Generalaudienzen 2005-2013 11042

Mittwoch, 11. April 2012

11042


Liebe Brüder und Schwestern!

Nach den Osterfeierlichkeiten ist unsere heutige Begegnung von geistlicher Freude durchdrungen. Auch wenn der Himmel trübe ist, tragen wir doch im Herzen die Osterfreude, die Gewißheit der Auferstehung Christi, der endgültig über den Tod triumphiert hat. Zunächst richte ich an jeden von euch erneut einen herzlichen Ostergruß: In allen Häusern und in allen Herzen möge die freudige Verkündigung der Auferstehung Christi erklingen, die die Hoffnung neu entstehen läßt.

In dieser Katechese möchte ich die Verwandlung aufzeigen, die Christus in seinen Jüngern hervorgerufen hat. Beginnen wir beim Abend des Auferstehungstages. Die Jünger haben sich aus Furcht vor den Juden im Haus eingeschlossen (vgl.
Jn 20,19). Die Angst zieht das Herz zusammen und hindert einen daran, den anderen entgegenzugehen, dem Leben entgegenzugehen.

Der Meister ist nicht mehr da. Die Erinnerung an sein Leiden nährt die Ungewißheit. Aber Jesus liegen die Seinen am Herzen, und er hält das Versprechen, das er beim Letzten Abendmahl gegeben hatte: »Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch« (Jn 14,18). Und das sagt er auch zu uns, auch in trüben Zeiten: »Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen.« Diese Situation, in der die Jünger voll Furcht sind, ändert sich radikal durch die Ankunft Jesu. Er tritt durch die verschlossenen Türen ein, steht mitten unter ihnen und schenkt den beruhigenden Frieden: »Friede sei mit euch!« (Jn 20,19). Es ist ein gewöhnlicher Gruß, der jetzt jedoch eine neue Bedeutung bekommt, weil er eine innere Verwandlung bewirkt; es ist der österliche Gruß, der die Jünger alle Furcht überwinden läßt. Der Friede, den Jesus bringt, ist die Heilsgabe, die er in seinen Abschiedsreden verheißen hatte: »Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht« (Jn 14,27). Am Auferstehungstag schenkt er ihn in Fülle, und er wird für die Gemeinschaft zur Quelle der Freude, zur Gewißheit des Sieges, zur Sicherheit, wenn wir uns auf Gott stützen. »Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht« (Jn 14,1), sagt er auch zu uns.

Nach diesem Gruß zeigt Jesus den Jüngern die Wunden an seinen Händen und an seiner Seite (vgl. Jn 20,20), Zeichen dessen, was gewesen ist und nie mehr ausgelöscht wird: Seine verherrlichte Menschennatur bleibt »verwundet«. Diese Geste hat den Zweck, die neue Wirklichkeit der Auferstehung zu bekräftigen: Christus, der jetzt unter den Seinen steht, ist eine reale Person, derselbe Jesus, der drei Tage zuvor ans Kreuz geschlagen wurde. Und so erfassen die Jünger im strahlenden Osterlicht, in der Begegnung mit dem Auferstandenen, den heilbringenden Sinn seines Leidens und seines Todes. Da verwandeln sich in ihnen Trauer und Furcht in tiefe Freude. Die Trauer und die Wunden selbst werden zur Quelle der Freude. Die Freude, die in ihrem Herzen entsteht, kommt daher, daß sie »den Herrn sahen« (Jn 20,20). Er sagt noch einmal zu ihnen: »Friede sei mit euch!« (V. 21). Es ist nunmehr offensichtlich, daß es nicht nur ein Gruß ist. Es ist ein Geschenk, »das« Geschenk, das der Auferstandene seinen Freunden machen will, und gleichzeitig ist es eine Weisung: Dieser Friede, den Christus mit seinem Blut erworben hat, ist für sie und für alle Menschen, und die Jünger sollen ihn in die ganze Welt tragen. Denn er fügt hinzu: »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (ebd.). Der auferstandene Jesus ist zu den Jüngern zurückgekehrt, um sie auszusenden.

Er hat sein Werk in der Welt vollendet, jetzt ist es an ihnen, in den Herzen den Glauben auszusäen, damit der Vater geliebt und gekannt wird und alle seine Kinder aus der Zerstreuung sammeln kann. Aber Jesus weiß, daß die Seinen noch von viel Furcht erfüllt sind, immer. Daher haucht er sie an und erneuert sie in seinem Heiligen Geist (vgl. Jn 20,22); diese Geste ist das Zeichen der neuen Schöpfung. Denn mit der Gabe des Heiligen Geistes, der aus dem auferstandenen Christus hervorgeht, beginnt eine neue Welt. Mit der Aussendung der Jünger wird in der Welt der Weg des Volkes des Neuen Bundes eröffnet, des Volkes, das an ihn und an sein Heilswirken glaubt, des Volkes, das die Wahrheit der Auferstehung bezeugt. Diese Neuheit eines unvergänglichen Lebens, das durch Ostern gebracht wird, muß überall verbreitet werden, damit die Dornen der Sünde, die das Herz des Menschen verwunden, dem Samen der Gnade Raum geben, der Gegenwart Gottes und seiner Liebe, die Sünde und Tod überwinden.

Liebe Freunde, auch heute tritt der Auferstandene in unsere Häuser und in unsere Herzen ein, obwohl die Türen manchmal verschlossen sind. Er tritt ein und schenkt Freude und Frieden, Leben und Hoffnung: Gaben, die wir für unsere menschliche und geistliche Neugeburt brauchen. Nur er kann jene Grabsteine wegwälzen, die der Mensch oft auf seine Empfindungen, seine Beziehungen, sein Verhalten legt – Steine, die den Tod bestimmen: Spaltungen, Feindschaften, Groll, Neid, Mißtrauen, Gleichgültigkeit. Nur er, der Lebendige, kann der Existenz Sinn verleihen und jene, die müde und traurig sind, die kein Vertrauen und keine Hoffnung haben, den Weg wieder aufnehmen lassen. Das haben die beiden Jünger erfahren, die am Ostertag auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus waren (vgl. ). Sie sprechen über Jesus, aber ihr trauriges Gesicht (vgl. V. 17) bringt enttäuschte Hoffnung, Ungewißheit und Schwermut zum Ausdruck. Sie hatten ihr Dorf verlassen, um Jesus mit seinen Freunden nachzufolgen, und hatten eine neue Wirklichkeit entdeckt, in der Vergebung und Liebe nicht mehr nur Worte waren, sondern das Leben konkret berührten. Jesus von Nazaret hatte alles neu gemacht, hatte ihr Leben verwandelt. Aber jetzt war er gestorben und alles schien zu Ende zu sein.

Plötzlich sind jedoch nicht mehr zwei, sondern drei Personen unterwegs. Jesus kommt zu den beiden Jüngern hinzu und geht mit ihnen, aber sie sind unfähig, ihn zu erkennen. Gewiß, sie haben die Gerüchte über seine Auferstehung gehört, denn sie berichten ihm: »Einige Frauen aus unserem Kreis haben uns in große Aufregung versetzt. Sie waren in der Frühe beim Grab, fanden aber seinen Leichnam nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, es seien ihnen Engel erschienen und hätten gesagt, er lebe« (V. 22–23). All das reichte jedoch nicht aus, um sie zu überzeugen: »Ihn selbst aber sahen sie nicht« (V. 24). Daraufhin legte Jesus ihnen geduldig dar, »ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht« (V. 27). Der Auferstandene erläutert den Jüngern die Heilige Schrift und bietet ihren grundlegenden Interpretationsschlüssel: sich selbst und sein Ostergeheimnis.

Über ihn legen die Schriften Zeugnis ab (vgl. ). Plötzlich weitet sich der Sinn von allem, der Sinn des Gesetzes, der Propheten und der Psalmen; er wird vor ihren Augen deutlich. Jesus hatte ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift geöffnet (vgl. Lc 24,45). Inzwischen waren sie im Dorf angekommen, wahrscheinlich beim Haus eines von ihnen. Der fremde Weggefährte tut, »als wolle er weitergehen « (V. 28), aber dann bleibt er, weil sie ihn inständig bitten: »Bleib doch bei uns« (V. 29). Auch wir müssen dem Herrn immer wieder inständig sagen: »Bleib doch bei uns.« »Als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen« (V. 30). Der Verweis auf die Gesten, die Jesus beim Letzten Abendmahl vollbracht hat, ist offensichtlich. »Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn« (V. 31). Die Gegenwart Jesu, erst mit Worten und dann mit der Geste des Brotbrechens, ermöglicht es den Jüngern, ihn zu erkennen, und sie können auf neue Weise spüren, was sie bereits empfunden hatten, als sie mit ihm gingen: »Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloß?« (V. 32). Diese Episode verweist uns auf zwei vorrangige »Orte«, an denen wir dem Auferstandenen begegnen können, der unser Leben verwandelt: das Hören des Wortes, in Gemeinschaft mit Christus, und das Brechen des Brotes; zwei »Orte«, die zutiefst miteinander verbunden sind, denn »Wort und Eucharistie gehören so eng zueinander, daß eines nicht ohne das andere verstanden werden kann: Das Wort Gottes wird im eucharistischen Geschehen sakramentales Fleisch« (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini, 55).

Nach dieser Begegnung, »noch in derselben Stunde, brachen [die beiden Jünger] auf und kehrten nach Jerusalem zurück, und sie fanden die Elf und die anderen Jünger versammelt. Diese sagten: Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen« (V. 33–34). In Jerusalem hören sie die Nachricht der Auferstehung Jesu und berichten ihrerseits über ihre eigene Erfahrung, entflammt von der Liebe zum Auferstandenen, der ihnen das Herz geöffnet hat für eine überschwengliche Freude. Wie der hl. Petrus sagt, wurden sie in seinem großen Erbarmen neu geboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten (vgl. 1P 1,3). Denn in ihnen entsteht wieder die Begeisterung für den Glauben, die Liebe zur Gemeinschaft, das Bedürfnis, die gute Nachricht weiterzugeben. Der Meister ist auferstanden, und mit ihm ersteht alles Leben auf; dies zu bezeugen wird für sie zu einer Notwendigkeit, die nicht unterdrückt werden kann.

Liebe Freunde, die Osterzeit möge für uns alle eine günstige Gelegenheit sein, um mit Freude und Begeisterung die Quellen des Glaubens, die Gegenwart des Auferstandenen unter uns neu zu entdecken. Es geht darum, denselben Weg zu gehen, den Jesus die beiden Emmausjünger zurücklegen ließ, durch die Neuentdeckung des Wortes Gottes und der Eucharistie, also mit dem Herrn zu gehen und sich die Augen öffnen zu lassen für den wahren Sinn der Schrift und für seine Gegenwart im Brechen des Brotes. Der Höhepunkt dieses Weges, damals wie heute, ist die eucharistische Kommunion: In der Kommunion nährt uns Jesus mit seinem Leib und seinem Blut, um in unserem Leben gegenwärtig zu sein, um uns neu zu machen, beseelt von der Kraft des Heiligen Geistes.

Abschließend lädt uns die Erfahrung der Jünger ein, über den Sinn des Osterfestes für uns nachzudenken. Wir wollen dem auferstandenen Jesus begegnen! Er, der Lebendige und Wahre, ist immer unter uns gegenwärtig; er geht mit uns, um unser Leben zu leiten, um unsere Augen zu öffnen. Haben wir Vertrauen in den Auferstandenen, der die Macht hat, das Leben zu schenken, damit wir als Kinder Gottes neu geboren werden, fähig zu glauben und zu lieben. Der Glaube an ihn verwandelt unser Leben: Er befreit es von der Angst, er gibt ihm feste Hoffnung, er läßt es beseelt sein von dem, was der Existenz den vollen Sinn verleiht: von der Liebe Gottes. Danke.

* * *

Mit Freude grüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher, besonders die Seminaristen aus Graz-Seckau und Gurk mit ihren Bischöfen Egon Kapellari und Alois Schwarz. Heute will der auferstandene Herr, wie ich sagte, auch in unsere Häuser und Herzen eintreten, auch wenn sie durch Sorge, Angst oder Schuld verschlossen sind. Laden wir Jesus Christus ein, zu uns zu kommen, uns zu verwandeln, damit er unser Leben und unsere Freude sei. Die Freude des Auferstandenen begleite euch in die kommenden Wochen hinein!



Petersplatz

Mittwoch, 18. April 2012

18042


Liebe Brüder und Schwestern!

Nach den hohen Feierlichkeiten kehren wir jetzt zur Katechese über das Gebet zurück. In der Audienz vor der Karwoche haben wir die Gestalt der allerseligsten Jungfrau Maria betrachtet, die inmitten der Apostel im Gebet weilte in dem Augenblick, in dem sie die Herabkunft des Heiligen Geistes erwarteten. Eine Atmosphäre des Gebets begleitet die ersten Schritte der Kirche. Pfingsten ist kein isoliertes Ereignis, denn die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes leiten und beseelen beständig den Weg der christlichen Gemeinde.

In der Apostelgeschichte berichtet der hl. Lukas nämlich nicht nur von der großen Ausgießung des Geistes, die 50 Tage nach Ostern im Abendmahlssaal geschah (vgl. ), sondern er erwähnt auch andere außerordentliche Ereignisse, bei denen der Heilige Geist in der Kirchengeschichte immer wieder hereinbricht. Und heute möchte ich das sogenannte »kleine Pfingsten« betrachten, das sich auf dem Höhepunkt einer schwierigen Phase im Leben der Urkirche ereignete. Die Apostelgeschichte berichtet, daß Petrus und Johannes nach der Heilung eines Lahmen beim Tempel von Jerusalem (vgl. Apg 3,1–10) verhaftet wurden (vgl.
Ac 4,1), weil sie dem ganzen Volk die Auferstehung Jesu verkündigten (vgl. Apg 3,11–26). Nach einem kurzen Prozeß wurden sie wieder freigelassen, gingen zu ihren Brüdern und erzählten, was sie wegen ihres Zeugnisses für Jesus, den Auferstandenen, erleiden mußten. In diesem Augenblick, so der hl. Lukas, »erhoben sie einmütig ihre Stimme zu Gott« (Ac 4,24). Hier gibt der hl. Lukas das umfassendste Gebet der Kirche wieder, das wir im Neuen Testament finden. Als sie gebetet hatten – so haben wir gehört –, »bebte der Ort, an dem sie versammelt waren, und alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt, und sie verkündeten freimütig das Wort Gottes« (Ac 4,31).

Bevor wir dieses schöne Gebet betrachten, richten wir unser Augenmerk auf eine wichtige Grundhaltung: Gegenüber der Gefahr, der Schwierigkeit, der Bedrohung versucht die christliche Urgemeinde nicht, Untersuchungen darüber anzustellen, wie man reagieren und sich verteidigen kann, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, sondern sie betet angesichts der Prüfung, sie nimmt Kontakt zu Gott auf. Und wie sieht dieses Gebet aus? Es handelt sich um ein einmütiges und einträchtiges Gebet der ganzen Gemeinschaft, die um Jesu willen einer Situation der Verfolgung gegenübersteht. Im griechischen Original gebraucht der hl. Lukas den Begriff »homothumadon« – »alle zusammen«, »einmütig« – ein Wort, das an anderen Stellen der Apostelgeschichte erscheint, um das beharrliche und einmütige Gebet hervorzuheben (vgl. Ac 1,14 Ac 2,46). Diese Eintracht ist das grundlegende Element der Urgemeinde, und sie sollte für die Kirche immer grundlegend sein. Es ist also nicht nur das Gebet des Petrus und des Johannes, die sich in Gefahr befanden, sondern das der ganzen Gemeinde, denn das, was die beiden Apostel erleben, betrifft nicht nur sie, sondern die ganze Kirche. Angesichts der um Jesu willen erlittenen Verfolgungen erschrickt die Kirche nicht und spaltet sich nicht: Sie ist sogar tief im Gebet vereint, wie eine einzige Person, um den Herrn anzurufen. Das, würde ich sagen, ist das erste Wunder, das geschieht, als die Gläubigen um ihres Glaubens willen auf die Probe gestellt werden: Die Einheit wird nicht in Frage gestellt, sondern gefestigt, weil sie von einem unerschütterlichen Gebet getragen wird. Die Kirche braucht die Verfolgungen nicht zu fürchten, die sie in ihrer Geschichte erleiden muß, sondern sie darf immer, wie Jesus in Getsemani, auf die Gegenwart, die Hilfe und die Kraft Gottes vertrauen, der im Gebet angerufen wird.

Machen wir einen weiteren Schritt: Worum bittet die christliche Gemeinde Gott in diesem Augenblick der Prüfung? Sie bittet nicht um den Schutz ihres Lebens angesichts der Verfolgung und auch nicht darum, daß der Herr es jenen heimzahlen möge, die Petrus und Johannes gefangengenommen haben. Sie bittet nur, daß es ihr gewährt sein möge, »mit allem Freimut« das Wort Gottes zu verkünden (vgl. Ac 4,29); sie bittet also darum, nicht den Mut des Glaubens zu verlieren, um den Mut, den Glauben zu verkündigen. Zunächst versucht sie jedoch, das Geschehene in der Tiefe zu erfassen. Sie versucht, die Ereignisse im Licht des Glaubens auszulegen, und sie tut dies durch das Wort Gottes, das uns die Wirklichkeit der Welt verstehen läßt. Im Gebet, das sie zum Herrn erhebt, ruft die Gemeinde zunächst die Größe und Unermeßlichkeit Gottes in Erinnerung und preist sie: »Herr, du hast den Himmel, die Erde und das Meer geschaffen und alles, was dazugehört« (Ac 4,24). Es ist der Lobpreis des Schöpfers: Wir wissen, daß alles von ihm kommt, daß alles in seinen Händen steht. Dieses Bewußtsein gibt uns Gewißheit und Mut: Alles kommt von ihm, alles steht in seinen Händen.

Dann geht sie dazu über zu bekennen, wie Gott in der Geschichte gewirkt hat – sie beginnt also mit der Schöpfung und fährt in der Geschichte fort –, wie er seinem Volk nahe gewesen ist und sich als ein Gott erwiesen hat, der sich um den Menschen kümmert, der sich nicht zurückgezogen hat, der den Menschen, sein Geschöpf, nicht verläßt. Und hier wird ausdrücklich Psalm 2 zitiert, in dessen Licht die schwierige Situation ausgelegt wird, in der die Kirche sich in jenem Augenblick befindet. Psalm 2 preist die Inthronisierung des Königs von Juda, aber er bezieht sich prophetisch auf die Ankunft des Messias, dem Aufruhr, Verfolgung, menschliche Gewalt nichts anhaben können: »Warum toben die Völker, warum machen die Nationen vergebliche Pläne? Die Könige der Erde stehen auf und die Herrscher haben sich verbündet gegen den Herrn und seinen Gesalbten« (Apg 4,25–26). Das sagt der Psalm bereits prophetisch über den Messias, und in der ganzen Geschichte ist dieser Aufruhr der Mächtigen gegen Gottes Macht kennzeichnend.

Gerade durch das Lesen der Heiligen Schrift, des Wortes Gottes, kann die Gemeinde in ihrem Gebet zu Gott sagen: »Wahrhaftig, verbündet haben [sie] sich in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, … um alles auszuführen, was deine Hand und dein Wille im voraus bestimmt haben« (Apg 4,27–28). Das Geschehene wird im Licht Christi ausgelegt, der der Schlüssel ist, um auch die Verfolgung zu verstehen: das Kreuz, das immer der Schlüssel für die Auferstehung ist. Der Widerspruch gegen Jesus, sein Leiden und sein Tod werden durch Psalm 2 neu ausgelegt, als Umsetzung des Planes Gottes, des Vaters, für das Heil der Welt. Und hier findet sich auch der Sinn der Erfahrung der Verfolgung, die die christliche Urgemeinde durchmacht: Die Urgemeinde ist nicht einfach nur eine Vereinigung, sondern eine Gemeinschaft, die in Christus lebt; daher gehört das, was ihr geschieht, zum Plan Gottes. Ebenso wie Jesus begegnen auch die Jünger Widerspruch, Unverständnis, Verfolgung. Im Gebet hilft die Betrachtung der Heiligen Schrift im Licht des Geheimnisses Christi, die jetzige Gegenwart im Rahmen der Heilsgeschichte zu verstehen, die Gott, immer auf seine Weise, in der Welt wirkt. Gerade deshalb bittet die christliche Urgemeinde von Jerusalem Gott in ihrem Gebet nicht um Schutz, nicht darum, daß ihr die Prüfung, das Leiden erspart bleibe. Es ist kein Gebet um Erfolg, sondern nur darum, das Wort Gottes mit »Parrhesia«, also mit Freimut, mit Freiheit, mit Mut verkündigen zu können (vgl. Ac 4,29).

Dann fügt sie die Bitte an, daß diese Verkündigung von Gottes Hand begleitet sein möge, damit Heilungen, Zeichen, Wunder geschehen (vgl. Ac 4,30), damit also Gottes Güte sichtbar wird, als Kraft, die die Wirklichkeit verändert, die das Herz, den Verstand, das Leben der Menschen verwandelt und die radikale Neuheit des Evangeliums bringt. Als sie gebetet hatten – so der hl. Lukas –, »bebte der Ort, an dem sie versammelt waren, und alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt, und sie verkündeten freimütig das Wort Gottes« (Ac 4,31). Der Ort bebte: Der Glaube hat also die Kraft, die Erde und die Welt zu verwandeln. Derselbe Geist, der durch Psalm 2 im Gebet der Kirche gesprochen hat, bricht in das Haus herein und erfüllt das Herz aller, die zum Herrn gebetet haben. Das ist die Frucht des einmütigen Gebets, das die christliche Gemeinde zu Gott erhebt: die Ausgießung des Geistes, der Gabe des Auferstandenen, der die freie und mutige Verkündigung des Wortes Gottes stützt und leitet, der die Jünger des Herrn anspornt, furchtlos hinauszugehen, um die gute Nachricht bis an die Grenzen der Erde zu bringen.

Auch wir, liebe Brüder und Schwestern, müssen die Ereignisse unseres täglichen Lebens in unserem Gebet zu tragen wissen, um nach ihrer tiefen Bedeutung zu suchen. Und wie die christliche Urgemeinde können auch wir, wenn wir uns vom Wort Gottes erleuchten lassen, durch die Betrachtung der Heiligen Schrift, lernen zu sehen, daß Gott in unserem Leben gegenwärtig ist, daß er auch und gerade in den schwierigen Augenblicken gegenwärtig ist, und daß alles – auch die unverständlichen Dinge – Teil eines höheren Liebesplans ist, in dem der endgültige Sieg über das Böse, über die Sünde und über den Tod wirklich der Sieg des Guten, der Gnade, des Lebens, Gottes ist.

Wie der christlichen Urgemeinde so hilft das Gebet auch uns, die persönliche und kollektive Geschichte aus der rechten und treuen Perspektive, der Perspektive Gottes heraus auszulegen. Und auch wir wollen die Bitte um die Gabe des Heiligen Geistes erneuern, der das Herz erwärmen und den Geist erhellen möge, um zu erkennen, daß der Herr unser Gebet nach seinem liebevollen Willen und nicht nach unseren Vorstellungen erhört. Vom Geist Jesu Christi geleitet werden wir in der Lage sein, jede Lebenssituation mit innerem Frieden, Mut und Freude zu leben und uns mit dem hl. Paulus »unserer Bedrängnis zu rühmen; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung«. Diese Hoffnung »läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist« (). Danke.

* * *

Ein herzliches Grüß Gott sage ich zu allen Pilgergruppen deutscher Sprache. Ich grüße vor allem die vielen jungen Freunde, die heute da sind, besonders die Schulgruppen aus Auerbach – herzlich willkommen –, aus Vechta und aus Dießen. Und dann grüße ich natürlich besonders die Blaskapelle aus meiner Heimat, aus Waging, der sich, wie ich höre, Surberg, Otting und St. Leonhard angeschlossen haben. Vergelt’s Gott für euer Ständchen! Es war schön. Wir wollen alle die Anliegen unseres Lebens – und jeder hat seine Nöte und Probleme – ins Gebet hineinnehmen und in die Betrachtung des Wortes Gottes, dann lernen wir sehen, daß Gott da ist, auch in schwierigen Momenten, und daß alles zu einem höheren Plan gehört, den wir nicht immer verstehen, aber der gut ist. Unter der Führung des Heiligen Geistes können wir auch die schweren Situationen mutig ertragen. Der Herr segne euch alle! Vergelt’s Gott!




Petersplatz

Mittwoch, 25. April 2012

25042


Liebe Brüder und Schwestern!

In der letzten Katechese habe ich aufgezeigt, daß die Kirche, von Anbeginn ihres Weges an, unvorhergesehenen Situationen, neuen Fragen und Schwierigkeiten gegenüberstand, auf die sie versucht hat, im Licht des Glaubens Antwort zu geben, indem sie sich vom Heiligen Geist leiten ließ. Heute möchte ich über eine weitere solche Situation nachdenken, über ein ernstes Problem, dem die erste christliche Gemeinde von Jerusalem begegnen und das sie lösen mußte, wie der hl. Lukas uns im sechsten Kapitel der Apostelgeschichte berichtet: Es ging um die Pastoral der Nächstenliebe gegenüber alleinstehenden Personen, die Beistand und Hilfe benötigen. Die Frage ist für die Kirche nicht zweitrangig und drohte damals Spaltungen innerhalb der Kirche herbeizuführen. Denn die Zahl der Jünger wuchs, aber die griechisch sprechenden begannen gegen die hebräisch sprechenden aufzubegehren, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden (vgl.
Ac 6,1).

Angesichts dieses dringenden Problems, das einen grundlegenden Aspekt im Leben der Gemeinschaft betraf, nämlich die Nächstenliebe gegenüber den Schwachen, den Armen, den Wehrlosen und die Gerechtigkeit, rufen die Apostel die ganze Gruppe der Jünger zusammen. In diesem Augenblick pastoraler Schwierigkeiten wird die Entscheidungsfindung der Apostel sehr wichtig. Sie stehen der vorrangigen Notwendigkeit gegenüber, das Wort Gottes zu verkündigen, gemäß dem Gebot des Herrn. Aber auch wenn dies die vorrangige Aufgabe der Kirche ist, so betrachten sie mit demselben Ernst die Pflicht der Nächstenliebe und der Gerechtigkeit, also die Pflicht, den Witwen, den Armen beizustehen, sich liebevoll um die Brüder und Schwestern in Not zu kümmern, um dem Gebot Jesu zu entsprechen: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe (vgl. Jn 15,12 Jn 15,17). Die beiden Wirklichkeiten, die in der Kirche vorherrschen müssen – die Verkündigung des Wortes, der Primat Gottes und die konkrete Nächstenliebe, die Gerechtigkeit – rufen also Probleme hervor, und es muß eine Lösung gefunden werden, um beiden ihren Platz, ihr notwendiges Verhältnis zueinander geben zu können. Die Überlegung der Apostel ist sehr deutlich, wie wir gehört haben: »Es ist nicht recht, daß wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen. Brüder, wählt aus eurer Mitte sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit; ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen. Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben« (Apg 6,2–4).

Zwei Dinge kommen zum Vorschein: Erstens gibt es von diesem Augenblick an in der Kirche einen Liebesdienst. Die Kirche muß das Wort nicht nur verkündigen, sondern sie muß das Wort, das Liebe und Wahrheit ist, auch in die Tat umsetzen. Und zweitens müssen diese Männer nicht nur von gutem Ruf sein, sondern voll Geist und Weisheit. Das heißt, sie müssen nicht nur Organisatoren sein, die sich auf das »Tun« verstehen, sondern ihr »Tun« muß im Geist des Glaubens mit dem Licht Gottes geschehen, in der Weisheit des Herzens, und daher ist auch ihre Funktion – obgleich sie vor allem praktisch ausgerichtet ist – dennoch eine geistliche Funktion. Nächstenliebe und Gerechtigkeit sind nicht nur soziale Tätigkeiten, sondern es sind geistliche Tätigkeiten, die im Licht des Heiligen Geistes umgesetzt werden. Wir können also sagen, daß die Apostel dieser Situation mit großem Verantwortungsbewußtsein begegnen, wenn sie diese Entscheidung treffen: Es werden sieben Männer gewählt; die Apostel beten, um die Kraft des Heiligen Geistes herabzuflehen; und dann legen sie ihnen die Hände auf, damit sie sich in besonderer Weise diesem Liebesdienst widmen.

So spiegelt sich im Leben der Kirche, in den ersten Schritten, die sie macht, gewissermaßen das wider, was während des öffentlichen Lebens Jesu im Haus von Marta und Maria in Betanien geschehen war. Marta war ganz vom Dienst der Gastfreundschaft in Anspruch genommen, den sie Jesus und seinen Jüngern erwies; Maria dagegen widmet sich dem Hören auf das Wort des Herrn (vgl. ). In beiden Fällen werden das Gebet, das Hören auf Gott und die tägliche Arbeit, der Liebesdienst nicht zueinander in Widerspruch gesetzt. Der Hinweis Jesu: »Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden« () zeigt ebenso wie die Überlegung der Apostel: »Wir … wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben« (Ac 6,4), daß wir Gott die Priorität geben müssen. Ich möchte jetzt nicht weiter auf die Auslegung der Perikope von Marta und Maria eingehen. Auf jeden Fall darf das Tätigsein für den Nächsten, für den anderen nicht verurteilt werden, aber es muß hervorgehoben werden, daß es innerlich auch vom Geist der Kontemplation durchdrungen sein muß. Andererseits sagt der hl. Augustinus, daß Marias Wirklichkeit eine Schau unseres himmlischen Zustandes ist. Auf Erden können wir sie also nie vollkommen haben, aber etwas Vorwegnahme muß in all unserer Tätigkeit vorhanden sein. Auch die Kontemplation Gottes muß vorhanden sein. Wir dürfen uns nicht im reinen Aktivismus verlieren, sondern müssen uns in unserer Tätigkeit auch immer vom Licht des Wortes Gottes durchdringen lassen und so die wahre Nächstenliebe lernen, den wahren Dienst am anderen, der nicht viele Dinge braucht – gewiß braucht er das Notwendige –, sondern der vor allem die Liebe unseres Herzens, das Licht Gottes braucht.

Der hl. Ambrosius ermahnt in seinem Kommentar zur Episode von Maria und Marta die Gläubigen und auch uns: »Befleißigen denn auch wir uns eines Besitzteiles, den niemand uns wegnehmen kann! Nicht vorübergehenden Diensten, sondern fleißigem Anhören des Wortes Gottes wollen wir uns widmen. Selbst auch die Samensaat des himmlischen Wortes pflegt ja hinweggenommen zu werden, falls sie an den Weg gesät wird. Möge dich wie Maria das Verlangen nach Weisheit beseelen! Denn dies ist die wichtigere, dies die vollkommenere Beschäftigung.« Und er fügt auch hinzu: »Nicht darf die Sorge um den Dienst die Kenntnis des himmlischen Wortes behindern« (Expositio secundum Lucam, VII, 85: PL 15,1720). Die Heiligen haben also in ihrem Leben eine tiefe Einheit von Gebet und Handeln erfahren, von der vollkommenen Liebe zu Gott und der Liebe zu den Brüdern. Der hl. Bernhard, ein Vorbild der Harmonie von Kontemplation und fleißiger Arbeit, legt in dem Werk De consideratione, das er an Papst Innozenz II. richtet, um ihm einige Überlegungen über seinen Dienst zu unterbreiten, besonderen Nachdruck auf die Bedeutung der inneren Sammlung, des Gebets, um sich vor den Gefahren übermäßiger Aktivität zu schützen, ganz gleich, in welcher Lage man sich befindet und welche Aufgabe man erfüllt. Der hl. Bernhard sagt, daß zu viele Sorgen, ein hektisches Leben, am Ende oft das Herz verhärten und den Geist leiden lassen (vgl. II,3).

Das ist ein wertvoller Hinweis für uns heute, die wir gewohnt sind, alles nach dem Maßstab der Produktivität und der Leistung zu bewerten. Der Abschnitt aus der Apostelgeschichte erinnert uns an die große Bedeutung der Arbeit – zweifellos wird ein echter Dienst geschaffen –, des Einsatzes im täglichen Tun, das mit Verantwortung und Hingabe durchgeführt werden muß, aber auch an unser Bedürfnis nach Gott, nach seiner Führung, nach seinem Licht, die uns Kraft und Hoffnung schenken. Ohne das in Treue gelebte tägliche Gebet wird unser Tun leer, verliert es die tiefste Seele, wird es zum reinen Aktivismus reduziert, der uns am Ende unzufrieden macht. Es gibt ein schönes Gebet aus der christlichen Überlieferung, das man vor jeder Arbeit sprechen kann. Es lautet: »Actiones nostras, quaesumus, Domine, aspirando praeveni et adiuvando prosequere, ut cuncta nostra oratio et operatio a te semper incipiat, et per te coepta finiatur.« Das heißt: »Herr, komm unserem Beten und Arbeiten mit deiner Gnade zuvor und begleite es, damit alles, was wir beginnen, bei dir seinen Anfang nehme und in dir zu Ende komme.« Jeder Schritt unseres Lebens, jedes Handeln, auch das der Kirche, muß vor Gott geschehen, im Licht seines Wortes.

In der Katechese am vergangenen Mittwoch hatte ich das einmütige Gebet der christlichen Urgemeinde angesichts der Prüfung hervorgehoben und daß sie gerade im Gebet, in der Betrachtung der Heiligen Schrift, die Ereignisse verstehen konnte. Wenn das Gebet vom Wort Gottes genährt wird, können wir die Wirklichkeit mit neuen Augen betrachten, mit den Augen des Glaubens, und der Herr, der zum Verstand und zum Herzen spricht, schenkt dem Weg in jedem Augenblick und in jeder Situation neues Licht. Wir glauben an die Kraft des Wortes Gottes und des Gebets. Auch die Schwierigkeiten, die die Kirche mit der Frage nach dem Dienst an den Armen, mit dem Problem der Nächstenliebe erlebt hat, wird im Gebet, im Licht Gottes, des Heiligen Geistes überwunden. Die Apostel beschränken sich nicht darauf, die Wahl des Stephanus und der anderen Männer zu bestätigen, sondern sie »beteten und legten ihnen die Hände auf« (Ac 6,6). Der Evangelist ruft diese Gesten später erneut in Erinnerung anläßlich der Wahl von Paulus und Barnabas, wo es heißt: »Da fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen « (Ac 13,3). Er bestätigt erneut, daß der konkrete Liebesdienst ein geistlicher Dienst ist. Beide Wirklichkeiten gehören zusammen.

Durch die Geste des Handauflegens übertragen die Apostel sieben Männern einen besonderen Dienst, damit ihnen die entsprechende Gnade geschenkt werde. Die Betonung des Gebets – sie »beteten«, sagen sie – ist wichtig, weil es gerade die geistliche Dimension der Geste hervorhebt; es geht nicht einfach nur darum, einen Auftrag zu vergeben wie in einer sozialen Einrichtung, sondern es ist ein kirchliches Ereignis, in dem der Heilige Geist von sieben von der Kirche gewählten Männern Besitz ergreift und sie in der Wahrheit weiht, die Jesus Christus ist: Er ist der stille Hauptakteur, der bei der Handauflegung anwesend ist, damit die Gewählten durch seine Kraft verwandelt und geheiligt werden, um den konkreten Herausforderungen, den pastoralen Herausforderungen zu begegnen. Und die Betonung des Gebets erinnert uns auch daran, daß nur aus der innigen Beziehung zu Gott, die jeden Tag gepflegt wird, die Antwort auf die Wahl des Herrn hervorkommt und jeder Dienst in der Kirche anvertraut wird.

Liebe Brüder und Schwestern, das pastorale Problem, das die Apostel dazu geführt hat, sieben Männer, die mit dem Liebesdienst betraut werden, zu wählen und ihnen die Hände aufzulegen, damit sie selbst sich dem Gebet und der Verkündigung des Wortes widmen können, zeigt auch uns den Primat des Gebets und des Wortes Gottes an, der dann jedoch auch das pastorale Handeln hervorbringt. Für die Hirten ist dies die erste und wertvollste Form des Dienstes an der ihnen anvertrauten Herde. Wenn die Lungenflügel des Gebets und des Wortes Gottes nicht den Atem unseres geistlichen Lebens speisen, laufen wir Gefahr, inmitten der unzähligen Dinge eines jeden Tages zu ersticken: Das Gebet ist der Atem der Seele und des Lebens. Und noch einen weiteren wertvollen Hinweis möchte ich hervorheben: In der Beziehung zu Gott, im Hören auf sein Wort, im Gespräch mit Gott sind wir, auch wenn wir uns in der Stille einer Kirche oder unseres Zimmers befinden, im Herrn vereint mit vielen Brüdern und Schwestern im Glauben, wie ein Zusammenspiel von Instrumenten, die – jedes mit seiner individuellen Note – eine einzige Symphonie der Fürbitte, des Dankes und des Lobpreises zu Gott erheben. Danke.

* * *

Ganz herzlich grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, insbesondere die Gruppe der Hörer des Bayerischen Rundfunks. Inmitten der Herausforderungen des täglichen Miteinanders haben die Apostel den Vorrang Gottes betont. Auch wir wollen die Prioritäten richtig setzen, damit das Gebet und das Wort Gottes der Atem unserer Seele und unseres Lebens sein können und wir nicht unter den vielen Alltagsdingen ersticken und die Maßstäbe verlieren und selber leer werden. Der Herr schenke uns allen dazu seinen Segen.



Petersplatz

Mittwoch, 2. Mai 2012


Generalaudienzen 2005-2013 11042