Generalaudienzen 2005-2013 22036

Mittwoch, 22. März 2006

22036

Liebe Brüder und Schwestern!

Der Epheserbrief zeigt uns die Kirche als einen Bau, der »auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut ist; der Schlußstein ist Christus Jesus selbst« (
Ep 2,20). In der Geheimen Offenbarung wird die Rolle der Apostel, insbesondere jene der Zwölf, in der eschatologischen Perspektive des himmlischen Jerusalem verdeutlicht, das als eine Stadt dargestellt wird, deren Mauern »zwölf Grundsteine haben; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes« (Ap 21,14). Die Evangelien berichten übereinstimmend, daß die Berufung der Apostel die ersten Schritte des Dienstes Jesu kennzeichnete, nachdem er vom Täufer in den Wassern des Jordan getauft worden war.

Nach den Berichten von Markus (Mc 1,16-20) und Matthäus (Mt 4,18-22) ist der Schauplatz der Berufung der ersten Apostel der See von Galiläa. Jesus hat kurz zuvor mit der Verkündigung des Gottesreiches begonnen, als sein Blick auf zwei Brüderpaare fällt: Simon und Andreas, Jakobus und Johannes. Es sind Fischer, die mit ihrer alltäglichen Arbeit beschäftigt sind. Sie werfen die Netze aus, sie reparieren sie. Aber es erwartet sie ein anderer Fischfang. Jesus ruft sie mit Entschiedenheit, und sie folgen ihm bereitwillig: Von nun an werden sie »Menschenfischer« sein (vgl. Mc 1,17 Mt 4,19). Lukas folgt zwar derselben Tradition, seine Schilderung ist aber ausführlicher (5,1-11). Sie zeigt den Glaubensweg der ersten Jünger, wobei präzisiert wird, daß die Einladung zur Nachfolge an sie ergangen ist, nachdem sie die erste Predigt Jesu gehört und die ersten von ihm vollbrachten Wunderzeichen erfahren hatten. Im besonderen bildet der wunderbare Fischfang den unmittelbaren Zusammenhang und ist das Symbol für die ihnen aufgetragene Mission als Menschenfischer. Das Schicksal dieser »Berufenen« wird von da an eng mit dem Schicksal Jesu verbunden sein. Der Apostel ist ein Gesandter, aber zuvor noch ist er ein »Experte« Jesu.

Gerade dieser Aspekt wird vom Evangelisten Johannes seit der ersten Begegnung Jesu mit den künftigen Aposteln hervorgehoben. Hier ist das Szenarium ein anderes: Die Begegnung spielt sich am Ufer des Jordan ab. Die Anwesenheit der künftigen Jünger, die wie auch Jesus aus Galiläa gekommen sind, um die Erfahrung der von Johannes gespendeten Taufe zu machen, wirft ein Licht auf ihre geistliche Welt. Sie waren Menschen, die das Reich Gottes erwarteten und sehnsüchtig danach verlangten, den Messias kennenzulernen, dessen bevorstehendes Kommen angekündigt worden war. Es genügt ihnen der Hinweis von Johannes des Täufer, der in Jesus auf das Lamm Gottes hinweist (vgl. Jn 1,36), damit in ihnen der Wunsch nach einer persönlichen Begegnung mit dem Meister entstehe. Der Wortwechsel Jesu mit den ersten beiden künftigen Aposteln ist sehr ausdrucksstark. Auf die Frage: »Was wollt ihr?«, antworten sie mit einer anderen Frage: »Rabbi - das heißt übersetzt: Meister -, wo wohnst du?« Jesu Antwort ist eine Einladung: »Kommt und seht!« (vgl. Jn 1,38-39). Kommt, um sehen zu können. So beginnt das Abenteuer der Apostel als eine Begegnung von Personen, die sich einander öffnen. Für die Jünger beginnt ein direktes Kennenlernen des Meisters. Sie sehen, wo er wohnt, und beginnen, ihn kennenzulernen. Sie sollen nämlich nicht Verkünder einer Idee, sondern Zeugen einer Person werden. Ehe sie ausgesandt werden, das Evangelium zu verkünden, sollen sie bei Jesus »bleiben« (vgl. Mc 3,14) und zu ihm eine persönliche Beziehung herstellen. Auf dieser Grundlage wird die Evangelisierung nichts anderes sein als eine Verkündigung dessen, was man erlebt hat, und eine Aufforderung, einzutreten in das Geheimnis der Gemeinschaft mit Christus (vgl. 1Jn 1,3).

Zu wem werden die Apostel gesandt werden? Im Evangelium scheint Jesus seine Sendung nur auf Israel zu beschränken: »Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt« (Mt 15,24). In analoger Weise scheint er die den Zwölf anvertraute Mission einzugrenzen: »Diese Zwölf sandte Jesus aus und gebot ihnen: Geht nicht zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samariter, sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel« (Mt 10,5f). Eine gewisse moderne, rationalistisch inspirierte Kritik hatte in diesen Worten das Fehlen eines universalistischen Bewußtseins des Nazareners gesehen. In Wirklichkeit müssen sie im Licht seiner besonderen Beziehung zu Israel, der Gemeinschaft des Bundes, in der Kontinuität der Heilsgeschichte verstanden werden. Der messianischen Erwartung entsprechend sollten die göttlichen, direkt an Israel gerichteten Verheißungen in Erfüllung gehen, wenn Gott selbst, durch seinen Erwählten, sein Volk gesammelt hätte, wie es ein Hirte mit der Herde tut: »Ich will meinen Schafen zu Hilfe kommen. Sie sollen nicht länger eure Beute sein … Ich setze für sie einen einzigen Hirten ein, der sie auf die Weide führt, meinen Knecht David. Er wird sie weiden und er wird ihr Hirt sein. Ich selbst, der Herr, werde ihr Gott sein, und mein Knecht David wird in ihrer Mitte der Fürst sein« (Ez 34,22-24). Jesus ist der eschatologische Hirt, der die verlorenen Schafe des Hauses Israel sammelt und sich auf die Suche nach ihnen begibt, weil er sie kennt und liebt (vgl. Lc 15,4-7 und Mt 18,12-14; vgl. auch die Gestalt des Guten Hirten in Jn 10,11ff). Durch diese »Sammlung« wird das Reich Gottes allen Völkern verkündet: »So zeige ich unter den Völkern meine Herrlichkeit. Alle Völker sehen, wie ich mein Strafgericht abhalte, sie sehen, wie ich meine Hand auf sie lege« (Ez 39,21).

Und Jesus folgt eben diesem prophetischen Leitgedanken. Der erste Schritt ist die »Sammlung« des Volkes Israel, damit so alle Völker, die berufen sind, sich in der Gemeinschaft mit dem Herrn zu sammeln, sehen und glauben können. Auf diese Weise wirken die Zwölf, die aufgenommen worden sind, um an derselben Sendung Jesu teilzuhaben, mit dem Hirten der Endzeit zusammen, indem zunächst auch sie zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gehen, das heißt sich an das Volk der Verheißung wenden, dessen Sammlung das Zeichen der Rettung für alle Völker ist, der Zeitpunkt, an dem der Bund allumfassend wird. Weit davon entfernt, der universalistischen Dimension des messianischen Wirkens des Nazareners zu widersprechen, wird die anfängliche Beschränkung seiner Sendung und der Sendung der Zwölf auf Israel zum wirksamsten prophetischen Zeichen. Nach der Passion und der Auferstehung Christi wird dieses Zeichen klar werden: Der universale Charakter der Sendung der Apostel wird explizit werden. Christus wird die Apostel »in die ganze Welt« aussenden (Mc 16,15), »zu allen Völkern« (Mt 28,19 Lc 24,47), »bis an die Grenzen der Erde« (Ac 1,8). Und diese Sendung besteht weiter. Der Auftrag des Herrn, die Völker in der Einheit seiner Liebe zu vereinigen, dauert an. Das ist unsere Hoffnung und das ist auch unser Auftrag: zu dieser Universalität, zu dieser wahren Einheit im Reichtum der Kulturen in Gemeinschaft mit unserem wahren Herrn, Jesus Christus, beizutragen.

Die Berufung der Apostel, auf deren Fundament die Kirche erbaut ist (vgl. Ep 2,20), kennzeichnet in allen vier Evangelien den Beginn des Wirkens Jesu. Der Herr richtet einen entschiedenen Anruf an die ersten Jünger, die ihm bereitwillig folgen. Indem sie sich auf den Weg des Glaubens begeben, gelangen die Berufenen zu einer innigen Kenntnis der Person Jesu. Ehe sie ausgesandt werden, müssen die Jünger eine persönliche Beziehung zu ihm aufbauen. Die Apostel sind „Gesandte“, aber als solche vorher „Experten“ Christi - Zeugen der Botschaft und des Lebens Jesu. Das Evangelium verkünden heißt daher, das zu verkünden, was sie selbst erfahren haben; es bedeutet, die Menschen einzuladen, in das Geheimnis der Gemeinschaft mit Jesus Christus, dem Herrn, einzutreten.

Die Sendung Christi und der Zwölf, die an ihr teilhaben, ist universal. Zunächst nimmt sie das Bundesvolk Israel in den Blick. Die Sammlung Israels durch Jesus, den verheißenen Hirten, wird zum Zeichen des Heils für alle Völker. Dies wird nach der Auferstehung Christi deutlich: Der Herr sendet die Apostel in die ganze Welt hinaus, zu allen Menschen und Völkern.
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Herzlich heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher willkommen. Besonders grüße ich die Ortsgemeinschaft von Rottach-Egern zusammen mit der Gebirgsschützenkompanie Tegernsee, wo ich die Freude habe, Ehrenmitglied sein zu dürfen. Vielen Dank auch für die Musik, für die Blaskapelle, für die zu Herzen gehende Darbietung der Bayernhymne, für den Gesang der Polizei. Als Getaufte sind wir hineingenommen in die Mission unseres Herrn Jesus Christus. Wir sind seine Jünger und Gesandten in der Welt von heute. Werdet nicht müde, Zeugnis für Christus abzulegen, die Welt braucht es, und durch Wort und Tat das Evangelium zu verkünden. Dabei stärke und helfe euch der Heilige Geist.



Mittwoch, 29. März 2006

29036

Liebe Brüder und Schwestern!

Durch den apostolischen Dienst wird die Kirche als die vom menschgewordenen Sohn Gottes zusammengeführte Gemeinschaft durch die Zeiten hindurch leben, indem sie in Christus und im Heiligen Geist die Gemeinschaft aufbaut und nährt, in die alle Menschen gerufen sind und in der sie das vom Vater geschenkte Heil erfahren können. In der Tat sorgten die Zwölf - wie Papst Klemens, der dritte Nachfolger des Petrus, am Ende des 1. Jahrhunderts sagt - für die Einsetzung von Nachfolgern (vgl. 1. Brief des Klemens an die Korinther 42,4), damit die ihnen anvertraute Sendung nach ihrem Tod weitergeführt werden konnte. Auf diese Weise hat im Laufe der Jahrhunderte die Kirche, organisch strukturiert unter der Leitung der rechtmäßigen Hirten, in der Welt als Geheimnis der Gemeinschaft weitergelebt, einem Geheimnis, in dem sich in gewissem Maße die Gemeinschaft der Dreifaltigkeit, das Geheimnis Gottes selbst, widerspiegelt.

Schon der Apostel Paulus erwähnt diese höchste Quelle, die die Dreifaltigkeit ist, wenn er den Christen wünscht: »Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!« (
2Co 13,13). Diese Worte, die wahrscheinlich ein Echo der Liturgie der in ihren Anfängen stehenden Kirche sind, machen deutlich, wie das freie Geschenk der Liebe, das der Vater uns in Jesus Christus macht, in der vom Heiligen Geist bewirkten Gemeinschaft Wirklichkeit wird und seinen Ausdruck findet. Diese Interpretation, deren Grundlage der strenge Parallelismus ist, der im Text zwischen den drei Genitiven hergestellt wird (»die Gnade ›Jesu Christi‹ … die Liebe ›Gottes‹ … und die Gemeinschaft ›des Heiligen Geistes‹«), stellt die »Gemeinschaft« als besondere Gabe des Geistes, als Frucht der von Gott, dem Vater, geschenkten Liebe und der vom Herrn Jesus Christus angebotenen Gnade dar.

Der unmittelbare Zusammenhang, der dadurch gekennzeichnet ist, daß er die brüderliche Gemeinschaft in den Mittelpunkt rückt, veranlaßt uns allerdings, die »koinonía« des Heiligen Geistes nicht nur als »Teilhabe« des einzelnen am göttlichen Leben, sozusagen eines jeden für sich, sondern als logische Folge daraus auch als »Gemeinschaft« der Gläubigen untereinander zu betrachten, die der Geist selbst als ihr Urheber und Hauptakteur hervorbringt (vgl. Ph 2,1). Man könnte sagen, daß Gnade, Liebe und Gemeinschaft in ihrer jeweiligen Beziehung zu Christus, zum Vater und zum Geist verschiedene Aspekte des einen göttlichen Handelns für unser Heil sind, eines Handelns, durch das die Kirche entsteht und das aus der Kirche - wie der hl. Cyprian im 3. Jahrhundert sagt - »das von der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk« macht (De Orat. Dom. 23: PL 4, 536, zitiert in Lumen gentium LG 4).

Die Idee der Gemeinschaft als Teilhabe am Leben der Dreifaltigkeit wird mit besonderer Intensität im Johannesevangelium erhellt, wo die Liebesgemeinschaft, die den Sohn mit dem Vater und mit den Menschen verbindet, gleichzeitig Vorbild und Quelle der brüderlichen Gemeinschaft ist, die die Jünger untereinander verbinden soll: »Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe« (Jn 15,12 vgl. Jn 13,34). »Alle sollen eins sein … wie wir eins sind« (Jn 17,21 Jn 17,22): also Gemeinschaft der Menschen mit dem dreifaltigen Gott und Gemeinschaft der Menschen untereinander. In der Zeit seiner irdischen Pilgerschaft kann der Jünger durch die Gemeinschaft mit dem Sohn bereits an dessen göttlichem Leben und an dem des Vaters teilhaben: »Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus« (1Jn 1,3). Dieses Leben der Gemeinschaft mit Gott und untereinander ist das eigentliche Ziel der Verkündigung des Evangeliums, das Ziel der Bekehrung zum Christentum: »Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt« (ebd.). Diese doppelte Gemeinschaft mit Gott und untereinander ist also untrennbar. Wo die Gemeinschaft mit Gott, die Gemeinschaft mit dem Vater, mit dem Sohn und mit dem Heiligen Geist ist, zerstört wird, wird auch die Wurzel und Quelle der Gemeinschaft, die wir untereinander haben, zerstört. Und wenn wir nicht in Gemeinschaft miteinander leben, ist, wie wir gehört haben, auch die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott nicht lebendig und wahr.

Jetzt gehen wir einen Schritt weiter. Die Gemeinschaft - Frucht des Heiligen Geistes - wird vom eucharistischen Brot gespeist (vgl. 1Co 10,16-17) und findet ihren Ausdruck in den brüderlichen Beziehungen, in einer Art Vorwegnahme der künftigen Welt. In der Eucharistie speist Jesus uns, vereint uns mit sich, mit dem Vater, mit dem Heiligen Geist und miteinander, und dieses Netz der Einheit, das die Welt umfaßt, ist eine Vorwegnahme der künftigen Welt in unserer Zeit. Gerade so, als Vorwegnahme der künftigen Welt, ist die Gemeinschaft auch ein Geschenk mit sehr konkreten Folgen, das uns aus unserer Einsamkeit und Verschlossenheit in uns selbst herausführt und uns teilhaben läßt an der Liebe, die uns mit Gott und miteinander vereint. Wir begreifen unschwer die Größe dieses Geschenks, wenn wir allein an die Zersplitterungen und die Konflikte denken, die die Beziehungen zwischen einzelnen Menschen, Menschengruppen und ganzen Völkern trüben. Und wo es das Geschenk der Einheit im Heiligen Geist nicht gibt, da ist die Zersplitterung der Menschheit unvermeidlich. Die »Gemeinschaft« ist wirklich die frohe Botschaft, das Heilmittel, das der Herr uns gegen die Einsamkeit geschenkt hat, die heute alle Menschen bedroht, das kostbare Geschenk, das uns spüren läßt, daß wir in Gott, in der Einheit seines im Namen der Dreifaltigkeit versammelten Volkes angenommen und geliebt sind; sie ist das Licht, das die Kirche als unter den Völkern errichtetes Zeichen erstrahlen läßt: »Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und doch in der Finsternis leben, lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht leben, wie er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft miteinander« (1 Jn 1,6f.). Auf diese Weise offenbart sich die Kirche trotz aller menschlicher Schwächen, die ihrer Erscheinungsform in der Geschichte anhaften, als eine wunderbare Schöpfung der Liebe, die geschaffen wurde, um Christus bis ans Ende der Zeiten jedem Mann und jeder Frau, der oder die ihm wirklich begegnen will, nahezubringen. Und in der Kirche bleibt der Herr immer unser Zeitgenosse. Die Heilige Schrift ist nicht etwas, das der Vergangenheit angehört. Der Herr spricht nicht in der Vergangenheit, sondern er spricht in der Gegenwart, er spricht heute mit uns, er schenkt uns Licht, er zeigt uns den Weg des Lebens, er schenkt uns Gemeinschaft und bereitet und öffnet uns so für den Frieden.

„Wir haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus“ (1 Joh 1,3) und wenn wir im Licht Christi leben, haben wir auch Gemeinschaft miteinander (vgl. 1 Joh 1,7). Die Verse aus dem ersten Brief des Johannes, die wir zu Beginn dieser Audienz gehört haben, beschreiben das Wesen der Kirche als Gemeinschaft mit Gott und untereinander. Urbild und Quelle dieser Gemeinschaft ist der Dreifaltige Gott. Vater, Sohn und Heiliger Geist bilden eine vollkommene Einheit und wollen, daß auch die Menschen in der Kirche am göttlichen Leben und an der göttlichen Gemeinschaft Anteil haben.

Die in Gott gegründete Gemeinschaft ist ein Geschenk der Liebe, die nach dem Beispiel Christi auch in unserem Leben sichtbar werden muß: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Jn 15,12). „Sie sollen eins sein, wie wir eins sind“ (Jn 17,22). Zurecht erwarten die Menschen von uns Christen, daß wir in dieser Liebe leben, damit in einer Welt voller Konflikte und Spaltungen das Licht der Vergebung und der Gemeinschaft in Christus aufstrahle.
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Wir alle, liebe Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern deutscher Sprache, dürfen hier auf dem Petersplatz kirchliche Gemeinschaft, die universale weltweite Gemeinschaft, erleben, die der Herr gestiftet hat. Danken wir Gott für dieses Geschenk und öffnen wir unser Herz für die Gnade Christi und für die Liebe, durch die der Heilige Geist uns mit Gott und untereinander vereinen will. Besonders begrüße ich heute den Bezirksfeuerwehrverband der Oberpfalz, die Journalisten aus Österreich in Begleitung von Diözesanbischof Egon Kapellari sowie die Gläubigen aus den vom Stift St. Florian betreuten Pfarren. Die Gemeinschaft mit Gott im Heiligen Geist präge euer ganzes Leben. Euch allen wünsche ich von ganzem Herzen einen gesegneten Tag!



Mittwoch, 5. April 2006

50406

Liebe Brüder und Schwestern!

In der neuen, vor einigen Wochen begonnenen Katechesenreihe wollen wir die Anfänge der Kirche betrachten, um den ursprünglichen Plan Jesu zu verstehen und so das Wesentliche der Kirche zu erfassen, das im Wandel der Zeiten bestehen bleibt. Auf diese Weise wollen wir auch verstehen, warum wir in der Kirche sind und auf welche Weise wir uns bemühen sollen, unsere Präsenz in der Kirche am Anfang eines neuen christlichen Jahrtausends zu leben.

Wenn wir die entstehende Kirche betrachten, können wir zwei Aspekte ausmachen: Einen ersten Aspekt rückt der hl. Irenäus von Lyon ins Licht, Märtyrer und großer Theologe am Ende des 2. Jahrhunderts, der uns als erster eine in gewisser Weise systematische Theologie geschenkt hat. Der hl. Irenäus schreibt: »Wo die Kirche ist, da ist auch der Geist Gottes; und wo der Geist Gottes, dort ist die Kirche und alle Gnade; der Geist aber ist Wahrheit« (Adversus haereses, III, 24,1: ). Es besteht also eine enge Verbindung zwischen dem Heiligen Geist und der Kirche. Der Heilige Geist baut die Kirche auf und schenkt ihr die Wahrheit, er gießt - wie der hl. Paulus sagt - die Liebe in die Herzen der Gläubigen aus (vgl.
Rm 5,5). Aber es gibt da noch einen zweiten Aspekt. Diese enge Verbindung mit dem Geist hebt unser Menschsein mit all seiner Schwäche nicht auf, und so kennt die Gemeinschaft der Jünger von Anfang an nicht nur die Freude des Heiligen Geistes, die Gnade der Wahrheit und der Liebe, sondern auch die Prüfung, die vor allem in Gegensätzen bezüglich der Glaubenswahrheiten und daraus entstehenden Spaltungen in der Gemeinschaft besteht. So wie es die Gemeinschaft der Liebe von Anfang an gab und bis ans Ende geben wird (vgl. 1Jn 1,1ff.), so kommt es leider auch von Anfang an zur Spaltung. Wir dürfen uns nicht darüber wundern, daß es sie auch heute gibt: »Sie sind aus unserer Mitte gekommen - heißt es im Ersten Brief des Johannes -, aber sie gehörten nicht zu uns; denn wenn sie zu uns gehört hätten, wären sie bei uns geblieben. Es sollte aber offenbar werden, daß sie alle nicht zu uns gehörten« (2,19). Es besteht also in den Geschehnissen der Welt und auch in den Schwächen der Kirche immer die Gefahr, den Glauben und damit auch die Liebe und die Brüderlichkeit zu verlieren. Derjenige, der an die Kirche der Liebe glaubt und in ihr leben will, hat daher die Pflicht, auch diese Gefahr zu erkennen und zu akzeptieren, daß mit denjenigen, die sich von der Lehre des Heils entfernt haben, die Gemeinschaft dann nicht möglich ist (vgl. 2Jn 1,9-11).

Daß sich die entstehende Kirche dieser möglichen Spannungen in der Gemeinschaftserfahrung sehr wohl bewußt war, zeigt der Erste Brief des Johannes: Es gibt im Neuen Testament keine Stimme, die kraftvoller die Wirklichkeit und die Pflicht der brüderlichen Liebe unter den Christen hervorhöbe; dieselbe Stimme jedoch wendet sich mit drastischer Strenge an die Gegner, die einst Mitglieder der Gemeinschaft waren und es jetzt nicht mehr sind. Die Kirche der Liebe ist auch die Kirche der Wahrheit, vor allem im Sinne der Treue zum Evangelium, das der Herr Jesus den Seinen anvertraut hat. Die christliche Brüderlichkeit entsteht daraus, daß wir vom Geist der Wahrheit zu Kindern desselben Vaters gemacht werden: »Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes« (Rm 8,14). Um aber in Einheit und Frieden zu leben, braucht die Familie der Kinder Gottes jemanden, der sie in der Wahrheit bewahrt und sie mit weisem und maßgebendem Unterscheidungsvermögen führt: Das zu tun, ist die Aufgabe, zu der das Apostelamt berufen ist. Und hier kommen wir zu einem wichtigen Punkt. Die Kirche ist ganz aus dem Heiligen Geist, sie hat aber eine Struktur, die Apostolische Sukzession, der die Verantwortung obliegt, zu gewährleisten, daß die Kirche in der von Christus geschenkten Wahrheit bleibt, aus der auch die Fähigkeit zur Liebe kommt.

Das erste Summarium der Apostelgeschichte bringt mit großer Wirksamkeit zum Ausdruck, wie diese Werte im Leben der entstehenden Kirche zusammenlaufen: »Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft (›koinonía‹), am Brechen des Brotes und an den Gebeten« (Ac 2,42). Die Gemeinschaft entsteht aus dem Glauben, der durch die apostolische Predigt geweckt wird; sie wird vom Brechen des Brotes und vom Gebet genährt und kommt in der brüderlichen Liebe und im Dienst zum Ausdruck. Wir stehen vor der Beschreibung der Gemeinschaft der entstehenden Kirche mit dem Reichtum ihrer inneren Dynamik und ihren sichtbaren Ausdrucksformen: Bewahrt und gefördert wird das Geschenk der Gemeinschaft besonders durch den apostolischen Dienst, der seinerseits eine Gabe an die ganze Gemeinschaft ist.

Die Apostel und ihre Nachfolger sind daher die Bewahrer und maßgeblichen Zeugen des der Kirche übergebenen Gutes der Wahrheit, so wie sie auch die Diener der Liebe sind: zwei Aspekte, die zusammengehören. Sie müssen immer an die Untrennbarkeit dieses zweifachen Dienstes denken, der in Wirklichkeit nur ein einziger ist: die vom Herrn Jesus offenbarte und geschenkte Wahrheit und Liebe. In diesem Sinn ist ihr Dienst vor allem ein Dienst der Liebe: Die Liebe, die sie leben und fördern sollen, ist von der Wahrheit, die sie bewahren und weitergeben, nicht zu trennen. Die Wahrheit und die Liebe sind zwei Gesichter derselben Gabe, die von Gott kommt und die dank des apostolischen Dienstes in der Kirche bewahrt wird und uns bis in unsere Gegenwart hinein erreicht! Auch durch den Dienst der Apostel und ihrer Nachfolger erreicht uns die Liebe des dreifaltigen Gottes, um uns die Wahrheit zu vermitteln, die uns befreit (vgl. Jn 8,32)! All das, was wir in der entstehenden Kirche sehen, drängt uns, für die Nachfolger der Apostel, für alle Bischöfe und für die Nachfolger Petri zu beten, auf daß sie wirklich Bewahrer der Wahrheit und zugleich der Liebe sein mögen, auf daß sie in diesem Sinne wirklich Apostel Christi sein mögen, damit sein Licht, das Licht der Wahrheit und der Liebe, in der Kirche und in der Welt niemals verlösche.

Von Anfang an ist die Gemeinschaft in der Liebe Merkmal der Kirche. Der Heilige Geist, durch den Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen ist (vgl. Rm 5,5), ist der Quell der Gemeinschaft der Jünger untereinander und mit Gott. Die Kirche der Liebe ist zugleich die Kirche der Wahrheit, das heißt der Treue zum Evangelium, das der Herr den Seinen anvertraut hat. Diese Grundzüge werden in der ersten Beschreibung der Kirche in der Apostelgeschichte deutlich: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Ac 2,42).

Das Geschenk der Gemeinschaft wird nun in besonderer Weise erhalten und gefördert durch den Dienst der Apostel, der seinerseits eine Gabe Gottes an die ganze Gemeinde ist. Die Apostel und ihre Nachfolger sind Hüter und maßgebende Zeugen des der Kirche anvertrauten Gutes der Wahrheit als auch Diener der Liebe, die Jesus Christus geoffenbart und geschenkt hat. Ihr Dienst ist vor allem ein Dienst der Liebe, die untrennbar mit der Wahrheit verbunden ist. Wahrheit und Liebe sind die zwei Gesichter ein und derselben Gabe, die von Gott kommt und durch den apostolischen Dienst in der Kirche bewahrt und weitergegeben wird und uns auch heute erreicht.
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Mit Freude heiße ich alle Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und aus Belgien willkommen. Besonders grüße ich die Wallfahrer aus Deggendorf, Twistringen, aus Unterwössen, und aus Nesselwang, vor allem die vielen Jugendlichen und Schüler. Gott schenkt uns durch die Gemeinschaft der Kirche seine Liebe und seine Wahrheit, die uns frei macht. Nehmt diese großen Gaben an und gebt sie als Jünger Jesu Christi weiter an eure Freunde in unsere Zeit hinein. Gottes Segen begleite euch auf das kommende Osterfest hin!



Papst Benedikt XVI. erinnerte bei der Generalaudienz an den 500. Geburtstag des hl. Franz Xaver mit folgenden Grußworten, die er an die Audienzteilnehmer in spanischer Sprache richtete:

Am kommenden 7. April wird der 500. Jahrestag der Geburt des hl. Franz Xaver gefeiert, des großen Jesuitenmissionars, der durch seine Verkündigung des Evangeliums in den Ländern Asiens viele Tore für Christus geöffnet hat. Ich schließe mich der Feier an und danke dem Herrn für dieses große Geschenk an seine Kirche. Ich habe Kardinal Antonio María Rouco Varela entsandt, damit er bei den Feierlichkeiten im Heiligtum von Javier in Navarra, Spanien, den Vorsitz führe. Ich bin mit ihm und allen Pilgern verbunden, die sich an den Geburtsort des berühmten Missionars begeben werden. Wenn wir die Gestalt des hl. Franz Xaver betrachten, fühlen wir uns aufgerufen, für jene zu beten, die ihr Leben dem Dienst der Evangelisierung widmen und die Schönheit der heilbringenden Botschaft Jesu verkünden. Gleichzeitig lade ich euch ein, dafür zu beten, daß durch Fürsprache dieses Heiligen alle sich verstärkt bemühen mögen um eine Festigung der Perspektiven des Friedens, die sich im Baskenland und ganz Spanien zu eröffnen scheinen, sowie um eine Überwindung der Hindernisse, die auf diesem Weg noch auftreten können.



Mittwoch, 12. April 2006

12046

Liebe Brüder und Schwestern!

Morgen beginnt das österliche Triduum, das der Höhepunkt des gesamten Kirchenjahres ist. Mit Hilfe der heiligen Riten des Gründonnerstags, des Karfreitags und der feierlichen Ostervigil werden wir das Geheimnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung des Herrn noch einmal erleben. Dies sind Tage, die in uns eine stärkere Sehnsucht, Christus anzunehmen und ihm großherzig zu folgen, neu erwecken können, im Bewußtsein der Tatsache, daß er uns geliebt hat bis zur Hingabe seines Lebens für uns. Was sind denn im Grunde die Ereignisse, die uns das Heilige Triduum noch einmal vor Augen führen, anderes als die höchste Offenbarung dieser Liebe Gottes für den Menschen? Bereiten wir uns also darauf vor, das österliche Triduum zu feiern, indem wir die Ermahnung des hl. Augustinus annehmen: »Beachte also wohl jene drei hochheiligen Tage der Kreuzigung, des Grabes und der Auferstehung. Was von diesen drei Geheimnissen das Kreuz bedeutet, das erfüllen wir in diesem Leben; was aber das Grab und die Auferstehung bedeutet, das vollzieht sich in Glaube und Hoffnung« (Brief 55,14, 24).

Das österliche Triduum beginnt morgen, am »Gründonnerstag«, mit der Messe »in Coena Domini«, auch wenn am Vormittag normalerweise eine andere bedeutsame liturgische Feier stattfindet, die Chrisam-Messe, in der sich die ganze Priesterschaft einer jeden Diözese um den Bischof versammelt, die priesterlichen Versprechen erneuert und an der Segnung der heiligen Öle, des Katechumenenöls, des Krankenöls und des Chrisam, teilnimmt. So werden wir es morgen vormittag auch hier in St. Peter tun. Außer der Einsetzung des Priestertums wird an diesem heiligen Tag der Ganzhingabe Christi an die Menschheit im Sakrament der Eucharistie gedacht. In derselben Nacht, in der er verraten wurde, hat er uns, wie die Heilige Schrift in Erinnerung ruft, das »neue Gebot« - »mandatum novum« - der brüderlichen Liebe hinterlassen, indem er die ergreifende Geste der Fußwaschung vollzogen hat, die an den demütigen Sklavendienst erinnert. Dieser einzigartige Tag, der große Geheimnisse wachruft, endet mit der eucharistischen Anbetung, im Gedenken an die Agonie des Herrn im Garten von Getsemani. Von großer Angst gepackt - so berichtet das Evangelium - bat Jesus die Seinen, im Gebet mit ihm zu wachen: »Bleibt hier und wacht mit mir!« (
Mt 26,38); aber die Jünger schliefen ein. Noch heute sagt der Herr zu uns: »Bleibt hier und wacht mit mir!«. Und wir sehen, daß auch wir, die Jünger von heute, oft schlafen. Das war für Jesus die Stunde der Verlassenheit und Einsamkeit, auf die in tiefster Nacht die Gefangennahme und der Beginn des schmerzvollen Weges zum Kalvarienberg folgten.

Das Geheimnis des Leidens steht im Mittelpunkt des »Karfreitags«, eines Tages des Fastens und der Buße, der ganz auf die Betrachtung Christi am Kreuz ausgerichtet ist. In den Kirchen wird die Passionsgeschichte verlesen, und die Worte des Propheten Sacharja sind zu hören: »Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben« (Jn 19,37). Und am Karfreitag wollen auch wir wirklich den Blick auf das durchbohrte Herz des Erlöses richten: »In ihm sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen«, schreibt der hl. Paulus (Col 2,3), und mehr noch: »In ihm allein wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes« (Col 2,9); deshalb kann der Apostel mit Entschiedenheit sagen, daß er den Wunsch habe, »nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten« (1Co 2,2). Es ist wahr: Das Kreuz offenbart »die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe« - damit sind die kosmischen Dimensionen gemeint - einer Liebe, die alle Erkenntnis übersteigt - die Liebe geht über das, was man kennt, hinaus - und die uns mit »der ganzen Fülle Gottes erfüllt« (vgl. Ep 3,18-19). Im Geheimnis des Gekreuzigten »vollzieht sich jene Wende Gottes gegen sich selbst, in der er sich verschenkt, um den Menschen wieder aufzuheben und zu retten - Liebe in ihrer radikalsten Form« (Enzyklika Deus caritas est, ). Das Kreuz Christi, schreibt der heilige Papst Leo der Große im 5. Jahrhundert, ist »die Quelle aller Segnungen und Ursache aller Gnaden« (Predigt 59: 8. Predigt über das Leiden des Herrn, 7).

Am Karsamstag verharrt die Kirche, geistlich mit Maria vereint, im Gebet am Grab, in dem reglos der Leichnam des Sohnes Gottes liegt wie in einem Ruhezustand nach dem Schöpfungswerk der Erlösung, das durch seinen Tod verwirklicht wurde (vgl. He 4,1-13). Spät in der Nacht wird die feierliche Ostervigil beginnen, bei der dann in jeder Kirche der freudige Gesang des »Gloria« und des »österlichen Halleluja« aus den Herzen der Neugetauften und der ganzen christlichen Gemeinschaft emporsteigen wird, in der Freude, daß Christus auferstanden ist und den Tod besiegt hat.

Liebe Brüder und Schwestern, um das Osterfest so zu begehen, daß sie einen Nutzen daraus ziehen, bittet die Kirche die Gläubigen, in diesen Tagen das Bußsakrament zu empfangen, das für jeden von uns wie eine Art Tod und Auferstehung ist. In der Alten Kirche fand in der christlichen Gemeinschaft am Gründonnerstag unter dem Vorsitz des Bischofs der Ritus der Versöhnung der Büßer statt. Die geschichtlichen Umstände haben sich gewiß verändert, sich aber mit einer guten Beichte auf Ostern vorzubereiten, bleibt eine Verrichtung, der man ihren vollen Wert zuerkennen muß. Sie bietet uns nämlich die Möglichkeit, unser Leben neu zu beginnen, in der Freude des Auferstandenen und in der Gemeinschaft der uns von ihm gewährten Vergebung wirklich einen Neuanfang zu machen. Lassen wir uns im Bewußtsein, daß wir Sünder sind, aber voll Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit, von Christus versöhnen, um intensiver die Freude auszukosten, die er uns durch seine Auferstehung vermittelt. Die Vergebung, die uns von Christus im Bußsakrament geschenkt wird, ist eine Quelle inneren und äußeren Friedens und macht uns zu Aposteln des Friedens in einer Welt, in der leider Spaltungen und Leid fortdauern, ebenso wie die Dramen der Ungerechtigkeit, des Hasses und der Gewalt, der Unfähigkeit, sich zu versöhnen, um mit einer aufrichtigen Vergebung neu zu beginnen. Wir wissen jedoch, daß das Böse nicht das letzte Wort hat, weil der gekreuzigte und auferstandene Christus siegt und sein Triumph durch die Kraft der barmherzigen Liebe offenbar wird. Seine Auferstehung schenkt uns diese Gewißheit: Trotz aller Dunkelheit, die es in der Welt gibt, hat das Böse nicht das letzte Wort. Von dieser Gewißheit getragen, werden wir uns mit mehr Mut und Begeisterung für die Entstehung einer gerechteren Welt einsetzen können.

Diesen Wunsch spreche ich von Herzen euch allen aus, liebe Brüder und Schwestern, und wünsche euch, daß ihr euch mit Glauben und Hingabe auf das schon nahe Osterfest vorbereitet. Es begleite euch die allerseligste Jungfrau Maria, die, nachdem sie ihrem göttlichen Sohn in der Stunde des Leidens und des Kreuzes gefolgt war, mit ihm die Freude seiner Auferstehung geteilt hat.

Die kommenden Tage - Gründonnerstag, Karfreitag und die Osternacht, die auch österliches Triduum genannt werden - bilden den liturgischen und geistlichen Höhepunkt des ganzen Kirchenjahres. Die Betrachtung des Leidens, des Sterbens und der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus erweckt in uns ein lebendiges Verlangen, dem Sohn Gottes auf dem Weg der Selbsthingabe nachzufolgen. Er hat uns seine Liebe bis zur Vollendung erwiesen, bis zum Tod am Kreuz.

Am Gründonnerstag folgen wir dem Herrn in den Abendmahls­saal, den Ort der Einsetzung der Eucharistie und des Weihepriestertums. Wir nehmen uns sein „neues Gebot“ zu Herzen: „Liebet einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Jn 13,34). Auf das Mysterium des Leidens und Sterbens des Sohnes Gottes konzentriert sich sodann die Liturgie des Karfreitags. „In seinem Tod am Kreuz vollzieht sich jene Wende Gottes ... , in der er sich verschenkt, um den Menschen wieder aufzuheben und zu retten - Liebe in ihrer radikalsten Form“ (Deus caritas est ). Am Karsamstag verharrt die Kirche mit Maria betend am Grab, in dem der Leichnam Jesu nach seiner Abnahme vom Kreuz ruht. Und schließlich erklingt in der Osternacht der Jubel der Erlösten über den auferstandenen Herrn, der den Tod endgültig besiegt hat.
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Einen glaubensfrohen Gruß richte ich an euch, liebe Pilger und Besucher deutscher Sprache, besonders an die Oberösterreicher mit ihrem Landeshauptmann und an die Jugendlichen aus Eichstätt. - Die Feier des österlichen Triduums nimmt uns hinein in das Erlösungsopfer Christi. Wir wollen uns darauf auch durch den Empfang des Bußsakraments vorbereiten. Die Beichte ist eine Quelle des Friedens und macht uns zu Aposteln des Friedens. Der Herr schenke euch die Gnade, als "neue Menschen" in dieser Welt zu wirken. Allen eine gesegnete Karwoche!




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