Generalaudienzen 2005-2013 40707

Mittwoch, 4. Juli 2007: Der Hl. Basilius der Große

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Liebe Brüder und Schwestern!

Heute wollen wir an einen der großen Kirchenväter erinnern, den hl. Basilius, der von den byzantinischen liturgischen Texten als ein »Licht der Kirche« bezeichnet wird. Er war ein großer Bischof des 4. Jahrhunderts, auf den - wegen der Heiligkeit seines Lebens, der Vortrefflichkeit seiner Lehre und der harmonischen Synthese von spekulativen und praktischen Begabungen - sowohl die Kirche des Ostens als auch die des Westens voll Bewunderung blickt. Er wurde um das Jahr 330 in einer Familie von Heiligen geboren, einer »wahren Hauskirche«, die in einer Atmosphäre tiefen Glaubens lebte. Er vollendete seine Studien bei den besten Lehrmeistern Athens und Konstantinopels. Unzufrieden mit seinen weltlichen Erfolgen wird er sich bewußt, viel Zeit in Eitelkeiten verschwendet zu haben, und bekennt selbst: »Eines Tages erwachte ich gleichsam aus einem tiefen Schlaf; da wandte ich mich dem wunderbaren Licht der Wahrheit des Evangeliums zu … und weinte ob meines erbärmlichen Lebens« (vgl. EP 223, PG 32,824a). Angezogen von Christus begann er, auf ihn zu schauen und nur auf ihn zu hören (vgl. Moralia 80,1: PG 31,860). Mit Entschlossenheit widmete er sich dem monastischen Leben im Gebet, in der Betrachtung der Heiligen Schrift und der Schriften der Kirchenväter sowie in der Übung der Nächstenliebe (vgl. Epp.2 und 22), wobei er auch dem Vorbild seiner Schwester, der hl. Makrina, folgte, die bereits im monastischen Asketentum lebte. Er wurde dann zum Priester geweiht und schließlich, im Jahr 370, Bischof von Caesarea in Kappadokien, in der heutigen Türkei.

Durch die Predigt und die Schriften entfaltete er eine ausgeprägte pastorale, theologische und literarische Tätigkeit. Mit weiser Ausgeglichenheit verstand er es, den Dienst an den Seelen und die Hingabe an das Gebet und die Betrachtung in der Einsamkeit miteinander zu vereinen. Indem er von seiner persönlichen Erfahrung Gebrauch machte, begünstigte er die Gründung vieler »Bruderschaften« oder Gemeinschaften gottgeweihter Christen, die er oft besuchte (vgl. Gregor von Nazianz, Oratio 43,29 in laudem Basilii: PG 36,536). Mit dem Wort und mit den Schriften, von denen viele auf uns gekommen sind (vgl. Regulae brevius tractatae, Prooemium: PG 3,1080), ermahnte er sie, in der Vollkommenheit zu leben und in ihr voranzuschreiten. Aus seinen Werken haben auch verschiedene Gesetzgeber des alten Mönchtums geschöpft, unter ihnen der hl. Benedikt, der Basilius als seinen Lehrmeister betrachtete (vgl. Regula 73,5). In Wirklichkeit hat der hl. Basilius ein sehr besonderes Mönchtum geschaffen: es war der Gemeinschaft der Ortskirche gegenüber nicht verschlossen, sondern für sie offen. Seine Mönche gehörten zur Ortskirche, sie waren ihr belebender Kern, der den anderen Gläubigen in der Nachfolge Christi und nicht nur im Glauben voranging und die feste Anhängerschaft zu ihm - die Liebe zu ihm - vor allem in Werken der Nächstenliebe zeigte. Diese Mönche, die Schulen und Spitäler hatten, standen im Dienst der Armen und haben so das christliche Leben in seiner Ganzheit erkennen lassen. Als der Diener Gottes Johannes Paul II. über das Mönchstum sprach, schrieb er: »Sehr viele glauben, daß die wichtige Einrichtung, die das monastische Leben im Gefüge der Kirche darstellt, lange Jahrhunderte hindurch vor allem vom hl. Basilius gefestigt wurde oder daß sie zumindest ihre besondere Gestalt nicht ohne seinen wichtigen Beitrag gefunden hat« (Apostolisches Schreiben Patres Ecclesiae, 2, in: O.R.dt., Nr. 8, 22.2.1980, S.8).

Als Bischof und Hirt seines großen Bistums kümmerte sich Basilius ständig um die schwierige materielle Lage, in der die Gläubigen lebten; er klagte standhaft die Übel an; er setzte sich für die Ärmsten und für die an den Rand Gedrängten ein; er intervenierte auch bei den Regierenden, um die Leiden der Bevölkerung zu lindern, vor allem in Momenten des Unglücks; er wachte über die Freiheit der Kirche und widersetzte sich dabei auch den Mächtigen, um das Recht zu verteidigen, den wahren Glauben zu bekennen (vgl. Gregor von Nazianz, Oratio 43,48-51 in laudem Basilii: PG 36,557c-561c). Von Gott, der Liebe und Nächstenliebe ist, gab Basilius ein gültiges Zeugnis mit der Errichtung verschiedener Hospize für die Bedürftigen (vgl. Basilius, EP 94, PG 32,488bc), gleichsam eine Stadt der Barmherzigkeit, die nach ihm Basileias genannt wurde (vgl. Sozomenus, Historia Eccl. 6,34: PG 67,1397). Sie steht an den Ursprüngen der modernen Krankenhauseinrichtungen zur Behandlung und Pflege der Kranken.

Im Bewußtsein, daß »die Liturgie der Höhepunkt [ist], dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt« (II.Vat. Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium
SC 10), war Basilius, obgleich besorgt um die Verwirklichung der Nächstenliebe, die das Erkennungszeichen des Glaubens ist, auch ein weiser »Reformer der Liturgie« (vgl. Gregor von Nazianz, Oratio 43,34 in laudem Basilii: PG 36,541). Er hat uns nämlich ein großes eucharistisches Hochgebet (oder Anapher) hinterlassen, das nach ihm benannt ist, und er hat dem Gebet und dem Psalmengesang eine grundlegende Ordnung gegeben: Durch seinen Antrieb lernte das Volk die Psalmen kennen und lieben und kam, um sie auch nachts zu beten (vgl. Basilius, In Psalmum 1,1-2: PG 29,212a-213c). Und so sehen wir, daß Liturgie, Anbetung und Gebet mit der Nächstenliebe zusammengehen und sich gegenseitig bedingen.

Eifrig und mutig verstand es Basilius, sich den Irrlehrern zu widersetzen, die leugneten, daß Jesus Christus Gott ist wie der Vater (vgl. Basilius, Ep 9,3, PG 32,272a; Ep. 52,1-3: PG 32,3992b-396a; Adv. Eunomium 1,20: PG 29,556). In ähnlicher Weise machte er gegenüber denen, die die Göttlichkeit des Heiligen Geistes nicht annahmen, geltend, daß auch der Geist Gott ist und daß er »zusammen mit dem Vater und dem Sohn genannt und verherrlicht werden muß« (vgl. De Spiritu Sancto: SC 17bis, 348). Deshalb ist Basilius einer der großen Kirchenväter, die die Lehre von der Dreifaltigkeit formuliert haben: Der eine Gott ist, gerade weil er Liebe ist, ein Gott in drei Personen, die die tiefste Einheit bilden, die es gibt, die göttliche Einheit.

In seiner Liebe zu Christus und zu seinem Evangelium setzte sich der große Kappadokier auch dafür ein, die Spaltungen innerhalb der Kirche versöhnend zu überwinden (vgl. Epp.70 und 243), indem er dafür wirkte, daß sich alle zu Christus und zu seinem Wort bekehrten (vgl. De iudicio 4: PG 31,660b-661a), der einigen Kraft, der alle Gläubigen gehorchen müssen (vgl. ebd., 1-3: PG 31,653a-656c).

Schließlich ging Basilius vollständig im treuen Dienst an der Kirche und in der vielfältigen Ausübung des Bischofsamtes auf. Nach dem von ihm selbst entworfenen Programm wurde er »Apostel und Diener Christi, Spender der Geheimnisse Gottes, Herold des Reiches, Vorbild und Regel der Frömmigkeit, Auge des Leibes der Kirche, Hirt der Schafe Christi, mitleidiger Arzt, Vater und Amme, Mitarbeiter Gottes, Landwirt Gottes, Erbauer des Tempels Gottes« (vgl. Moralia 80,11-20: PG 31,864b-868b).

Das ist das Programm, das der heilige Bischof den Verkündern des Wortes gestern wie heute überreicht, ein Programm, um dessen praktische Umsetzung er sich großzügig bemühte. Im Jahr 379 kehrte Basilius, noch nicht 50 Jahre alt und von den Mühen und der Askese aufgezehrt, »in der Hoffnung auf das ewige Leben, durch Jesus Christus unseren Herrn« (De Baptismo 1,2,9) heim zu Gott. Er war ein Mann, der wirklich mit dem Blick auf Christus geheftet lebte, ein Mann der Liebe zum Nächsten. Voller Hoffnung und voller Freude am Glauben zeigt uns Basilius, wie man wirklich Christ ist.

Der heilige Basilius der Große, dessen Leben ich heute kurz vorstellen möchte, zählt zu den herausragenden Bischofsgestalten des vierten Jahrhunderts. In der Kirche des Ostens wie des Westens genießt er wegen der Erhabenheit seiner Lehre und dem glücklichen Zusammenspiel seiner spekulativen und praktischen Fähigkeiten hohes Ansehen. Basilius ist in einer Familie von Heiligen, in einer „wahren Hauskirche“, aufgewachsen. Von den insgesamt zehn Geschwistern sind uns vor allem der heilige Gregor von Nyssa und die heilige Makrina näher bekannt. Nach dem Beispiel seiner Schwester Makrina wählte auch Basilius das asketisch-kontemplative Leben. Er wurde Mönch, später Priester und schließlich Bischof seiner Heimatstadt Cäsarea in Kappadozien.

Basilius entfaltete eine reiche pastorale, theologische und literarische Tätigkeit in Wort und Schrift. Seine Mönchsregeln und asketischen Werke übten großen Einfluß auf andere Vertreter des antiken Mönchstums aus, so auch auf Benedikt von Nursia. Ein Hauptaugenmerk seines Wirkens galt dem Kampf gegen die verschiedenen arianischen Irrlehren, die die wahre Gottheit Jesu Christi oder des Heiligen Geistes leugneten. Dabei bemühte er sich um Vermittlung und Versöhnung zwischen den Parteien innerhalb der Kirche. Ebenso mühte er sich um eine Neuordnung der Liturgie und des Psalmengebetes und um eine liturgische Erneuerung. Ein zentrales Anliegen war ihm auch die soziale Fürsorge gegenüber Bedürftigen, zu deren Anwalt er sich zeitlebens machte. Davon zeugt die Gründung von vorbildhaften Hospizen und Einrichtungen für die Armen.
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Petersdom


Gerne heiße ich euch, liebe Freude aus den Ländern deutscher Sprache, hier im Petersdom willkommen. Ich freue mich über eure Teilnahme an dieser Generalaudienz. Diese Romwallfahrt stärke euch auf eurem persönlichen Glaubensweg. Ihr dürft sicher sein, daß ich für euch bete, und ich darf auch euch um euer Gebet für meinen Petrusdienst bitten. Von Herzen segne ich euch alle.
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Audienzenhalle


Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich alle Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum. Der hl. Basilius zeigt uns, daß die Begegnung mit Gott im Gebet und in der Liturgie zugleich auch eine lebendige, aktive und wirksame Nächstenliebe hevorbringt. Der Heilige Geist helfe uns allzeit, als Menschen des Glaubens zugleich Zeugen der Liebe Gottes unter den Menschen und für die Menschen zu sein. Euch allen wünsche ich eine gesegnete und erholsame Ferienzeit!


GRUSSWORTE AN DIE JUGENDLICHEN MIT BLICK AUF DEN WELTJUGENDTAG 2008 IN SYDNEY

»Seid mutige Zeugen!«

Meine Gedanken gehen nun zum Welttreffen der Jugend, das in ungefähr einem Jahr in Sydney stattfinden wird. An die hier anwesenden Jugendlichen und an alle Jugendlichen der Welt, die sich auf dieses frohe Fest des Glaubens vorbereiten, möchte ich nun auf englisch ein herzliches Grußwort und eine lebhafte Ermunterung richten:

Liebe Jugendliche!

In einem Jahr werden wir uns beim Weltjugendtag in Sydney begegnen! Ich möchte euch ermutigen, euch auf diese wunderbare Feier des Glaubens vorzubereiten, die ihr gemeinsam mit euren Bischöfen, Priestern, Ordensleuten, Jugendgruppenleitern und miteinander verbringen werdet. Tretet ganz in das Leben eurer Pfarrgemeinden ein und nehmt voll Begeisterung an diözesanen Veranstaltungen teil! Auf diese Weise werdet ihr geistlich ausgerüstet, um von allem, was wir glauben, ein tieferes Verständnis zu erfahren, wenn wir uns im nächsten Juli in Sydney treffen. »Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein […] bis an die Grenzen der Erde« (Ac 1,8).

Wie ihr wißt, bilden diese Worte Jesu das Thema des Weltjugendtages 2008. Was die Apostel empfunden haben, als sie diese Worte hörten, können wir uns nur vorstellen, aber ihre Bestürzung wurde zweifellos durch ein Gefühl ehrfurchtsvoller Scheu und die eifrige Erwartung des Kommens des Heiligen Geistes gemindert. Vereint im Gebet mit Maria und den anderen, die im Obergemach versammelt waren (vgl. Ac 1,14), erfuhren sie die wahre Kraft des Geistes, dessen Gegenwart die Unsicherheit, Angst und Trennung in Entschlußkraft, Hoffnung und Gemeinschaft verwandelt.

Ein Gefühl ehrfurchtsvoller Scheu und die eifrige Erwartung beschreibt auch, wie wir uns bei den Vorbereitungen auf Sydney fühlen. Für viele von uns wird es eine lange Reise sein. Doch Australien und sein Volk rufen Bilder eines herzlichen Empfangs und einer wundersamen Schönheit wach, Bilder einer alten Geschichte seiner Ureinwohner und einer Vielfalt von pulsierenden Städten und Gemeinden. Ich weiß, daß die kirchlichen und zivilen Autoritäten zusammen mit zahlreichen jungen Australiern bereits hart arbeiten, um eine außergewöhnliche Erfahrung für uns alle zu sichern. Ich sage ihnen mein herzliches Danke.

Der Weltjugendtag ist weit mehr als ein »Event«. Er ist eine Zeit der tiefen geistlichen Erneuerung, deren Früchte der ganzen Gesellschaft zugute kommen. Junge Pilger sind vom Wunsch erfüllt, zu beten, durch das Wort und das Sakrament genährt und vom Heiligen Geist verwandelt zu werden, der das Wunder der menschlichen Seele erleuchtet und den Weg zeigt, um immer mehr »Ausdruck und Organ seiner Liebe« (Deus caritas est ) zu werden.

Es ist diese Liebe - die Liebe Christi -, nach der sich die Welt sehnt. Deshalb werdet ihr von so vielen aufgerufen, »seine Zeugen zu sein«. Einige von euch haben Freunde mit wenigen wirklichen Zielen in ihrem Leben, die vielleicht in einer vergeblichen Suche nach endlosen neuen Erfahrungen gefangen sind. Bringt auch sie zum Weltjugendtag! Ich habe in der Tat bemerkt, daß gegen den Sog des Säkularismus viele junge Menschen die erfüllende Suche nach wahrer Schönheit, Güte und Wahrheit neu entdecken. Durch euer Zeugnis helft ihr ihnen bei ihrer Suche nach dem Geist Gottes. Seid mutig in diesem Zeugnis! Bemüht euch, das leitende Licht Christi zu verbreiten, das allem Leben Sinn gibt und immerwährende Freude und Glückseligkeit für jeden ermöglicht.

Meine lieben jungen Leute, möge der Herr euch alle beschützen, bis wir uns in Sydney treffen. Laßt uns diese Vorbereitungen Unserer Lieben Frau vom Kreuz des Südens, Hilfe der Christen, anvertrauen. Mit ihr laßt uns beten: »Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe«.



Mittwoch, 1. August 2007: Der hl. Basilius der Große

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Liebe Brüder und Schwestern!

Nach dieser dreiwöchigen Pause nehmen wir unsere gewohnten Begegnungen am Mittwoch wieder auf. Heute möchte ich an die letzte Katechese anknüpfen, die das Leben und die Schriften des hl. Basilius zum Thema hatte, der im 4. Jahrhundert Bischof in Kleinasien, in der heutigen Türkei, war.

Das Leben dieses großen Heiligen und seine Werke sind reich an Anregungen zum Nachdenken und an Lehren, die auch für uns heute gültig sind.

Da ist vor allem der Hinweis auf das Geheimnis Gottes, der für den Menschen der maßgebendste und lebenswichtige Bezug bleibt. Der Vater ist »Anfang und Urgrund des Seins von allem, was existiert, Quelle der Lebewesen« (Hom. 15,2 de fide: PG 31,465), und vor allem ist er »der Vater unseres Herrn Jesus Christus« (Anaphora sancti Basilii). Wenn wir durch die Geschöpfe bis zu Gott zurückgehen, »werden wir uns seiner Güte und seiner Weisheit bewußt« (Basilius, Adversus Eunomium 1,14: PG 29,544). Der Sohn ist das »Abbild der Güte des Vaters und Abdruck der ihm gleichen Gestalt« (vgl. Anaphora sancti Basilii). Durch seinen Gehorsam und sein Leiden hat das fleischgewordene Wort die Sendung als Erlöser des Menschen vollbracht (vgl. Basilius, In Psalmum 48,8: PG 29,452 vgl. auch De Baptismo 1,2: SC 357,158).

Schließlich spricht er ausführlich vom Heiligen Geist, dem er ein ganzes Buch gewidmet hat. Er enthüllt uns, daß der Geist die Kirche beseelt, sie mit seinen Gaben erfüllt, sie heilig macht. Das strahlende Licht des göttlichen Geheimnisses spiegelt sich im Menschen, Ebenbild Gottes, wider und erhöht dessen Würde. Wenn man auf Christus blickt, begreift man vollständig die Würde des Menschen. Basilius ruft aus: »[Mensch], werde dir deiner Größe bewußt, indem du den für dich gezahlten Preis bedenkst: Betrachte den Preis für deine Befreiung und erkenne deine Würde!« (In Psalmum 48,8: PG 29,452).

Besonders der Christ, der dem Evangelium gemäß lebt, erkennt, daß die Menschen alle untereinander Brüder sind; daß das Leben ein Verwalten der von Gott empfangenen Güter ist, für die jeder dem anderen gegenüber verantwortlich ist, und wer reich ist, muß gleichsam ein »Vollstrecker der Weisungen des wohltätigen Gottes« sein (Hom.6 de avaritia: PG 32,1181-1196). Wir müssen uns alle gegenseitig helfen und als Glieder eines Leibes zusammenarbeiten (EP 203,3). Und zu diesem Punkt hat er in seinen Predigten auch mutige, starke Worte gebraucht. In der Tat, wer nach dem Gebot Gottes den Nächsten lieben will wie sich selbst, »darf nicht mehr besitzen als sein Nächster« (Hom. in divites: PG 31,281).

In Zeiten von Hungersnot und Katastrophen ermahnte der heilige Bischof die Gläubigen mit leidenschaftlichen Worten, »sich nicht grausamer als wilde Tiere zu verhalten…, indem sie sich aneignen, was Gemeingut ist, und allein besitzen, was allen gehört« (Hom. tempore famis: PG 31,325). Der tiefgründige Gedanke des Basilius tritt in dem folgenden eindrucksvollen Satz deutlich zutage: »Alle Notleidenden schauen auf unsere Hände, so wie wir auf die Hände Gottes schauen, wenn wir in Not sind.« Wohlverdient ist daher das Lob von seiten Gregors von Nazianz, der nach dem Tod des Basilius sagte: »Basilius überzeugte uns, daß wir, da wir Menschen sind, weder die Menschen verachten noch durch unsere Unmenschlichkeit gegenüber den Menschen Christus, das gemeinsame Haupt aller, beleidigen dürfen; vielmehr müssen wir bei Unglücksfällen der anderen selbst wohltätig sein und Gott von unserer Barmherzigkeit leihen, weil wir Barmherzigkeit nötig haben« (Gregor von Nazianz, Oratio 43,63: PG 36,580). Das sind sehr aktuelle Worte. Wir sehen, der hl. Basilius ist wirklich einer der Väter der Soziallehre der Kirche.

Außerdem erinnert uns Basilius daran, daß wir, um die Liebe zu Gott und zu den Menschen in uns lebendig zu erhalten, die Eucharistie nötig haben, die für die Getauften angemessene Speise, die die aus der Taufe erwachsenden neuen Kräfte zu nähren vermag (vgl. De Baptismo 1,3: SC 357,192). An der Eucharistie teilnehmen zu können, die eingesetzt wurde, »um unablässig die Erinnerung an den zu bewahren, der für uns gestorben und auferstanden ist« (Moralia 80,22: PG 31,869), ist ein Grund zu unermeßlicher Freude (Moralia 21,3: PG 31,741). Die Eucharistie, unermeßliche Gabe Gottes, schützt in jedem von uns die Erinnerung an das Taufsiegel und gewährt uns, die Gnade der Taufe in Fülle und Treue zu leben. Deshalb empfiehlt der heilige Bischof den häufigen, auch täglichen Empfang der Kommunion: »Auch jeden Tag zur Kommunion zu gehen und den heiligen Leib und das Blut Christi zu empfangen, ist gut und nützlich; denn er selbst sagt mit aller Klarheit: ›Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben‹ (
Jn 6,54). Wer wird also daran zweifeln, daß ständige Teilnahme am Leben heißt, in Fülle zu leben?« (EP 93, PG 32, 484b). Mit einem Wort, die Eucharistie ist für uns notwendig, um in uns das wahre Leben, das ewige Leben zu empfangen (vgl. Moralia 21,1: PG 31,737).

Schließlich interessierte sich Basilius natürlich auch für jenen auserwählten Teil des Gottesvolkes, den die Jugendlichen, die Zukunft der Gesellschaft, verkörpern. An sie richtete er eine Rede darüber, wie sie aus der heidnischen Kultur ihrer Zeit Nutzen ziehen könnten. Mit großer Ausgewogenheit und Aufgeschlossenheit erkennt er, daß sich in der klassischen, griechischen und lateinischen, Literatur Beispiele von Tugend finden. Diese Beispiele rechten Lebens können für den christlichen Jugendlichen bei der Suche nach der Wahrheit, nach der richtigen Lebensweise nützlich sein (vgl. Ad Adolescentes 3). Es gilt daher, den Texten der klassischen Autoren alles zu entnehmen, was angemessen ist und der Wahrheit entspricht: Mit einer solchen kritischen und offenen Haltung - es handelt sich in der Tat um eine richtiggehende »Unterscheidung der Geister« - wachsen die Jugendlichen in der Freiheit. Mit dem berühmten Bild von den Bienen, die aus den Blüten nur das sammeln, was für den Honig dient, empfiehlt Basilius: »Wie die Bienen im Unterschied zu den anderen Tieren, die sich auf den Genuß des Duftes und der Farbe der Blumen beschränken, aus den Blüten den Honig zu ziehen wissen, so kann man auch aus diesen Schriften … etwas Nutzen für den Geist ziehen. Wir müssen jene Bücher nutzen, indem wir in allem dem Beispiel der Bienen folgen. Sie setzen sich nicht unterschiedslos auf alle Blüten und versuchen auch nicht, von jenen, auf denen sie sich niederlassen, alles wegzutragen, sondern ziehen nur das heraus, was der Herstellung des Honigs dient, und lassen den Rest beiseite. Und wenn wir weise sind, werden wir aus jenen Schriften alles entnehmen, was sich für uns eignet und was der Wahrheit entspricht, und werden den Rest übergehen« (Ad Adolescentes, 4). Vor allem empfiehlt Basilius den Jugendlichen, in den Tugenden, in der rechten Lebensweise zu wachsen: »Während die anderen Güter … wie beim Würfelspiel von diesem auf jenen übergehen, ist allein die Tugend ein unveräußerliches Gut und besteht während des Lebens und nach dem Tod weiter« (Ad Adolescentes, 5).

Liebe Brüder und Schwestern, mir scheint, man kann sagen, daß dieser Kirchenvater aus einer fernen Zeit auch zu uns spricht und uns Wichtiges zu sagen hat. Da ist vor allem diese aufmerksame, kritische und kreative Teilnahme an der Kultur von heute. Sodann die soziale Verantwortung: In der heutigen Zeit, in einer globalisierten Welt, sind auch die geographisch entfernten Völker wirklich unsere Nächsten. Dann die Freundschaft mit Christus, dem Gott mit dem menschlichen Antlitz. Und schließlich die Erkenntnis und die Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfergott, Vater von uns allen: Nur wenn wir für diesen Gott, den gemeinsamen Vater, offen sind, können wir eine gerechte und brüderliche Welt aufbauen.

Ich grüße die Gruppe der Pfadfinder und Pfadfinderinnen Europas, die an diesem Morgen mit ihrer Gegenwart ihre kirchliche Beteiligung bestätigen wollen, nachdem sie das Pfadfinderversprechen erneuert haben, das sie dazu anhält, ihre Pflicht gegenüber Gott zu erfüllen und den anderen großherzig zu dienen. Meine Gedanken richten sich auch an alle Pfadfinder der Welt, die ihre Versprechen genau heute erneuern, an dem Tag, auf den das 100jährige Bestehen des Pfadfindertums fällt. Denn genau vor 100 Jahren, am 1. August 1907, begann auf der Insel Brownsea das erste Pfadfinderlager der Geschichte. Von Herzen wünsche ich, daß die erzieherische Bewegung der Pfadfinder, die aus der tiefen Intuition von Lord Robert Baden Powell hervorgegangen ist, weiterhin reiche Früchte der menschlichen, spirituellen und zivilen Bildung in allen Ländern der Welt tragen möge.

Zum Abschluß der Generalaudienz möchte ich eine gute Nachricht im Hinblick auf den Irak erwähnen, die im ganzen Land einen allgemeinen Ausbruch der Freude hervorgerufen hat. Ich beziehe mich auf den Sieg der irakischen Fußballnationalmannschaft beim Asien Cup. Es ist ein historischer Erfolg für den Irak, der zum ersten Mal Fußball-Asienmeister geworden ist. Der Enthusiasmus, der alle Einwohner angesteckt und sie auf die Straßen geführt hat, um das Ereignis zu feiern, hat mich beeindruckt und mit Freude erfüllt. Wie ich oft mit den Irakern geweint habe, so freue ich mich jetzt mit ihnen. Die Erfahrung dieser geteilten Freude offenbart den Wunsch eines Volkes, ein normales und ruhiges Leben zu führen. Ich hoffe, daß dieses Ereignis dazu beitragen kann, im Irak mit dem Beitrag aller eine Zukunft echten Friedens in Freiheit und gegenseitigem Respekt aufzubauen. Herzlichen Glückwunsch!
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In der letzten Mittwochskatechese vor meinem Urlaub habe ich über die Person und das Leben des heiligen Basilius gesprochen. Heute möchte ich noch auf einige wichtige Aspekte seiner Lehre eingehen: Der heilige Bischof und Kirchenlehrer ruft die Christen zu ungeteilter und konkreter Liebe gegenüber Gott und dem Nächsten, zu vorbehaltloser Hingabe an die Gebote Gottes und zu einer echten Lebenspraxis im Geiste des Evangeliums auf. Der Mensch, der Gott liebt, strebt danach, immer wieder im Gebet das Geheimnis des Dreifaltigen Gottes zu betrachten. Gott ist der Urgrund und die Quelle alles Lebens. Wenn wir von den Geschöpfen gedanklich zu Gott zurückgehen, wird uns immer mehr die Güte und Weisheit des Vaters bewußt. Der Sohn Gottes macht uns mit seinem Erlösungswerk deutlich, was der Mensch ihm wert ist und welche Würde dem Menschen zu eigen ist. Von Christus geht der Heilige Geist aus, der die Kirche belebt, sie mit seinen Gaben erfüllt und sie heilig macht. Basilius erinnert zudem daran, daß die Werke der Nächstenliebe wie auch die regelmäßige Teilnahme an der Eucharistie nötig sind, um die Liebe zu Gott wach zu halten. Der Jugend gibt der Heilige den Rat, die Wahrheit und das Gute auch in der Kultur und im Wissen der Zeit zu suchen.
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Einen frohen Gruß richte ich an die Pilger und Besucher deutscher Sprache, besonders an die zahlreichen Jugendgruppen, unter ihnen mit besonderer Freude an die Ministranten aus dem Pfarrverband Tittmoning. Euer Besuch hier in Rom und die vielen Zeugnisse der Heiligen und Märtyrer in dieser Stadt mögen euch anspornen, selbst Zeugen für Christus zu sein und den Menschen, die unsere Hilfe brauchen, die Güte und Liebe Gottes sichtbar zu machen. Der Heilige Geist geleite euch und gebe euch Kraft!



Mittwoch, 8. August 2007: Gregor von Nazianz

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Liebe Brüder und Schwestern!

Am vergangenen Mittwoch habe ich über einen großen Glaubenslehrer gesprochen, den heiligen Kirchenvater Basilius. Heute möchte ich über seinen Freund Gregor von Nazianz sprechen, der ebenso wie Basilius aus Kappadokien stammte. Als hervorragender Theologe, Redner und Verteidiger des christlichen Glaubens im 4. Jahrhundert war er für seine Redekunst berühmt und hatte als Poet auch eine feinfühlige und einfühlsame Seele.

Gregor kam aus einer adligen Familie. Seine Mutter weihte ihn von seiner Geburt an - diese fand um das Jahr 330 statt - Gott. Nach der ersten Erziehung in der Familie besuchte er die berühmtesten Schulen seiner Zeit: Zuerst war er in Cäsarea in Kappadokien, wo er Freundschaft schloß mit Basilius, dem zukünftigen Bischof jener Stadt, dann hielt er sich in anderen Metropolen der antiken Welt auf, wie in Alexandrien in Ägypten und vor allem in Athen, wo er Basilius wieder begegnete (vgl. Oratio 43,14-24: SC 38,146-180). Gregor wird später in der Rückschau auf ihre Freundschaft schreiben: »Damals nun begegnete ich meinem großen Basilius nicht nur selbst mit Ehrerbietung, da ich sein gesetztes Wesen und die Reife in seinem Reden bemerkte, sondern brachte es auch bei allen anderen Jünglingen, die ihn gerade nicht kannten, dahin, daß sie es ebenso machten … Die gleiche Hoffnung beseelte uns, die Hoffnung auf Wissen … Gegenstand des Wettstreits zwischen uns beiden war aber nicht, wer selbst den ersten Platz erlangte, sondern wie er diesen dem anderen einräumte. … In unseren Augen waren wir eine Seele, die zwei Leiber hatte« (Oratio 43,16.20: SC 384,154-156.164). Diese Worte sind so etwas wie ein Selbstporträt dieser erhabenen Seele. Aber man kann sich auch vorstellen, daß dieser Mann, der stark auf die überirdischen Werte ausgerichtet war, viel gelitten hat unter den Dingen dieser Welt.

Nach Hause zurückgekehrt, empfing Gregor die Taufe und strebte nach dem monastischen Leben: Die Einsamkeit, die philosophische und geistliche Betrachtung zogen ihn an. Er selbst schrieb später: »Etwas unvergleichlich Großes schien es mir zu sein, den Sinneseindrücken verschlossen, dem Fleisch und der Welt entrückt, in sich selbst versunken, mit Menschen nur, wo es notwendig ist, in Fühlung stehend, mit sich und Gott sprechend jenseits der sichtbaren Welt zu leben, die göttlichen Eingebungen stets rein, ungetrübt durch irdische, trügerische Eindrücke in sich zu bewahren, ein wahrhaft fehlerloser Spiegel Gottes und der göttlichen Ideen zu sein und, Licht für das Licht, Helligkeit für das Halbdunkel erhaltend, immer wieder zu werden, bereits das Glück der zukünftigen Welt hoffend zu genießen, mit den Engeln zu verkehren, noch auf Erden weilend, aber der Erde entrückt vom Geiste in den Himmel gehoben zu werden« (Oratio 2,7: SC 247,96).

Wie er in seiner Autobiographie bekennt (vgl. Carmina [historica] de vita sua 340-349: PG 37,1053), empfing er die Priesterweihe mit etwas Widerstreben, weil er wußte, daß er danach ein Hirte sein muß, der für die anderen und ihre Anliegen Sorge trägt, daß er also nicht mehr so gesammelt in reiner Betrachtung leben konnte. Dennoch nahm er dann diese Berufung an und übernahm den Hirtendienst in vollem Gehorsam. Er akzeptierte es, wie so oft in seinem Leben, von der Vorsehung dorthin geführt zu werden, wohin er nicht gehen wollte (vgl.
Jn 21,18). Im Jahre 371 weihte sein Freund Basilius, der Bischof von Cäsarea war, Gregor gegen dessen eigenen Willen zum Bischof von Sasima, einem strategisch wichtigen Ort Kappadokiens. Aufgrund verschiedener Schwierigkeiten nahm er diese Diözese jedoch niemals in Besitz, sondern blieb in der Stadt Nazianz.

Um das Jahr 379 wurde Gregor in die Hauptstadt Konstantinopel gerufen, um die Leitung der kleinen katholischen Gemeinde zu übernehmen, die dem Konzil von Nizäa und dem trinitarischen Glauben treu war. Die Mehrheit hing dagegen dem Arianismus an, der »politisch korrekt« war und von den Kaisern als politisch nützlich erachtet wurde. So befand sich Gregor in einer Minderheitenposition und war von Feindseligkeit umgeben. In der kleinen Kirche der »Anastasis« hielt er fünf Theologische Reden (Orationes 27-31: SC 250,70-343), mit denen er den trinitarischen Glauben verteidigen und verständlich machen wollte. Diese Reden sind bis heute berühmt wegen ihrer Sicherheit der Lehre und Gewandtheit in der Argumentation, die wirklich zu verstehen gibt, daß dies die göttliche Logik ist. Und sie faszinieren heute auch durch ihre brillante Form. Aufgrund dieser Reden erhielt Gregor den Beinamen »der Theologe«. So wird er in der orthodoxen Kirche genannt: »der Theologe«, und zwar weil für ihn die Theologie keine rein menschliche Reflexion und noch weniger nur die Frucht komplizierter Spekulationen ist, sondern einem Leben des Gebets und der Heiligkeit entspringt, einem ständigen Dialog mit Gott. Und eben so läßt sie in unserem Verstand die Wirklichkeit Gottes aufscheinen, das Geheimnis der Dreifaltigkeit. Im kontemplativen Schweigen, das erfüllt ist vom Staunen über die Wunder des geoffenbarten Geheimnisses, nimmt die Seele die göttliche Schönheit und Herrlichkeit auf.

Als er 381 am zweiten ökumenischen Konzil teilnahm, wurde Gregor zum Bischof von Konstantinopel gewählt und übernahm den Vorsitz des Konzils. Aber sofort erhob sich starker Widerstand gegen ihn, bis die Situation schließlich untragbar wurde. Für eine so empfindsame Seele war diese Feindseligkeit unerträglich. Es wiederholte sich das, was Gregor bereits zuvor mit betrübten Worten beklagt hatte: »Wir, die wir so sehr Gott und Christus liebten, haben Christus geteilt. Um der Wahrheit willen haben wir einander belogen, um der Liebe willen haben wir Haß gesonnen, wegen des Ecksteines haben wir uns entzweit« (Oratio 6,3: SC 405,128). Das führte schließlich in einer gespannten Atmosphäre zu seiner Amtsniederlegung. In der Kathedrale hielt Gregor vor einer großen Menschenmenge eine Abschiedsrede, die viel Wirkung und Würde zeigte (vgl. Oratio 42: SC 384,48-114). Er schloß seine bewegte Rede mit diesen Worten: »Lebe wohl, du große Stadt, die du Christus liebst … Kindlein, bewahret mir das Glaubenserbe (vgl. 1Tm 6,20), gedenket meiner Leiden (vgl. Kol Col 4,18)! Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen« (vgl. Oratio 42,27: SC 384,112-114).

Er kehrte nach Nazianz zurück und widmete sich etwa zwei Jahre lang der Seelsorge der dortigen christlichen Gemeinde. Dann zog er sich endgültig in die Einsamkeit zurück, ins nahegelegene Arianz, seinem Heimatort, und widmete sich dem Studium und der Askese. Während dieser Zeit schrieb er den größten Teil seines poetischen und vor allem autobiographischen Werkes: die Schrift De vita sua, eine Auslegung seines eigenen menschlichen und geistlichen Weges in Versform - der exemplarische Weg eines leidenden Christen, eines Menschen mit tiefem Innenleben in einer Welt voller Konflikte. Er ist ein Mensch, der uns den Primat Gottes spüren läßt und daher auch zu uns spricht, zu unserer heutigen Welt: Ohne Gott verliert der Mensch seine Größe, ohne Gott gibt es keinen wahren Humanismus. Hören wir daher auf diese Stimme und versuchen auch wir, das Antlitz Gottes kennenzulernen. In einem seiner Gedichte hatte er sich an Gott gewandt mit den Worten: »O sei mir gnädig, jenseits aller Erscheinung« (Carmina [dogmatica] 1,1,29: PG 37,508). Und im Jahre 390 nahm Gott diesen treuen Diener, der ihn mit scharfem Verstand in seinen Schriften verteidigt und mit soviel Liebe in seinen Gedichten besungen hatte, in seine Arme auf.

In der heutigen Katechese wenden wir uns einem weiteren Kirchenvater aus Kappadozien, dem heiligen Gregor von Nazianz, zu. Seine teils autobiographischen Schriften erlauben uns einen guten Einblick in sein Leben im vierten christlichen Jahrhundert. Gregor erwarb sichim kappadozischen Caesarea, wo er sich mit dem heiligen Basilius dem Großen anfreundete, und später in Alexandrien in Ägypten und in Athen eine hervorragende Bildung. Vor allem faszinierten ihn philosophische und geistliche Meditationen. Darum fühlte er sich auch zum monastischen Leben hingezogen. Im Gehorsam gegenüber der Kirche und angesichts der pastoralen Nöte seiner Zeit war er jedoch immer wieder bereit, seine eigenen Wünsche und Pläne zurückzusetzen und sich ganz der Führung Gottes anzuvertrauen. So stellte er seine Talente als Priester und Bischof in den Dienst der Gläubigen in Kappadozien und später in Konstantinopel. Mit scharfem Verstand, glänzender Rhetorik und tiefer Liebe zu Gott förderte er die Treue zum überlieferten Glauben und die Einheit der Kirche. Als er aufgrund großer Spannungen sein Bischofsamt in Konstantinopel nicht mehr ausüben konnte, zog er sich in seine Heimat zurück und verfaßte dort noch zahlreiche theologische und poetische Werke.
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Voller Freude begrüße ich die Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum. Unter ihnen heiße ich besonders die vielen Jugendlichen aus dem Feriencamp Baia Domizia und die Passionsspieler aus Altmühlmünster in der Diözese Regensburg willkommen. - Bitten wir um das Licht der Gnade, damit wir, wie der heilige Gregor von Nazianz, den Plan Gottes für unser Leben erkennen und ihn auch dann annehmen, wenn er uns nicht gefällt. Euch allen wünsche ich eine erholsame Sommerzeit und Gottes reichen Segen.




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