Generalaudienzen 2005-2013 26050

Mittwoch, 26. Mai 2010: Munus regendi

26050

Liebe Brüder und Schwestern!

Das Priester-Jahr neigt sich dem Ende zu; daher habe ich in den letzten Katechesen begonnen, über die wesentlichen Aufgaben des Priesters zu sprechen: lehren, heiligen und leiten. Ich habe bereits zwei Katechesen gehalten, eine über den Dienst der Heiligung, die Sakramente vor allem, und eine über den Dienst des Lehrens. Somit bleibt für heute, über die Sendung des Priesters sprechen, mit der Vollmacht Christi - nicht mit der eigenen - den Teil des Volkes, den Gott ihm anvertraut hat, zu führen und zu leiten.

Wie ist in der gegenwärtigen Kultur diese Dimension zu verstehen, die den Begriff der Vollmacht einschließt und ihren Ursprung im Auftrag des Herrn hat, seine Herde zu weiden? Was ist eigentlich für uns Christen die Autorität? Die kulturellen, politischen und geschichtlichen Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit, vor allem die Diktaturen des 20. Jahrhunderts in Ost- und Westeuropa, haben den Menschen von heute gegenüber diesem Begriff argwöhnisch gemacht. Dieser Argwohn führt nicht selten zu der Behauptung, daß jede Autorität, die nicht aus - schließlich von den Menschen kommt und ihnen untergeordnet ist, von ihnen kontrolliert wird, abgeschafft werden muß. Aber gerade mit Blick auf die Regime, die im vergangenen Jahrhundert Schrecken und Tod gesät haben, wird man mit Nachdruck daran erinnert, daß sich die Autorität, wenn sie ohne Bezug zur Transzendenz ausgeübt wird, wenn sie die höchste Autorität - Gott - außer Acht läßt, am Ende in jedem Bereich unweigerlich gegen den Menschen richtet. Es ist daher wichtig zu erkennen, daß die menschliche Autorität niemals ein Ziel, sondern immer nur ein Mittel ist, und daß das Ziel notwendig und in allen Zeiten immer die Person ist, die von Gott mit der ihr eigenen unantastbaren Würde geschaffen wurde und berufen ist, zu ihrem Schöpfer in Beziehung zu treten, auf dem Weg des Lebens hier auf Erden und im ewigen Leben - eine Vollmacht, die in der Verantwortung vor Gott, vor dem Schöpfer ausgeübt wird. Eine so verstandene Vollmacht, deren einziger Zweck es ist, dem wahren Wohl der Menschen zu dienen und ein Durchscheinen des einen höchsten Gutes zu sein, das Gott ist, ist dem Menschen nicht nur nicht fremd, sondern bildet im Gegenteil eine wertvolle Hilfe auf dem Weg zur vollen Verwirklichung in Christus, zum Heil.

Die Kirche ist berufen und bemüht sich, diese Art von Autorität auszuüben, die Dienst ist, und sie übt sie nicht aus eigener Vollmacht aus, sondern im Namen Jesu Christi, der vom Vater alle Macht im Himmel und auf der Erde empfangen hat (vgl.
Mt 28,18). Durch die Hirten der Kirche nämlich weidet Christus seine Herde: Er ist es, der sie leitet, schützt und zurechtweist, da er sie zutiefst liebt. Doch Jesus, der Herr, der oberste Hirt unserer Seelen, hat gewollt, daß das Apostelkollegium, heute die Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, und die Priester als deren wertvollste Mitarbeiter an dieser seiner Sendung teilhaben sollten, für das Gottesvolk zu sorgen, Erzieher im Glauben zu sein und der christlichen Gemeinschaft Orientierung zu geben, sie zu beseelen und zu stützen oder, wie das Konzil sagt, »dafür zu sorgen, daß jeder Gläubige im Heiligen Geist angeleitet wird zur Entfaltung seiner persönlichen Berufung nach den Grundsätzen des Evangeliums, zu aufrichtiger und tätiger Liebe und zur Freiheit, zu der Christus uns befreit hat« (Presbyterorum Ordinis PO 6). Jeder Hirt also ist das Mittel, durch das Christus selbst die Menschen liebt: Dank unseres Dienstes, liebe Priester, durch uns erreicht der Herr die Seelen, durch uns lehrt, bewahrt und leitet er sie. Der hl. Augustinus sagt in seinem Kommentar zum Johannesevangelium: »Es sei ein Erweis der Liebe, die Herde des Herrn zu weiden« (123,5); dies ist die oberste Norm für das Verhalten der Diener Gottes, eine bedingungslose Liebe, wie jene des Guten Hirten, voll Freude, allen Menschen gegenüber offen, achtsam auf den Nahestehenden und fürsorglich gegenüber den Fernen (vgl. Augustinus, Reden 340,1; Reden 46,15), einfühlsam gegenüber den Schwächsten, den Geringen, den Einfachen, den Sündern, um die unendliche Barmherzigkeit Gottes mit den ermutigenden Worten der Hoffnung zu offenbaren (vgl. ders., Brief 95,1).

Wenngleich diese seelsorgliche Aufgabe im Sakrament gründet, so ist dennoch ihre Wirkkraft nicht vom persönlichen Leben des Priesters unabhängig. Um ein Hirt nach dem Herzen Gottes zu sein (vgl. Jr 3,15), bedarf es einer tiefen Verwurzelung in der wahren Freundschaft mit Christus, nicht allein der Intelligenz, sondern auch der Freiheit und des Willens, eines klaren Bewußtseins der in der Priesterweihe empfangenen Identität, einer bedingungslosen Bereitschaft, die anvertraute Herde dorthin zu führen, wohin der Herr will, und nicht in die Richtung, die günstiger oder einfacher zu sein scheint. Das erfordert vor allem die ständige und kontinuierliche Bereitschaft, das priesterliche Leben der Priester von Christus selbst leiten zu lassen. Niemand ist wirklich in der Lage, die Herde Christi zu weiden, wenn er nicht im tiefen und wahren Gehorsam gegenüber Christus und seiner Kirche lebt, und auch die Fügsamkeit des Volkes gegenüber seinen Priestern hängt von der Fügsamkeit der Priester gegenüber Christus ab. Daher liegt dem Dienst der Seelsorge stets die persönliche und ständige Begegnung mit dem Herrn zugrunde, die tiefe Erkenntnis des Herrn, die Gleichgestaltung des eigenen Willens mit dem Willen Christi.

In den letzten Jahrzehnten wurde das Adjektiv »pastoral« oft gleichsam als Gegensatz zum Begriff »hierarchisch« gebraucht. Auch die Interpretation der Vorstellung von »Gemeinschaft« fand innerhalb desselben Gegensatzes statt. Vielleicht ist an diesem Punkt eine kurze Bemerkung zum Wort »Hierarchie« angebracht. Sie bezeichnet traditionell die Struktur der sakramentalen Autorität in der Kirche, die gemäß den drei Stufen des Weihesakraments geordnet ist: Bischofs - amt, Priesteramt, Diakonat. Der öffentlichen Meinung zufolge herrschen in dieser Wirklichkeit »Hierarchie« das Element der Unterordnung und das juridische Element vor; die Idee der Hierarchie scheint für viele daher im Gegensatz zur Flexibilität und Lebenskraft des pastoralen Bewußtseins zu stehen und auch der Demut des Evangeliums zu widersprechen. Dies ist jedoch ein schlechtes Verständnis vom Sinn der Hierarchie, das in der Geschichte auch durch den Mißbrauch von Autorität und durch Karrierestreben verursacht wurde.

Es handelt sich dabei jedoch um einen Mißbrauch, der nicht dem Wesen der Wirklichkeit »Hierarchie« entspringt. Nach allgemeiner Auffassung ist »Hierarchie« immer mit Herrschaft verbunden und entspricht daher nicht dem wahren Sinn der Kirche, der Einheit in der Liebe Christi. Wie ich aber gesagt habe, ist dies eine falsche Interpretation, deren Ursprung in Mißbrauch zu suchen ist, zu dem es in der Geschichte gekommen ist, die jedoch nicht der wahren Bedeutung dessen entspricht, was die Hierarchie ist. Beginnen wir mit dem Wort.

Im allgemeinen sagt man, das Wort Hierarchie bedeute »heilige Herrschaft«, aber dies ist nicht seine wahre Bedeutung; sie lautet: »heiliger Ursprung «, das heißt: diese Vollmacht stammt nicht vom Menschen, sondern hat ihren Ursprung im Heiligen, im Sakrament; sie unterwirft also die Person der Berufung, dem Geheimnis Christi; sie macht den einzelnen zum Diener Christi, und nur als Diener Christi kann er für Christus und mit Christus führen und leiten. Wer in die heilige Ordnung des Sakraments, in die »Hierarchie«, eintritt, ist also kein Selbstherrscher, sondern tritt in ein neues Band des Gehorsams gegenüber Christus ein: Er ist an ihn in Gemeinschaft mit allen anderen Gliedern der heiligen Ordnung, des Priestertums, gebunden. Und auch der Papst - Bezugspunkt für alle anderen Hirten und für die Gemeinschaft der Kirche - kann nicht tun, was er will; im Gegenteil, der Papst ist der Wahrer des Gehorsams gegenüber Christus, gegenüber seinem Wort, das in der »regula fidei«, im Glaubensbekenntnis der Kirche zusammengefaßt ist, und muß im Gehorsam gegenüber Christus und seiner Kirche vorangehen. Hierarchie bringt daher ein dreifaches Band mit sich: zunächst das Band mit Christus und der Ordnung, die der Herr seiner Kirche gegeben hat; dann das Band mit den anderen Hirten in der einen Gemeinschaft der Kirche; und schließlich das Band mit den Gläubigen, die dem einzelnen in der Ordnung der Kirche anvertraut sind.

So wird deutlich, daß Gemeinschaft und Hierarchie nicht zueinander im Gegensatz stehen, sondern einander bedingen. Sie sind zusammen eins (hierarchische Gemeinschaft). Der Hirt ist also gerade dadurch Hirt, daß er die Herde leitet und über sie wacht und manchmal verhindert, daß sie sich zerstreut. Außerhalb einer Sichtweise, die ganz klar und ausdrücklich übernatürlich ist, läßt sich die dem Priester eigene Aufgabe des Leitens nicht verstehen. Gestützt durch die wahre Liebe für das Heil eines jeden Gläubigen ist es jedoch auch in unserer Zeit besonders wertvoll und notwendig. Wenn das Ziel darin besteht, Christus zu verkündigen und die Menschen zur heilbringenden Begegnung mit ihm zu führen, damit sie das Leben haben, dann erweist sich das Leitungsamt als ein Dienst, der in völliger Hingabe an die Erbauung der Herde in der Wahrheit und in der Heiligkeit gelebt wird. Oft muß man dafür gegen den Strom schwimmen und daran denken, daß der Größte werden soll wie der Kleinste und der Führende wie der Diener (vgl. Lumen gentium LG 27).

Woraus kann heute ein Priester die Kraft für diese Ausübung seines Dienstes in völliger Treue zu Christus und zur Kirche und in vollkommener Hingabe an die Herde schöpfen? Es gibt nur eine Antwort: aus Christus, dem Herrn. Jesu Art des Leitens ist nicht die der Herrschaft, sondern der demütige und liebevolle Dienst der Fußwaschung, und das Königtum Christi über das All ist kein irdischer Triumph, sondern findet seinen Höhepunkt am Holz des Kreuzes, das Gericht für die Welt und Bezugspunkt für die Ausübung der Vollmacht als wahrer Ausdruck der Hirtenliebe ist. Die Heiligen, darunter der hl. Johannes Maria Vianney, sind mit Liebe und Hingabe der Aufgabe nachgegangen, für den ihnen anvertrauten Teil des Gottesvolkes Sorge zu tragen. So haben sie sich auch als starke und entschlossene Männer erwiesen, mit dem einzigen Ziel, das wahre Wohl der Seelen zu fördern, und mit der Fähigkeit, für die Treue zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit des Evangeliums persönlich zu bezahlen, bis hin zum Martyrium.

Liebe Priester, »sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, nicht aus Zwang, sondern freiwillig;… seid… Vorbilder für die Herde!« (1P 5,2-3). Fürchtet euch also nicht, einen jeden der Brüder und Schwestern, die Christus euch anvertraut hat, zu ihm zu führen, in der Gewißheit, daß jedes Wort und jede Haltung, wenn sie dem Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes entspringen, Frucht tragen werden. Lebt so, daß ihr die guten Seiten der Kultur, in die wir eingebunden sind, schätzt und ihre Grenzen erkennt, in der festen Gewißheit, daß die Verkündigung des Evangeliums der größte Dienst ist, den man dem Menschen leisten kann. In diesem Leben auf Erden nämlich gibt es kein größeres Gut als das, die Menschen zu Gott zu führen, den Glauben zu wecken, den Menschen aus Trägheit und Verzweiflung aufzurichten und die Hoffnung zu schenken, daß Gott nahe ist und die persönliche Geschichte und die der Welt lenkt: Das ist letztendlich der tiefe und endgültige Sinn der Aufgabe der Leitung, die der Herr uns anvertraut hat. Es geht darum, Christus in den Gläubigen durch jenen Prozeß der Heiligung Gestalt annehmen zu lassen, der in der Bekehrung der Maßstäbe, der Werteskala, der Einstellungen besteht, um Christus in jedem Gläubigen leben zu lassen. In Zusammenfassung seines seelsorglichen Wirkens spricht der hl. Paulus von »meinen Kindern, für die ich von neuem Geburtswehen erleide, bis Christus in euch Gestalt annimmt« (Ga 4,19).

Liebe Brüder und Schwestern, ich möchte euch einladen, für mich, den Nachfolger Petri zu beten, der ich eine besondere Aufgabe in der Leitung der Kirche Christi habe, wie auch für alle eure Bischöfe und Priester. Betet darum, daß wir für alle Schafe der uns anvertrauten Herde Sorge tragen, auch für die verirrten. Euch, liebe Priester, lade ich herzlich zu den Abschlußfeierlichkeiten des Priester-Jahres am kommenden 9., 10. und 11. Juni hier in Rom ein: Wir werden über die Umkehr und über die Sendung, über das Geschenk des Heiligen Geistes und über die Beziehung zur allerseligsten Jungfrau Maria nachdenken, und wir werden, getragen vom ganzen Volk Gottes, unsere priesterlichen Versprechen erneuern. Danke!
* * *


Ganz herzlich heiße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher willkommen. Besonders grüße ich heute die Priesterjubilare aus dem Erzbistum Paderborn in Begleitung von Weihbischof Matthias König sowie die Kirchenchöre aus dem Bistum Passau in Begleitung von Bischof Wilhelm Schraml. Euch alle bitte ich um euer Gebet für meinen Dienst als Nachfolger Petri sowie für alle Bischöfe und Priester, daß wir gute Hirten und Werkzeuge der Liebe Christi sind. Der Beistand des Heiligen Geistes begleite und führe euch auf all euren Wegen!




Petersplatz

Mittwoch, 2. Juni 2010: Hl. Thomas von Aquin

20610
Liebe Brüder und Schwestern!

Nach einigen Katechesen über das Priestertum und meine letzten Reisen kehren wir heute zu unserem Hauptthema zurück, zur Betrachtung einiger großer Denker des Mittelalters. Vor kurzem hatten wir uns der großen Gestalt des hl. Bonaventura, einem Franziskaner, zugewandt, und heute möchte ich über den sprechen, den die Kirche »Doctor communis« nennt, den hl. Thomas von Aquin. Mein verehrter Vorgänger Papst Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika Fides et ratio in Erinnerung gerufen, daß der hl. Thomas »zu Recht von der Kirche immer als Lehrmeister des Denkens und Vorbild dafür hingestellt worden [ist], wie Theologie richtig betrieben werden soll« (
FR 43). Es überrascht nicht, daß der hl. Thomas unter den im Katechismus der Katholischen Kirche erwähnten Kirchenschriftstellern nach dem hl. Augustinus öfter als jeder andere zitiert wird, insgesamt 61 Mal! Man hat ihn auch »Doctor Angelicus « genannt, vielleicht aufgrund seiner Tugenden, insbesondere der Erhabenheit des Denkens und der Reinheit des Lebens.

Thomas wurde zwischen 1224 und 1225 im Schloß geboren, das seine adlige und wohlhabende Familie in Roccasecca bei Aquino nahe der berühmten Abtei von Montecassino besaß, wohin er von seinen Eltern gesandt wurde, um die ersten Elemente seiner Bildung zu erhalten. Einige Jahre später ging er nach Neapel, in die Hauptstadt des Königreichs Sizilien, wo Friedrich II. eine angesehene Universität gegründet hatte. Dort wurde ohne die andernorts geltenden Beschränkungen das Denken des griechischen Philosophen Aristoteles gelehrt, in das der junge Thomas eingeführt wurde und dessen großen Wert er sofort erfaßte. Vor allem aber erfuhr er in diesen Jahren, die er in Neapel verbrachte, seine Berufung als Dominikaner. Thomas fühlte sich vom Ideal des Ordens angezogen, der erst wenige Jahre zuvor vom hl. Dominikus gegründet worden war. Als er jedoch den Habit der Dominikaner angelegt hatte, widersetzte sich seine Familie dieser Entscheidung; er war gezwungen, den Konvent zu verlassen und einige Zeit bei seiner Familie zu verbringen.

Im Jahre 1245 konnte der nunmehr Volljährige seinen Weg der Antwort auf den Ruf Gottes wieder aufnehmen. Er wurde nach Paris gesandt, um dort unter der Leitung eines anderen Heiligen, Albertus Magnus, über den ich kürzlich gesprochen habe, Theologie zu studieren. Albertus und Thomas schlossen eine wahre und tiefe Freundschaft; sie lernten einander schätzen und hatten ein solches Wohlwollen füreinander, daß Albert sogar wünschte, daß sein Schüler ihm nach Köln folgen sollte, wohin er von den Ordensoberen gesandt worden war, um ein theologisches »Studium« zu gründen. Damals kam Thomas mit allen Werken des Aristoteles und seiner arabischen Kommentatoren in Berührung, die Albert erläuterte und erklärte.

In jener Zeit hatte die Kultur der lateinischen Welt aus der Begegnung mit den Werken des Aristoteles, die über lange Zeit unbekannt gewesen waren, tiefe Impulse erhalten. Es handelte sich um Schriften über das Wesen der Erkenntnis, die Naturwissenschaften, die Metaphysik, die Seele und die Ethik, Schriften, die reich an Informationen und Erkenntnissen sind, die wertvoll und überzeugend zu sein schienen. Es war eine vollständige Weltanschauung, die ohne und vor Christus entwickelt worden war, aus der reinen Vernunft heraus, und sie schien sich der Vernunft als »die« Weltanschauung schlechthin aufzuerlegen; für die jungen Menschen war es daher unglaublich faszinierend, diese Philosophie zu sehen und kennenzulernen. Viele übernahmen mit Begeisterung, ja mit unkritischer Begeisterung diesen enormen Schatz des antiken Wissens. Es schien, daß er die Kultur zu ihrem Vorteil erneuern und ganz neue Horizonte öffnen könne. Andere wiederum fürchteten, daß das heidnische Denken des Aristoteles im Widerspruch zum christlichen Glauben stünde, und weigerten sich, es zu studieren. Zwei Kulturen begegneten einander: die vorchristliche Kultur des Aristoteles mit ihrer radikalen Rationalität und die klassische christliche Kultur. Gewisse Kreise lehnten Aristoteles auch aufgrund der Vorstellungen ab, die die arabischen Kommentatoren Avicenna und Averroës von diesem Philosophen gaben. Sie nämlich waren es, die der lateinischen Welt die aristotelische Philosophie vermittelt hatten. Diese Kommentatoren hatten zum Beispiel gelehrt, daß die Menschen nicht über eine personale Intelligenz verfügen, sondern daß es einen einzigen universalen Intellekt gibt, eine allen gemeinsame geistliche Substanz, die in allen als »eine« wirkt: eine Entpersönlichung des Menschen also. Ein weiterer fragwürdiger Punkt, der von den arabischen Kommentatoren vertreten wurde, war der, daß die Welt ewig sei wie Gott. Verständlicherweise entbrannten in der universitären und in der kirchlichen Welt endlose Debatten. Die aristotelische Philosophie verbreitete sich sogar unter den einfachen Menschen.

In der Schule von Albertus Magnus widmete sich Thomas von Aquin einer Arbeit, die von grundlegender Bedeutung für die Geschichte der Philosophie und der Theologie war, ich würde sogar sagen: für die Geschichte der Kultur. Er studierte gründlich Aristoteles und jene, die ihn auslegten, und besorgte sich neue lateinische Übersetzungen der griechischen Originaltexte. So stützte er sich nicht mehr nur auf die arabischen Kommentatoren, sondern konnte die Originaltexte persönlich lesen und kommentierte einen großen Teil der aristotelischen Werke, wobei er das Gültige von dem unterschied, was zweifelhaft oder völlig abzulehnen war, die Übereinstimmung mit der christlichen Offenbarung zeigte und das aristotelische Denken in den Darlegungen der theologischen Schriften anwandte, die er verfaßte. Letztendlich zeigte Thomas von Aquin, daß zwischen dem christlichen Glauben und der Vernunft eine natürliche Harmonie besteht. Das war das große Werk des Thomas: In dem Augenblick, wo zwei Kulturen aufeinanderprallten - in dem Augenblick, wo es schien, daß der Glaube sich der Vernunft ergeben müsse -, hat er gezeigt, daß sie zusammengehen, daß das, was mit dem Glauben nicht vereinbare Vernunft zu sein schien, keine Vernunft war, und daß das, was Glaube zu sein schien, kein Glaube war, wenn es zur wahren Vernünftigkeit im Gegensatz stand; so hat er eine neue Synthese geschaffen, welche die Kultur der nachfolgenden Jahrhunderte geformt hat.

Aufgrund seiner hervorragenden intellektuellen Fähigkeiten wurde Thomas wieder als Theologieprofessor nach Paris auf den Lehrstuhl der Dominikaner berufen. Hier begann auch sein literarisches Schaffen, das er bis zu seinem Tod fortsetzte und das fast wunderbare Züge trägt: Kommentare zur Heiligen Schrift, denn ein Theologieprofessor legte vor allem die Schrift aus, Kommentare zu den Schriften des Aristoteles, umfangreiche systematische Arbeiten, unter denen die Summa theologiae herausragt, Traktate und Predigten über verschiedene Themen. Für die Abfassung seiner Schriften standen ihm einige Sekretäre zur Seite, darunter sein Mitbruder Reginald von Piperno, der ihm treu folgte und mit dem ihn eine brüderliche und aufrichtige Freundschaft verband, die von großer Vertrautheit und großem Vertrauen geprägt war. Das ist ein Merkmal der Heiligen: Sie pflegen die Freundschaft, denn diese ist eine der edelsten Ausdrucksformen des menschlichen Herzens, die in sich etwas Göttliches birgt, wie Thomas selbst in einigen »quaestiones« der Summa theologiae erläutert hat, wo er schreibt: »Die Liebe ist die Freundschaft des Menschen vor allem mit Gott und mit den Wesen, die ihm gehören« (II-II 23,1).

Er blieb nicht lange ständig in Paris. Im Jahre 1259 nahm er am Generalkapitel der Dominikaner in Valenciennes teil, wo er Mitglied einer Kommission war, die das Studienprogramm des Ordens festlegte. Von 1261 bis 1265 war Thomas dann in Orvieto. Papst Urban IV., der ihn sehr schätzte, beauftragte ihn mit der Verfassung der liturgischen Texte für das infolge des eucharistischen Wunders von Bolsena eingerichtete Fronleichnamsfest, das wir morgen feiern werden. Thomas hatte eine erlesene eucharistische Seele. Die wunderschönen Hymnen, mit denen die Liturgie der Kirche das Geheimnis der Realpräsenz des Leibes und des Blutes des Herrn in der Eucharistie feiert, werden seinem Glauben und seiner theologischen Weisheit zugeschrieben. Von 1265 bis 1268 lebte Thomas in Rom, wo er wahrscheinlich ein »Studium« leitete, also ein Studienhaus des Ordens, und wo er begann, seine Summa theologiae zu schreiben (vgl. Jean-Pierre Torrell, Magister Thomas. Leben und Werk des Thomas von Aquin, Freiburg i. Br., 1995). Im Jahre 1269 wurde er für einen zweiten Vorlesungszyklus wieder nach Paris berufen. Die Studenten waren - verständlicherweise - von seinen Vorlesungen begeistert. Einer seiner ehemaligen Studenten sagte, daß eine solche Menge von Studenten den Vorlesungen des Thomas folgte, daß die Hörsäle sie kaum fassen konnten. Und in einer persönlichen Anmerkung fügte er hinzu, daß für ihn »ihm zuzuhören tiefes Glück bedeutet«. Die von Thomas gegebenen Auslegungen des Aristoteles wurden nicht von allen angenommen, aber selbst seine Gegner im akademischen Bereich, wie zum Beispiel Gottfried von Fontaines, räumten ein, daß die Lehre des Bruders Thomas andere an Nützlichkeit und Wert übertraf und als Korrektiv für die Lehren aller anderer Gelehrten diente. Vielleicht auch, um ihn den lebhaften Debatten zu entziehen, die entbrannt waren, sandten ihn die Oberen wieder nach Neapel, wo er sich König Karl I. zur Verfügung stellte, der die Universitätsstudien neu organisieren wollte. Außer dem Studium und der Lehre widmete sich Thomas auch der Predigt für das Volk. Und auch das Volk hörte ihn gern. Ich denke, es ist wirklich eine große Gnade, wenn Theologen mit Einfachheit und Eifer zu den Gläubigen sprechen können. Anderseits vermittelt der Predigtdienst den Theologen einen gesunden pastoralen Realismus und bereichert ihre Forschungen durch lebendige Impulse.

Die letzten Monate von Thomas’ irdischem Leben sind in eine besondere, ich würde sagen geheimnisvolle Atmosphäre gehüllt. Im Dezember 1273 rief er seinen Freund und Sekretär Reginald zu sich, um ihm seinen Entschluß mitzuteilen, alle Arbeiten abzubrechen, da er während der Feier der Messe infolge einer übernatürlichen Offenbarung verstanden hatte, daß alles, was er bisher geschrieben hatte, nichts weiter als »ein Haufen Spreu« war. Diese geheimnisvolle Episode hilft uns nicht nur, die persönliche Demut des Thomas, sondern auch die Tatsache zu verstehen, daß alles, was wir über den Glauben denken und sagen können, so erhaben und rein es auch sein mag, von der Größe und der Schönheit Gottes unendlich übertroffen wird, die uns in Fülle im Paradies offenbart werden wird. Einige Monate später, immer mehr in nachdenkliche Betrachtung versunken, starb Thomas auf einer Reise nach Lyon, wo er am Ökumenischen Konzil teilnehmen sollte, das Papst Gregor X. einberufen hatte. Er starb in der Zisterzienserabtei von Fossanova, nachdem er mit großer Frömmigkeit die Wegzehrung empfangen hatte. Das Leben und die Lehre des hl. Thomas von Aquin könnte man mit einer Episode zusammenfassen, die von den frühen Biographen überliefert wird. Während der Heilige am frühen Morgen in der Kapelle »San Nicola« in Neapel wie üblich im Gebet vor dem Gekreuzigten verharrte, wohnte der Sakristan der Kirche, Domenico von Caserta, einem Dialog bei. Thomas fragte besorgt, ob das, was er über die Geheimnisse des christlichen Glaubens geschrieben habe, richtig sei. Und der Gekreuzigte antwortete: »Thomas, du hast gut geschrieben über mich. Was willst du dafür?« Und Thomas gab die Antwort, die auch wir, Freunde und Jünger Jesu, ihm immer geben wollen: »Nur dich allein, Herr!« (vgl. ebd.).
* * *


Von Herzen heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher willkommen. Vom heiligen Thomas von Aquin lernen wir, was an Christus glauben heißt. Glauben bedeutet, sich vom Licht der Wahrheit Gottes umfangen zu lassen, die unserem Leben die volle Bedeutung, den Wert und den Sinn verleiht. Bringen wir auch unseren Mitmenschen





Petersplatz

Mittwoch, 9. Juni 2010: Apostolische Reise nach Zypern

9060

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute möchte ich über meine Apostolische Reise nach Zypern sprechen, die unter vielen Gesichtspunkten in Kontinuität zu meinen vorhergehenden Reisen in das Heilige Land und nach Malta steht. Gottlob ist dieser Pastoralbesuch sehr gut verlaufen; er hat seine Ziele glücklich erreicht. Schon in sich selbst stellte er ein historisches Ereignis dar, denn nie zuvor hatte sich der Bischof von Rom auf jenes Stück Erde begeben, das von der apostolischen Tätigkeit des hl. Paulus und des hl. Barnabas gesegnet ist und das traditionell als Teil des Heiligen Landes betrachtet wird. Auf den Spuren des Völkerapostels bin ich zum Pilger des Evangeliums geworden, vor allem um den Glauben der katholischen Gemeinden zu stärken, einer kleinen, aber lebendigen Minderheit auf der Insel, und auch um sie zu ermutigen, den Weg zur vollen Einheit der Christen, besonders mit den orthodoxen Brüdern, fortzusetzen. Gleichzeitig wollte ich alle Völker des Nahen Ostens im Geiste umarmen, sie im Namen des Herrn segnen und Gott um das Geschenk des Friedens bitten. Überall habe ich herzliche Aufnahme gefunden, und bei dieser Gelegenheit möchte ich zunächst dem maronitischen Erzbischof von Zypern, Joseph Soueif, sowie Seiner Seligkeit Erzbischof Fouad Twal und ihren Mitarbeitern noch einmal danken. Allen bringe ich erneut meine Anerkennung für ihre apostolische Tätigkeit zum Ausdruck. Mein aufrichtiger Dank gilt außerdem dem Heiligen Synod der orthodoxen Kirche von Zypern, insbesondere Seiner Seligkeit Chrysostomos II., Erzbischof von Nea Justiniana und ganz Zypern, den ich in brüderlicher Liebe umarmen durfte, ebenso wie dem Präsidenten der Republik, den zivilen Obrigkeiten und allen, die auf unterschiedliche und lobenswerte Weise für das Gelingen meines Pastoralbesuchs gesorgt haben.

Er hat am 4. Juni in der antiken Stadt Paphos begonnen, wo ich mich von einer Atmosphäre umgeben fühlte, die gleichsam die spürbare Synthese von 2000 Jahren christlicher Geschichte zu sein schien. Die dort vorhandenen archäologischen Überreste sind das Zeichen eines altehrwürdigen und ruhmreichen geistlichen Erbes, das noch heute starken Einfluß auf das Leben im Land hat. Bei der Kirche »Agia Kiriaki Chrysopolitissa «, einer orthodoxen Kultstätte, die auch Katholiken und Anglikanern offensteht und die im archäologischen Areal gelegen ist, fand eine bewegende ökumenische Feier statt. Mit dem orthodoxen Erzbischof Chrysostomos II. und den Vertretern der armenischen, lutherischen und anglikanischen Gemeinden haben wir unsere gegenseitige und unumkehrbare ökumenische Verpflichtung brüderlich erneuert. Diese Empfindungen habe ich dann gegenüber Seiner Seligkeit Chrysostomos II. im Rahmen der herzlichen Begegnung in seiner Residenz zum Ausdruck gebracht. Dort habe ich auch festgestellt, wie sehr die orthodoxe Kirche von Zypern mit dem Schicksal jenes Volkes verbunden ist, das die Erinnerung an Erzbischof Makarios III. mit Verehrung und Dankbarkeit bewahrt. Er wird allgemein als Vater und Wohltäter der Nation betrachtet, und auch ich habe ihm meine Ehre erwiesen, indem ich kurz bei der Gedenkstätte verweilt habe, wo er dargestellt ist. Diese Verwurzelung in der Tradition hindert die orthodoxe Gemeinschaft nicht daran, sich zusammen mit der katholischen Gemeinde entschlossen für den ökumenischen Dialog einzusetzen. Beide beseelt der aufrichtige Wunsch, die volle und sichtbare Einheit unter den Kirchen des Ostens und des Westens wiederherzustellen.

Am 5. Juni habe ich in Nikosia, der Hauptstadt der Insel, die zweite Etappe der Reise begonnen, wobei ich den Präsidenten der Republik besucht habe, der mich mit großer Freundlichkeit aufgenommen hat. Bei der Begegnung mit den zivilen Obrigkeiten und dem diplomatischen Korps habe ich noch einmal hervorgehoben, wie wichtig es ist, das positive Recht auf die ethischen Prinzipien des Naturrechts zu gründen, um die moralische Wahrheit im öffentlichen Leben zu fördern. Es war ein Appell an die Vernunft auf der Grundlage ethischer Prinzipien und voll anspruchsvoller Implikationen für die heutige Gesellschaft, die die kulturelle Tradition, auf der sie gründet, oft nicht mehr anerkennt.

Der bei der Grundschule »St. Maron« gefeierte Wortgottesdienst war einer der eindrucksvollsten Augenblicke der Begegnung mit der katholischen Gemeinde von Zypern in ihren maronitischen und lateinischen Bestandteilen. Durch ihn konnte ich den apostolischen Eifer der zypriotischen Katholiken aus nächster Nähe kennenlernen. Er kommt auch durch die Tätigkeit in Erziehung und Bildung sowie in der Wohlfahrt zum Ausdruck, durch Dutzende von Einrichtungen, die im Dienst der Allgemeinheit stehen und sowohl von den Regierungsautoritäten als auch von der Gesamtbevölkerung sehr geschätzt werden. Es war ein froher und festlicher Augenblick, beseelt von der Begeisterung zahlreicher Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener. Auch fehlte nicht der Aspekt des Gedächtnisses, der auf bewegende Weise die Seele der maronitischen Kirche spürbar gemacht hat, die in diesem Jahr den 1600. Todestag ihres Gründers, des hl. Maron, feiert. Besonders bedeutsam war in diesem Zusammenhang die Anwesenheit einiger maronitischer Katholiken, die aus vier Dörfern der Insel stammten, wo die Christen ein Volk sind, das leidet und hofft; ich habe ihnen mein väterliches Verständnis für ihre Wünsche und Schwierigkeiten zeigen wollen.

Bei dieser Feier konnte ich den apostolischen Einsatz der lateinischen Gemeinde bewundern, die von der Fürsorge des lateinischen Patriarchen von Jerusalem und vom Hirteneifer der Minderbrüder des Heiligen Landes geleitet wird, die sich mit beharrlicher Großherzigkeit in den Dienst der Menschen stellen. Die Katholiken des lateinischen Ritus, die sich sehr stark im Bereich der Wohlfahrt einsetzen, widmen den Arbeitern und den Armen besondere Aufmerksamkeit. Alle, sowohl die lateinischen als auch die maronitischen Christen, habe ich meines Gebetsgedenkens versichert und sie ermutigt, das Evangelium zu bezeugen, auch durch eine geduldige Arbeit gegenseitigen Vertrauens zwischen Christen und Nichtchristen, um einen dauerhaften Frieden und Eintracht unter den Völkern aufzubauen.

Die Aufforderung zu Vertrauen und Hoffnung habe ich noch einmal wiederholt während der heiligen Messe, die ich in der Pfarrkirche vom Heiligen Kreuz gefeiert habe, in Anwesenheit der Priester, der geweihten Personen, der Diakone, der Katecheten sowie der Vertreter der Laienverbände und -bewegungen der Insel. Ausgehend von der Reflexion über das Geheimnis des Kreuzes habe ich dann einen eindringlichen Appell an alle Katholiken des Nahen Ostens gerichtet, sich trotz der großen Prüfungen und der allseits bekannten Schwierigkeiten nicht entmutigen zu lassen und nicht der Versuchung zur Auswanderung nachzugeben, da ihre Anwesenheit in der Region ein unersetzliches Zeichen der Hoffnung darstellt. Ich habe ihnen und besonders den Priestern und Ordensleuten die herzliche und tiefe Solidarität der ganzen Kirche zugesichert, ebenso wie das unablässige Gebet, auf daß der Herr ihnen helfen möge, stets eine lebendige und friedensstiftende Präsenz zu sein.

Der Höhepunkt der Apostolischen Reise war zweifellos die Übergabe des Instrumentum laboris für die Sonderversammlung der Bischofssynode für den Nahen Osten. Dieser Akt fand am Sonntag, dem 6. Juni, im Sportpalast von Nikosia am Ende der Eucharistiefeier statt, an der die Patriarchen und Bischöfe der verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften des Nahen Ostens teilgenommen haben. Das Gottesvolk nahm einhellig daran teil, »mit Jubel und Dank in feiernder Menge«, wie es im Psalm heißt (42,5). Wir haben dies konkret erfahren, auch durch die Anwesenheit vieler Einwanderer, die eine stattliche Gruppe innerhalb der katholischen Bevölkerung der Insel bilden, in die sie sich ohne Schwierigkeiten integriert haben. Gemeinsam haben wir für die Seele des verstorbenen Bischofs und Vorsitzenden der Türkischen Bischofskonferenz, Luigi Padovese gebetet, dessen plötzlicher und tragischer Tod uns alle traurig und bestürzt gemacht hat.

Bei der Synodenversammlung für den Nahen Osten, die im kommenden Oktober in Rom stattfinden wird, geht es um das Thema der Gemeinschaft und der Öffnung auf die Hoffnung hin: »Die katholische Kirche im Nahen Osten: Gemeinschaft und Zeugnis«. Dieses wichtige Ereignis stellt sich nämlich als Zusammenkunft der katholischen Christenheit in ihren verschiedenen Riten in jenem Gebiet dar, aber gleichzeitig auch als erneuerte Suche nach Dialog und Mut für die Zukunft. Sie wird daher vom liebevollen Gebet der ganzen Kirche begleitet werden, in deren Herzen der Nahe Osten einen besonderen Platz einnimmt, denn dort gab Gott sich unseren Vätern im Glauben zu erkennen. Es wird jedoch auch nicht die Aufmerksamkeit anderer Personen der Weltgesellschaft fehlen, insbesondere der Hauptakteure des öffentlichen Lebens, die berufen sind, sich ständig dafür einzusetzen, daß diese Region das Leiden und die Konflikte, von denen sie immer noch betroffen ist, überwinden und endlich den Frieden in der Gerechtigkeit wiederfinden kann.

Vor meinem Abschied von Zypern habe ich die maronitische Kathedrale von Nikosia besucht, wo auch Kardinal Pierre Nasrallah Sfeir, der maronitische Patriarch von Antiochien, anwesend war. Ich habe jeder Gemeinde der alt - ehrwürdigen maronitischen Kirche überall auf der Insel meine aufrichtige Nähe und mein inniges Verständnis zum Ausdruck gebracht. Die Maroniten kamen zu verschiedenen Zeiten an ihren Ufern an und haben oft harte Prüfungen erlitten, um ihrem besonderen christlichen Erbe treu zu bleiben, dessen geschichtliches und künstlerisches Gedächtnis ein kulturelles Erbe für die ganze Menschheit darstellt.

Liebe Brüder und Schwestern, ich bin in den Vatikan mit dankerfülltem Herzen gegenüber Gott und mit Empfindungen aufrichtiger Liebe und Wertschätzung gegenüber den Einwohnern von Zypern zurückgekehrt, von denen ich mich aufgenommen und verstanden gefühlt habe. Im edlen Land von Zypern konnte ich das apostolische Werk der verschiedenen Traditionen der einen Kirche Christi sehen und gleichsam viele Herzen im Einklang schlagen hören, dem Thema der Reise entsprechend: »Ein Herz, eine Seele«. Die katholische Gemeinde von Zypern, in ihrer maronitischen, armenischen und lateinischen Ausprägung, bemüht sich unablässig darum, ein Herz und eine Seele zu sein, sowohl in ihrem Innern als auch in den herzlichen und konstruktiven Beziehungen zu den orthodoxen Brüdern und den anderen christlichen Gemeinschaften. Mögen das zypriotische Volk und die anderen Nationen des Nahen Ostens mit ihren Regierenden und den Vertretern der verschiedenen Religionen gemeinsam eine Zukunft des Friedens, der Freundschaft und der brüderlichen Zusammenarbeit aufbauen. Auch wollen wir darum beten, daß durch die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria der Heilige Geist diese Apostolische Reise fruchtbar machen und in der ganzen Welt die Sendung der Kirche beseelen möge, die von Christus gegründet wurde, um allen Völkern das Evangelium der Wahrheit, der Liebe und des Friedens zu verkünden.
* * *


Mit Freude grüße ich alle Pilger und Teilnehmer deutscher Sprache an dieser Audienz. Ich danke Gott für meine Reise nach Zypern, die unter dem Wort der Apostelgeschichte stand »ein Herz und eine Seele« (
Ac 4,32). In diesem Sinne lade ich euch alle ein, die Katholiken in Zypern und im Heiligen Land wie auch überhaupt alle Christen im Nahen Osten mit eurem Gebet und eurer Solidarität zu unterstützen. Der Herr helfe uns allen, unermüdlich sein Evangelium der Wahrheit, der Liebe und des Friedens zu verkünden.







Petersplatz

Mittwoch, 16. Juni 2010: Hl. Thomas von Aquin (2)


Generalaudienzen 2005-2013 26050