht nicht auslöschen, bis er zum Siege verhilft dem Recht. Und in seinem Namen werden die Heiden hoffen“ (Mt 12,18 f.).



7.

Daß also der Gott, der durch die Propheten verkündet wurde und durch Moses die Gesetzesordnung getroffen hat, auch der Schöpfer dieses Weltalls ist, das sind die Grundlehren des Evangeliums, die auch denselben als den Vater unseres Herrn Jesu Christi verkünden und außer diesem einen andern Gott nicht kennen, noch einen andern Vater. Die Zuverlässigkeit der Evangelien aber ist so groß, daß selbst die Häretiker für sie Zeugnis ablegen und zur Bestätigung ihrer Lehre sich auf sie zu berufen versuchen. Die Ebioniten, die allein das Evangelium nach Matthäus gebrauchen, werden gerade hieraus überführt, daß sie über den Herrn Falsches lehren. Markion aber beschneidet das Evangelium nach Lukas; trotzdem wird er aus dem, was bei ihm noch übrig bleibt, überführt, daß er den einzig wahren Gott lästert. Die aber Jesum von Christus trennen und behaupten, daß Christus leidensunfähig gewesen sei, Jesus aber gelitten habe, berufen sich auf das Evangelium nach Markus; wenn sie jedoch dasselbe mit Liebe zur Wahrheit lesen, können sie sich verbessern. Die Valentinianer aber benutzen vorzüglich auf das ausgiebigste das Evangelium des Johannes, um ihre Vermählungen nachzuweisen; doch gerade aus diesem kann man nachweisen, daß sie Falsches lehren, wie wir im ersten Buche gezeigt haben. Da also unsere Gegner uns das Zeugnis geben und unsere Evangelien benutzen, so ist unsere Beweisführung in dieser Sache stichhaltig und wahr.



8.

Denn es versteht sich, daß es weder mehr noch weniger als diese Evangelien geben kann. Da es nämlich in der Welt, in der wir uns befinden, vier Gegenden und vier Hauptwindrichtungen gibt und die Kirche über die ganze Erde ausgesät ist, das Evangelium aber die Säule und Grundfeste der Kirche und ihr Lebenshauch ist, so muß sie naturgemäß auch vier Säulen haben, die von allen Seiten Unsterblichkeit aushauchen und die Menschen wieder beleben. Daraus ergibt sich, daß das Wort, als Urheber des Weltalls, thronend über den Cherubinen und alles umfassend, als es den Menschen sich offenbarte, uns ein viergestaltiges Evangelium gab, das aber von einem Geiste zusammengehalten wird. Wie auch David im Verlangen nach seiner Ankunft ausruft: „Der du thronest über den Cherubinen, erscheine!“ (Ps 79,1) Die Cherubim nämlich haben vier Gesichter, und diese ihre Gesichter sind die Abbilder der Heilseinrichtung des Sohnes Gottes. Denn „das erste Tier“, heißt es, „ist ähnlich einem Löwen“ (Ap 4,7), um seine Kraft, Herrschaft und königliche Art auszudrücken; „das zweite ähnlich einem jungen Stiere“, um seine Opfer- und Priesterstellung anzuzeigen; „das dritte hat das Angesicht eines Menschen“, um seine Ankunft in Menschengestalt aufs deutlichste zu bezeichnen; „das vierte ist ähnlich einem fliegenden Adler“, um die Gnadengabe des auf die Kirche ausströmenden Geistes kundzutun. Die Evangelien nun passen zu den Wesen, auf denen Christus sitzt. Denn das Evangelium nach Johannes betont seine uranfängliche, wirksame und ruhmvolle Geburt aus dem Vater, indem es sagt: „Im Anfange war das Wort, und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Alles ist durch dasselbe gemacht worden, und ohne dasselbe ist nichts gemacht worden“. Und wie seine Person, so ist auch sein Evangelium voller Zuversicht. Das Evangelium nach Lukas aber mit dem priesterlichen Charakter beginnt mit dem Priester Zacharias, wie er Gott opfert. Denn schon wurde das gemästete Kalb zubereitet, das wegen der Rückkehr des jüngeren Sohnes geschlachtet werden sollte. Matthäus dann verkündet seine menschliche Geburt mit den Worten: „Buch der Abstammung Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams ... Und mit der Geburt Jesu Christi verhielt es sich folgendermaßen“ (Mt 1,1 Mt 1,18). Dieses Evangelium hat also die menschliche Gestalt, und in seinem ganzen Verlauf ist der sanfte und demütige Mensch beibehalten worden. Markus aber beginnt mit dem prophetischen Geist, der auf die Menschen von oben herabkam, und sagt: „Anfang des Evangeliums, wie geschrieben steht beim Propheten Isaias“ (Is 1,1 f.)und zeigt die fliegende und beflügelte Gestalt des Evangeliums. Deshalb ist seine Botschaft knapp und vorwärtseilend, wie das der prophetische Charakter mit sich bringt. — Gerade so das Wort Gottes: Mit den Patriarchen vor Moses verkehrte es auf göttliche und majestätische Art, mit denen unter dem Gesetze nach seiner priesterlichen Stellung, als Mensch sodann sandte es die Gabe des himmlischen Geistes auf die ganze Erde, indem es mit seinen Flügeln uns beschützte. Wie also die Heilsordnung des Sohnes Gottes, so auch die Gestalt der Tiere, und wie die Gestalt der Tiere, so auch der Charakter des Evangeliums. Viergestaltig die Tiere, viergestaltig das Evangelium, viergestaltig die Heilsordnung des Herrn. Daher also wurden auch vier allgemeine Bündnisse der Menschheit gegeben, das erste nach der Sintflut mit Noe bei dem Regenbogen, das zweite mit Abraham unter dem Zeichen der Beschneidung, das dritte bei der Gesetzgebung durch Moses, das vierte, das den Menschen erneuert and in sich alle zusammenfaßt, in dem die Mensches erhoben und zu dem himmlischen Reich emporgetragen werden, ist das Evangelium unseres Herrn Jesu Christi.



9.

Bei dieser Sachlage sind alle diejenigen töricht, schlecht unterrichtet und frech dazu, welche die Gestalt des Evangeliums aufheben und mehr oder weniger als diese vier Formen einführen wollen; die einen geben sich den Schein, als wären sie tiefer in die Wahrheit eingedrungen, die andern aber zerstören die Anordnungen Gottes. Markion verwirft das Evangelium als Ganzes, oder vielmehr, er trennt sich selbst vom Evangelium ab, und rühmt sich dennoch, gleich uns ein Evangelium zu haben. Andere wieder wollen das Geschenk des Geistes außer Geltung setzen, das in den letzten Zeiten über das Menschengeschlecht nach dem Wohlgefallen des Vaters ausgegossen wurde; deshalb lassen sie die Evangelienform nach Johannes nicht zu, wo der Herr verheißt, daß er den Tröster senden werde, sondern verwerfen das Evangelium und den prophetischen Geist. Ein richtiges Pech! Die sich selber zu Pseudopropheten machen, berauben die Kirche der Prophetengabe und halten sich von der Gemeinschaft mit den Brüdern zurück, wie auch die, welche gerade ihretwegen als Heuchler[73] kommen. Es versteht sich, daß derartige Leute auch den Apostel Paulus nicht anerkennen. Spricht er doch in seinem Briefe an die Korinther ausführlich von den prophetischen Gnadengaben und erwähnt Männer und Weiber, die in der Kirche weissagen. In all diesen Stücken sündigen sie also gegen den Heiligen Geist und fallen in jene Sünde, die nicht nachgelassen werden kann (Mt 12,31) . Die Valentinianer aber bringen ohne alle Scheu ihre eigenen Schreibereien vor und rühmen sich, mehr Evangelien zu haben, als in Wirklichkeit sind. Soweit sind sie sogar in ihrer Kühnheit gegangen, daß sie ein unlängst von ihnen verfaßtes Buch Evangelium der Wahrheit nennen, obwohl es in nichts mit den Evangelien der Apostel übereinstimmt. So bleibt nicht einmal unser Evangelium vor ihren Lästerungen verschont. Wenn nämlich das von ihnen vorgebrachte Evangelium wahr ist und dieses mit den uns von den Aposteln überlieferten Evangelien keine Ähnlichkeit hat, dann ist doch leicht einzusehen, wie sich aus ihren Schriften nachweisen läßt, daß das apostolische Evangelium nicht wahr ist. Aber auf vielfache und gewichtige Weise haben wir ja nachgewiesen, daß unser Evangelium allein wahr und zuverlässig ist, and daß es weder mehr noch weniger Evangelien geben kann, als wir vorher gesagt haben, Denn da Gott alles nach Maß und Zahl gemacht hat, so mußte auch die Gestalt des Evangeliums wohl abgefaßt und wohl berechnet sein. 

   Nachdem wir mm aus den Prinzipien der Männer, die uns das Evangelium überliefert haben, gesehen haben, welches ihre Lehre ist, wollen wir zu den übrigen Aposteln übergehen und schauen, was sie über Gott lehren. Zum Schluß werden wir dann vernehmen, was der Herr selber gesprochen hat.






(Contra Haereses) 309