ANSPRACHE 2007 Januar 2007 87

ABSCHIEDSZEREMONIE

Internationaler Flugahfen São Paulo/Guarulhos - Sonntag, 13. Mai 2007

Herr Vizepräsident!


Im Augenblick meines Abschieds von diesem gesegneten Land Brasilien erheben sich in meiner Seele Lob und Dank zum Allerhöchsten, der es mir gewährt hat, hier intensive und unvergeßliche Stunden zu erleben. Der Blick war dabei auf die »Senhora Aparecida« gerichtet, die von ihrem Heiligtum aus über die Eröffnung der V. Generalversammlung des lateinamerikanischen und karibischen Episkopats gewacht hat.

In meiner Erinnerung werden stets die Begeisterung und die tiefe Frömmigkeit eingeprägt bleiben, die dieses Volk des »Landes des Heiligen Kreuzes« zum Ausdruck gebracht hat. Zusammen mit der großen Schar der Pilger, die aus dem gesamten Kontinent der Hoffnung gekommen sind, hat es seinen Glauben an Christus und seine Liebe zum Nachfolger Petri von Herzen zu bezeugen gewußt. Ich bitte Gott, daß er sowohl den Verantwortungsträgern im religiösen als auch denen im zivilen Bereich helfen möge, die Initiativen mit Entschiedenheit voranzutreiben, die alle für das Gemeinwohl der großen lateinamerikanischen Familie erwarten.

Mein letzter dankerfüllter Gruß ergeht an den Herrn Präsidenten der Republik, an die Regierung dieser Nation, an den Bundesstaat São Paulo sowie an die übrigen brasilianischen Obrigkeiten, die mir in diesen Tagen so viele freundliche Gesten entgegengebracht haben.

Ich bin auch den konsularischen Vertretungen dankbar, deren umsichtige Arbeit die Teilnahme ihrer jeweiligen Nation an diesen Tagen der Reflexion, des Gebets und des Einsatzes für das gemeinsame Wohl derer, die sich zu diesem großen Ereignis eingefunden hatten, sehr erleichtert hat.

Einen besonderen Gruß brüderlicher Wertschätzung richte ich in tiefer Dankbarkeit an die Herren Kardinäle, an meine Mitbrüder im Bischofsamt, an die Priester und Diakone, Ordensmänner und Ordensfrauen und an die Organisatoren der Konferenz. Alle haben dazu beigetragen, diese Tage wunderschön zu machen; sie haben diejenigen, die an ihnen teilgenommen haben, mit Freude und Hoffnung - gaudium et spes! - gegenüber der christlichen Familie und ihrer Sendung innerhalb der Gesellschaft erfüllt.

Seid gewiß, daß ich alle in meinem Herzen trage, aus dem der Segen kommt, den ich euch erteile und in den ich alle Völker Lateinamerikas und der Welt einschließe.

Vielen Dank!



AN DIE BISCHÖFE VON MALI ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Apostolischer Palast in Castelgandolfo - Freitag, 18. Mai 2007

88


Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Mit Freude empfange ich euch, die Hirten der Kirche in Mali, anläßlich eures »Ad-limina«-Besuchs. Für euch und für das Leben eurer Diözesangemeinschaften ist dies ein wichtiger Augenblick, der die Gemeinschaft eurer Ortskirchen mit dem Nachfolger Petri und mit der Universalkirche zum Ausdruck bringt und euch helfen wird, in der missionarischen Dynamik zu verharren. Eure Ortskirchen sollen wissen, daß sie einen Platz im Herzen und im Gebet des Papstes haben! Ich danke dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, Bischof Jean Gabriel Diarra, für seine freundlichen Worte, die er in eurem Namen gesprochen hat, sowie für seine Darlegung der Realität der Kirche in eurem Land. Ich freue mich festzustellen, daß die katholische Gemeinschaft von Mali sich bei den Obrigkeiten und beim Volk großer Wertschätzung erfreut, und ich möchte die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, die Katecheten und alle Laien eurer Diözesen recht herzlich grüßen. Ich ermutige sie, mit Großherzigkeit das Evangelium Christi zu leben, das sie von ihren Vätern im Glauben empfangen haben. Mein Gruß gilt darüber hinaus allen Einwohnern von Mali, und ich bitte Gott, jede einzelne Familie zu segnen und allen ein Leben in Frieden und Brüderlichkeit zu gewähren.

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, wenn ihr eure innere Einheit und die Quelle eurer Kraft in der pastoralen Liebe sucht, der Seele eures Apostolats, und in der Zuneigung, die ihr der euch anvertrauten Herde entgegenbringt, dann wird euer Dienst seine volle Entfaltung und neue Wirkungskraft finden. Seid Hirten, die mit Begeisterung das Gottesvolk führen, als Männer des Glaubens, mit Vertrauen und Mut, und die es verstehen, allen Menschen nahe zu sein, um Hoffnung in ihnen zu wecken, selbst in den schwierigsten Situationen. Denn »nach dem Bilde Jesu Christi und auf seinen Spuren geht auch der Bischof hinaus, um ihn der Welt zu verkündigen als den Retter des Menschen, jedes Menschen. Als Missionar des Evangeliums handelt er im Namen der Kirche, die in der Tugend der Menschlichkeit erfahren und den Menschen unserer Zeit nahe ist« (Pastores gregis ).

Von aufrichtiger Liebe und besonderer Fürsorge geleitet, seid ihr für jeden eurer Priester ein Vater, ein Bruder und ein Freund. Sie arbeiten großherzig an eurer apostolischen Sendung mit und leben oft in menschlich und geistlich schwierigen Situationen. Der Diözesanklerus ist heute aufgerufen, bei der Evangelisierung größeren Raum einzunehmen, in brüderlicher und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Missionaren, deren mutigem Wirken ich meine Anerkennung ausspreche. Dabei müssen die Priester ihre priesterliche Identität leben, indem sie sich ganz dem Herrn hingeben, im selbstlosen Dienst an ihren Brüdern, ohne sich entmutigen zu lassen durch die Schwierigkeiten, denen sie gegenüberstehen. In einer immer innigeren Gemeinschaft mit dem, der sie berufen hat, werden sie, trotz vielfacher täglicher Beschäftigungen, inneren Halt finden für ihr Leben und Kraft für ihre Aufgabe im Dienst an den ihnen anvertrauten Männern und Frauen. Das Gebetsleben und das sakramentale Leben sind für die Priester eine echte pastorale Priorität, die ihnen helfen wird, auf den Ruf zur Heiligkeit, den sie vom Herrn empfangen haben, mit Entschiedenheit zu antworten und ihrer Sendung zu entsprechen, die Gläubigen auf denselben Weg zu führen. Sie sollen nie vergessen, was ich in der Enzyklika Deus Caritas est geschrieben habe: »Wer betet, vertut nicht seine Zeit, selbst wenn die Situation alle Anzeichen der Dringlichkeit besitzt und einzig zum Handeln zu treiben scheint« (). Damit die Priester wirksam an der Evangelisierung arbeiten und zum geistlichen Wachstum der christlichen Gemeinschaft beitragen können, muß ihrer Ausbildung größte Sorgfalt zuteil werden. Sie darf sich nämlich nicht auf die Weitergabe abstrakter Kenntnisse beschränken, sondern muß die Kandidaten auf das Priesteramt vorbereiten und daher wirklich an die Realität der Sendung und des priesterlichen Lebens gebunden sein. Die menschliche Ausbildung ist Grundlage für die priesterliche Ausbildung. Besondere Aufmerksamkeit gegenüber ihrer affektiven Reife wird es ihnen ermöglichen, auf das Leben im Zölibat und in der Keuschheit, einem kostbaren Geschenk Gottes, in Freiheit zu antworten und ihr Leben lang ein festgefügtes Bewußtsein davon zu besitzen.

Während die Kirche auf eurem Kontinent sich vorbereitet, die zehnte Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika abzuhalten, ist der Einsatz der Gläubigen im Dienst der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens dringend geboten. Die Laien müssen sich daher ihre Sendung innerhalb der einen Sendung der Kirche und die damit verbundenen geistlichen Anforderungen für ihr eigenes Leben erneut zu Bewußtsein bringen. Wenn sie sich mit Entschlossenheit um den Aufbau einer gerechten, solidarischen und brüderlichen Gesellschaft bemühen, dann werden sie echte Boten der »guten Nachricht« Jesu sein und zum Kommen des Reiches Gottes beitragen, indem sie die Welt heiligen und den Geist des Evangeliums in sie hineintragen. Damit diese Teilnahme an der Umwandlung der Gesellschaft Früchte tragen kann, ist es unerläßlich, kompetente Laien für den Dienst am Gemeinwohl auszubilden. Diese Ausbildung, zu der als wesentliches Element die Kenntnis der Soziallehre der Kirche gehört, muß ihrem Einsatz im zivilen Leben Rechnung tragen, damit sie sich den täglichen Aufgaben im Bereich der Politik, der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Kultur stellen können. So können sie zeigen, daß Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit im öffentlichen Leben dem Vertrauen von seiten aller Menschen und einer gesunden Handhabung aller Angelegenheiten den Weg ebnet.

89 Durch die Tätigkeit der Ordensgemeinschaften und der engagierten Laien leistet die Kirche ebenfalls einen wertvollen Beitrag zum Leben der Gesellschaft, insbesondere durch ihre Erziehungsarbeit zugunsten der jungen Generationen, durch ihre Fürsorge für die Leidenden und ganz allgemein durch ihre karitativen Werke. Diese Werke müssen jedoch wirklich Ausdruck der liebenden Gegenwart Gottes bei den notleidenden Menschen sein. Wie ich in meiner Enzyklika Deus caritas est hervorgehoben habe, besitzt das kirchliche Liebeshandeln ein spezifisches Profil, und daher ist es wichtig, daß es »seine volle Leuchtkraft behält und nicht einfach als eine Variante im allgemeinen Wohlfahrtswesen aufgeht« (). Die konkrete Unterstützung dieses Handelns - im Bereich der Erziehung und der Bildung sowie im Sozial- und Gesundheitswesen, das im Dienst der ganzen Bevölkerung steht, ohne irgend jemanden auszuschließen - durch die Verantwortungsträger der Nation kann für die Entwicklung der Gesellschaft nur eine wertvolle Hilfe sein.

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, eure Fünf-Jahres-Berichte lassen deutlich werden, daß die Ehepastoral im Leben eurer Diözesen ein spürbares Problem darstellt. Während nämlich die Zahl der christlichen Ehen noch immer relativ gering ist, ist es Aufgabe der Kirche, den Getauften und besonders den jungen Menschen unter ihnen die Schönheit und die Würde dieses Sakraments im christlichen Leben verständlich zu machen. Um der oft zum Ausdruck gebrachten Furcht vor dem endgültigen Charakter der Ehe zu begegnen, wird eine gründliche Vorbereitung unter Mitarbeit von Laien und Fachleuten es den christlichen Ehepaaren erlauben, dem Eheversprechen treu zu bleiben. Ihnen wird zu Bewußtsein kommen, daß die Treue der Eheleute und die Unauflöslichkeit ihres Bundes - dessen Vorbild die Treue ist, die Gott dem unzerstörbaren Bund gegenüber erweist, den er selbst mit dem Menschen geschlossen hat - eine Quelle des Glücks für diejenigen sind, die den Ehebund schließen. Und dieses Glück wird auch das ihrer Kinder sein, die der Abglanz der Liebe sind, die ihre Eltern einander entgegenbringen. Eine menschliche und christliche Erziehung, die ihnen von frühester Kindheit an geschenkt wird und die auf dem Vorbild der Eltern gründet, macht es den Kindern möglich, den aufkeimenden Glauben in sich aufzunehmen und ihn wachsen zu lassen. In diesem Geiste sage ich Dank für die jungen Menschen, die den Ruf hören und annehmen, Gott im Priestertum und im geweihten Leben zu dienen.

Schließlich möchte ich meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, daß die katholischen Gläubigen von Mali freundschaftliche Beziehungen zu ihren muslimischen Landsleuten pflegen. Von grundlegender Bedeutung ist es auch, der Vertiefung dieser Beziehungen die rechte Aufmerksamkeit entgegenzubringen, um die Freundschaft und eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen zu fördern. Zu diesem Zweck ist es rechtmäßig, daß jede Gemeinschaft ihrer eigenen Identität sichtbaren Ausdruck verleihen kann, im gegenseitigen Respekt und unter Anerkennung der religiösen Unterschiede innerhalb der nationalen Gemeinschaft und in der Förderung eines friedlichen Zusammenlebens auf allen Ebenen der Gesellschaft.

Dann ist es möglich, gemeinsam auf dem Weg zu sein und sich gemeinsam einzusetzen für Gerechtigkeit, Eintracht und Frieden. Zum Schluß, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, ermutige ich euch von Herzen für eure Sendung im Dienst des Evangeliums Christi. Die christliche Hoffnung, die euch beseelen muß, ist eine Stütze für den Glauben und ein Ansporn für die Liebe. Unsere Liebe Frau von Mali beschütze alle Familien eurer Nation! Jedem einzelnen von euch, den Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen, Seminaristen, Katecheten und allen Laien eurer Diözesen erteile ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen.



AN DIE TEILNEHMER EINER VON DER STIFTUNG "CENTESIMUS ANNUS - PRO PONTIFICE" VERANSTALTETEN INTERNATIONALEN KONFERENZ

Clementina-Saal - Samstag, 19. Mai 2007

90 Herr Kardinal,
verehrte Brüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Freunde!

Es ist für mich eine echte Freude, Sie nach der Eucharistiefeier, an der Sie heute morgen in der Petersbasilika teilgenommen haben, zu diesem Besuch zu empfangen. Jedem von Ihnen gilt mein herzlicher Gruß, allen voran Herrn Kardinal Attilio Nicora, Präsident der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls, während ich ihm für die im Namen aller Anwesenden an mich gerichteten Worte danke. Sodann ergeht mein Gruß an Graf Lorenzo Rossi di Montelera, den Präsidenten Ihrer Stiftung, an die anwesenden Bischöfe und Priester, und weiter an alle Mitglieder Ihrer wohltätigen Vereinigung, ebenso an alle, die an der heutigen Begegnung nicht teilnehmen konnten, sowie an Ihre Angehörigen.

Bei Ihrem diesjährigen Treffen haben Sie über die grundlegende und für die Stiftung »Centesimus Annus - Pro Pontifice« wesentliche Aufgabe nachgedacht, nämlich die aktuellsten Aspekte der Soziallehre der Kirche unter Bezugnahme auf die in der heutigen Welt dringendsten Probleme und Herausforderungen zu vertiefen. Sie sind aber auch gekommen, um dem Papst die Früchte Ihrer Großzügigkeit zu seiner Verfügung zu übergeben, damit er den vielen Bitten um Hilfe, die ihn aus allen Teilen der Welt erreichen, nachkommen kann. Und ich versichere Ihnen: Es sind wirklich sehr viele. Dank sei Ihnen daher für Ihren Beitrag, Dank für das, was Sie tun und für den Einsatz, mit dem Sie sich den Aktivitäten Ihrer von meinem verehrten Vorgänger Johannes Paul II. gewollten Vereinigung widmen. Ich nehme die Gelegenheit wahr, Ihnen zur weiteren Betrachtung einige kurze Überlegungen zu dem umfassenden und anregenden sozialen Thema zu geben, das Sie bei Ihren Arbeiten beschäftigt hat. Denn Sie haben die Veränderungen, die in den »Schwellenländern« im Gang sind, mit ihren Auswirkungen kultureller und religiöser Art unter wirtschaftlichem und sozialem Gesichtspunkt analysiert. Ihre Aufmerksamkeit galt besonders den Nationen Asiens, die ein starkes dynamisches Wirtschaftswachstum aufweisen, was jedoch nicht immer eine tatsächliche soziale Entwicklung mit sich bringt, und den Ländern Afrikas, wo das Wirtschaftswachstum und die soziale Entwicklung leider auf viele Hindernisse und Herausforderungen stoßen.

Was diese Völker wie im übrigen die Völker überall auf der Welt benötigen, ist zweifellos ein harmonischer sozialer und wirtschaftlicher Fortschritt, der eine wirklich menschliche Dimension hat. In diesem Zusammenhang möchte ich einen einprägsamen Abschnitt aus der Enzyklika Centesimus annus des geliebten Johannes Paul II. aufgreifen, wo er sagt: »Die Entwicklung darf nicht ausschließlich ökonomisch, sondern im gesamtmenschlichen Sinn verstanden werden. Es geht nicht einfach darum, alle Völker auf das Niveau zu heben, dessen sich heute die reichsten Länder erfreuen. Es geht vielmehr darum, in solidarischer Zusammenarbeit ein menschenwürdigeres Leben aufzubauen, die Würde und Kreativität jedes einzelnen wirksam zu steigern, seine Fähigkeit, auf seine Berufung und damit auf den darin enthaltenen Anruf Gottes zu antworten« (
CA 29).

Hier treffen wir auf eine bleibende Aussage der kirchlichen Soziallehre, die von meinen Vorgängern in den letzten Jahrzehnten immer wieder bekräftigt wurde. In dieses Jahr fällt der 40. Jahrestag der Veröffentlichung der großen Sozialenzyklika des Dieners Gottes Paul VI., Populorum progressio.In dem Text, der in den nachfolgenden Dokumenten wiederholt zitiert wird, bekräftigte dieser große Papst bereits mit Nachdruck, daß »Entwicklung nicht ausschließlich ökonomisch verstanden werden darf«. »Wahre Entwicklung muß umfassend sein, sie muß die Förderung jedes Menschen und des ganzen Menschen im Auge haben« (PP 14). Die Aufmerksamkeit für die wahren Bedürfnisse des Menschen, die Achtung der Würde jeder Person, das aufrichtige Bemühen um das Gemeinwohl - das sind die inspirierenden Grundsätze, die man sich bei der Planung der Entwicklung einer Nation vor Augen halten muß. Das geschieht jedoch leider nicht immer. Die heutige globalisierte Gesellschaft weist häufig paradoxe und dramatische Ungleichgewichte auf. Wenn man in der Tat das ständige Ansteigen der Wachstumsraten der Wirtschaft betrachtet, wenn man beginnt, die Probleme im Zusammenhang mit der modernen Entwicklung zu analysieren, ohne die hohe Umweltverschmutzung und den unverantwortlichen Konsum der Rohstoffe zu übersehen, dann scheint es klar zu sein, daß nur ein Globalisierungsprozeß, der die Erfordernisse der Solidarität berücksichtigt, der Menschheit eine Zukunft echten Wohlergehens und stabilen Friedens für alle garantieren kann.

Liebe Freunde, ich weiß, daß Sie, die Sie als Experten und gläubige Laien aktiv in der Welt engagiert sind, dazu beitragen wollen, diese Probleme im Licht der Soziallehre der Kirche zu lösen. Es ist auch Ihr Ziel, die Kultur der Solidarität und eine Wirtschaftsentwicklung zu fördern, die die realen Erwartungen der Menschen und Völker berücksichtigt. Während ich Sie dazu ermuntere, in Ihrem Engagement fortzufahren, möchte ich unterstreichen, daß nur aus der geordneten Verflechtung der drei unverzichtbaren Gesichtspunkte der Entwicklung - des ökonomischen, sozialen und humanen - eine freie und solidarische Gesellschaft entstehen kann. Ich mache mir in diesem Zusammenhang gern zu eigen, was Papst Montini in seiner bereits zitierten Enzyklika Populorum progressio mit leidenschaftlicher Klarheit ausgesprochen hat: »Die Entwicklungshilfe braucht immer mehr Techniker. Noch nötiger freilich hat sie weise Menschen mit tiefen Gedanken, die nach einem neuen Humanismus Ausschau halten, der den Menschen von heute sich selbst finden läßt, im Ja zu den hohen Werten der Liebe, der Freundschaft, des Gebets und der Betrachtung« (PP 20). Das ist Ihre Mission; das ist die Aufgabe, die Ihnen der Herr zum Dienst an der Kirche und der Gesellschaft aufträgt, und ich weiß, daß Sie sie mit Eifer und Großzügigkeit erfüllen. In diesem Zusammenhang habe ich mit Freude erfahren, daß Ihre Stiftung ihre Präsenz in verschiedenen Ländern Europas und Amerikas ausweitet. Darüber freue ich mich wirklich! Auf Sie und Ihre Initiativen sowie auf Ihre Familien rufe ich den Segen Gottes in Fülle herab.

AUFFÜHRUNG DES ORATORIUMS "RESURREXI"

Mittwoch, 23. Mai 2007

Meine Herren Kardinäle,

verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
sehr geehrte Damen und Herren!

Wenige Tage nach Abschluß der Osterzeit - am nächsten Sonntag werden wir das Hochfest Pfingsten feiern - haben wir an diesem Abend eine weitere Gelegenheit gehabt, innezuhalten und über das wundervolle Ereignis der Auferstehung Christi nachzudenken. Diese Möglichkeit wurde uns geboten durch die Aufführung des ausdrucksvollen Oratoriums, das die Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz mir und meinen Mitarbeitern zum Geschenk machen wollte - zu meinem 80. Geburtstag und als Krönung des »Ad-limina«-Besuchs der italienischen Bischöfe, der im Laufe dieses Pastoraljahrs in einer Atmosphäre tiefer kirchlicher Gemeinschaft stattgefunden hat. Danke, liebe und verehrte italienische Brüder im Bischofsamt, für dieses willkommene Geschenk. Wir haben gemeinsam zugehört, wie verschiedene Personen und Szenen aus dem Evangelium zu neuem Leben erweckt worden sind, die uns zum zentralen Geheimnis unseres Glaubens zurückführen: der Auferstehung des Herrn. Wir haben eine Aufführung genießen können, in der Konzert und Dichtung vereint sind unter dem Vorzeichen einer harmonischen Verflechtung von künstlerischer Ausdruckskraft und spiritueller Symbolik, von Melodie und Anregungen zur Meditation.

Am Ende dieses schönen Konzertes möchte ich allen, die zu seiner Verwirklichung beigetragen, es vorbereitet und ausgeführt haben, meinen Dank aussprechen. Zunächst gilt mein Dank Erzbischof Angelo Bagnasco, der seit einigen Monaten als Präsident die Leitung der Italienischen Bischofskonferenz übernommen hat. Ich begrüße ihn herzlich und danke ihm für die freundlichen Worte, die er zu Beginn unserer Begegnung an mich gerichtet hat. Ich versichere ihn meines Wohlwollens, verbunden mit dem beständigen Gebet für seinen hohen Auftrag, den er im Dienst an der Kirche Italiens auszuführen berufen ist. Mein Gruß gilt den Herren Kardinälen, den Bischöfen und Priestern, den anwesenden Autoritäten und allen, die bei diesem musikalischen Abend nicht fehlen wollten. Mit aufrichtiger Dankbarkeit grüße ich den Chor mit seinem Dirigenten Marco Faelli und das Orchester der Arena von Verona unter der Leitung von Julian Kovatchev. Ich danke dem Kinderchor »ALIVE« und seinem Dirigenten Paolo Facincani sowie dem Kinderchor »Benjamin Britten« unter der Leitung von Marco Tonini. Jedem von euch, liebe Künstler und Musiker, gilt mein herzlicher Dank für die wundervolle Aufführung dieses geistlichen Oratoriums, dessen Musik von Alberto Colla stammt und dessen poetischer Text von Roberto Mussapi verfaßt wurde: ihnen gilt meine aufrichtige und dankbare Wertschätzung.

Zu Beginn sagte ich, daß dieser musikalische Abend uns Gelegenheit gegeben hat, über das zentrale Ereignis unseres Glaubens nachzudenken: die Auferstehung Christi. Der Titel »Resurrexi« - »Ich bin erstanden«, der das lateinische Incipit des Eröffnungsverses der Messe vom Ostersonntag wiedergibt, klingt in der Tat wie eine Selbstbezeichnung Jesu, der sich in der Liturgie in seiner Identität als Auferstandener zu erkennen gibt. Das Oratorium läßt in uns die Gefühle des Staunens und der Freude wieder aufleben, die diejenigen empfunden haben, die die ersten Augenzeugen der Auferstehung waren. Die Autoren dieses Melodramas haben uns durch fünf »Bilder«, die mit Musik und Poesie harmonisch ineinander verflochten sind, geholfen, über den von einem strahlenden Licht erfüllten Morgen des dritten Tages nachzudenken, der den Jüngern das Herz geöffnet und ihnen ermöglicht hat, die dramatischen Ereignisse des Todes und der Auferstehung des göttlichen Meisters in ihrer vollen Bedeutung zu verstehen, und ebenso die vorangegangenen Gesten und Lehren seines Lebens.

Ostern ist das Herz des Christentums. Für jeden Gläubigen und jede kirchliche Gemeinschaft ist die Begegnung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus von großer Bedeutung. Ohne diese persönliche und gemeinschaftliche Erfahrung, ohne eine enge Freundschaft mit Jesus bleibt der Glaube oberflächlich und steril. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, daß auch dieses Oratorium, das wir mit andächtiger Aufmerksamkeit und Teilnahme angehört haben, uns helfen möge, in unserem Glauben zu reifen. Im Pascha Christi ist das neue Leben der auferstandenen Welt vorweggenommen: Wenn wir davon fest überzeugt sind, wird folglich unser Zeugnis für das Evangelium bewußter und unser apostolischer Einsatz eifriger sein. Diese Gabe erlange uns der Heilige Geist, der an Pfingsten in Fülle auf die entstehende Kirche herabkam. Während ich auch im Namen der Anwesenden den Initiatoren des Abends, wie auch den qualifizierten Dirigenten, Orchestermusikern und Sängern erneut meinen herzlichen Dank ausspreche, erteile ich mit diesen Gedanken allen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.

AN EINE DELEGATION AUS BULGARIEN AM GEDENKTAG DER HLL. CYRILL UND METHODIUS


91

Donnerstag, 24. Mai 2007



Herr Parlamentspräsident,
sehr geehrte Mitglieder der Regierung,
verehrte Brüder aus der
orthodoxen Kirche und der katholischen Kirche!

Es ist mir eine Freude, einen jeden von Ihnen am Gedenktag der hll. Cyrill und Methodius herzlich willkommen zu heißen. Dies ist eine sehr günstige Gelegenheit, um meine Wertschätzung und Nähe dem bulgarischen Volk zu bekunden, das auch heute durch die Entsendung dieser Delegation Zeugnis geben wollte von seinen christlichen Wurzeln. Ich sehe darin auch ein Zeichen für den Wunsch, die eigenen europäischen Traditionen zu bekräftigen, die tief von den Werten des Evangeliums durchdrungen sind. Bezogen auf den Augenblick seiner Entstehung beginnt die Geschichte Bulgariens sicher vor der christlichen Verkündigung. Aber zweifellos hat die Nation im Evangelium eine Quelle von Werten gefunden, die imstande waren, die Kultur, Identität und den charakteristischen Geist des Volkes zu bestärken. Auf diese Weise hat die Lehrtätigkeit der Brüder aus Thessalonike dazu beigetragen, die geistliche Physiognomie des bulgarischen Volkes zu formen und ihm mit Recht die Einfügung in die kulturelle Tradition des europäischen Kontinents zu ermöglichen.

Nach der betrüblichen und harten kommunistischen Herrschaft ist Bulgarien heute auf eine volle Integration mit den anderen europäischen Nationen ausgerichtet. Gerade im Rückgriff auf die Lehren von Cyrill und Methodius wird diese edle Nation die bisher erreichten Ziele festigen können, indem sie aus der Quelle der wertvollen menschlichen und geistlichen Werte schöpft, die ihr Leben und ihre Entwicklung beseelt hat. Es ist mein tiefer Wunsch, daß die in der bulgarischen Gesellschaft vorhandenen kulturellen und geistlichen Grundlagen nicht nur auf dem Territorium der Republik weiterhin gepflegt werden, sondern daß sie durch ihren wertvollen Beitrag auch in den Zusammenschlüssen verteidigt und vorgeschlagen werden können, in denen sie mittlerweile eine angesehene und zentrale Rolle spielt. Insbesondere wünsche ich, daß Bulgarien und sein Volk jene christlichen Werte bewahrt und fördert, die sich von den Lehren der hll. Cyrill und Methodius herleiten und heute mehr denn je aktuell und notwendig sind. Bei diesem Anlaß möchte ich daran erinnern, daß die Gedanken und Sorgen des bulgarischen Volkes mir immer gegenwärtig sind und ich dafür mein Gebet und meine geistliche Nähe zusichere.

Mit diesen Gedanken erneure ich den Ausdruck meiner Wertschätzung mit der Beteuerung, daß der Heilige Stuhl den Weg dieser Nation mit freundschaftlicher Aufmerksamkeit verfolgen wird. Ihnen, Herr Präsident, und den ehrenwerten Mitgliedern der Delegation gilt erneut mein mit Segen und Gebet verbundener Gruß, mit dem ich alle Einwohner der geliebten bulgarischen Republik erreichen möchte.

AN EINE DELEGATION AUS DER EHEMALIGEN JUGOSLAWISCHEN REPUBLIK MAZEDONIEN AM GEDENKTAG DER HLL. CYRILL UND METHODIUS

Donnerstag, 24. Mai 2007



Herr Parlamentspräsident,
sehr geehrte Mitglieder der Regierung,
92 verehrte Brüder aus der
orthodoxen Kirche und der katholischen Kirche!

In lebendiger Erinnerung bewahre ich die jüngste Begegnung, bei der Seine Exzellenz der Herr Ministerpräsident mir den herzlichen Gruß des obersten Vertreters Ihres Landes übermittelt hat. Mit Freude denke ich auch an den daraus entstandenen Briefwechsel, der Zeugnis gibt von den freundschaftlichen und guten Beziehungen zwischen dem Apostolischen Stuhl und jener Republik, die hier von Ihnen so würdig vertreten wird. Diese Zusammenarbeit umfaßt sowohl zivile als auch religiöse Aspekte, und es ist unser tiefer Wunsch, daß diese Bande immer mehr gefestigt werden können.

Auch die heutige Begegnung, die traditionsgemäß aus Anlaß des Gedenktags der hll. Cyrill und Methodius stattfindet, fügt sich in diesen Rahmen gegenseitiger Wertschätzung und Freundschaft ein. Diese beiden großen Apostel des Evangeliums, Lehrermeister des Glaubens für die slawischen Völker, werden als Fürsprecher und Schutzpatrone aller Katholiken Europas angerufen, die das uns von ihnen überlieferte geistliche Erbe unverfälscht bewahren und gemeinsam eine Zukunft des Fortschritts und des Friedens für alle aufbauen wollen.

Ich entbiete Ihnen meinen herzlichen Willkommensgruß und mache mir den von Ihnen zum Ausdruck gebrachten Wunsch zu eigen, daß nicht nur das Ihnen hinterlassene geistliche Erbe allen zugute komme, sondern daß auch die Ihnen aufgrund ihrer Tradition und Kultur nahestehenden übrigen europäischen Völker Ihrer besonderen Identität die gebührende und von Ihnen erwartete Beachtung schenken. Die heiligen Mitpatrone Europas, auf die Sie sich mit gutem Recht berufen, haben einen menschlichen und geistlichen Weg vorgezeichnet, der Ihr Land zu einem Ort der Begegnung zwischen verschiedenen kulturellen und religiösen Wirklichkeiten macht. Der friedliche Ausgleich zwischen den Bestrebungen der dort lebenden Völker stellt für den europäischen Kontinent ein Beispiel aktiven und fruchtbaren Austausches dar, auf das der Heilige Stuhl voll Anerkennung blickt.

Mein von Herzen kommender Wunsch ist, daß Sie stets in Treue das Erbe Ihrer beiden Schutzpatrone bewahren können, so daß Ihre Stimme sowohl im zivilen als auch im religiösen Bereich gehört und ihr angemessen Beachtung geschenkt werde. Während ich Gott um Wohlergehen und Frieden für Ihr Vaterland bitte, ist es mir eine Freude, einem jeden von Ihnen bei diesem feierlichen Anlaß den Ausdruck des freundschaftlichen Wohlwollens des Apostolischen Stuhls zu bekunden. Diese meine herzlichen Empfindungen verbinde ich mit der Zusicherung meiner persönlichen Wertschätzung und Freundschaft. Von neuem spreche ich Ihnen meine aufrichtigen guten Wünsche aus, die begleitet sind von meinem Gebet, das ich zu Gott erhebe für die hier Anwesenden, für die Obrigkeiten und für das mazedonische Volk. AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG

DER ITALIENISCHEN BISCHOFSKONFERENZ


Synodenaula

Donnerstag, 24. Mai 2007

Liebe italienische Mitbrüder im Bischofsamt!


Aus Anlaß eurer 57. Generalversammlung haben wir heute noch einmal die glückliche Gelegenheit, einander zu begegnen und einen Augenblick tiefer Gemeinschaft zu erleben. Ich begrüße euren neuen Vorsitzenden, Erzbischof Angelo Bagnasco, und danke ihm von Herzen für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Kardinal Camillo Ruini, der viele Jahre lang eurer Bischofskonferenz als Vorsitzender gedient hat, bringe ich erneut meine Dankbarkeit zum Ausdruck. Ich begrüße die drei stellvertretenden Vorsitzenden und den Generalsekretär. Ich begrüße jeden von euch sehr herzlich und erlebe dabei wieder die Freundschaft und die Gemeinschaft, die ich euch aus Anlaß eures »Ad-limina«-Besuches persönlich zeigen konnte. Diese Begegnung mit allen Hirten der Kirche in Italien ist für mich eine wunderbare Erinnerung. Ich habe auf diese Weise sozusagen die »äußere«, vor allem aber die »geistliche« Geographie des schönen Italiens kennengelernt. Ich konnte wirklich ins Innerste des Lebens der Kirche eintreten, wo noch immer ein großer Reichtum vorhanden ist und der Glaube viel Lebenskraft besitzt. Es fehlt dort in unserer schwierigen Zeit nicht an Problemen, aber man sieht auch, daß die Kraft des Glaubens tief in den Seelen wirkt. Auch dort, wo der Glaube ausgelöscht zu sein scheint, bleibt eine kleine Flamme erhalten; und wir können sie neu entfachen.

Ich möchte vor allem über den »Ad-limina«-Besuch sprechen, den ihr in den vergangenen Monaten durchgeführt habt, denn er ließ mich großen Trost und Freude erfahren, und er hat mir außerdem Gelegenheit gegeben, euch und eure Diözesen besser kennenzulernen und die Freuden und Sorgen, von denen der Hirtendienst begleitet ist, mit euch zu teilen. Diese Begegnungen mit euch haben mich insgesamt vor allem in der Gewißheit bestätigt, daß in Italien der Glaube lebendig und tief verwurzelt ist und daß die Kirche eine Wirklichkeit des Volkes ist, die den Menschen und den Familien sehr nahesteht. Zweifellos gibt es unterschiedliche Situationen in diesem Land, das so reich ist an Geschichte, auch an religiöser Geschichte, und das gekennzeichnet ist durch viele verschiedene Traditionen und unterschiedliche Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie Einkommensverhältnisse. Der katholische Glaube und die Anwesenheit der Kirche sind jedoch auch weiterhin der große einigende Faktor dieser geliebten Nation und ein wertvoller Quell sittlicher Kraft für ihre Zukunft.


ANSPRACHE 2007 Januar 2007 87