ANSPRACHE 2008 Januar 2008 173

173 Liebe Mitbrüder, ihr wißt, daß die Aufgabe des wahren Zeugen Christi nicht einfach ist, daß sie viel von uns verlangt. Aber sie ist auch klar und deutlich, und mehr als auf die eigenen Kräfte zählt sie auf die Macht dessen, der »die Welt besiegt« hat (vgl. Jn 16,33). Laßt euch in den vielen Situationen religiöser Gleichgültigkeit oder Apathie nicht von der Mutlosigkeit leiten, sondern vermittelt auch weiterhin die »Hoffnung, die nicht zugrunde gehen läßt« (Rm 5,5), und laßt die Armen und Notleidenden durch die Liebeswerke der kirchlichen Gemeinschaften an der Liebe Christi teilhaben. In den schwierigen Situationen, in denen sich auch die Uruguayer befinden, ist die Kirche aufgerufen, die Herzensgröße, Solidarität und Opferbereitschaft der Familie der Kinder Gottes gegenüber den notleidenden Brüdern zu zeigen.

Zum Abschluß dieser Begegnung bitte ich euch, euren Priestern und Seminaristen, Klöstern und Ordensgemeinschaften, Bewegungen und Vereinigungen, Katecheten und allen anderen Personen, die sich der begeisternden Aufgabe widmen, dem Volk Gottes das Licht Christi zu bringen und es lebendig zu erhalten, einen herzlichen Gruß zu übermitteln. Ich rufe den Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria auf eure apostolischen Aufgaben und auf alle geliebten Uruguayer herab und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen.



AN DIE TEILNEHMER DER INTERNATIONALEN TAGUNG DER BEWEGUNG "RETROUVAILLE"

Apostolischer Palast in Castelgandolfo

Freitag, 26. September 2008


Verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit Freude empfange ich euch heute anläßlich des Welttreffens der Bewegung »Retrouvaille«. Ich begrüße die Eheleute und Priester sowie die internationalen Leiter dieser Vereinigung, die seit über dreißig Jahren mit großer Hingabe im Dienst der Ehepaare tätig ist, die sich in Schwierigkeiten befinden. Insbesondere begrüße ich Bischof Giuseppe Anfossi, den Vorsitzenden der Bischöflichen Kommission der Italienischen Bischofskonferenz für die Familie und das Leben, und ich danke ihm für die freundlichen Worte und für die Ausführungen über die Zielsetzungen eurer Bewegung.

Liebe Freunde, mich hat eure Erfahrung beeindruckt, welche euch mit Familien in Kontakt bringt, die eine Ehekrise durchmachen. Als ich über eure Tätigkeit nachdachte, habe ich ein weiteres Mal den »Finger« Gottes, das heißt das Wirken des Heiligen Geistes erkannt, der in der Kirche Antworten hervorbringt, die den jeweiligen Bedürfnissen und Dringlichkeiten der Zeit entsprechen. Sicher stellen die Trennungen und Scheidungen derzeit ein äußerst dringendes Problem dar. Von der Vorsehung getragen war deshalb im Jahr 1977 die Initiative der kanadischen Eheleute Guy und Jeannine Beland, den Eheleuten in schweren Ehekrisen zu helfen. Die Krisen sollten durch ein spezielles Programm angegangen werden, das auf die Wiederherstellung ihrer Beziehungen abzielte, dies nicht als Alternative zu den psychologischen Therapien, sondern durch einen eigenen und zusätzlichen Weg. Denn ihr seid keine Spezialisten; ihr seid Eheleute, die am eigenen Leib dieselben Schwierigkeiten erfahren und sie mit der Gnade Gottes und der Unterstützung von »Retrouvaille« überwunden haben. Ihr hattet dann den Wunsch und die Freude, eurerseits die eigene Erfahrung in den Dienst von anderen zu stellen. Unter euch sind manche Priester, die die Eheleute auf ihrem Weg begleiten und mit ihnen das Wort Gottes und das Brot des Lebens teilen. »Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben« (Mt 10,8): Auf diese Worte, die Jesus an seine Jünger gerichtet hat, nehmt ihr ständig Bezug.

Wie eure Erfahrung lehrt, ist die Ehekrise - wir sprechen hier von ernsten und schweren Krisen - eine Wirklichkeit mit zwei Seiten. Auf der einen Seite zeigt sie sich, besonders in ihrer akuten und schmerzlichen Phase, als ein Scheitern, als der Beweis, daß der Traum zu Ende ist oder sich in einen Albtraum verwandelt hat und daß leider »nichts mehr zu machen ist«. Das ist die negative Seite. Aber da ist noch die andere Seite, die wir oft nicht erkennen, die aber Gott sieht. Denn jede Krise, das lehrt uns die Natur, ist ein Übergang zu einer neuen Lebensphase. Während das in den niederen Geschöpfen automatisch geschieht, sind beim Menschen die Freiheit, der freie Wille und damit eine Hoffnung einbezogen, die größer als die Verzweiflung ist. In den dunkelsten Augenblicken haben die Eheleute die Hoffnung verloren. Also werden andere Personen gebraucht, die die Hoffnung bewahren; es wird ein »Wir« gebraucht, eine Gruppe wahrer Freunde, die unter höchster Achtung, aber auch mit echtem Willen bereit sind, ein wenig von der eigenen Hoffnung mit denen zu teilen, die sie verloren haben. Nicht auf sentimentale oder zaghafte, sondern auf gut organisierte und realistische Weise. So werdet ihr für die Ehepaare im Augenblick des Bruches zur konkreten Möglichkeit, einen positiven Bezugspunkt zu haben, dem man sich in der Verzweiflung anvertrauen kann. Denn wenn sich die Beziehung verschlechtert, stürzen die Eheleute in die Einsamkeit, sowohl als einzelne als auch als Ehepaar. Sie verlieren den Horizont der Gemeinschaft mit Gott, mit den anderen und mit der Kirche. Da bieten eure Begegnungen den »Anhaltspunkt«, damit sie sich nicht ganz verirren und allmählich wieder den rechten Weg einschlagen. Ich denke gern an euch als Hüter einer größeren Hoffnung für die Eheleute, die sie verloren haben.

Die Krise ist also gleichsam eine Wachstumsphase. Diesbezüglich kann man die Erzählung von der Hochzeit in Kana auslegen (Jn 2,1-11). Die Jungfrau Maria erkennt, daß die Eheleute »keinen Wein mehr haben« und sagt es Jesus. Dieser Mangel an Wein erinnert an den Augenblick, wo im Leben der Eheleute die Liebe endet, die Freude erschöpft ist und der Enthusiasmus für die Ehe mit einem Mal schwindet. Nachdem Jesus das Wasser in Wein verwandelt hatte, wurden dem Bräutigam Komplimente gemacht, weil er - so sagte man - »den guten Wein« bis zuletzt aufgehoben hatte. Das heißt, daß der Wein Jesu besser war als der vorhergegangene. Wir wissen, daß dieser »gute Wein« das Zeichen der Erlösung, des neuen hochzeitlichen Bundes ist, den Jesus mit der Menschheit schließen wollte. Aber gerade dieses Bundes wegen ist jeder christliche Ehebund, auch der armseligste und brüchigste, ein Sakrament und kann deshalb in der Demut den Mut finden und vom Herrn Hilfe erbitten. Wenn ein Ehepaar in Schwierigkeiten oder - wie eure Erfahrung lehrt - sogar schon getrennt ist, soll es sich Maria anvertrauen und sich an den wenden, der die beiden »zu einem Fleisch« gemacht hat. So kann es sicher sein, daß diese Krise mit der Hilfe des Herrn eine Wachstumsphase ist und daß die Liebe gereinigt, gereift und gestärkt daraus hervorgehen wird. Das kann nur Gott bewirken, der sich seiner Jünger als fähiger Mitarbeiter bedienen will, die die Eheleute zusammenführen, sie anhören und ihnen helfen, den verborgenen Schatz des Ehebundes, das unter der Asche verborgene Feuer, wiederzufinden. Gott ist es, der die Flamme belebt und brennen läßt; sicher nicht wie ein Verliebtsein, sondern auf andere stärkere und tiefere Weise, aber immer dieselbe Flamme.

Liebe Freunde, ihr wollt den anderen in einem so heiklen Bereich dienen. Ich sichere euch mein Gebet zu, damit euer Einsatz nicht zu reinem Aktivismus wird, sondern im Grund immer Zeugnis der Liebe Gottes bleibt. Euer Dienst ist »gegen den Strom« gerichtet. Denn heute findet ein Ehepaar in Schwierigkeiten sogleich viele Personen, die ihm zur Trennung raten. Auch den im Namen des Herrn verheirateten Eheleuten wird sehr leicht die Scheidung vorgeschlagen und dabei vergessen, daß der Mensch das nicht trennen darf, was Gott verbunden hat (vgl. Mt 19,6 Mc 10,9). Um euren Auftrag zu erfüllen, müßt auch ihr euer geistliches Leben ständig nähren und das, was ihr tut, mit Liebe tun, damit angesichts der Schwierigkeiten eure Hoffnung nicht nachläßt oder zu einer reinen Formsache wird. Bei diesem schwierigen apostolischen Werk helfe euch die Heilige Familie von Nazaret, der ich euren Dienst und besonders die schwierigsten Fälle anvertraue. Maria, die Königin der Familie, stehe euch bei! Von Herzen erteile ich euch und allen Mitgliedern der Bewegung »Retrouvaille« den Apostolischen Segen.



AN HERRN PAVEL VOSALÍK, NEUER BOTSCHAFTER DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK BEIM HL. STUHL

Apostolischer Palast von Castelgandolfo - Saal der Päpste

Samstag, 27. September 2008

174


Herr Botschafter!

Es ist mir eine Freude, Sie heute anläßlich der Übergabe des Beglaubigungsschreibens zu empfangen, durch das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Tschechischen Republik beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke für Ihre freundlichen Worte beim Antritt der Ihnen von Ihrer Regierung übertragenen Mission. Bitte übermitteln Sie Seiner Exzellenz Herrn Václav Klaus, Präsident der Republik, meine respektvollen Grüße, während ich ihn meiner Gebete für das Wohlergehen aller Menschen in Ihrem Land versichere.

Herr Botschafter, ich weiß es zu schätzen, daß Sie den Einfluß des Christentums auf das reiche kulturelle Erbe Ihrer Nation hervorgehoben haben wie auch die wichtige Rolle, die das Evangelium spielte, wenn es darum ging, dem tschechischen Volk in Zeiten der Unterdrückung Hoffnung zu bringen. Hoffnung ist in der Tat die zeitlose Botschaft, die die Kirche jeder Generation anbietet und sie dazu motiviert, an der globalen Aufgabe mitzuwirken, Bande des Friedens und des guten Willens unter allen Völkern zu knüpfen. Das tut sie in besonderer Wese mittels ihrer diplomatischen Tätigkeit, durch die sie die Würde der Menschen herausstellt, die zu einem Leben der Gemeinschaft mit Gott und miteinander bestimmt sind.

Gestärkt durch das Solidaritätsgefühl, das sie befähigte, mutig aus dem Zusammenbruch des Totalitarismus herauszufinden, hat Ihre Nation auch den Wunsch, durch Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen Gewalt, Hunger, Armut und andere soziale Übel zum Wohl der Menschheitsfamilie beizutragen. Schon bald werden sich für Ihr Land neue Wege der Einflußnahme eröffnen, wenn es sich auf die Übernahme des Ratsvorsitzes der Europäischen Union im nächsten Jahr vorbereitet. Ich bin zuversichtlich, daß durch klare Zielsetzungen und durch die Förderung des Engagements aller Mitgliedsstaaten die herausragende Ehre des sechsmonatigen Ratsvorsitzes der Tschechischen Republik die Ausübung einer starken Führung erlauben wird, in dem gemeinsamen Bemühen, Einheit und Verschiedenheit, nationale Souveränität und gemeinsames Handeln, wirtschaftlichen Fortschritt und soziale Gerechtigkeit auf dem ganzen Kontinent in Einklang zu bringen.

Die Kirche ist sich sehr wohl der vielen Herausforderungen bewußt, vor denen Europa gerade zu einem Zeitpunkt steht, wo seine Nationen bestrebt sind, eine stabilere internationale Gemeinschaft für künftige Generationen aufzubauen. Um voranzukommen, sind die politischen Verantwortungsträger Europas aufgerufen zu erkennen, daß menschliches Glück und Wohlergehen nicht durch Strukturen allein oder durch eine einzige Kraft im sozialen und politischen Leben gewährleistet werden kann (vgl. Enzyklika Spe salvi ). Die Verwirklichung einer authentischen, der edlen Berufung des Menschen würdigen Kultur erfordert die harmonische Zusammenarbeit von Familien, Kirchengemeinden, Schulen, Unternehmen, Gemeindeorganisationen und staatlichen Einrichtungen. Weit davon entfernt, ein Selbstzweck zu sein, dienen diese organisierten Einrichtungen dem Dienst an der Allgemeinheit und sind im Hinblick auf das Gemeinwohl vollkommen miteinander verbunden (vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus
CA 13).

Aus diesem Grund kommt es der gesamten Gesellschaft zugute, wenn der Kirche das Recht gewährt wird, die für die Ausübung ihres Amtes benötigten materiellen und geistlichen Güter zu verwalten (vgl. Gaudium et spes GS 88). Es gibt in Ihrer Nation Anzeichen eines Fortschritts auf diesem Gebiet, aber es muß noch mehr geschehen. Ich bin zuversichtlich, daß die Sonderkommissionen, die von der Regierung und dem Parlament Ihres Landes zur Lösung des leidigen Problems des kirchlichen Eigentums eingesetzt wurden, mit Ehrlichkeit, Fairneß und einer echten Anerkennung der Fähigkeit der Kirche, zum Wohl der Republik beizutragen, vorgehen werden. Im besonderen hoffe ich, daß man solche Überlegungen klar im Auge haben wird, wenn eine Lösung für die Zukunft der Kathedrale in Prag gesucht wird: Sie ist ein lebendiges Zeugnis für das reiche kulturelle und religiöse Erbe Ihres Landes und zeugt von dem harmonischen Miteinander von Kirche und Staat.

Wie es seinem Wesen entspricht, fordert das Evangelium die Gläubigen auf, sich in liebevollem Dienst ihren Brüdern und Schwestern zu widmen, ohne Unterschied und ohne nach den Kosten zu fragen (vgl. Lc 10,25-7). Die Liebe ist die Bekundung des Glaubens nach außen, die die Gemeinschaft der Gläubigen trägt und sie befähigt, Zeichen der Hoffnung für die Welt zu sein (vgl. Jn 13,35). Ein leuchtendes Beispiel dieser sichtbaren Liebe ist das Wirken der »Caritas«, deren Mitglieder sich tagtäglich in einem breiten Spektrum sozialer Dienste in Ihrem Land engagieren. Das zeigt sich besonders in dem Dienst, den sie den Frauen, die ein Kind erwarten, den Obdachlosen, Behinderten und Strafgefangenen anbietet. Die Zusammenarbeit zwischen der Tschechischen Caritas und den staatlichen Ministerien für Gesundheit, Arbeit und Soziale Angelegenheiten ist ein Beweis dafür, welche potentiellen Früchte aus der engen Zusammenarbeit zwischen staatlichen und kirchlichen Organen erwachsen können (vgl. Enzyklika Deus Caritas est ).

Ich möchte hier das enorme Bildungspotential für junge Leute hervorheben, deren Teilnahme an derartigen Initiativen sie lehrt, daß echte Solidarität nicht nur in der Bereitstellung materieller Güter, sondern in der Selbsthingabe besteht (vgl. Lc 17,33). Während die Tschechische Republik die Formen der Beteiligung an der Aufgabe, eine verbindlichere und kooperativere internationale Gemeinschaft zu bilden, auszuweiten versucht, sollten wir die zahlreichen tschechischen Staatsbürger nicht vergessen, die bereits im Ausland in der Langzeitentwicklung und in Hilfsprojekten unter der Schirmherrschaft der Caritas und anderer humanitärer Organisationen arbeiten. Ich ermutige sie herzlich in ihren Bemühungen und anerkenne lobend die Hochherzigkeit aller Ihrer Landsleute, die auf kreative Weise nach Wegen suchen, um dem Gemeinwohl sowohl in Ihrer Nation wie auf dem ganzen Erdball zu dienen.

Bevor ich schließe, Exzellenz, erlaube ich mir, zum tragischen Tod von Herrn Ivo Zdárek, Botschafter der Tschechischen Republik in Pakistan, der sich unter den beim jüngsten Anschlag in Islamabad getöteten Opfern befand, Ihnen und Ihren Mitbürgern mein aufrichtiges Beileid zum Ausdruck zu bringen. Ich bete täglich für ein Ende derartiger aggressiver Aktionen und ermutige alle im diplomatischen Dienst tätigen Personen, sich immer eifriger für die Förderung von Frieden und Sicherheit überall auf der Welt einzusetzen. Zum Antritt Ihres Dienstes, Herr Botschafter, spreche ich Ihnen meine herzlichen Wünsche dafür aus, daß die Ihnen anvertraute wichtige Mission fruchtbar sein möge. Sie sollen wissen, daß die Ämter der Römischen Kurie Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben gern behilflich sind.

175 Während ich Sie freundlich bitte, die Menschen in der Tschechischen Republik meiner Gebete und Wertschätzung zu versichern, rufe ich auf sie die Fülle des göttlichen Segens herab und vertraue sie der liebenden Vorsehung des allmächtigen Gottes an.

AN DIE TEILNEHMER EINER VOM ZENTRUM FÜR JUGENDTOURISMUS (CTG) UND VOM INTERNATIONALEN BÜRO FÜR SOZIALTOURISMUS (BITS) AUSGERICHTETEN TAGUNG

Apostolischer Palast in Castelgandolfo

Samstag, 27. September 2008


Herr Kardinal,
liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Freunde!

Mit Freude empfange ich euch und heiße euch herzlich willkommen. Ich danke Kardinal Martino, Präsident des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, daß er mir die Beweggründe für die heutige Begegnung anschaulich dargelegt und sich zum Übermittler auch eurer Empfindungen gemacht hat. Ich begrüße Erzbischof Agostino Marchetto, Sekretär dieses für die Seelsorge am Menschen unterwegs zuständigen Dikasteriums, in dessen Bereich auch die Tourismusseelsorge fällt. Mein Gruß ergeht außerdem an Frau Maria Pia Bertolucci und Msgr. Guido Lucchiari, Präsidentin bzw. kirchlicher Berater des Zentrums für Jugendtourismus (CTG), dem Hauptinitiator dieses Besuchs, sowie an Dr. Norberto Tonini, Präsident des Internationalen Büros für Sozialtourismus (BITS), das sich der Initiative angeschlossen hat. Ein herzlicher Gruß an euch alle, die ihr hier anwesend seid.

Unsere Begegnung findet anläßlich des Welttags des Tourismus statt, der heute begangen wird. Das diesjährige Thema - »Der Tourismus stellt sich der Herausforderung des Klimawandels« - verweist auf eine höchst aktuelle Problematik, die auf das Potential der Tourismusbranche gegenüber dem Zustand unseres Planeten und des Wohls der Menschheit Bezug nimmt. Eure beiden Einrichtungen engagieren sich bereits für einen Tourismus, der aus der Sicht von Nachhaltigkeit und Solidarität auf die ganzheitliche Förderung des Menschen achtet; und das macht euch zu qualifizierten Mitwirkenden an dem tätigen Einsatz für den Schutz und die verantwortungsvolle Erschließung der Ressourcen der Schöpfung, dieses unermeßlichen Geschenks Gottes an die Menschheit.

Die Menschheit hat die Pflicht, diesen Schatz zu schützen und sich gegen eine wahllose Nutzung der Güter der Erde zu engagieren. Ohne eine angemessene ethische und moralische Grenze kann das menschliche Verhalten nämlich zu einer Bedrohung und Herausforderung werden. Die Erfahrung lehrt, daß der verantwortungsvolle Umgang mit der Schöpfung zu einer gesunden und nachhaltigen Tourismuswirtschaft gehört oder gehören sollte. Umgekehrt schaden der falsche Umgang mit der Natur und der Mißbrauch an der Kultur der einheimischen Bevölkerung auch dem Tourismus. Die Umwelt respektieren zu lernen, lehrt auch, die anderen und sich selbst zu respektieren. Bereits 1991 hatte mein geliebter Vorgänger Johannes Paul II. in der Enzyklika Centesimus annus die übertriebene und willkürliche Ausbeutung der Ressourcen angeprangert und daran erinnert, daß der Mensch Mitarbeiter Gottes am Werk der Schöpfung ist und sich nicht an dessen Stelle setzen darf. Er hatte auch unterstrichen, daß »sich die heutige Menschheit ihrer Pflichten und Aufgaben gegenüber den künftigen Generationen bewußt sein muß« (CA 37).

Daher müssen vor allem im Tourismusbereich, dem großen Nutznießer der Natur, alle zu einem ausgewogenen Umgang mit ihrer natürlichen Umgebung bereit sein, die unser gemeinsames Haus ist und dies für alle, die nach uns kommen, bleiben soll. Der Zerstörung der Umwelt kann nur Einhalt geboten werden, wenn sich eine entsprechende Verhaltenskultur verbreitet, die maßvollere Lebensstile einschließt. Daher ist es, wie ich kürzlich gesagt habe, so wichtig, zu einer Ethik der Verantwortlichkeit zu erziehen und »konstruktivere Vorschläge zu machen, um das Wohl der kommenden Generationen zu gewährleisten« (Ansprache im Elysée-Palast, 12. September 2008).

Überdies teilt die Kirche mit euren Einrichtungen und anderen ähnlichen Organisationen das Bemühen um die Verbreitung des sogenannten sozialen Tourismus, der die Teilnahme der schwächeren Schichten fördert und so ein wirksames Werkzeug im Kampf gegen die Armut und viele andere Übel sein kann, indem er Arbeitsplätze schafft, die Ressourcen schützt und die Gleichheit fördert. Dieser Tourismus ist ein Grund zur Hoffnung in einer Welt, in der die Kluft zwischen denen, die alles haben, und den vielen, die Hunger, Not und Durst leiden, immer größer wird. Ich wünsche mir, daß das Reflektieren über dieses Thema, das anläßlich des Welttags des Tourismus gewählt wurde, sich positiv auswirke bezüglich des Lebensstils vieler Touristen, so daß ein jeder seinen Beitrag zum Wohl aller leistet, das schließlich das Wohl jedes einzelnen ist.

176 Schließlich richte ich an die Jugendlichen eine Einladung: Sie mögen durch eure Einrichtungen Initiatoren und Förderer werden, die in einer korrekten Umweltperspektive die Wertschätzung der Natur und ihren Schutz zum Ziel haben, wie ich beim Weltjugendtag im vergangenen Juli in Sydney mehrmals unterstrichen habe. Es steht auch den jungen Generationen zu, einen gesunden und solidarischen Tourismus zu fördern, der dem Konsumdenken und der Verschwendung der Ressourcen der Erde eine Absage erteilt, um Raum zu lassen für Gesten der Solidarität und Freundschaft, der Erkenntnis und des Verständnisses. Auf diese Weise kann der Tourismus zu einem bevorzugten Werkzeug der Erziehung zu einem friedlichen Zusammenleben werden. Gott helfe euch bei eurer Arbeit. Ihr dürft sicher sein: Ich versichere euch meines Gedenkens im Gebet, während ich euch, die ihr hier anwesend seid, euren Lieben und den Mitgliedern eurer verdienstvollen Einrichtungen von Herzen den Apostolischen Segen erteile.


                                                Oktober 2008


AN DIE BISCHÖFE AUS ZENTRALASIEN ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Donnerstag, 2. Oktober 2008



Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt!

Ich freue mich besonders, zum Abschluß eures »Ad-limina«-Besuchs mit euch zusammenzutreffen. Mit lebhaftem Dank nehme ich euren Gruß entgegen, den Erzbischof Tomash Peta zum Ausdruck gebracht hat. Ich begrüße jeden einzelnen von euch: die Bischöfe und den Delegaten für die griechisch-katholischen Gläubigen von Kasachstan, den Apostolischen Administrator von Kirgisistan, den Apostolischen Administrator von Usbekistan, den Superior der »Missio sui iuris« in Tadschikistan sowie den Superior der »Missio sui iuris« in Turkmenistan. Ich danke euch auch dafür, daß ihr mir die Grüße der Gläubigen überbracht habt, die eurer Hirtensorge in den Regionen Zentralasiens anvertraut sind. Ich versichere euch, daß der Nachfolger des Petrus euren Dienst mit ständigem Gebet und brüderlicher Zuneigung begleitet. Dieses Haus des Bischofs von Rom ist auch euer Haus.

Mit großem Interesse und großer Aufmerksamkeit habe ich von jedem von euch etwas über die reale Situation, die Aufgaben, die Projekte und die Wünsche eurer Gemeinden gehört, natürlich zusammen mit den Problemen und Schwierigkeiten, denen ihr in der Seelsorge begegnet. Danken wir dem Herrn, daß trotz der harten Unterdrückung während der Jahre des atheistischen und kommunistischen Regimes dank der Opferbereitschaft eifriger Priester, Ordensleute und Laien die Flamme des Glaubens im Herzen der Gläubigen nicht verloschen ist. Die Gemeinden mögen auch auf eine »kleine Herde« beschränkt sein. Das braucht euch nicht zu entmutigen, liebe Brüder! Blickt auf die ersten Gemeinden der Jünger des Herrn, die zwar klein waren, sich aber nicht in sich selbst verschlossen, sondern angespornt von der Liebe Christi nicht zögerten, sich der Schwierigkeiten der Armen anzunehmen und auf die Kranken zuzugehen, indem sie allen voll Freude das Evangelium verkündeten und bezeugten. Wie damals ist es auch heute der Heilige Geist, der die Kirche leitet. Laßt euch darum von ihm führen und haltet die Flamme des Glaubens im christlichen Volk am Leben! Bewahrt und erschließt die wertvollen pastoralen und apostolischen Erfahrungen der Vergangenheit! Erzieht weiterhin alle zum Hören des Wortes Gottes, weckt besonders in den Jugendlichen die Liebe zur Eucharistie und zur Marienverehrung, verbreitet in den Familien die Pflege des Rosenkranzgebetes! Sucht außerdem geduldig und mutig nach neuen Formen und Methoden des Apostolats, wobei ihr euch dann um eine den heutigen Erfordernissen entsprechende Umsetzung bemüht und der Sprache und Kultur der euch anvertrauten Gläubigen Rechnung tragt. Das verlangt eine noch festere Einheit unter euch Bischöfen sowie innerhalb des Klerus.

Dieses Engagement wird sich nämlich ganz sicher als gewichtiger und wirkungsvoller erweisen, wenn ihr nicht allein handelt, sondern versucht, die Priester, eure ersten Mitarbeiter, die Ordensmänner und Ordensfrauen sowie die Laien, die sich den verschiedenen pastoralen Initiativen widmen, immer mehr einzubinden. Denkt auch daran, daß ihr vor allem diesen euren Mitarbeitern, die wie ihr Arbeiter im Weinberg des Herrn sind, Aufmerksamkeit schenken und auf sie hören sollt. Zeigt euch deshalb bereit und willig, ihren Erwartungen entgegenzukommen, unterstützt sie in schwierigen Augenblicken, fordert sie auf, immer mehr auf die göttliche Vorsehung zu vertrauen, die uns niemals - vor allem nicht in der Stunde der Prüfung - im Stich läßt; steht ihnen zur Seite, wenn sie sich in einem Zustand menschlicher und geistlicher Einsamkeit befinden. Tragender Grund von allem muß die beständige Hinwendung zu Gott im Gebet und die unablässige Suche nach der Einheit unter euch sowie auch in jeder eurer unterschiedlichen Gemeinden sein.

Das alles erscheint noch notwendiger, wenn man sich den Herausforderungen stellen will, vor welche die heutige globalisierte Gesellschaft die Verkündigung und die konsequente christliche Lebenspraxis auch in euren Regionen stellt. Ich möchte hier daran erinnern, daß außer den Schwierigkeiten, auf die ich oben hingewiesen habe, fast überall auf der Welt besorgniserregende Erscheinungen festzustellen sind, die die Sicherheit und den Frieden ernsthaft gefährden. Ich beziehe mich insbesondere auf das Übel der Gewalt und des Terrorismus, auf die Ausbreitung des Extremismus und Fundamentalismus. Sicher muß man diesen Geißeln mit gesetzlichem Eingreifen entgegenwirken. Niemals aber darf sich die Kraft des Rechts selbst in Ungerechtigkeit verwandeln; und auch die freie Ausübung der Religionen darf nicht eingeschränkt werden, denn das freie Bekenntnis des eigenen Glaubens ist eines der universell anerkannten menschlichen Grundrechte.

Es scheint mir sodann nützlich hervorzuheben, daß die Kirche den katholischen Glauben nicht aufdrängt, sondern frei anbietet, denn sie weiß sehr wohl, daß die Bekehrung die geheimnisvolle Frucht des Wirkens des Heiligen Geistes ist. Der Glaube ist Geschenk und Werk Gottes. Gerade deshalb ist jede Form von Proselytismus verboten, die jemanden mit unangebrachten betrügerischen Mitteln dazu zwingt oder verleitet und anlockt, den Glauben anzunehmen (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Missionsdekret Ad gentes AGD 13). Ein Mensch kann sich dem Glauben nach reifer und verantwortlicher Überlegung öffnen und muß diese innere Eingebung frei verwirklichen können. Das gereicht nicht nur dem Individuum zum Vorteil, sondern der ganzen Gesellschaft, da die getreue Befolgung der göttlichen Gebote hilft, ein gerechteres und solidarisches Zusammenleben aufzubauen.

Liebe Brüder, ich ermutige euch, die aufgenommene Arbeit fortzusetzen, indem ihr die Beiträge aller weise auswertet. Ich nehme die Gelegenheit wahr, um den Priestern und den Ordensleuten, die in den verschiedenen Kirchenbezirken arbeiten, zu danken: im besonderen den Franziskanern in der Diözese der Heiligsten Dreifaltigkeit in Almaty, den Jesuiten in Kirgisistan, den Franziskanerkonventualen in Usbekistan, den Ordensmännern des Instituts »Verbo Encarnado« in der »Missio sui iuris« in Tadschikistan, den Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria in der »Missio sui iuris« in Turkmenistan. Ich lade auch andere Ordensfamilien ein, hochherzig ihren Beitrag zu leisten und Personal und Mittel zu senden, um die apostolische Arbeit in den riesigen Regionen Zentralasiens zu vollenden. Vor einem jeden von euch wiederhole ich, daß der Papst euch nahe ist und euch in eurem Dienst unterstützt. Maria, Königin der Apostel, wache immer über euch und über eure Gemeinden. Es begleite euch auch mein Gebet, während ich euch von Herzen segne.



AN DEN OBERSTEN RAT DER COLUMBUSRITTER

Freitag, 3. Oktober 2008


Liebe Freunde!

177 Ich freue mich, euch, den Obersten Rat der Columbusritter, zusammen mit euren Familien im Rahmen eurer Pilgerreise nach Rom im Paulusjahr willkommen zu heißen. Ich bete darum, daß euer Besuch an den Gräbern der hll. Petrus und Paulus euch im Glauben der Apostel stärken und euer Herz mit Dankbarkeit für das Geschenk unserer Erlösung in Christus erfüllen möge.

Am Anfang seines Briefes an die Römer erinnert der hl. Paulus seine Zuhörer daran, daß sie »berufene Heilige« sind (
Rm 1,7). Bei meiner Pastoralreise in die Vereinigten Staaten wollte ich vor allem die gläubigen Laien ermutigen, sich erneut zum Wachstum im Glauben und zur aktiven Teilnahme an der Sendung der Kirche zu verpflichten. Diese Vision inspirierte die Gründung der Columbusritter als christliche Laienbruderschaft, und sie findet auch weiterhin ihren vorrangigen Ausdruck in den Werken der Nächstenliebe eurer Vereinigung und in eurer konkreten Solidarität mit dem Nachfolger Petri in seinem Dienst an der Universalkirche. Diese Solidarität zeigt sich auf besondere Weise im »Vicarius-Christi-Fonds«, den die Ritter dem Heiligen Stuhl für die Nöte des Gottesvolkes auf der ganzen Welt bereitgestellt haben. Und sie wird auch durch das tägliche Gebet und die Opfer so vieler Ritter in ihren Ortsräten, Pfarrgemeinden und Gemeinschaften deutlich. Dafür bin ich sehr dankbar.

Liebe Freunde, mögen die Columbusritter im Geiste eures Gründers, des verehrungswürdigen Michael McGivney, stets neue Wege entdecken, um als Sauerteig des Evangeliums in der Welt und als Kraft für die Erneuerung der Kirche in Heiligkeit und apostolischem Eifer zu wirken. In diesem Zusammenhang spreche ich meine Anerkennung für eure Bemühungen aus, jungen Menschen eine gute Ausbildung im Glauben zu geben und die sittlichen Werte zu verteidigen, die für eine freie und humane Gesellschaft notwendig sind, einschließlich des Grundrechts auf Leben eines jeden Menschen.

Mit diesen Empfindungen, liebe Freunde, versichere ich euch eines besonderen Gebetsgedenkens. Allen Rittern und ihren Familien erteile ich als Unterpfand bleibender Freude und ewigen Friedens in unserem Herrn Jesus Christus von Herzen meinen Apostolischen Segen.



BESUCH BEIM ITALIENISCHEN STAATSPRÄSIDENTEN GIORGIO NAPOLITANO

Quirinalspalast,

Samstag, 4. Oktober 2008



Herr Präsident!

Es ist mir eine wirkliche Freude, von neuem die Schwelle dieses Palastes zu überschreiten, wo ich zum ersten Mal wenige Wochen nach Beginn meines Amtes als Bischof von Rom und Hirte der Universalkirche empfangen wurde. Ich betrete diese Ihre offizielle Residenz, Herr Präsident, das symbolische Haus aller Italiener, in dankbarer Erinnerung an den liebenswürdigen Besuch, den Sie mir gleich nach Ihrer Wahl zum höchsten Amt der italienischen Republik im November 2006 im Vatikan abgestattet haben. Ich möchte die heutige Gelegenheit nutzen, um Ihnen erneut die Gefühle meiner Erkenntlichkeit zum Ausdruck zu bringen, unter anderem für das unvergeßliche Geschenk des künstlerisch anspruchsvollen Konzerts, das sie mir am vergangenen 24. April machen wollten und über das ich mich sehr gefreut habe. Ich möchte daher Ihnen, Herr Präsident, Ihrer verehrten Gattin und allen, die hier zusammengekommen sind, voller Dankbarkeit meinen herzlichen und ehrerbietigen Gruß entbieten. Mein Gruß richtet sich in besonderer Weise an die verehrten Amtsträger, die an der Spitze des italienischen Staates stehen, an die hier anwesenden hochgeschätzten Persönlichkeiten und weiter an das gesamte, mir sehr am Herzen liegende italienische Volk, das Erbe einer jahrhundertealten kulturellen und von christlichen Werten geprägten Tradition ist.

Dieser mein Besuch, der Besuch des Papstes im Quirinal, ist nicht nur eine Geste, die sich in den Kontext der vielfältigen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien einfügt, sondern ihm kommt, so könnten wir sagen, ein sehr viel tieferer und symbolischerer Wert zu. So haben hier verschiedene meiner Vorgänger gelebt und von hier aus mehr als zwei Jahrhunderte lang die Universalkirche geleitet, wobei sie auch Prüfungen und Verfolgungen zu erleiden hatten, wie etwa die Päpste Pius VI. und Pius VII., die beide gewaltsam von ihrem Bischofssitz fortgerissen und ins Exil verschleppt wurden. Der Quirinal, der im Laufe der Jahrhunderte Zeuge zahlreicher froher und trauriger Seiten in der Geschichte des Papsttums gewesen ist, bewahrt noch viele Zeichen der Förderung von Kunst und Kultur seitens der Päpste.

In einem bestimmten Moment der Geschichte wurde dieses Gebäude fast zu einem Zeichen des Widerspruchs - als einerseits Italien danach strebte, sich zu einem einheitlichen Staat zu fügen, und anderseits der Heilige Stuhl besorgt war, seine Unabhängigkeit zu bewahren, um weiterhin seine universale Sendung erfüllen zu können. Dieser Kontrast zog sich über mehrere Jahrzehnte hin und gab denjenigen Anlaß zu Kummer, die sowohl die Heimat als auch die Kirche aufrichtig liebten. Ich beziehe mich auf die komplexe »römische Frage«, die von Seiten des Heiligen Stuhls auf endgültige und unwiderrufliche Weise durch die Unterzeichnung der Lateranverträge am 11. Februar 1929 beigelegt wurde. Gegen Ende des Jahres 1939, zehn Jahre nach dem Lateranvertrag, erfolgte der erste Besuch, den ein Papst nach dem Jahr 1870 dem Quirinal abstattete. Bei jener Gelegenheit, erklärte mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Pius XII., dessen 50. Todestages wir in diesem Monat gedenken, mit beinahe poetischen Worten: »Der Vatikan und der Quirinal, die durch den Tiber getrennt werden, sind im Andenken an die Religion der Väter und Vorväter durch das Band des Friedens vereint. Die Tiberwellen haben die trüben Wogen der Vergangenheit fortgerissen und in den Strudeln des tyrrhenischen Meers versinken lassen, und an seinen Ufern sind wieder Olivenzweige erblüht« (Ansprache vom 28. Dezember 1939).

Heute kann man wirklich voller Genugtuung behaupten, daß der italienische Staat und der Apostolische Stuhl in der Stadt Rom friedlich zusammenleben und erfolgreich zusammenarbeiten. Auch dieser mein Besuch bestätigt, daß der Quirinal und der Vatikan sich nicht gegenseitig ignorieren oder mißgünstig gegenüberstehen; es handelt sich vielmehr um Orte, die den gegenseitigen Respekt vor der Souveränität des Staates und der Kirche symbolisieren, dazu bereit, gemeinsam daran mitzuwirken, das umfassende Wohl der menschlichen Person sowie das friedliche gesellschaftliche Zusammenleben zu fördern und ihm zu dienen. Das ist - so möchte ich betonen - eine positive Realität, die fast täglich auf verschiedenen Ebenen festzustellen ist, und auf die auch andere Staaten blicken können, um eine nützliche Lehre daraus zu ziehen.


ANSPRACHE 2008 Januar 2008 173