Generalaudienzen 2005-2013 31030

Mittwoch, 31. März 2010: Oster-Triduum

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Liebe Brüder und Schwestern!

Wir befinden uns mitten in den heiligen Tagen, die uns einladen, die zentralen Ereignisse unserer Erlösung, den wesentlichen Kern unseres Glaubens zu betrachten. Morgen beginnt das österliche Triduum, Höhepunkt des gesamten Kirchenjahres, in dem wir zu Stille und Gebet aufgerufen sind, um die Geheimnisse der Passion, des Todes und der Auferstehung des Herrn zu betrachten.

Die Kirchenväter nehmen in ihren Homilien oft auf diese Tage Bezug, die uns, wie der hl. Athanasius in einem seiner Osterbriefe anmerkt, »in jene Zeit einführen, die uns einen neuen Anfang erkennen läßt, den Tag des Heiligen Ostern, an dem sich der Herr aufgeopfert hat« (Brief 5,1-2: ).

Ich ermahne euch daher, diese Tage intensiv zu leben, damit sie das Leben eines jeden entschlossen auf die großherzige und überzeugte Zugehörigkeit zu Christus ausrichten, der für uns gestorben und auferstanden ist.

Die Chrisam-Messe, morgendlicher Auftakt des Gründonnerstags, wird morgen vormittag die Priester mit ihrem Bischof vereint sehen. Im Rahmen einer bedeutungsträchtigen Eucharistiefeier, die üblicherweise in den Diözesankathedralen stattfindet, werden das Krankenöl, das Katechumenenöl und der Chrisam geweiht. Außerdem werden der Bischof und die Priester die Versprechen erneuern, die sie am Tag ihrer Weihe geleistet haben. Diese Geste nimmt in diesem Jahr eine besondere Bedeutung an, weil sie im Rahmen des Priester-Jahres steht, das ich ausgerufen habe, um des 150. Jahrestages des Todes des heiligen Pfarrers von Ars zu gedenken. Allen Priestern gegenüber möchte ich den Wunsch wiederholen, den ich am Schluß des Schreibens zum Beginn des Gedenkjahres formuliert habe: »Nach dem Beispiel des heiligen Pfarrers von Ars laßt euch von Christus vereinnahmen, dann seid in der Welt von heute auch ihr Boten der Hoffnung, der Versöhnung und des Friedens« (O.R. dt., Nr. 26, 26.9.2009, S. 9)!

Morgen werden wir am späten Nachmittag den Augenblick der Einsetzung der Eucharistie feiern. Der Apostel Paulus bestärkte in seinem Brief an die Korinther die ersten Christen in der Wahrheit des eucharistischen Geheimnisses und teilte ihnen mit, was er selbst empfangen hatte: »Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis« (
1Co 11,23-25). Diese Worte offenbaren mit aller Klarheit die Absicht Christi: Unter den Gestalten von Brot und Wein wird er auf wirkliche Weise mit seinem als Opfer des Neuen Bundes hingegebenen Leib und seinem vergossenen Blut gegenwärtig. Gleichzeitig setzt er die Apostel und ihre Nachfolger als Diener dieses Sakraments ein, das er seiner Kirche als höchsten Beweis seiner Liebe übergibt.

Mit einem eindrucksvollen Ritus werden wir sodann an die Geste Jesu erinnern, der den Aposteln die Füße wäscht (vgl. Jn 13,1-25). Diese Handlung wird für den Evangelisten zur Darstellung des gesamten Lebens Jesu und offenbart seine Liebe bis zum Ende, eine grenzenlose Liebe, die den Menschen zur Gemeinschaft mit Gott zu befähigen und ihn frei zu machen vermag. Im Anschluß an die Gründonnerstagsliturgie verwahrt die Kirche das Allerheiligste Sakrament an einem eigens vorbereiteten Ort, der die Einsamkeit von Getsemani und die Todesangst Jesu darstellt. Vor der Eucharistie betrachten die Gläubigen Jesus in der Stunde seiner Einsamkeit und beten, daß alle Einsamkeit auf der Welt enden möge. Dieser liturgische Weg ist ebenso eine Einladung, die innige Begegnung mit dem Herrn im Gebet zu suchen, Jesus unter denen zu erkennen, die allein sind, mit ihm zu wachen und ihn als das Licht des eigenen Lebens verkünden zu wissen.

Am Karfreitag werden wir des Leidens und des Todes des Herrn gedenken. Jesus wollte sein Leben als Opfer für den Nachlaß der Sünden der Menschheit darbringen und wählte zu diesem Zweck den grausamsten und demütigendsten Tod: die Kreuzigung. Es besteht eine untrennbare Verbindung zwischen dem Letzten Abendmahl und dem Tod Jesu. Beim ersten schenkt Jesus seinen Leib und sein Blut, das heißt seine irdische Existenz, sich selbst, indem er seinen Tod vorwegnimmt und ihn in einen Akt der Liebe verwandelt. So ist der Tod, der seiner Natur nach das Ende, die Zerstörung jeder Beziehung ist, von ihm zu einem Akt der Mitteilung seiner selbst, zum Werkzeug des Heils und zur Verkündigung des Sieges der Liebe gemacht worden. Auf diese Weise wird Jesus zum Schlüssel für das Verständnis des Letzten Abendmahles, das eine Vorwegnahme der Verwandlung des gewaltsamen Todes in freiwilliges Opfer ist, in einen Akt der Liebe, der die Welt erlöst und rettet.

Der Karsamstag ist durch eine große Stille gekennzeichnet. Die Kirchen sind schmucklos, und es sind keine besonderen Gottesdienste vorgesehen. In dieser Zeit der Erwartung und der Hoffnung sind die Gläubigen zum Gebet, zum Nachdenken, zur Umkehr eingeladen, auch durch das Sakrament der Versöhnung, um innerlich erneuert an der Feier des Osterfestes teilnehmen zu können.

In der Nacht des Karsamstags wird diese Stille in der feierlichen Osternachtsvigil, »Mutter aller Vigilfeiern«, durch den Gesang des Halleluja durchbrochen, der die Auferstehung Christi ankündigt und den Sieg des Lichts über die Finsternis, des Lebens über den Tod verkündet. Die Kirche wird sich bei der Begegnung mit ihrem Herrn freuen, während sie in den Ostertag eintritt, den der Herr mit seiner Auferstehung von den Toten beginnt.

Liebe Brüder und Schwestern, machen wir uns bereit, dieses nun unmittelbar bevorstehende Heilige Triduum intensiv zu erleben, um immer tiefer in das Geheimnis Christi einzudringen, der für uns gestorben und auferstanden ist. Auf diesem geistlichen Weg begleite uns die allerseligste Jungfrau Maria. Sie, die Jesus in seinem Leiden folgte und unter dem Kreuz stand, führe uns in das Ostergeheimnis ein, damit wir die Freude und den Frieden des Auferstandenen erfahren können.

Mit diesen Gefühlen spreche ich euch allen bereits jetzt die herzlichsten Glückwünsche zum Heiligen Osterfest aus und schließe in sie eure Gemeinden und alle eure Lieben ein.

Morgen beginnt das Oster-Triduum, die drei österlichen Tage vom Leiden, vom Tod und von der Auferstehung des Herrn. Diese drei heiligen Tage sind im Grunde ein einziger Tag, eine einzige Feier des Oster-Mysteriums und bilden die Mitte des ganzen liturgischen Jahrs.

Am Vormittag des Gründonnerstags, vor dem eigentlichen Triduum, findet in den Kathedralkirchen in den Diözesen die Chrisam-Messe statt, bei der die heiligen Öle geweiht werden. Zugleich erneuern der Bischof und die Priester auch die Versprechen der Priesterweihe, was gerade in diesem Priesterjahr besondere Bedeutung gewinnt. Bei der Messe vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstag feiern wir die Einsetzung der heiligen Eucharistie. Unter den Gestalten von Brot und Wein gibt Christus seinen Leib und sein Blut, sich selbst als Opfer des Neuen Bundes zur Erlösung der Menschen von der Sünde hin. Er nimmt seinen Tod am Kreuz, dessen wir am Karfreitag gedenken, voraus und verwandelt ihn in einen Akt der Liebe. Aus freiem Willen unterwirft er sich dem Leiden und teilt im Tod sich selbst, seine ganze Liebe mit. Der Karsamstag ist ein Tag des Gebets, des Wachens und der Stille ohne besondere liturgische Feier. In diese Stille bricht in der Osternacht der Gesang des Halleluja herein, ertönt der Jubel über die Auferstehung Christi. Mit der ganzen Kirche freuen wir uns über den Sieg des Lichts über die Dunkelheit, des Lebens über den Tod.
* * *


In der Vorfreude auf das schon nahe Osterfest grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache. Das betende Mitfeiern dieser österlichen Tage und der Empfang des Bußsakraments helfen uns, immer mehr und tiefer in die Geheimnisse des Leidens, Sterbens und Auferstehens des Herrn einzutreten und von innen her neu zu werden, zu wirklich erlösten Menschen und zu Freunden Gottes. Allen wünsche ich gesegnete Kar- und Ostertage!



Petersplatz

Mittwoch, 7. April 2010: Osteroktav

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Liebe Brüder und Schwestern!

Die gewohnte Generalaudienz am Mittwoch ist heute eingetaucht in die lichtvolle Freude des Osterfestes. Denn in diesen Tagen feiert die Kirche das Geheimnis der Auferstehung und erlebt die große Freude, die aus der guten Nachricht des Sieges Christi über Sünde und Tod entspringt. Eine Freude, die nicht nur in der Osteroktav andauert, sondern sich über fünfzig Tage bis hin zum Pfingstfest erstreckt. Nach den Tränen und der Bestürzung des Karfreitags und nach der erwartungsvollen Stille des Karsamstags folgt jetzt die wunderbare Verkündigung: »Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen« (
Lc 24,34). Das ist in der gesamten Weltgeschichte die »Frohe Botschaft« schlechthin, es ist das durch die Jahrhunderte von Generation zu Generation verkündete und weitergegebene »Evangelium«.

Das Pascha Christi ist der höchste und un - überbietbare Ausdruck der Macht Gottes. Es ist ein absolut außerordentliches Ereignis, die schönste und reifste Frucht des »Geheimnisses Gottes«. Es ist so außerordentlich, daß es sich in jenen Dimensionen, die sich unserer menschlichen Fähigkeit der Erkenntnis und der Analyse entziehen, als unaussprechlich erweist. Und dennoch handelt es sich auch um eine historische, wirkliche, bezeugte und dokumentierte Tatsache. Es ist das Ereignis, das unseren gesamten Glauben begründet. Es ist der Hauptinhalt, an den wir glauben, und der Hauptgrund, warum wir glauben.

Das Neue Testament beschreibt das Geschehen der Auferstehung nicht. Es berichtet nur von den Zeugnissen derer, denen Jesus nach seiner Auferstehung persönlich begegnet ist. Die drei synoptischen Evangelien berichten uns, daß jene Botschaft - »Er ist auferstanden!« - zuerst von einigen Engeln verkündet wird. Deshalb ist es eine Verkündigung, die in Gott ihren Ursprung hat; aber Gott vertraut sie sofort seinen »Boten« an, damit diese sie allen überbringen. Und so fordern diese Engel die Frauen, die sich frühmorgens zum Grab begeben hatten, auf, schnell zu den Jüngern zu gehen und ihnen zu sagen: »Er ist von den Toten auferstanden. Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen« (Mt 28,7). So erreicht durch die Frauen aus dem Evangelium dieser göttliche Auftrag alle und jeden einzelnen, damit sie ihrerseits dieselbe Botschaft treu und mutig an andere weitergeben: eine schöne, frohe Botschaft, die Freude bringt.

Ja, liebe Freunde, unser ganzer Glaube ist auf die beständige treue Weitergabe dieser »guten Nachricht« gegründet. Und wir wollen heute Gott unseren tiefen Dank aussprechen für die zahllosen Scharen von gläubigen Christen, die uns in den vergangenen Jahrhunderten vorausgegangen sind, dafür daß sie ihrem wesentlichen Auftrag immer entsprochen haben, nämlich das Evangelium, das sie empfangen hatten, zu verkünden. Die gute Nachricht der Osterbotschaft erfordert also das Wirken von begeisterten und mutigen Zeugen. Jeder Jünger Christi, auch jeder von uns ist dazu aufgerufen, Zeuge zu sein. Das ist der klare, anspruchsvolle und begeisternde Auftrag des auferstandenen Herrn. Die »Nachricht « vom neuen Leben in Christus muß im Leben des Christen aufleuchten, muß lebendig und tätig sein - in dem, der sie überbringt, und so kann sie wirklich, das Herz, das ganze Leben verwandeln. Sie ist vor allem deshalb lebendig, weil Christus selbst deren lebendige und belebende Herzmitte ist. Daran erinnert uns der hl. Markus am Schluß seines Evangeliums, wo er schreibt: »Sie aber zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen ließ« (Mc 16,20).

Was für die Apostel gilt, gilt auch für uns und für jeden Gläubigen, für jeden Jünger, der zum »Verkünder« wird. Denn auch wir sind sicher, daß der Herr heute so wie gestern mit seinen Zeugen zusammen wirkt. Das ist eine Tatsache, die wir jedesmal dann erkennen können, wenn wir die Keime eines wahren und dauerhaften Friedens aufgehen sehen, dort, wo der Einsatz und das Beispiel der Christen und der Menschen guten Willens beseelt ist von der Achtung der Gerechtigkeit, vom geduldigen Dialog, von einer überzeugten Hochschätzung der anderen, von Selbstlosigkeit, von persönlicher und gemeinschaftlicher Opferbereitschaft. Leider sehen wir in der Welt auch sehr viel Leid, Gewalt und Unverständnis. Die Feier des Ostergeheimnisses, die freudige Betrachtung der Auferstehung Christi, der die Sünde und den Tod mit der Kraft der Liebe Gottes besiegt, ist eine günstige Gelegenheit, um mit tieferer Überzeugung unser Vertrauen in den auferstandenen Herrn wiederzuentdecken und zu bekennen, in ihn, der die Zeugen seines Wortes begleitet und mit ihnen zusammen Wunder wirkt. Wirklich und bis zum letzten werden wir dann Zeugen des Auferstandenen sein, wenn wir in uns das Wunder seiner Liebe durchscheinen lassen; wenn man in unseren Worten und mehr noch in unseren Werken in vollkommener Übereinstimmung mit dem Evangelium die Stimme und die Hand Jesu erkennen kann.

Überallhin sendet uns also der Herr als seine Zeugen. Das allerdings können wir nur sein, wenn wir von einem kontinuierlichen Bezug auf die Ostererfahrung ausgehen, die Maria von Magdala zum Ausdruck bringt, als sie den Jüngern sagt: »Ich habe den Herrn gesehen« (Jn 20,18). In dieser persönlichen Begegnung mit dem Auferstandenen liegen das unerschütterliche Fundament und der zentrale Inhalt unseres Glaubens, die frische und unerschöpfliche Quelle unserer Hoffnung, die brennende Dynamik unserer Liebe. So wird unser christliches Leben vollkommen mit der Botschaft übereinstimmen: »Christus, der Herr, ist wahrhaft auferstanden.« Lassen wir uns deshalb von der Faszination der Auferstehung Christi ergreifen. Die Jungfrau Maria stehe uns mit ihrem Schutz bei und helfe uns, die österliche Freude tief zu erleben, damit wir sie unsererseits allen unseren Brüdern und Schwestern bringen können.

Noch einmal wünsche ich allen ein gesegnetes Osterfest!

Die Freude über die Auferstehung Jesu prägt diese Woche der Osteroktav und darüber hinaus die fünfzig Tage bis zum Pfingstfest. So steht die heutige Audienz ganz im Licht von Ostern, dem wunderbaren Heilswirken Gottes, das den zentralen Inhalt und den Hauptgrund unseres Glaubens darstellt. Auch wenn sich der Vorgang der Auferstehung selbst der Beschreibung durch Worte entzieht, so handelt es sich doch um ein historisches Ereignis, das im Evangelium durch glaubwürdige Zeugen belegt ist. Gott selbst hat seine Engel als Boten ausgeschickt, und diese beauftragen wiederum die Frauen am leeren Grab, den Aposteln die frohe Botschaft zu bringen. Wenn wir heute an Christus glauben können, so verdanken wir dies all den Scharen von Gläubigen, die durch die Jahrhunderte hindurch diese Frohbotschaft treu und mutig verkündet und weitergegeben haben, und zwar nicht nur mit Worten, sondern auch mit ihrem Leben. Dabei handelten sie nicht nur aus eigener Kraft, denn, so sagt der Evangelist Markus, „der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen ließ“ (Mc 16,20).
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In österlicher Freude heiße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache willkommen und grüße besonders die vielen Jugendlichen, die Ministranten, Firmlinge und Schüler. Gerade angesichts der Not und der Gewalt, die wir in vielen Teilen der Welt sehen, dürfen wir in dieser Osterzeit fest auf den Beistand des auferstandenen Christus vertrauen. Er hat den Tod und die Sünde besiegt und lädt uns ein, in sein neues Leben einzutreten. Dieses neue Leben wollen wir in unseren Worten und Werken sichtbar machen und Boten dafür sein: Der Herr ist wahrhaft auferstanden und lebt unter uns. Euch allen wünsche ich eine gesegnete Osterzeit.




Petersplatz

Mittwoch, 14. April 2010: Munus docendi

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Liebe Brüder und Schwestern!

In dieser österlichen Zeit, die uns zum Pfingstfest hinführt und uns auch den Abschlußfeierlichkeiten des Priester-Jahres näherbringt, die für den kommenden 9., 10. und 11. Juni geplant sind, möchte ich gerne noch einige Überlegungen dem Thema des Weihepriestertums widmen. Ich möchte bei der fruchtbaren Wirklichkeit der Gleichgestaltung des Priesters mit Christus, dem Haupt, verweilen, in der Ausübung der »tria munera«, die er empfängt, also der drei Ämter des Lehrens, des Heiligens und des Leitens.

Um zu verstehen, was es bedeutet, daß der Priester »in persona Christi Capitis« - in der Person Christi, des Hauptes - handelt, und auch um zu verstehen, welche Konsequenzen die Aufgabe mit sich bringt, den Herrn besonders in der Ausübung dieser drei Ämter zu vertreten, muß vor allem geklärt werden, was man unter »Vertretung« versteht. Der Priester vertritt Christus. Was heißt, was bedeutet es, jemanden zu »vertreten«? Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet es gewöhnlich, von einem Menschen beauftragt zu werden, um an seiner Stelle anwesend zu sein, an seiner Stelle zu sprechen und zu handeln, weil der Vertretene vom konkreten Schauplatz des Handelns abwesend ist. Wir fragen uns: Vertritt auch der Priester den Herrn in dieser Weise? Die Antwort lautet »nein«, denn in der Kirche ist Christus niemals abwesend; die Kirche ist sein lebendiger Leib, und das Haupt der Kirche ist er, der in ihr gegenwärtig ist und in ihr wirkt. Christus ist niemals abwesend. Er ist sogar auf eine Weise gegenwärtig, die dank der Auferstehung, die wir insbesondere jetzt in der Osterzeit betrachten, vollkommen frei ist von den Grenzen des Raumes und der Zeit.

Der Priester, der »in persona Christi Capitis« und stellvertretend für den Herrn handelt, handelt niemals im Namen eines Abwesenden, sondern in der Person des auferstandenen Christus, dessen Gegenwart sich in seinem real wirkenden Handeln zeigt. Er handelt wirklich und wirkt das, was der Priester nicht tun könnte: die Wandlung von Brot und Wein in die Realpräsenz des Herrn, die Lossprechung von den Sünden. Der Herr macht sein eigenes Wirken in der Person gegenwärtig, die diese Handlungen durchführt. Die drei Aufgaben des Priesters - die die Überlieferung in den verschiedenen Sendungsworten des Herrn erkannt hat: lehren, heiligen und leiten - sind in ihrer Verschiedenheit und in ihrer tiefen Einheit besondere Ausprägungen dieser wirksamen Stellvertretung. In Wirklichkeit sind es die drei Handlungen des auferstandenen Christus, der heute in der Kirche und in der Welt lehrt und so Glauben schafft, sein Volk vereint, die Wahrheit gegenwärtig macht und wirklich die Gemeinschaft der Universalkirche aufbaut; und er heiligt und leitet. sie.

Die erste Aufgabe, über die ich heute sprechen möchte, ist das »munus docendi«, also das Lehren. In unserem heutigen Erziehungs- und Bildungsnotstand erweist sich das durch den Dienst eines jeden Priesters konkret ausgeübte »munus docendi« der Kirche als besonders wichtig. Wir leben in einer großen Verwirrung über die grundlegenden Entscheidungen unseres Lebens und über die Fragen, was die Welt ist, woher sie kommt, wohin wir gehen, wie wir Gutes tun können, wie wir leben sollen, welches die wirklich entscheidenden Werte sind. Es gibt in diesem Zusammenhang viele einander widersprechende Philosophien, die entstehen und wieder vergehen und die Verwirrung stiften in bezug auf die grundlegenden Entscheidungen, wie wir leben sollen, weil wir im allgemeinen nicht mehr wissen, woraus und wofür wir geschaffen sind und wohin wir gehen. In dieser Situation wird das Wort des Herrn Wirklichkeit, der Mitleid hatte mit den vielen Menschen, weil sie wie Schafe waren, die keinen Hirten haben (vgl.
Mc 6,34). Der Herr hat dies gesagt, als er die Tausenden von Menschen sah, die ihm in die Wüste nachfolgten, weil sie in den verschiedenen Strömungen jener Zeit nicht mehr wußten, was der wahre Sinn der Heiligen Schrift war, was Gott sagte. Vom Mitleid bewegt legte der Herr das Wort Gottes aus, er selbst ist das Wort Gottes, und schenkte so Orientierung. Das ist die Funktion des Priesters »in persona Christi«: in der Verwirrung und Orientierungslosigkeit unserer Zeit das Licht des Wortes Gottes gegenwärtig zu machen, das Licht, das Christus selbst in dieser unserer Welt ist. Der Priester lehrt also keine eigenen Ideen, keine Philosophie, die er selbst erfunden hat, gefunden hat oder die ihm gefällt; der Priester spricht nicht aus sich heraus, er spricht nicht für sich, um sich vielleicht Bewunderer oder eine eigene Partei zu verschaffen; er sagt keine eigenen Dinge, keine eigenen Erfindungen, sondern inmitten der Verwirrung der ganzen Philosophien lehrt der Priester im Namen des gegenwärtigen Christus. Er bietet die Wahrheit an, die Christus selbst ist, sein Wort, seine Art, zu leben und voranzugehen. Für den Priester gilt das, was Christus über sich selbst gesagt hat: »Meine Lehre stammt nicht von mir« (Jn 7,16). Christus bietet also nicht sich selbst an, sondern als Sohn ist er die Stimme, das Wort des Vaters. Auch der Priester muß immer so sprechen und handeln: »Meine Lehre stammt nicht von mir, ich verbreite nicht meine Ideen oder das, was mir gefällt, sondern ich bin Mund und Herz Christi und vergegenwärtige die einzige und allgemeine Lehre, die die universale Kirche geschaffen hat und die ewiges Leben hervorbringt.«

Die Tatsache, daß der Priester keine eigenen Ideen erfindet, schafft und verkündigt, insofern die Lehre, die er verkündigt, nicht seine eigene ist, sondern die Lehre Christi, bedeutet andererseits nicht, daß er neutral ist, so als wäre er ein Sprecher, der einen Text verliest, den er sich vielleicht nicht zu eigen macht. Auch hier gilt das Vorbild Christi, der gesagt hat: Ich stamme nicht aus mir, und ich lebe nicht für mich, sondern ich komme vom Vater und lebe für den Vater. In dieser tiefen Identifizierung ist die Lehre Christi also die des Vaters, und er selbst ist eins mit dem Vater. Der Priester, der das Wort Christi verkündigt, den Glauben der Kirche und nicht seine eigenen Ideen, muß auch sagen: Ich lebe nicht aus mir und für mich, sondern ich lebe mit Christus und aus Christus, und daher wird das, was Christus uns gesagt hat, zu meinem Wort, auch wenn es nicht mein eigenes ist. Das Leben des Priesters muß sich mit Christus identifizieren; auf diese Weise wird das nicht eigene Wort dennoch zu einem zutiefst persönlichen Wort. Zu diesem Thema sagte der hl. Augustinus, als er über die Priester sprach: »Was sind wir? Diener (Christi), seine Knechte; denn das, was wir an euch verteilen, ist nicht unser, sondern wir nehmen es aus seinem Vorrat. Und auch wir leben davon, weil wir Diener sind, ebenso wir ihr es seid« (Predigt 229/E, 4).

Die Lehre, die der Priester anzubieten berufen ist, die Wahrheiten des Glaubens, müssen verinnerlicht und auf einem tiefgehenden persönlichen geistlichen Weg gelebt werden, damit der Priester wirklich in eine tiefe innere Gemeinschaft mit Christus eintritt. Der Priester glaubt und empfängt das, was der Herr gelehrt und was die Kirche weitergegeben hat, und er strebt danach, es in erster Linie selbst zu leben, auf jenem Weg der Identifizierung mit der eigenen Aufgabe, dessen vorbildlicher Zeuge der hl. Johannes Maria Vianney ist (vgl. Schreiben zum Beginn des Priester-Jahres). »Vereint in derselben Liebe« - so sagt wieder der hl. Augustinus - »sind wir alle Hörer dessen, der für uns im Himmel der einzige Lehrmeister ist« (Enarr. in Ps 131,1,7).

Die Stimme des Priesters könnte folglich nicht selten wie eine Stimme erscheinen, die in der Wüste ruft (vgl. Mc 1,3), aber gerade darin liegt ihre prophetische Kraft. Sie ist niemals an irgendeine Kultur oder herrschende Mentalität angepaßt, noch kann sie daran angepaßt werden, sondern sie zeigt die einzige Neuheit auf, die eine echte und tiefe Erneuerung des Menschen bewirken kann: daß Christus der Lebendige ist, der nahe Gott, der Gott, der im Leben und für das Leben der Welt wirkt und uns die Wahrheit, die Lebensweise schenkt.

In der sorgfältigen Vorbereitung der Predigten für die Sonn- und Feiertage, ohne die Wochentagspredigten auszuschließen, beim Bemühen um die katechetische Unterweisung, in den Schulen, in den akademischen Einrichtungen und insbesondere durch jenes ungeschriebene Buch, das sein eigenes Leben ist, ist der Priester stets »Lehrer«, lehrt er. Er tut dies jedoch nicht mit der Anmaßung dessen, der eigene Wahrheiten aufzwingt, sondern in der demütigen und frohen Gewißheit dessen, der der Wahrheit begegnet ist, von ihr ergriffen und umgeformt wurde und daher nicht anders kann als sie zu verkündigen. Das Priestertum kann nämlich niemand selbst wählen, es ist kein Weg, um eine Sicherheit im Leben zu erlangen oder eine soziale Stellung zu erobern: Niemand kann es sich selbst geben oder suchen. Das Priestertum ist eine Antwort auf den Ruf des Herrn, auf seinen Willen, um Verkündiger nicht einer persönlichen Wahrheit, sondern seiner Wahrheit zu werden.

Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, das christliche Volk verlangt, in unserer Lehre die wahre kirchliche Lehre zu hören, durch die es die Begegnung mit Christus erneuern kann, der Freude, Frieden und Heil schenkt. Die Heilige Schrift, die Schriften der Kirchenväter und der Kirchenlehrer, der Katechismus der Katholischen Kirche sind in diesem Zusammenhang unverzichtbare Bezugspunkte in der Ausübung des »munus docendi«, das so wesentlich für die Bekehrung, den Weg des Glaubens und das Heil der Menschen ist. »Priesterweihe heißt: Eingetauchtwerden … in die Wahrheit« (Predigt in der »Missa Chrismatis«, 9. April 2009), jene Wahrheit, die nicht einfach nur ein Begriff oder eine Ansammlung von Ideen ist, die weitergegeben und verinnerlicht werden muß, sondern die Person Christi, mit der, für die und in der man lebt - und daraus ergibt sich notwendigerweise auch die Aktualität und die Verständlichkeit der Verkündigung. Nur das Bewußtsein um eine Wahrheit, die in der Menschwerdung des Sohnes zur Person geworden ist, rechtfertigt den Missionsauftrag: »Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!« (Mc 16,15). Nur wenn es die Wahrheit ist, ist es an alle Geschöpfe gerichtet, ist es nichts Aufgezwungenes, sondern öffnet es das Herz für das, wofür es geschaffen ist.

Liebe Brüder und Schwestern, der Herr hat den Priestern eine große Aufgabe anvertraut: Verkündiger seines Wortes zu sein, der rettenden Wahrheit, seine Stimme in der Welt zu sein, um das zu bringen, was dem wahren Wohl der Seelen und dem echten Weg des Glaubens nützt (vgl. 1Co 6,12). Der hl. Johannes Maria Vianney möge allen Priestern ein Vorbild sein. Er war ein Mann von großer Weisheit und heldenhafter Kraft, der dem kulturellen und sozialen Druck seiner Zeit widerstand, um die Seelen zu Gott führen zu können: Einfachheit, Treue und Direktheit waren die wesentlichen Eigenschaften seiner Predigt, Transparenz seines Glaubens und seiner Heiligkeit. Das christliche Volk wurde davon erbaut und erkannte darin, wie zu jeder Zeit in den echten Lehrmeistern, das Licht der Wahrheit. Es erkannte letztendlich das, was man in einem Priester stets erkennen sollte: die Stimme des Guten Hirten.

Vor dem Ende des Priesterjahres möchte ich in den Katechesen der Generalaudienz noch einmal einige Aspekte des priesterlichen Dienstes mit euch betrachten. Es paßt auch gut in die Osterzeit, wenn wir uns daran erinnern, daß der Auferstandene es war, der die Jünger gerufen hat, zu taufen, Menschen zu lehren und zu Jüngern zu machen (vgl. Mt 28,19f), und daß der Auferstandene ihnen die Vollmacht erteilt hat, Sünden zu vergeben (vgl. Jn 20,23). Aus diesen Auftragsworten des Herrn leiten sich die drei priesterlichen Dienste her: das Volk Gottes zu heiligen, zu lehren und zu leiten. Heute möchte ich zunächst den Dienst des Lehrens betrachten. Der Priester als Lehrer - das heißt nicht, daß er sich selber in den Vordergrund stellt oder irgendwelche Disziplinen abhandelt, die es gäbe, sondern er stellt sich in den Dienst Jesu Christi, der das Wort der Wahrheit selber ist. Denn die Grundfrage des Menschen ist ja: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was soll ich tun? Auf diese Grundfragen braucht er Antwort, und die kann man sich nicht selbst ausdenken, sondern die Antwort muß aus der Wahrheit selbst, muß von Gott her kommen. Christus als das Wort Gottes hat sie uns geschenkt und gezeigt. Der Priester verkündet sie, er steht im Dienst dieser Wahrheit. Er propagiert nicht eigene Ansichten und Meinungen, sondern er ist demütiger Diener dessen, was uns allen gemeinsam ist und uns allen den Weg bereitet. Das bedeutet natürlich nicht, daß er etwas Fremdes sozusagen neutral anbietet, sondern verlangt, daß er innerlich in diese Wahrheit hineinwächst, sich von ihr formen läßt und so das Gemeinsame weitergibt, das auch sein eigenes Leben geformt hat. Das kann mit sich bringen, daß der Priester Rufer in der Wüste ist, das heißt, daß er gegen die herrschenden kulturellen Tendenzen steht und daß er im Widerstand gegen eingefahrene herrschende Meinungen das verkündigen muß, was eigentlich der Weg des Menschen ist. Und dabei ist dann wichtig, wie ich schon sagte, daß der Priester durch sein Leben selbst zeigt, daß er von der Wahrheit ergriffen ist, daß er nicht sich propagiert, sondern sich von ihr ständig neu kritisieren und umformen läßt, und durch einen Prozeß der Demut vor der Wahrheit und des Lebens in sie hineinwächst, sie glaubwürdig und vor allem auch gegenwärtig und heute verständlich macht. Der heilige Pfarrer von Ars ist uns gerade in seiner Schlichtheit ein Beispiel. Er hat keine gelehrten Theorien verkündet, aber er hat in die Wahrheit so „hinein“ gelebt, daß er sie verstanden hat und daß er sie in ihrer Aktualität überzeugend zu den Menschen zu bringen vermochte. Wenn wir all das bedenken, sehen wir, daß der Herr den Priestern eine große Aufgabe anvertraut hat, hinter der sie - hinter der wir - immer wieder zurückbleiben, aber die dadurch nicht aufhört, eine grundlegende Aufgabe für diese Welt zu sein. Jeder Priester soll mit Herz und Mund und in der Heiligkeit seiner Lebensführung der Stimme Ausdruck geben, auf die wir warten, nämlich der Stimme des Guten Hirten Jesus Christus.
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Mit Freude grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Von Herzen bitte ich euch, stets für gute Priester und Priesterberufungen zu beten und den Priestern zu helfen, daß sie mehr und mehr lernen, wirklich Priester zu sein, daß sie den Leidenden, den Armen und den Bedürftigen Christus selber bringen. Der barmherzige Gott segne euch und eure Familien und schenke euch eine gesegnete Osterzeit!




Petersplatz

Mittwoch, 21. April 2010: Apostolische Reise nach Malta

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Liebe Brüder und Schwestern!

Wie ihr wißt, habe ich am vergangenen Samstag und Sonntag eine Apostolische Reise nach Malta unternommen, bei der ich heute kurz verweilen möchte. Anlaß meines Pastoralbesuchs war der 1950. Jahrestag des Schiffbruchs des Apostels Paulus an der Küste des maltesischen Archipels und seines etwa dreimonatigen Aufenthalts auf diesen Inseln. Das Ereignis ist um das Jahr 60 anzusiedeln; im Buch der Apostelgeschichte wird davon ausführlich berichtet (Kap. 27-28). Wie der hl. Paulus, so habe auch ich den herzlichen Empfang der Malteser erfahren - er war wirklich außerordentlich -, und dafür bringe ich erneut dem Präsidenten der Republik, der Regierung und den anderen staatlichen Obrigkeiten meinen aufrichtigen und herzlichen Dank zum Ausdruck. Ebenso danke ich in brüderlicher Verbundenheit den Bischöfen des Landes sowie allen, die dazu beigetragen haben, diese festliche Begegnung des Nachfolgers Petri mit der maltesischen Bevölkerung vorzubereiten. Die Geschichte dieses Volkes ist seit beinahe 2000 Jahren untrennbar mit dem katholischen Glauben verbunden, der seine Kultur und seine Traditionen prägt: Es heißt, daß es auf Malta 365 Kirchen gibt, »eine für jeden Tag im Jahr«, ein sichtbares Zeichen für diesen tiefen Glauben!

Alles begann mit jenem Schiffbruch: Nachdem es 14 Tage lang abgedriftet war, von den Winden getrieben, lief das Schiff, das den Apostel Paulus und viele andere Personen nach Rom bringen sollte, auf eine Sandbank vor der Insel Malta auf. Ich habe mich daher nach der sehr herzlichen Begegnung mit dem Präsidenten der Republik in der Hauptstadt Valletta - wunderschön umrahmt durch die freudige Begrüßung vieler Jungen und Mädchen - sofort auf eine Pilgerfahrt begeben zur sogenannten »Grotte des hl. Paulus« in der Nähe von Rabat, um dort einen Augenblick im tiefen Gebet zu verweilen. Dort konnte ich auch eine große Schar maltesischer Missionare begrüßen. Wenn man an dieses kleine Archipel mitten im Mittelmeer denkt und daran, wie das Samenkorn des Evangeliums dorthin gelangt ist, kommt großes Staunen auf über die geheimnisvollen Pläne der göttlichen Vorsehung: Unwillkürlich dankt man dem Herrn und auch dem hl. Paulus, der inmitten dieses gewaltigen Sturms das Vertrauen und die Hoffnung behielt und sie auch den Reisegefährten vermittelte. Dieser Schiffbruch oder vielmehr der darauf folgende Aufenthalt des Paulus auf Malta brachte eine fromme und solide christliche Gemeinde hervor, die auch 2000 Jahre später noch dem Evangelium treu und darum bemüht ist, es mit den schwierigen Fragen der gegenwärtigen Epoche zu verknüpfen. Das ist natürlich nicht immer einfach und auch nicht selbstverständlich, aber das maltesische Volk ist in der Lage, in der christlichen Lebensauffassung die Antworten auf die neuen Herausforderungen zu finden. Ein Zeichen dafür ist zum Beispiel die Tatsache, daß es am tiefen Respekt für das noch ungeborene Leben und die Sakralität der Ehe festgehalten und entschieden hat, Abtreibung und Scheidung nicht in die Rechtsordnung des Landes einzuführen.

Meine Reise hatte daher den Zweck, die Kirche in Malta im Glauben zu stärken. Sie ist eine sehr lebendige Wirklichkeit, die auf Malta und Gozo gut integriert und gegenwärtig ist. Die ganze Gemeinde hatte sich in Floriana versammelt, auf dem »Piazzale dei Granai«, vor der Kirche des hl. Publius, wo ich die heilige Messe gefeiert habe, an der eine rege Teilnahme herrschte. Es war für mich ein Grund der Freude und auch des Trostes, die besondere Herzlichkeit dieses Volkes zu spüren, das den Eindruck vermittelt, eine große Familie zu sein, vereint durch den Glauben und die christliche Lebensauffassung. Nach der Feier hatte ich auf meinen Wunsch hin eine Begegnung mit einigen Personen, die Opfer von Mißbrauch von seiten Angehöriger des Klerus geworden sind. Ich habe ihr Leid mit ihnen geteilt und habe tief erschüttert mit ihnen gebetet und das Handeln der Kirche zugesichert.

Obgleich Malta den Eindruck vermittelt, eine große Familie zu sein, darf man dennoch nicht denken, daß es aufgrund seiner geographischen Lage eine von der Welt »abgeschiedene« Gesellschaft sei. Daß dem nicht so ist, sieht man zum Beispiel an den Beziehungen, die Malta zu verschiedenen Ländern unterhält, sowie an der Tatsache, daß sich in vielen Nationen maltesische Priester befinden. Die Familien und die Pfarreien von Malta konnten nämlich vielen Jugendlichen durch die Erziehung ein Bewußtsein für Gott und für die Kirche vermitteln, so daß viele von ihnen großherzig auf den Ruf Jesu geantwortet haben und Priester geworden sind. Viele von ihnen widmen sich der missionarischen Arbeit »ad gentes«, in fernen Ländern, als Erben des apostolischen Geistes, der den hl. Paulus anspornte, das Evangelium dorthin zu bringen, wohin es noch nicht gelangt war. Diesen Aspekt habe ich gern noch einmal hervorgehoben: »Der Glaube wird stark durch Weitergabe!« (Enzyklika Redemptoris missio
RMi 2). Auf der Grundlage dieses Glaubens hat Malta sich entwickelt, und jetzt öffnet es sich für verschiedene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wirklichkeiten, zu denen es einen wertvollen Beitrag leistet.

Natürlich mußte sich Malta im Laufe der Jahrhunderte oft verteidigen - und man sieht es an seinen Befestigungsanlagen. Die strategische Lage des kleinen Archipels zog offensichtlich die Aufmerksamkeit der verschiedenen politischen und militärischen Mächte auf sich. Dennoch ist die tiefste Berufung Maltas die christliche Berufung, also die universale Berufung zum Frieden! Das berühmte Malteserkreuz, das alle mit dieser Nation verbinden, hat oftmals in Konflikten und Auseinandersetzungen geweht. Aber gottlob hat es niemals seine wahre und immerwährende Bedeutung verloren: Es ist das Zeichen der Liebe und der Versöhnung, und dies ist die wahre Berufung der Völker, die die christliche Botschaft annehmen und an ihr festhalten!

Als natürlicher Knotenpunkt liegt Malta inmitten von Migrationsrouten: Männer und Frauen, wie einst der hl. Paulus, landen an den maltesischen Küsten, manchmal getrieben durch sehr harte Lebensumstände, durch Gewalt und Verfolgung, und das bringt natürlich schwierige Probleme auf humanitärer, politischer und juridischer Ebene mit sich. Die Lösung dieser Probleme ist nicht einfach, muß aber mit Beharrlichkeit und Ausdauer angestrebt werden, wobei auf internationaler Ebene gemeinsame Maßnahmen ergriffen werden müssen. So sollte es in allen Nationen geschehen, bei denen die christlichen Werte zu den Wurzeln ihrer Verfassungen und Kulturen gehören.

Die Herausforderung, in der Komplexität des Heute die immerwährende Gültigkeit des Evangeliums anzunehmen, ist faszinierend für alle, besonders aber für die Jugendlichen. Die neuen Generationen nämlich spüren diese Herausforderung in stärkerem Ausmaß, und daher durfte für mich auch auf Malta, trotz der Kürze meines Besuchs, die Begegnung mit den Jugendlichen nicht fehlen. Es war ein Augenblick des tiefen und intensiven Dialogs, der noch schöner wurde durch den Ort, an dem er stattfand - dem Hafen von Valletta -, und durch die Begeisterung der Jugendlichen. Ich mußte ihnen einfach die Erfahrung in Erinnerung rufen, die der hl. Paulus als junger Mann gemacht hat: eine außergewöhnliche, einzigartige Erfahrung, die dennoch die neuen Generationen jeder Epoche anspricht, aufgrund jener radikalen Umwandlung, die auf die Begegnung mit dem auferstandenen Christus folgte. Ich habe also in den Jugendlichen von Malta die potentiellen Erben des geistlichen Abenteuers des hl. Paulus erblickt, die wie er berufen sind, die Schönheit der Liebe Gottes zu entdecken, die uns in Jesus Christus geschenkt wurde; das Geheimnis seines Kreuzes anzunehmen; gerade in Prüfungen und Leiden Sieger zu sein und keine Angst zu haben vor den »Stürmen « des Lebens und nicht einmal vor Schiffbrüchen, denn der Liebesplan Gottes ist auch größer als Stürme und Schiffbrüche.

Liebe Freunde, das war in kurzen Worten die Botschaft, die ich nach Malta gebracht habe. Aber wie bereits erwähnt habe ich selbst viel von jener Kirche erhalten, von jenem von Gott gesegneten Volk, das es verstanden hat, gut mit seiner Gnade zusammenzuarbeiten. Durch die Fürsprache des Apostels Paulus, des heiligen Priesters Giorgio Preca, des ersten maltesischen Heiligen, und der Jungfrau Maria, der die Gläubigen von Malta und Gozo große Verehrung entgegenbringen, möge es auch weiterhin stets in Frieden leben und gedeihen.

Vergangenen Samstag und Sonntag hatte ich die Freude, die Kirche und die Menschen in Malta zu besuchen. Der Anlaß meiner Apostolischen Reise war der 1950. Jahrestag der Ankunft des heiligen Paulus auf dieser Insel. Wie der Völkerapostel durfte auch ich die herzliche Aufnahme seitens des maltesischen Volkes erfahren, wofür ich allen danke, und der begeisterte Empfang durch die Kinder und Jugendlichen hat mich besonders gefreut. Die Höhepunkte meiner Reise waren der Besuch der Grotte des heiligen Paulus bei Rabat, die Eucharistiefeier in Floriana und das Treffen mit den Jugendlichen in Valletta. Der Schiffbruch des heiligen Paulus vor der maltesischen Küste wurde nach dem geheimnisvollen Plan der göttlichen Vorsehung der Beginn einer großen Aussaat des Evangeliums auf diesen Inseln, die bis heute andauert. Seit damals ist die Geschichte des maltesischen Volkes untrennbar mit dem katholischen Glauben verbunden, der seine Kultur und seine Traditionen tief geprägt hat. Auch heute sind das Evangelium und die Lehre der Kirche die Richtschnur bei der Suche nach Antworten auf die aktuellen Herausforderungen. Davon sprechen die uneingeschränkte Achtung des ungeborenen Lebens und der Heiligkeit der Ehe in der Gesetzgebung des Landes. Der apostolische Geist des heiligen Paulus ist in der Kirche auf Malta und Gozo lebendig, von der viele Priester und Ordensleute als Missionare in die ganze Welt hinaus gezogen sind. Mit ihrem Einsatz machen sie deutlich, daß der Glaube durch die Weitergabe an andere stark wird.
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Sehr herzlich grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache. Einen besonderen Gruß richte ich an die Teilnehmer und Unterstützer des Spendenstaffellaufs von Wittenberg nach Rom „Von Luther zum Papst“. Die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn hat das Leben des heiligen Paulus verwandelt, der auf Malta, hier in Rom und in vielen Ländern das Evangelium verkündet hat. Wie er wollen auch wir die Botschaft des Kreuzes und der Liebe Christi zu den Menschen bringen. Der Herr schenke euch die Kraft seines Heiligen Geistes.





Petersplatz

Mittwoch, 28. April 2010: Hl. Leonardo Murialdo und Hl. Giuseppe Benedetto Cottolengo


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