Generalaudienzen 2005-2013 31017

Mittwoch, 31. Januar 2007: Barnabas, Silas und Apollos

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Liebe Brüder und Schwestern!

In Fortsetzung unserer Reise unter den Hauptpersonen der christlichen Anfänge widmen wir heute unsere Aufmerksamkeit einigen Mitarbeitern des hl. Paulus. Wir müssen anerkennen, daß der Apostel ein beredtes Beispiel für einen Mann darstellt, der offen ist für die Zusammenarbeit: Er will in der Kirche nicht alles allein machen, sondern bedient sich zahlreicher und unterschiedlicher Helfer. Wir können uns nicht mit allen diesen wertvollen Helfern befassen, denn es sind ihrer viele. Es möge genügen, unter den anderen Epaphras (vgl.
Col 1,7 Col 4,12 Philemon Col 23), Epaphroditus (vgl. Ph 2,25 Ph 4,18), Tychikus (vgl. Ac 20,4 Ep 6,21 Col 4,7 2Tm 4,12 Tt 3,12), Urbanus (vgl. Rm 16,9), Gaius und Aristarchus (vgl. Ac 19,29 Ac 20,4 Ac 27,2 Col 4,10) zu erwähnen. Und Frauen wie Phöbe (vgl. Rm 16,9), Tryphäna und Tryphosa (vgl. Rm 16,12), Persis, die Mutter von Rufus - von der der hl. Paulus sagt: »Sie ist auch mir zur Mutter geworden« (vgl. Rm 16,12-13) -, nicht zu vergessen Eheleute wie Priska und Aquila (vgl. Rm 16,3 1Co 16,19 2Tm 4,19). Unter dieser großen Schar von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des heiligen Paulus richten wir heute unser Interesse auf drei dieser Menschen, die eine besonders bedeutsame Rolle bei der Evangelisierung zu Beginn des Christentums gespielt haben: Barnabas, Silas und Apollos.

Barnabas bedeutet »Sohn der Ermahnung« (Ac 4,36) oder »Sohn des Trostes« und ist der Beiname eines aus Zypern gebürtigen jüdischen Leviten. Nachdem er sich in Jerusalem niedergelassen hatte, war er einer der ersten, die sich nach der Auferstehung des Herrn dem Christentum anschlossen. Mit großer Hochherzigkeit verkaufte er einen Acker, der ihm gehörte, und übergab den Erlös den Aposteln für die Bedürfnisse der Kirche (vgl. Ac 4,37). Er machte sich zum Gewährsmann der Bekehrung des Saulus bei der christlichen Gemeinde von Jerusalem, die dem ehemaligen Verfolger noch mißtraute (vgl. Ac 9,27). Nachdem er nach Antiochia in Syrien gesandt worden war, holte er Paulus in Tarsus ab, wohin sich dieser zurückgezogen hatte; er verbrachte mit ihm ein ganzes Jahr und widmete sich der Evangelisierung dieser wichtigen Stadt, in deren Gemeinde Barnabas als Prophet und Lehrer bekannt war (vgl. Ac 13,1). So hat Barnabas im Augenblick der ersten Bekehrungen der Heiden begriffen, daß das die Stunde des Saulus war, der sich in seine Heimatstadt Tarsus zurückgezogen hatte. Er ging dorthin, um ihn aufzusuchen. So hat er in jenem wichtigen Augenblick Paulus gleichsam der Kirche zurückgegeben; er hat ihr in diesem Sinn den Völkerapostel noch einmal geschenkt. Von der Gemeinde Antiochias wurde Barnabas zusammen mit Paulus in die Mission entsandt, und die beiden machten jene Reise, die unter dem Namen »erste Missionsreise« des Apostels bekannt ist. In Wirklichkeit handelte es sich um eine Missionsreise des Barnabas, denn er war der wahre Verantwortliche, dem sich Paulus als Mitarbeiter anschloß; sie erreichten die Regionen von Zypern und Zentral- und Südanatolien in der heutigen Türkei, mit den Städten Attalia, Perga, Antiochia in Pisidien, Ikonion, Lystra und Derbe (vgl. Ac 13-14). Zusammen mit Paulus begab sich Barnabas dann zum sogenannten Konzil von Jerusalem, wo die Apostel zusammen mit den Ältesten nach einer gründlichen Untersuchung des Problems beschlossen, die Praxis der Beschneidung von der christlichen Identität zu trennen (vgl. Ac 15,1-35). Nur so haben sie schließlich offiziell die Kirche der Heiden möglich gemacht, eine Kirche ohne Beschneidung: Wir sind einfach durch den Glauben an Christus Söhne Abrahams.

Die beiden, Paulus und Barnabas, gerieten dann zu Beginn der zweiten Missionsreise in eine Auseinandersetzung, weil Barnabas beabsichtigte, als Gefährten den Johannes, genannt Markus, mitzunehmen, während Paulus das nicht wollte, weil sich der junge Mann während der vorhergehenden Reise von ihnen getrennt hatte (vgl. Ac 13,13 Ac 15,36-40). Es gibt also auch unter Heiligen Auseinandersetzungen, Zwietracht und Streitigkeiten. Und dies erscheint mir sehr tröstlich, weil wir sehen, daß die Heiligen nicht »vom Himmel gefallen« sind. Sie sind Menschen wie wir, mit Problemen, die auch kompliziert sein können. Die Heiligkeit besteht nicht darin, nie einen Fehler, eine Sünde begangen zu haben. Die Heiligkeit wächst in der Fähigkeit zur Bekehrung, zur Reue, zur Bereitschaft, wieder neu anzufangen, und vor allem in der Fähigkeit zu Versöhnung und Vergebung. Und so kommt Paulus, der dem Markus gegenüber ziemlich hart und bitter gewesen war, schließlich wieder mit ihm zusammen. In den letzten Briefen des hl. Paulus, dem Brief an Philemon und im Zweiten Brief an Timotheus, tritt gerade Markus als »mein Mitarbeiter« in Erscheinung. Also nicht der Umstand, nie einen Fehler begangen zu haben, sondern die Fähigkeit zu Versöhnung und Vergebung macht uns heilig. Und wir können alle diesen Weg zur Heiligkeit lernen. Auf jeden Fall reiste Barnabas zusammen mit Johannes, genannt Markus, um das Jahr 49 nach Zypern (vgl. Ac 15,39). Von dem Zeitpunkt an verlieren sich seine Spuren. Tertullian schreibt ihm den Brief an die Hebräer zu, was nicht ganz unwahrscheinlich ist, weil Barnabas, da er zum Stamm Levi gehörte, ein Interesse für das Thema des Priestertums haben konnte. Und der Brief an die Hebräer erläutert uns auf wunderbare Weise das Priestertum Jesu.

Ein weiterer Gefährte des Paulus war Silas, die gräzisierte Form eines hebräischen Namens (vielleicht »sheal«, »bitten, flehen«, was dieselbe Wurzel wie die des Namens »Saulus« ist), von dem es auch die latinisierte Form Silvanus gibt. Der Name Silas ist nur in der Apostelgeschichte bezeugt, während der Name Silvanus nur in den Paulinischen Briefen erscheint. Er war ein Jude aus Jerusalem, einer der ersten, der Christ geworden ist, und genoß in jener Gemeinde großes Ansehen (vgl. Ac 15,22), da er als Prophet angesehen wurde (vgl. Ac 15,32). Er wurde beauftragt, »den Brüdern in Antiochia, Syrien und Zilizien« (Ac 15,23) die auf dem Konzil von Jerusalem getroffenen Entscheidungen zu überbringen und zu erklären. Offensichtlich wurde er für fähig gehalten, eine Art von Vermittlung zwischen Jerusalem und Antiochia, zwischen Judenchristen und Heidenchristen zu vollbringen und so der Einheit der Kirche in der Verschiedenheit der Riten und Abstammungen zu dienen. Als sich Paulus von Barnabas trennte, nahm er gerade Silas als neuen Reisegefährten auf (vgl. Ac 15,40). Zusammen mit Paulus gelangte er nach Makedonien (mit den Städten Philippi, Thessalonich und Beröa), wo er blieb, während Paulus nach Athen und dann nach Korinth weiterreiste. Silas stieß in Korinth zu ihm, wo er bei der Verkündigung des Evangeliums mitarbeitete. Im zweiten Brief, den Paulus an jene Gemeinde richtete, ist in der Tat die Rede von »Jesus Christus, der euch durch uns verkündigt wurde - durch mich, Silvanus und Timotheus« (2Co 1,19). So erklärt sich, warum er zusammen mit Paulus und Timotheus als Mitabsender der zwei Briefe an die Thessalonicher genannt wird. Auch das erscheint mir wichtig. Paulus handelt nicht als »Solist«, als einzelner Mensch, sondern zusammen mit diesen Mitarbeitern im »Wir« der Kirche. Dieses »Ich« des Paulus ist kein isoliertes »Ich«, sondern ein »Ich« im »Wir« der Kirche, im »Wir« des apostolischen Glaubens. Und schließlich wird Silvanus auch im Ersten Petrusbrief erwähnt, wo zu lesen ist: »Durch den Bruder Silvanus, den ich für treu halte, habe ich euch kurz geschrieben« (5,12). So sehen wir auch die Gemeinschaft der Apostel. Silvanus dient dem Paulus, er dient dem Petrus, weil die Kirche eine und die missionarische Verkündigung eine einzige ist.

Der dritte Gefährte des Paulus, den wir erwähnen wollen, heißt Apollos, wahrscheinlich eine Abkürzung von Apollonius oder Apollodorus. Obwohl es sich um einen Namen heidnischer Form handelt, war er ein eifriger Jude aus Alexandria in Ägypten. Lukas bezeichnet ihn in der Apostelgeschichte als »redekundig und in der Schrift bewandert… mit glühendem Geist« (18,24-25). Apollos taucht auf dem Schauplatz der ersten Evangelisierung in der Stadt Ephesus auf: Dorthin hatte er sich begeben, um zu predigen, und dort hatte er das Glück, den christlichen Eheleuten Priszilla und Aquila zu begegnen (vgl. Ac 18,26), die ihn in eine vollständigere Kenntnis des »Weges Gottes« einführten (vgl. ebd.). Von Ephesus ging er nach Achaia und gelangte in die Stadt Korinth: Dort traf er mit Unterstützung eines Briefes der Christen von Ephesus ein, die den Korinthern empfahlen, ihn freundlich aufzunehmen (vgl. Ac 18,27). In Korinth, schreibt Lukas, »wurde er den Gläubigen durch die Gnade eine große Hilfe. Denn mit Nachdruck widerlegte er die Juden, indem er öffentlich aus der Schrift nachwies, daß Jesus der Messias sei« (Ac 18,27-28). Sein Erfolg in jener Stadt hatte jedoch eine problematische Kehrseite, da es einige Mitglieder jener Kirche gab, die von seiner Art des Sprechens fasziniert waren und sich in seinem Namen den anderen widersetzten (vgl. 1Co 1,12 1Co 3,4-6 1Co 4,6). Paulus bringt im Ersten Brief an die Korinther Wertschätzung für das Wirken des Apollos zum Ausdruck, tadelt aber die Korinther, den Leib Christi zu zerreißen, wenn sie sich in einander entgegengesetzte Fraktionen teilen. Er zieht aus der ganzen Angelegenheit eine wichtige Lehre: Sowohl ich als auch Apollos - sagt er - sind nichts Anderes als »diakonoi«, das heißt einfache Diener, durch die ihr zum Glauben gekommen seid (vgl. 1Co 3,5). Jeder hat eine unterschiedliche Aufgabe auf dem Acker des Herrn: »Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber ließ wachsen… Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld, Gottes Bau« (1Co 3,6-9). Wieder in Ephesus widersetzte sich Apollos der Aufforderung des Paulus, sofort nach Korinth zurückzukehren, und verschob die Reise auf ein späteres Datum, das wir nicht kennen (vgl. 1Co 16,12). Wir haben keine weiteren Nachrichten über ihn, auch wenn einige Gelehrte ihn für den möglichen Verfasser des Briefes an die Hebräer halten, dessen Autor nach Tertullian Barnabas wäre.

Diese drei Männer glänzen alle am Firmament der Zeugen des Evangeliums - über die Wesensmerkmale jedes einzelnen hinaus - wegen eines gemeinsamen Merkmals. Außer der jüdischen Herkunft ist ihnen die Hingabe an Jesus Christus und das Evangelium gemeinsam, zusammen mit der Tatsache, daß sie alle drei Mitarbeiter des Apostels Paulus gewesen sind. In dieser ursprünglichen Mission der Evangelisierung haben sie den Sinn ihres Lebens gefunden und als solche stehen sie vor uns als leuchtende Vorbilder für Uneigennützigkeit und Hochherzigkeit. Und denken wir zum Schluß noch einmal an diesen Satz des hl. Paulus: Wir alle, sowohl Apollos wie ich, sind Diener Jesu, jeder auf seine Weise, denn es ist Gott, der wachsen läßt. Dieses Wort gilt auch heute für alle, für den Papst genauso wie für die Kardinäle, die Bischöfe, die Priester, die Laien. Wir sind alle demütige Diener Jesu. Dienen wir dem Evangelium, so weit wir können, entsprechend unseren Gaben, und beten wir zu Gott, daß er heute sein Evangelium, seine Kirche wachsen lasse.

Eine besondere Eigenschaft der ersten Jünger Jesu Christi war ihre enge Zusammenarbeit untereinander zum Wohle der Kirche. Auch der Apostel Paulus war kein Einzelkämpfer. Er konnte sich auf die Mitarbeit geeigneter Helfer stützen. Dazu gehörten: Barnabas, der „Sohn des Trostes“, wie ihn die Apostelgeschichte (4, 36) nennt, Silas - oder lateinisch Silvanus - und Apollos. Sie waren ganz unterschiedlicher Herkunft: Barnabas kam aus Zypern, Silas aus Jerusalem und Apollos aus Alexandrien. Gemeinsam war diesen drei Mitarbeitern des Paulus ihre Hingabe an Jesus Christus und das Evangelium. Zugleich hatte jeder auf seine Weise an der gemeinsamen Mission Anteil. Barnabas ebnete vor allem die Wege für die Annahme des Paulus durch die junge Kirche. Silas war und blieb ein treuer Gefährte des Apostels, der ihn bei der Mission im griechischen Kulturkreis unterstützte. Apollos trug mit seiner Redegewandtheit dazu bei, das Wort Gottes zu verbreiten und den Glauben an Jesus Christus zu vertiefen. Lernen wir von diesen Zeugen, dem Evangelium mit Eifer zu dienen und unser Bestes für diese große Aufgabe einzusetzen.
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Von Herzen grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache. Bezeugt die Liebe Gottes mit eurem ganzen Leben! Euch allen wünsche ich einen gesegneten Aufenthalt hier in Rom, wo so viele Glaubenszeugen gelebt und gewirkt haben. Gottes Segen euch allen!



Mittwoch, 7. Februar 2007: Die Eheleute Priszilla und Aquila

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Grußworte an die Pilger aus den Diözesen der Lombardei und an die lombardischen Bischöfe anlässlich ihres “Ad-Limina”-Besuches:

Liebe Brüder und Schwestern aus den Diözesen der Lombardei!

Ich grüße vor allem euch, liebe Brüder im Bischofsamt, die ihr in Rom zu eurem Besuch »ad limina Apostolorum« zusammengekommen seid. Mit euch grüße ich die Gläubigen, die euch in diesem bedeutenden Augenblick intensiver Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri begleiten. Die Kirche der Lombardei, die hier in all ihren Teilen vertreten ist, spielt eine wichtige Rolle, die sie in der lombardischen Gesellschaft weiterhin verwirklichen muß: das Evangelium in all ihren Bereichen verkündigen und bezeugen, vor allem dort, wo die negativen Seiten einer konsumistischen und hedonistischen Kultur, des Säkularismus und Individualismus hervortreten, wo alte und neue Formen der Armut festzustellen sind, verbunden mit besorgniserregenden Anzeichen der Verwirrung unter den Jugendlichen sowie mit Phänomenen der Gewalt und Kriminalität. Auch wenn die Institutionen und die verschiedenen für die Erziehung zuständigen Stellen bisweilen schwierige Momente durchzumachen scheinen, so fehlt es dennoch nicht an großen idealen und moralischen Ressourcen in eurem Volk, das reich an edlen familiären und religiösen Traditionen ist. Im Gespräch mit euch, liebe Brüder im Bischofsamt, habe ich gesehen, wie die Kirche in der Lombardei wirklich eine lebendige Kirche ist, reich an Dynamik im Glauben und auch an missionarischem Geist, fähig und entschlossen, die Fackel des Glaubens an die zukünftigen Generationen und an die Welt unserer Zeit weiterzugeben. Ich danke euch für diese Dynamik im Glauben, die gerade in den Diözesen der Lombardei lebendig ist.

Ihr habt ein breites Aktionsfeld. Einerseits geht es darum, die Kultur des menschlichen Lebens und der Legalität zu verteidigen und zu fördern, andererseits ist eine immer konsequentere persönliche und gemeinschaftliche Bekehrung zu Christus notwendig. Um in der Treue zum Menschen zu wachsen, der nach dem Bild und Gleichnis des Schöpfers geschaffen ist, müssen wir kohärent tiefer in das Geheimnis Christi eindringen und dessen Heilsbotschaft verkünden. Wir müssen alles daransetzen, um die Gestalt Jesu immer besser kennenzulernen, um von ihm nicht nur eine Kenntnis »aus zweiter Hand« zu haben, sondern eine Kenntnis durch die Begegnung im Gebet, in der Liturgie, in der Liebe zum Nächsten. Sicher handelt es sich um eine schwierige Aufgabe, aber die Worte des Herrn gereichen uns zum Trost: »Seid gewiß, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (
Mt 28,20). Der Herr ist bei uns, auch heute, morgen, bis zum Ende der Welt! Möge euer Zeugnis für das Evangelium somit intensiver werden, damit die Christen, geführt vom Heiligen Geist, der in der Kirche und in den Herzen der Gläubigen wie in einem Tempel wohnt (vgl. 1Co 3,16-17), in allen Bereichen lebendige Zeichen der übernatürlichen Hoffnung seien. Unsere von so vielen Ängsten und Problemen geprägte Zeit bedarf der Hoffnung. Und unsere Hoffnung stammt von der Verheißung des Herrn und von seiner Gegenwart. Euch, liebe Bischöfe, ermutige ich, das fleißige Volk der Lombardei auf diesem Weg zu führen und in jeder Lage auf die unvergängliche göttliche Unterstützung zu vertrauen. Gehen wir mit der Hilfe des Herrn in dieser Richtung weiter!
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Die Eheleute Priszilla und Aquila

Liebe Brüder und Schwestern!

Während wir einen neuen Schritt in dieser Art Bildergalerie der ersten Zeugen des christlichen Glaubens machen, die wir vor einigen Wochen begonnen haben, betrachten wir heute ein Ehepaar. Es handelt sich um die Eheleute Priszilla und Aquila, die zum Kreis der zahlreichen Mitarbeiter gehören, die den Apostel Paulus umgeben, und die ich schon am vergangenen Mittwoch kurz erwähnt habe. Gemäß den Nachrichten, die wir besitzen, spielte dieses Ehepaar zur Zeit der nachösterlichen Ursprünge der Kirche eine sehr aktive Rolle.

Aquila und Priszilla sind lateinische Namen, aber der Mann und die Frau, die sie tragen, waren jüdischer Herkunft. Zumindest Aquila stammte geographisch aus der Diaspora Nordanatoliens, das am Schwarzen Meer - in der heutigen Türkei - liegt, während Priszilla, deren Name manchmal in der Kurzform Priska vorkommt, wahrscheinlich eine aus Rom stammende Jüdin war (vgl. Ac 18,2). Jedenfalls waren sie von Rom nach Korinth gekommen, wo Paulus ihnen Anfang der Fünfzigerjahre begegnete. Dort schloß er sich ihnen an, da sie, wie Lukas berichtet, dasselbe Handwerk der Hersteller von Zelten oder Vorhängen für den häuslichen Gebrauch ausübten, und er wurde sogar in ihrem Haus aufgenommen (vgl. Ac 18,3). Der Grund für ihr Eintreffen in Korinth war der Beschluß des Kaisers Claudius gewesen, die in der Stadt wohnenden Juden aus Rom zu vertreiben. Der römische Geschichtsschreiber Sueton sagt uns zu diesem Ereignis, daß der Kaiser die Juden ausgewiesen hatte, weil »sie wegen eines gewissen Chrestus Unruhen anzettelten« (vgl. De vita Caesarum [Das Leben der römischen Kaiser] - Divus Claudius, 25). Man sieht, daß er den Namen nicht gut kannte - statt Christus schreibt er »Chrestus« - und daß er nur eine sehr verworrene Vorstellung von dem hatte, was geschehen war. Auf jeden Fall gab es in der jüdischen Gemeinde Zwietracht bezüglich der Frage, ob Jesus der Christus sei. Und diese Probleme waren für den Kaiser der Grund, einfach alle Juden aus Rom auszuweisen. Daraus kann man schließen, daß die beiden Eheleute den christlichen Glauben bereits in den Vierzigerjahren in Rom angenommen hatten, und nun hatten sie in Paulus jemanden gefunden, der nicht nur diesen Glauben - daß Jesus der Christus ist - mit ihnen teilte, sondern der auch Apostel und vom auferstandenen Herrn persönlich berufen worden war. Die erste Begegnung findet also in Korinth statt, wo sie ihn in ihrem Haus aufnehmen und bei der Herstellung von Zelten zusammenarbeiten.

In einem zweiten Moment übersiedelten sie nach Ephesus in Kleinasien. Dort hatten sie maßgebenden Anteil an der Vervollkommnung der christlichen Bildung des alexandrinischen Juden Apollos, von dem wir am vergangenen Mittwoch gesprochen haben. Da er den christlichen Glauben nur in großen Zügen kannte, »(hörten) Priszilla und Aquila … ihn, nahmen ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch genauer dar« (Ac 18,26). Als der Apostel Paulus aus Ephesus seinen Ersten Brief an die Korinther schreibt, sendet er zusammen mit den eigenen Grüßen ausdrücklich auch die von »Aquila und Priska und ihrer Hausgemeinde« (1Co 16,19). So erfahren wir von der sehr bedeutsamen Rolle, die dieses Paar im Bereich der Urkirche spielte: Diese Rolle bestand darin, daß sie in ihrem Haus die Gruppe der ortsansässigen Christen aufnahmen, wenn sie sich versammelten, um das Wort Gottes zu hören und die Eucharistie zu feiern. Gerade jene Art von Zusammenkunft ist es, die auf Griechisch »ekklesía« genannt wird - das lateinische Wort ist »ecclesia«, das italienische »chiesa« (auf Deutsch sagen wir: »Kirche«) -, was Einberufung, Versammlung, Zusammenkunft heißt. Im Haus von Aquila und Priszilla versammelt sich also die Kirche, die Einberufung Christi, die hier die heiligen Geheimnisse feiert. Und so können wir die Entstehung gerade der Wirklichkeit der Kirche in den Häusern der Gläubigen sehen. Die Christen hatten in der Tat bis zum dritten Jahrhundert keine eigenen Kultstätten: Solche Orte waren in der ersten Zeit die jüdischen Synagogen, bis sich die ursprüngliche Symbiose zwischen Altem und Neuem Testament auflöste und die Kirche der Heiden gezwungen war, sich eine eigene Identität zu geben, die immer tief im Alten Testament verwurzelt war. Nach diesem »Bruch« versammeln sich in den Häusern die Christen, die so »Kirche« werden. Im dritten Jahrhundert entstehen schließlich eigene Gebäude für den christlichen Kult. Hier aber, in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts und im zweiten Jahrhundert, werden die Häuser der Christen »Kirche « im wahren Sinn. Wie ich gesagt habe, liest man gemeinsam die Heilige Schrift und feiert die Eucharistie. So geschah es zum Beispiel in Korinth, wo Paulus einen gewissen »Gaius« erwähnt, »der mich und die ganze Gemeinde gastlich aufgenommen hat« (Rm 16,23), oder in Laodizea, wo sich die Gemeinde im Haus einer gewissen Nympha versammelte (vgl. Col 4,15), oder in Kolossä, wo die Versammlung im Haus eines gewissen Archippus stattfand (vgl. Philemon 2).

Nachdem Aquila und Priszilla später nach Rom zurückgekehrt waren, übten sie diese so wertvolle Funktion auch in der Hauptstadt des Reiches weiter aus. Als Paulus nämlich den Römern schreibt, übersendet er genau folgenden Gruß: »Grüßt Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mich ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt haben; nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden sind ihnen dankbar. Grüßt auch die Gemeinde, die sich in ihrem Haus versammelt« (Rm 16,3-5). Welch außerordentliches Lob für die beiden Eheleute liegt in diesen Worten! Und es ist kein Geringerer als der Apostel Paulus, der es anstimmt. Er erkennt in ihnen ausdrücklich zwei echte und wichtige Mitarbeiter an seinem Apostolat an. Der Bezug auf die Tatsache, daß sie das eigene Leben für ihn aufs Spiel gesetzt haben, muß wahrscheinlich mit dem Eingreifen zu seinen Gunsten während einer seiner Gefangenschaften, vielleicht in Ephesus, in Verbindung gebracht werden (vgl. Ac 19,23 1Co 15,32 2Co 1,8-9). Und daß Paulus der eigenen Dankbarkeit die aller Kirchen der Heiden hinzufügt, läßt, auch wenn die Formulierung ziemlich übertrieben anmutet, verstehen, wie weit ihr Handlungsradius und jedenfalls ihr Einfluß zu Gunsten des Evangeliums gewesen ist.

Die spätere hagiographische Tradition hat Priszilla eine ganz besondere Bedeutung verliehen, auch wenn das Problem ihrer Identifizierung mit einer anderen Märtyrerin Priszilla bestehen bleibt. Auf jeden Fall haben wir hier in Rom sowohl eine Kirche auf dem Aventin, die der heiligen Priska geweiht ist, als auch die Priszilla-Katakomben an der Via Salaria. Auf diese Weise setzt sich das Gedenken an eine Frau fort, die sicher eine tatkräftige Person und in der Geschichte des römischen Christentums von großem Wert gewesen ist. Eines ist gewiß: Mit der Dankbarkeit jener ersten Kirchen, von denen der heilige Paulus spricht, muß auch unsere Dankbarkeit einhergehen; denn dank des Glaubens und des apostolischen Einsatzes von gläubigen Laien, Familien, Eheleuten wie Priszilla und Aquila ist das Christentum bis zu unserer Generation gelangt. Es konnte nicht nur dank der Apostel wachsen, die es verkündeten. Um im Boden des Volkes Wurzeln zu schlagen, um sich lebendig zu entfalten, war der Einsatz dieser Familien, dieser Eheleute, dieser christlichen Gemeinden, der gläubigen Laien notwendig, die den »Nährboden« für das Wachsen des Glaubens geliefert haben. Und immer wächst die Kirche nur auf diese Weise. Dieses Paar zeigt insbesondere, wie wichtig das Handeln der christlichen Eheleute ist. Wenn sie vom Glauben und von einer starken Spiritualität getragen werden, wird ihr mutiger Einsatz für die Kirche und in der Kirche etwas Natürliches. Ihr alltägliches Zusammenleben verlängert sich und verfeinert sich in gewisser Weise in der Übernahme einer gemeinsamen Verantwortung für den mystischen Leib Christi, und sei es auch nur für einen kleinen Teil von ihm. So war es in der ersten Generation und so wird es oft sein.

Eine weitere, nicht zu vernachlässigende Lehre können wir aus ihrem Beispiel ziehen: Jedes Haus kann sich in eine kleine Kirche verwandeln. Dies nicht nur in dem Sinn, daß in ihm die typische christliche Liebe herrschen soll, die aus Altruismus und gegenseitiger Fürsorge besteht, sondern noch mehr in dem Sinn, daß das ganze Leben der Familie auf der Grundlage des Glaubens dazu berufen ist, sich um die einzige Herrschaft Jesu Christi zu drehen. Es ist kein Zufall, daß Paulus im Brief an die Epheser die eheliche Beziehung mit der bräutlichen Gemeinschaft vergleicht, die zwischen Christus und der Kirche besteht (vgl. Ep 5,25-33). Im Gegenteil, wir könnten annehmen, daß der Apostel das Leben der ganzen Kirche indirekt dem Familienleben nachbildet. Und die Kirche ist in Wirklichkeit die Familie Gottes. Wir ehren daher Aquila und Priszilla als Vorbilder eines Ehelebens, das sich in verantwortlicher Weise für den Dienst an der ganzen christlichen Gemeinschaft einsetzt. Und wir finden in ihnen das Vorbild der Kirche, Familie Gottes für alle Zeiten.

Aus der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen kennen wir die Eheleute Priszilla (oder kurz Priska) und Aquila, die in der Urkirche eine aktive und wichtige Rolle gespielt haben. Beide waren jüdischer Herkunft und haben wohl in Rom den Glauben an Christus angenommen. Der Apostel Paulus lernte sie in Korinth kennen und fand in ihrem Haus Aufnahme. In Ephesus führten Priszilla und Aquila Apollos, über den wir schon letzte Woche gesprochen haben, tiefer in den christlichen Glauben ein. Ihr Haus war ein Versammlungsort der Gläubigen von Ephesus für die Feier der Liturgie. Später machten sie ebenso in Rom ihr Heim zu einer „Hauskirche“. Im Römerbrief gibt Paulus uns ein schönes Zeugnis von ihrem Wirken, wenn er schreibt: „Grüßt Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mich ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt haben; nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden sind ihnen dankbar“ (16, 3-4). An Priszilla und Aquila sehen wir, wie wichtig die Tätigkeit christlicher Eheleute ist. Sie zeigen uns, wie ein jedes Haus zu einer Kirche werden kann und das Familienleben seinen Mittelpunkt im Herrn finden soll. Wenn Ehe und Familie vom Glauben und von einer tiefen Spiritualität getragen sind, wird der Einsatz für Christus und für seinen mystischen Leib, die Kirche, etwas ganz Selbstverständliches.
* * *


Mit diesen Gedanken heiße ich gerne alle deutschsprachigen Pilger und Besucher willkommen und grüße insbesondere die Pfarrgemeinderäte und Journalisten aus Österreich. Das Vorbild von Priszilla und Aquila kann auch heute den Eheleuten und Familien helfen, Mitarbeiter Christi und seines Evangeliums zu sein, und so der Ausbreitung und dem Lebendigwerden der Kirche in unserer Zeit, der Weitergabe des Glaubens an die künftigen Generationen zu dienen. Der Herr schenke euch allen eine gute Zeit hier in Rom und viel Freude und Glaubenskraft, wenn ihr wieder nach Hause kommt.



Mittwoch, 14. Februar 2007: Frauen im Dienst am Evangelium

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Audienz im Petersdom für eine Pilgergruppe von Bischöfen und Gläubigen aus den Marken:

Liebe Brüder und Schwestern aus den Diözesen der Marken!

Ich grüße euch alle voll Zuneigung und großer Freude. Die Kirche wird vom Volk Gottes mit Glaubensfreude erfüllt. Danke für eure Anwesenheit! Mein Gruß richtet sich an alle, angefangen bei den Bischöfen, die zu ihrem Besuch »ad limina Apostolorum« nach Rom gekommen sind. Mein ehrerbietiger Gruß geht an die zivilen Obrigkeiten, die an dieser bedeutsamen Begegnung teilnehmen wollten. Seid willkommen! Mit Dankbarkeit grüße ich die Priester, die Seminaristen und die Personen des geweihten Lebens. Sie sind in großer Zahl erschienen: Man sieht, daß die Kirche lebt und jung ist! Zudem richte ich meinen Gruß an die in der Seelsorge Tätigen und an euch alle, Glieder des Volkes Gottes, das in der Region Marken lebt. Im aktuellen Klima des kulturellen und religiösen Pluralismus ist festzustellen, daß nicht alle Menschen die Botschaft Jesu kennen. Daher ist jeder Christ zu einem neuen und mutigen Engagement bei der Verkündigung und im Zeugnis für das Evangelium gerufen. Wir wollen allen dieses Licht bringen, das ein Licht für das persönliche Leben und Orientierungspunkt für das gesellschaftliche Leben ist.

Liebe Brüder im Bischofsamt, setzt auch weiterhin all eure Kräfte dafür ein, daß die grundlegende christliche Ausbildung gleichermaßen in den Städten wie in kleineren Orten gepflegt wird; daß alle Gruppen von Gläubigen darauf vorbereitet werden, fruchtbringend die Sakramente zu empfangen, die unersetzliche Nahrung für das Wachsen im Glauben sind; daß mit dem sakramentalen Leben eine solide religiöse Ausbildung einhergeht, die ohne Einschränkungen den verbreiteten Herausforderungen und Impulsen einer mittlerweile in weiten Teilen säkularisierten Gesellschaft standhält. Laßt uns hoffnungsvoll in die Zukunft blicken und mit leidenschaftlicher Zuversicht im Weinberg des Herrn arbeiten!

Die allzeit jungfräuliche Mutter Gottes und der Kirche leite und schütze eure Anstrengungen und eure pastoralen Vorhaben. An sie, Maria, richten wir uns nun alle gemeinsam mit dem Gebet, das ich für die Begegnung mit den Jugendlichen vorbereitet habe, die für den kommenden Monat September in Loreto auf dem Programm steht. Wir werden uns also in den Marken, in Loreto, wiedersehen. Laßt uns gemeinsam beten:

Maria, Mutter des »Ja«, du hast auf Jesus gehört
und kennst den Klang seiner Stimme und den Schlag seines Herzens.
Du Morgenstern, sprich zu uns über Ihn,
und erzähle uns, wie du Ihm auf dem Weg des Glaubens nachfolgst.

Maria, die du in Nazaret mit Jesus zusammengewohnt hast,
präge unserem Leben deine Gefühle ein,
deine Fügsamkeit, dein Schweigen, das zuhört
und das Wort in wahrhaft freien Entscheidungen zum Erblühen bringt.

Maria, erzähle uns von Jesus, damit die Frische unseres Glaubens
in unseren Augen erstrahle und die Herzen jener erwärme, die uns begegnen,
wie du es beim Besuch bei Elisabet getan hast,
die sich in hohem Alter mit dir über das Geschenk des Lebens gefreut hat.

Maria, Jungfrau des »Magnifikat«,
hilf uns, die Freude in die Welt zu bringen, und ermutige wie in Kana
alle jungen Menschen, die sich im Dienst an den Brüdern engagieren,
nur das zu tun, was Jesus sagt.

Maria, richte deinen Blick auf die Agora der Jugendlichen,
damit sie zu einem fruchtbaren Boden der italienischen Kirche werde.
Bitte dafür, daß Jesus, der gestorben und auferstanden ist, in uns neu geboren wird
und uns verwandle in einer Nacht voller Licht, die erfüllt ist von Ihm.

Maria, Gottesmutter von Loreto, du Pforte des Himmels,
hilf uns, den Blick nach oben zu richten.
Wir wollen Jesus sehen. Mit ihm sprechen.
Allen seine Liebe verkünden.

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Frauen im Dienst am Evangelium

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute sind wir am Ende unserer Betrachtung jener Zeugen des entstehenden Christentums angelangt, die in den neutestamentlichen Schriften erwähnt werden. Und wir benützen die letzte Etappe dieser ersten Reihe, um unsere Aufmerksamkeit den vielen Frauengestalten zu widmen, die bei der Verbreitung des Evangeliums eine wirksame und wertvolle Rolle gespielt haben. Ihr Zeugnis darf nicht vergessen werden, entsprechend dem, was Jesus selbst von der Frau gesagt hat, die ihm kurz vor seinem Leiden das Haupt salbte: »Amen, ich sage euch: Überall auf der Welt, wo dieses Evangelium verkündet wird, wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat« (
Mt 26,13 Mc 14,9). Der Herr will, daß diese Zeugen des Evangeliums, diese Gestalten, die dazu beigetragen haben, daß der Glaube an ihn wachse, bekannt seien und die Erinnerung an sie in der Kirche lebendig bleibe. Historisch können wir bei der Betrachtung der Rolle der Frauen im Urchristentum zwei Phasen unterscheiden: die Zeit des irdischen Lebens Jesu und die Zeit während der Geschehnisse in der ersten Christengeneration.

Jesus wählte zwar, das wissen wir, unter seinen Jüngern zwölf Männer als Väter des neuen Israel aus, weil er sie »bei sich haben und [sie] dann aussenden wollte, damit sie predigten« (Mc 3,14-15). Das ist eine offenkundige Tatsache, aber außer den Zwölf, Säulen der Kirche, Väter des neuen Gottesvolkes, werden in die Schar der Jünger auch viele Frauen gewählt. Ich kann nur ganz kurz auf jene Frauen hinweisen, die auf dem Weg Jesu selbst anzutreffen sind, angefangen bei der Prophetin Anna (vgl. Lc 2,36-38) bis hin zur Samariterin (vgl. Jn 4,1-39), zu der Syro-Phönizierin (vgl. Mc 7,24-30), zu der Frau, die an Blutfluß litt (vgl. Mt 9,20-22), und zu der Sünderin, der vergeben wird (vgl. Lc 7,36-50). Ich gehe auch nicht näher auf die weiblichen Hauptfiguren einiger eindrucksvoller Gleichnisse ein, zum Beispiel auf die Frau, die Brot bäckt (vgl. Mt 13,33), auf die Frau, die die Drachme verliert (vgl. Lc 15,8-10), auf die Witwe, die den Richter immer wieder aufsuchte (vgl. Lc 18,1-8). Bedeutsamer für unser Thema sind jene Frauen, die im Rahmen der Sendung Jesu eine aktive Rolle gespielt haben. An erster Stelle denken wir dabei natürlich an die Jungfrau Maria, die durch ihren Glauben und durch ihr Muttersein in einzigartiger Weise an unserer Erlösung mitgewirkt hat, so daß Elisabet sie sogar »Gesegnete unter den Frauen« (Lc 1,42) nennen konnte und hinzufügte: »Selig ist die, die geglaubt hat« (Lc 1,45). Maria ist zur Jüngerin des Sohnes geworden, sie zeigte in Kana ihr vollkommenes Vertrauen in ihn (vgl. Jn 2,5) und folgte ihm bis unter das Kreuz, wo sie von ihm einen Auftrag erhielt, nämlich Mutter zu sein für alle seine Jünger aller Zeiten, dort verkörpert von Johannes (vgl. Jn 19,25-27).

Dann gibt es verschiedene Frauen, die in unmittelbarer Umgebung der Gestalt Jesu verschiedene verantwortungsvolle Funktionen wahrnahmen. Ein beredtes Beispiel dafür sind die Frauen, die Jesus folgten, um ihn mit ihrem Besitz zu unterstützen, und von denen uns Lukas einige Namen überliefert: Maria Magdalene, Johanna, Susanna und »viele andere« (vgl. Lc 8,2-3). Dann informieren uns die Evangelien darüber, daß die Frauen, im Unterschied zu den Zwölf, Jesus in der Stunde seines Leidens nicht verlassen haben (vgl. Mt 27,56 Mt 27,61 Mc 15,40). Unter ihnen sticht besonders Magdalene hervor, die nicht nur bei seinem Leiden und Sterben zugegen war, sondern dann auch die erste Zeugin und Verkünderin des Auferstandenen war (vgl. Jn 20,1 Jn 20, . Gerade dieser Maria von Magdala behält der hl. Thomas von Aquin die einzigartige Bezeichnung »Apostolin der Apostel« (»apostola apostolorum«) vor und widmet ihr diesen schönen Kommentar: »So wie eine Frau dem ersten Menschen Worte des Todes verkündet hatte, so verkündete als erste eine Frau den Aposteln Worte des Lebens« (Super Ioannem, ed. Cai, § 2519).

Auch im Bereich der Urkirche war die Präsenz der Frauen alles andere als zweitrangig. Wir halten uns nicht bei den nicht namentlich genannten vier Töchtern des »Diakons« Philippus auf, die in Cäsarea wohnten und die, wie der hl. Lukas sagt, alle »prophetisch begabt« waren, das heißt, die Fähigkeit besaßen, öffentlich unter der Einwirkung des Heiligen Geistes zu reden (vgl. Ac 21,9). Die Kürze der Angabe erlaubt keine genaueren Schlußfolgerungen. Vielmehr verdanken wir dem hl. Paulus eine umfassendere Dokumentation über die Würde und die Rolle der Frau in der Kirche. Er geht von dem grundsätzlichen Prinzip aus, nach welchem es für die Getauften nicht nur »nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie« gibt, sondern auch »nicht Mann und Frau«. Der Grund dafür ist, daß »wir alle ›einer‹ sind in Christus Jesus« (Ga 3,28), das heißt, wir sind alle eins in derselben grundlegenden Würde, wenngleich jeder mit seinen spezifischen Aufgaben (vgl. 1 Kor 12,27-30). Der Apostel nimmt es als etwas Normales an, daß in der christlichen Gemeinde die Frau »prophetisch reden« kann (1Co 11 1Co 5), daß sie sich also offen unter dem Einfluß des Geistes ausdrücken kann, wenn dies zur Erbauung der Gemeinde dient und auf würdevolle Weise geschieht. Daher muß die folgende, wohl bekannte Ermahnung, wonach »die Frauen in der Versammlung schweigen sollen« (1Co 14,34), wohl relativiert werden. Das daraus folgende, viel diskutierte Problem der Beziehung zwischen dem ersten Wort - die Frauen können in der Versammlung prophetisch reden - und dem anderen - sie sollen nicht reden -, das Problem der Beziehung zwischen diesen beiden anscheinend widersprüchlichen Aussagen, überlassen wir den Exegeten. Es soll nicht hier diskutiert werden. Am vergangenen Mittwoch sind wir schon der Gestalt der Priska oder Priszilla, der Frau des Aquila, begegnet, die an zwei Stellen überraschenderweise noch vor ihrem Mann erwähnt wird (vgl. Ac 18,18 Rm 16,3): beide, sie und er, werden jedenfalls von Paulus als seine »synergoús«, »Mitarbeiter«, bezeichnet (Rm 16,3).

Noch einige weitere Besonderheiten dürfen nicht vernachlässigt werden. Es ist zum Beispiel notwendig festzuhalten, daß der kurze Brief an Philemon von Paulus in Wirklichkeit auch an eine Frau namens »Aphia« adressiert wurde (vgl. Philemon 2). Lateinische und syrische Übersetzungen des griechischen Textes fügen diesem Namen »Aphia« den Beinamen »soror carissima«, liebste Schwester, hinzu (ebd.); und es muß gesagt werden, daß sie in der Gemeinde von Kolossä eine bedeutende Stellung eingenommen haben muß; auf jeden Fall ist sie die einzige Frau, die von Paulus unter den Adressaten eines seiner Briefe genannt wird. An anderer Stelle nennt der Apostel eine gewisse »Phöbe«, die er als »diákonos« der Kirche von Kenchreä, der kleinen Hafenstadt östlich von Korinth, bezeichnet (vgl. Rm 16,1-2). Obwohl dieser Titel in jener Zeit noch keinen spezifischen Wert eines hierarchischen Amtstitels hatte, bringt er zum Ausdruck, daß von dieser Frau eine wahrhaft verantwortungsvolle Aufgabe für jene christliche Gemeinde ausgeübt wurde. Paulus empfiehlt, sie herzlich aufzunehmen und ihr «in jeder Sache beizustehen, in der sie euch braucht»; dann fügt er hinzu: »sie selbst hat vielen, darunter auch mir, geholfen«. In demselben Briefkontext erwähnt der Apostel mit Zügen von Zärtlichkeit weitere Namen von Frauen: eine gewisse Maria, dann Tryphäna, Tryphosa und »die liebe« Persis und außerdem Julia, von denen er offen schreibt, daß sie »für euch« oder »für den Herrn viel Mühe auf sich genommen haben« (Rm 16,6 Rm 16,12 Rm 16,12 Rm 16,15); auf diese Weise hebt er ihr starkes kirchliches Engagement hervor. In der Kirche von Philippi mußten sich dann zwei Frauen namens »Evodia und Syntyche « auszeichnen (Ph 4,2): Der Aufruf, den Paulus zur gegenseitigen Eintracht macht, läßt erkennen, daß die beiden Frauen eine bedeutende Funktion in jener Gemeinde ausübten.

Um das Wesentliche festzuhalten: Die Geschichte des Christentums hätte eine ganz andere Entwicklung genommen, hätte es nicht den hochherzigen Beitrag vieler Frauen gegeben. Deshalb »sagt die Kirche«, wie mein verehrter und lieber Vorgänger Johannes Paul II. in dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem schrieb, »Dank für alle Frauen und für jede einzelne… Die Kirche sagt Dank für alle Äußerungen des weiblichen ›Geistes‹, die sich im Laufe der Geschichte bei allen Völkern und Nationen gezeigt haben; sie sagt Dank für alle Gnadengaben, mit denen der Heilige Geist die Frauen in der Geschichte des Gottesvolkes beschenkt, für alle Siege, die sie dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe von Frauen verdankt: Sie sagt Dank für alle Früchte fraulicher Heiligkeit« (MD 31). Wie man sieht, gilt dieses Lob den Frauen im Verlauf der Geschichte der Kirche und wird im Namen der ganzen kirchlichen Gemeinschaft zum Ausdruck gebracht. Auch wir schließen uns dieser Wertschätzung an und danken dem Herrn dafür, daß er seine Kirche durch die Generationen hindurch leitet, wobei er sich unterschiedslos solcher Männer und Frauen bedient, die ihren Glauben und ihre Taufe für das Wohl des gesamten Leibes der Kirche fruchtbar zu machen wissen, zur größeren Ehre Gottes.

Mit dieser Audienz endet der Zyklus der Katechesen der letzten Monate, die das Zeugnis herausragender Gestalten an den Anfängen der Kirche zum Thema hatten. Heute möchte ich unseren Blick auf alle Frauen lenken, die zur Verbreitung der Frohen Botschaft beigetragen haben. An erster Stelle schauen wir dabei auf die Jungfrau Maria, denn sie ist als Mutter des Herrn mehr als alle anderen Frauen gesegnet (vgl. Lc 1,42). Von der Verkündigung bis zum Kreuz und auch danach im Kreis der ersten Christen hat sie am Erlösungswerk ihres Sohnes mitgewirkt. Unter den zahlreichen Frauen, die Jesus nachfolgten, ragt sodann Maria Magdalena hervor: Sie ist als erste Zeugin der Auferstehung gleichsam zur „Apostolin der Apostel“ geworden. Schließlich erfahren wir in den Paulusbriefen von vielen Frauen, die in der frühen Kirche einen wichtigen Platz einnahmen. Als eifrige Mitarbeiterinnen in der Verkündigung des Evangeliums bezeugten sie mutig den Glauben und versammelten die Gläubigen in ihren Häusern.

Die Sendung der Frauen in der Kirche gründet in der Taufe, die allen Christen die gemeinsame Würde der Gotteskindschaft schenkt, sie über alle Unterschiede hinweg in Christus vereint und gemäß der ihnen eigenen Berufung in den Dienst an Gott und den Menschen stellt.
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Mit diesen Gedanken begrüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache. Wir wollen Gott - wie schon gesagt - für das Große danken, das er durch gläubige Frauen in der Kirche gewirkt hat und wirkt, besonders für die Weitergabe des Glaubens und den Dienst der Liebe. Ich danke allen Frauen, die heute durch ihr Gebet und ihr christliches Zeugnis und Engagement einen unersetzlichen Beitrag zum Leben der Kirche leisten. - Der Herr begleite euch alle mit seinem Segen!




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