ANSPRACHE 2008 Januar 2008 30

30 Ich freue mich, Sie zu Beginn Ihrer Mission willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Serbien beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte und für die Grüße, die Sie mir von Präsident Boris Tadic überbringen. Übermitteln Sie ihm bitte meine hochachtungsvollen guten Wünsche anläßlich seiner kürzlich erfolgten Wiederwahl und die Versicherung meines Gebets für alle Menschen Ihrer Nation.

Der Heilige Stuhl schätzt seine diplomatischen Beziehungen mit Serbien hoch ein und hofft, auf diese Weise die Fortsetzung der Anstrengungen zum Aufbau einer Zukunft in Frieden, Wohlstand, Versöhnung und friedlichem Miteinander in der ganzen Region zu ermutigen, während Serbien und seine Nachbarn ihren Platz in Europa suchen. Wenige Länder auf dem europäischen Kontinent entkamen im vergangenen Jahrhundert den Verwüstungen des Krieges, und alle können aus den Lektionen der jüngsten Vergangenheit lernen. Während Sie für eine sicherere Zukunft arbeiten, ist es wichtig sich zu erinnern, daß die Identität und die reiche kulturelle Tradition Ihrer Nation wie die aller europäischen Nationen tief im Erbe des christlichen Glaubens und des Evangeliums der Liebe verwurzelt sind. »Es gibt keine gerechte Staatsordnung, die den Dienst der Liebe überflüssig machen könnte« (Deus caritas est ). Diejenigen, die Christus folgen, sind dazu berufen, diesen Dienst der Liebe allen ihren Brüdern und Schwestern ohne Unterschied anzubieten: Nur auf diese Weise können lang anhaltende Spannungen endgültig beigelegt werden.

Wenn wir uns entscheiden, aus den Werten zu leben, die wir aus unseren christlichen Wurzeln schöpfen, finden wir den Mut, zu vergeben und Vergebung anzunehmen, uns mit unseren Nachbarn zu versöhnen und gemeinsam eine Zivilisation der Liebe aufzubauen, in der alle akzeptiert sind und geachtet werden. Ich weiß, wie schwer das serbische Volk während der Konflikte der jüngsten Zeit gelitten hat, und möchte meine tiefempfundene Sorge um die Serben und die anderen Nationen des Balkans, die von den traurigen Ereignissen des letzten Jahrzehnts betroffen waren, zum Ausdruck bringen. Der Heilige Stuhl teilt Ihren ernsthaften Wunsch, daß der erlangte Friede der Region dauerhafte Stabilität bringen möge. Besonders appelliere ich mit Blick auf die gegenwärtige Krise im Kosovo an alle Beteiligten, mit Besonnenheit und Mäßigung vorzugehen und Lösungen zu suchen, die gegenseitigen Respekt und Versöhnung fördern.

Zu den verschiedenen Spaltungen zwischen den Völkern Europas gehören nicht zuletzt jene, die aus dem tragischen Verlust der christlichen Einheit im Laufe der letzten tausend Jahre herrühren. Ich freue mich über den Fortschritt in den Beziehungen zwischen orthodoxen und katholischen Christen und bin der serbisch-orthodoxen Kirche besonders dankbar dafür, daß sie im Jahr 2006 das Treffen der Gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen Katholiken und Orthodoxen mit aktiver Unterstützung seitens ranghoher Mitglieder Ihrer Regierung gastfreundlich aufnahm. Auf diesem Gebiet hat es in der Tat hoffnungsvolle Entwicklungen gegeben, die vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen unterstützt wurden; dazu gehören die jüngsten gemeinsamen Initiativen zwischen der Päpstlichen Lateranuniversität und der Orthodoxen Theologischen Fakultät des Serbischen Patriarchats in Belgrad, auf die Eure Exzellenz hingewiesen haben. Ich hoffe aufrichtig, daß diese positiven Entwicklungen weiterhin Früchte tragen werden, insbesondere durch die gemeinsame Auswertung der christlichen Soziallehre, und in dieser Hinsicht erwähne ich dankbar den Empfang, der Kardinal Renato Martino, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, bei seinem letzten Besuch an der Orthodoxen Theologischen Fakultät zuteil wurde.

Serbiens geographische Lage an der Grenze zwischen dem östlichen und westlichen Christentum bietet eine einzigartige Gelegenheit, den ökumenischen Dialog zu fördern, während seine Vertrautheit mit dem Islam - sowohl durch die Begegnung mit dem osmanischen Reich als auch durch die heutige Anwesenheit der vielen Muslime in der Region - reiche Möglichkeiten für einen Fortschritt im interreligiösen Dialog eröffnet. Beide Vorgänge sind äußerst wichtig, wenn in der modernen Welt mehr gegenseitiges Verständnis und Achtung zwischen den Völkern und Nationen erreicht werden soll. Seien Sie versichert, daß die katholische Kirche in Serbien eifrig darum bemüht ist, ihre guten Beziehungen mit dem Heiligen Synod weiter auszubauen und sich an gemeinsamen Initiativen zu beteiligen, die dazu bestimmt sind, die christliche Einheit und eine echte Annäherung zwischen den Bekennern verschiedener Religionen zu fördern und auf diese Weise zum Aufbau von Frieden und Einklang innerhalb der Nationen und zwischen ihnen beizutragen.

Religionsfreiheit ist ein unerläßliches Element beim Aufbau einer Gesellschaft, in der sich dieser Einklang entwickeln kann, und die von Serbien in den letzten Jahren unternommenen Schritte gewährleisten dieses hochgeschätzte menschliche Grundrecht. Der Plan, Kirchen und religiösen Gemeinschaften die Besitztümer zurückzuerstatten, die von der jugoslawischen Föderation verstaatlicht worden waren, und die Einführung des Religionsunterrichts an den Schulen haben zu einer spirituellen Erneuerung Ihres Landes beigetragen, und in dieser Hinsicht ist ein wichtiges Beispiel gegeben worden, von dem andere Regierungen lernen können. Ich bete dafür, daß diese Offenheit für die religiösen Werte in der Gesellschaft weiter wachsen möge, so daß die öffentliche Debatte wirklich von den aus dem Glauben hergeleiteten Grundsätzen gestärkt werde. Wie ich in der kürzlich für die Römische Universität »La Sapienza« vorbereiteten Vorlesung (17. Januar 2008) ausführte: »Wenn die Vernunft aus Sorge um ihre vermeintliche Reinheit taub wird für die große Botschaft, die ihr aus dem christlichen Glauben und seiner Weisheit zukommt, dann verdorrt sie wie ein Baum, dessen Wurzeln nicht mehr zu den Wassern hinunterreichen, die ihm Leben geben«. Ohne die geistige Nahrung, die aus dem lebendigen Glauben kommt, verarmt eine Kultur zutiefst, und die Aussichten auf eine wahrhaft menschliche Zivilisation verschwinden rasch.

Exzellenz, ich bete dafür, daß die diplomatische Mission, die Sie heute antreten, die zwischen dem Heiligen Stuhl und Ihrem Land bestehenden guten Beziehungen weiter festigen werde. Ich versichere Ihnen, daß die verschiedenen Dienststellen der Römischen Kurie immer bereit sind, Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben Hilfe und Unterstützung zu bieten. Mit meinen aufrichtigen guten Wünschen rufe ich auf Sie, Ihre Familie und das ganze serbische Volk Gottes reichen Segen herab.



AN DIE TEILNEHMER DER 35. GENERALKONGREGATION DER GESELLSCHAFT JESU

Donnerstag, 21. Februar 2008



Liebe Patres der Generalkongregation
der Gesellschaft Jesu!

Ich freue mich, euch heute zu empfangen, während eure anstrengende Arbeit in die Endphase geht. Ich danke dem neuen Generaloberen, Pater Adolfo Nicolás, daß er mir eure Gesinnung und euer Bemühen, den von der Kirche in euch gesetzten Erwartungen zu entsprechen, zum Ausdruck gebracht hat. Davon habe ich in der Botschaft gesprochen, die ich zu Beginn eurer Arbeiten an den hochwürdigen Pater Kolvenbach und - durch ihn - an eure ganze Kongregation gerichtet habe. Ich danke noch einmal Pater Peter- Hans Kolvenbach für den wertvollen Leitungsdienst, den er fast ein Vierteljahrhundert lang eurem Orden geleistet hat. Ich begrüße auch die Mitglieder des neuen Generalrates und die Assistenten, die dem Generaloberen in seiner sehr heiklen Aufgabe der religiösen und apostolischen Führung eurer ganzen Gesellschaft helfen sollen.

31 Eure Kongregation findet in einer Periode großer sozialer, ökonomischer und politischer Veränderungen statt; markante ethische, kulturelle und Umweltprobleme, Konflikte jeder Art; aber auch intensivere Kommunikation zwischen den Völkern, neue Möglichkeiten für gegenseitiges Kennenlernen und Dialog, tiefgehende Friedensbestrebungen. Das sind Situationen, die die katholische Kirche und ihre Fähigkeit, unseren Zeitgenossen das Wort der Hoffnung und des Heils zu verkünden, bis zum äußersten auf den Plan rufen. Ich wünsche mir daher lebhaft, daß die ganze Gesellschaft Jesu dank der Ergebnisse eurer Kongregation mit erneuertem Schwung und Eifer die Sendung leben kann, für die sie der Heilige Geist in der Kirche erweckt und seit über viereinhalb Jahrhunderten mit einem außerordentlichen Reichtum an apostolischen Früchten erhalten hat. Ich möchte euch und eure Mitbrüder heute dazu ermutigen, auf dem Weg dieser Sendung weiter voranzugehen, in voller Treue zu eurem ursprünglichen Charisma, in dem kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld, das den Beginn dieses Jahrtausends kennzeichnet. Wie euch meine Vorgänger mehrmals gesagt haben: Die Kirche braucht euch, sie zählt auf euch und wendet sich weiterhin voll Vertrauen an euch, besonders um jene physischen und geistigen Orte zu erreichen, wo andere nicht oder nur schwer hingelangen. Eurem Herzen eingeprägt haben sich die Worte Pauls VI.: »Überall in der Kirche, an den schwierigsten und vordersten Fronten, bei ideologischen Auseinandersetzungen, dort, wo soziale Konflikte aufbrechen, wo die tiefsten menschlichen Wünsche und die ewige Botschaft des Evangeliums aufeinanderstoßen, da waren immer und sind Jesuiten« (Ansprache an die 32. Generalkongregation, 3. Dezember 1974).

Wie die Formel eures Instituts besagt, wurde die Gesellschaft Jesu vor allem »zur Verteidigung und Verbreitung des Glaubens« gegründet. Zu einer Zeit, als sich neue geographische Horizonte eröffneten, haben sich die ersten Gefährten des Ignatius eigens dem Papst zur Verfügung gestellt, damit »er sie einsetze, wo er urteile, es sei mehr zur Ehre Gottes und zum Nutzen der Seelen« (Ignatius v. Loyola, Der Bericht des Pilgers, 85). So wurden sie ausgesandt, den Herrn Völkern und Kulturen zu verkünden, die ihn noch nicht kannten. Das taten sie mit einem Mut und einem Eifer, die bis in unsere Tage Vorbild und Inspiration geblieben sind: Der Name des hl. Franz Xaver ist der berühmteste von allen, aber wie viele andere könnten genannt werden! Heute sind die neuen Völker, die vom Herrn nichts oder kaum etwas wissen und ihn deshalb nicht als den Retter erkennen können, nicht geographisch, sondern vielmehr in kultureller Hinsicht weit weg. Nicht Meere oder große Entfernungen sind die herausfordernden Hindernisse für die Verkünder des Evangeliums, sondern die Fronten, die sich infolge eines falschen oder oberflächlichen Gottes- und Menschenbildes zwischen dem Glauben und dem menschlichen Wissen, dem Glauben und der modernen Wissenschaft, dem Glauben und dem Einsatz für die Gerechtigkeit aufrichten.

Deshalb braucht die Kirche dringend Menschen, die einen festen und tiefen Glauben haben, eine gediegene Kultur und einen Sinn für das echt Menschliche und Soziale; Ordensleute und Priester, die ihr Leben hingeben, um an vorderster Front zu bezeugen und zu verstehen helfen, daß zwischen Glaube und Vernunft, zwischen evangeliumsgemäßem Geist, dem Durst nach Gerechtigkeit und dem Einsatz für den Frieden tiefer Einklang herrscht. Nur so wird es möglich sein, das wahre Antlitz des Herrn den vielen zu zeigen, für die es heute noch verborgen oder unerkennbar ist. Dieser Aufgabe muß sich daher die Gesellschaft Jesu vorrangig widmen. Getreu ihrer besten Tradition muß sie ihre Mitglieder weiterhin mit großer Sorgfalt in Wissen und Tugend ausbilden und darf sich nicht mit Mittelmäßigkeit zufrieden geben, da die Aufgabe der Auseinandersetzung und des Dialogs mit den sehr verschiedenen sozialen und kulturellen Umfeldern und den unterschiedlichen Denkweisen der heutigen Welt zu den schwierigsten und mühsamsten Aufgaben gehört. Und diese Suche nach Qualität und nach menschlicher, geistlicher und kultureller Zuverlässigkeit muß auch die vielfältige Ausbildungs- und Erziehungstätigkeit der Jesuiten für die verschiedensten Personengruppen überall und immer kennzeichnen.

Die Gesellschaft Jesu hat im Laufe ihrer Geschichte außerordentliche Erfahrungen der Verkündigung und der Begegnung zwischen dem Evangelium und den Kulturen der Welt erlebt - man denke nur an Matteo Ricci in China, Roberto De Nobili in Indien oder an die »Reduktionen« in Lateinamerika. Darauf seid ihr mit Recht stolz. Ich empfinde es heute als meine Pflicht, euch zu ermutigen, von neuem in die Fußstapfen eurer Vorgänger zu treten - mit ebensoviel Mut und Intelligenz, aber auch mit derselben tiefen Glaubensmotivation und Leidenschaft, dem Herrn und seiner Kirche zu dienen. Während ihr überall in der Welt, auch jenseits der Grenzen der sichtbaren Kirche, die Zeichen der Gegenwart und des Wirkens Gottes zu erkennen sucht, während ihr euch bemüht, Brücken des Verständnisses und des Dialogs zu jenen zu schlagen, die nicht der Kirche angehören oder sich schwer tun, ihre Haltungen und Botschaften anzunehmen, müßt ihr jedoch gleichzeitig aufrichtig auf die fundamentale Verpflichtung der Kirche bedacht sein, sich treu an ihren Auftrag zu halten, vollständig dem Wort Gottes anzuhängen, sowie auf die Aufgabe des Lehramtes, die Wahrheit und die Einheit der katholischen Lehre in ihrer Vollständigkeit zu bewahren. Das gilt nicht nur für den persönlichen Einsatz der einzelnen Jesuiten: Da ihr als Glieder eines apostolischen Leibes arbeitet, müßt ihr auch darauf achten, daß eure Werke und Einrichtungen eine klare und deutliche Identität wahren, damit das Ziel eurer apostolischen Tätigkeit nicht zwielichtig oder unklar bleibt und damit viele andere Menschen eure Ideale teilen können und sich wirkungsvoll und mit Enthusiasmus euch anschließen, indem sie an eurem Einsatz im Dienst an Gott und dem Menschen mitarbeiten.

Wie ihr wohl wißt - nachdem ihr unter der Anleitung des hl. Ignatius in den Geistlichen Übungen oftmals die Meditation über »die zwei Banner« gemacht habt -, ist unsere Welt Schauplatz eines Kampfes zwischen dem Guten und dem Bösen; da sind mächtige negative Kräfte am Werk, die jene dramatischen Situationen geistiger und materieller Versklavung unserer Zeitgenossen verursachen, gegen die ihr, wie ihr wiederholt erklärt habt, ankämpfen wollt, indem ihr euch zum Dienst am Glauben und zur Förderung der Gerechtigkeit verpflichtet. Solche negativen Kräfte treten heute in vielfältiger Weise in Erscheinung, aber besonders offenkundig durch kulturelle Strömungen, die häufig vorherrschend werden, wie der Subjektivismus, der Relativismus, der Hedonismus, der praktische Materialismus. Deshalb habe ich euch um euer erneutes Engagement bei der Förderung und Verteidigung der katholischen Lehre gebeten, »besonders in einigen neuralgischen Punkten, die heute von der säkularen Kultur sehr stark angegriffen werden«; einige davon habe ich als Beispiele in meinem Schreiben angeführt. Themen, die heute ständig diskutiert und in Frage gestellt werden, wie die Rettung aller Menschen in Christus, die Sexualmoral, Ehe und Familie, müssen im Zusammenhang mit der heutigen Wirklichkeit vertieft und erklärt werden, wobei aber jene Übereinstimmung mit dem Lehramt zu wahren ist, durch die vermieden wird, daß sich im Gottesvolk Verwirrung und Befremden einstellt.

Ich weiß und verstehe gut, daß dies für euch und für einige eurer Mitbrüder, vor allem jene, die in der theologischen Forschung, im interreligiösen Dialog und im Dialog mit den modernen Kulturen engagiert sind, ein besonders sensibler und anspruchsvoller Punkt ist. Eben deshalb habe ich euch aufgefordert und fordere euch auch heute auf, über den vollen Sinn jenes für euch kennzeichnenden »vierten Gelübdes« des Gehorsams gegenüber dem Nachfolger Petri nachzudenken, das nicht nur die Bereitschaft einschließt, sich in die Mission in fernen Ländern entsenden zu lassen, sondern auch - im wahren ignatianischen Sinn des »Sentire cum Ecclesia« (»Fühlen mit der Kirche und in der Kirche«) - den Stellvertreter Christi auf Erden mit jener »realen und gefühlsbezogenen « Ergebenheit »zu lieben und ihm zu dienen «, die euch zu seinen wertvollen und unersetzlichen Mitarbeitern in seinem Dienst für die Universalkirche macht.

Zugleich ermutige ich euch, eure Sendung unter den Armen und für die Armen fortzusetzen und zu erneuern. In einer Welt, die von schwerwiegenden Mißverhältnissen im Bereich von Wirtschaft und Umwelt, von Globalisierungsprozessen, die mehr vom Egoismus als von Solidarität gelenkt werden, und von zerstörerischen und widersinnigen Konflikten gekennzeichnet ist, fehlt es leider nicht an neuen Ursachen für Armut und Ausgrenzung. Wie ich gegenüber den im Heiligtum von Aparecida versammelten lateinamerikanischen Bischöfen betont habe, »ist die bevorzugte Option für die Armen im christologischen Glauben an jenen Gott implizit enthalten, der für uns arm geworden ist, um uns durch seine Armut reich zu machen (vgl.
2Co 8,9)«. Es ist daher natürlich, daß einer, der wirklich Gefährte Jesu sein will, dessen Liebe zu den Armen tatsächlich teilt. Für uns ist die Entscheidung für die Armen keine ideologische, sondern sie rührt aus dem Evangelium her. Zahllose und dramatische Situationen von Ungerechtigkeit und Armut gibt es in der heutigen Welt, und obwohl man sich bemühen muß, ihre strukturellen Ursachen zu verstehen und zu bekämpfen, ist es auch nötig, bis hinein in das Herz des Menschen die tiefen Wurzeln des Bösen, die Sünde, die uns von Gott trennt, zu bekämpfen, ohne zu vergessen, den dringendsten Bedürfnissen im Geist der Liebe Christi nachzukommen. Mit der Annahme und Entfaltung einer der letzten weitblickenden Eingebungen von Pater Arrupe engagiert sich eure Gesellschaft weiter in anerkennenswerter Weise im Dienst für die Flüchtlinge, die oft zu den Ärmsten der Armen gehören und nicht nur materielle Unterstützung nötig haben, sondern auch tieferen geistlichen, menschlichen und psychologischen Beistand, wie er gerade eurem Dienst eigen ist.

Schließlich fordere ich euch noch auf, jenem Dienst der Geistlichen Übungen, der von Anfang an Wesensmerkmal eurer Gesellschaft gewesen ist, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Exerzitien sind die Quelle eurer Spiritualität und der Mutterboden eurer Satzungen, aber sie sind auch ein Geschenk, das der Geist des Herrn der ganzen Kirche gemacht hat: Es ist eure Aufgabe, die Exerzitien in dieser säkularisierten Welt, in der Gott abwesend zu sein scheint, weiterhin zu einem wertvollen und wirksamen Werkzeug für das geistliche Wachstum der Seelen, für ihre Einführung in das Gebet und in die Meditation zu machen. Gerade in der vergangenen Woche habe auch ich, zusammen mit meinen engsten Mitarbeitern der Römischen Kurie, unter der Leitung eures verehrten Mitbruders, Kardinal Albert Vanhoye, die Exerzitien gemacht. In unserer heutigen Zeit, wo das verwirrende Durcheinander und die massenhafte Fülle von Nachrichten, die Schnelligkeit der Veränderungen von Situationen es unseren Zeitgenossen besonders schwer macht, ihr Leben zu ordnen und mit Entschlossenheit und Freude auf den Ruf zu antworten, mit dem sich der Herr an jeden von uns wendet, stellen die Geistlichen Übungen einen Weg und eine besonders wertvolle Methode dar, damit wir in uns und in allen Dingen Gott suchen und finden, um seinen Willen kennenzulernen und tätig zu vollziehen.

In diesem Geist des Gehorsams gegenüber dem Willen Gottes, gegenüber Jesus Christus, der auch zum demütigen Gehorsam gegenüber der Kirche wird, fordere ich euch auf, die Arbeiten eurer Kongregation fortzusetzen und zu Ende zu führen, und verbinde mich mit euch in dem Gebet, das uns der hl. Ignatius in den Exerzitien gelehrt hat - ein Gebet, das mir immer zu groß scheint, so daß ich es fast nicht zu sprechen wage, und das wir uns dennoch immer wieder vornehmen sollten: »Nimm, Herr, und empfange meine ganze Freiheit, mein Gedächtnis, meinen Verstand und meinen ganzen Willen, meine ganze Habe und meinen Besitz; du hast es mir gegeben, dir, Herr, gebe ich es zurück; alles ist dein, verfüge nach deinem ganzen Willen; gib mir deine Liebe und Gnade, das ist mir genug« (Geistliche Übungen, 234).


AN EINE DELEGATION DES "CIRCOLO SAN PIETRO"

Freitag, 22. Februar 2008



Liebe Mitglieder des »Circolo San Pietro«!

32 Auch in diesem Jahr habe ich die Freude, euch anläßlich des Festes der Kathedra Petri zu empfangen: danke für euren Besuch. Ich begrüße euch alle herzlich und schließe in meinen Gruß auch eure Angehörigen ein sowie diejenigen, die euch nahestehen und alle, die bei euren verschiedenen Aktivitäten mit euch zusammenarbeiten. Ich begrüße euren geistlichen Assistenten, Msgr. Franco Camaldo, und euren Präsidenten, Don Leopoldo dei Duchi Torlonia, dem ich für die Worte danke, mit denen er die Empfindungen aller hier Anwesenden zum Ausdruck gebracht hat. Er hat mir auch kurz die Arbeit eurer wohlbekannten und verdienstvollen Vereinigung geschildert.

Wer kennt nicht den »Circolo San Pietro«? Eure Vereinigung, deren Ursprünge weit in die Geschichte zurückreichen, hat sich stets ausgezeichnet durch bedingungslose Treue zur Kirche und zu ihrem universalen Hirten, dem römischen Papst. Der Dienst, den der »Circolo« versieht, ist in seinen verschiedenen Formen ein hochgeschätztes Apostolat, und er gibt ein beständiges Zeugnis von eurer Liebe zur Kirche und insbesondere zum Heiligen Stuhl. Ich denke dabei an eure Anwesenheit in der Vatikanischen Basilika und an den Ordnungsdienst, den ihr bei den Feiern verseht, denen ich vorstehe; ich denke an eure Bildungstreffen und geistlichen Begegnungen, die darauf ausgerichtet sind, in euch ein ständiges Streben nach Heiligkeit zu wecken; ich denke an die Aktivitäten der Wohlfahrt und der Nächstenliebe, die ihr mit Großherzigkeit ausübt.

Danke für eure Mitarbeit und für die vielen Initiativen, die ihr mit einem am Evangelium ausgerichteten Geist und mit kirchlicher Gesinnung fördert. Man kann beinahe sagen, daß ihr das, was ihr tut, in gewissem Sinn im Namen des Papstes durchführt: In seinem Namen tragt ihr beispielsweise dafür Sorge, euren Möglichkeiten entsprechend den Nöten vieler armer Menschen entgegenzukommen, die in der Stadt Rom leben, deren Bischof der Nachfolger Petri ist. So wollt ihr seine Arme und sein Herz sein, die auch durch euch diejenigen erreichen, die in prekären Verhältnissen leben. Und ich weiß, daß ihr im Laufe der letzten Jahre eure Anstrengungen, durch großherzige und anspruchsvolle karitative Initiativen den Bedürfnissen dieser notleidenden Personen entgegenzukommen, vervielfacht habt.

Ich danke euch für eure Mitarbeit: Ihr arbeitet mit bewundernswertem apostolischem Eifer und legt auf diese Weise ein ebenso stilles wie beredtes Zeugnis vom Evangelium ab. Dem Gebot Christi entsprechend bemüht ihr euch, in jeder Person Jesus selbst zu erkennen und zu dienen, der uns im Evangelium versichert: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (
Mt 25,40). Der Herr ruft uns auf, den Glauben und die Liebe, die wir für ihn empfinden, in tägliche Gesten der Aufmerksamkeit gegenüber den Menschen zu verwandeln, denen wir begegnen, besonders denjenigen, die durch Prüfungen hindurchgehen, denn im Angesicht jeder Person und besonders der notleidenden erstrahlt das Antlitz Christi. In der Enzyklika Spe salvi habe ich geschrieben, daß »Annehmen des anderen, der leidet, bedeutet, daß ich mir sein Leid selbst zueigne, daß es auch mein Leiden wird. Eben dadurch aber, daß es nun geteiltes Leid geworden ist, daß ein anderer in ihm da ist, dringt das Licht der Liebe in dieses Leiden ein« (). Auf diese Weise wir man zu einem Boten und Zeugen des Evangeliums der Nächstenliebe und verwirklicht ein wahres und tiefgreifendes Werk der Evangelisierung .

Liebe Freunde, noch aus einem anderen Grund möchte ich euch danken. Auch heute seid ihr nämlich wie in jedem Jahr gekommen, um mir den Peterspfennig zu überreichen, um dessen Sammlung hier in Rom ihr euch selbst gekümmert habt. Er ist eine konkrete Hilfe, die dem Papst gegeben wird, damit er den vielen Bitten nachkommen kann, die ihm aus allen Teilen der Welt entgegengebracht werden, besonders von seiten der ärmeren Länder. Ich danke euch also für euren Dienst, den ihr mit soviel Großherzigkeit und Opfergeist durchführt. Die allerseligste Jungfrau, die wir jetzt in der Fastenzeit in Verbindung mit dem Leiden Christi betrachten, möge alle guten Vorsätze und Pläne in euch hervorrufen und stützen. Meinerseits versichere ich euch eines besonderen Gebetsgedenkens und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen, in den ich gern eure Familien und alle euch nahestehenden Personen einschließe.

ANLÄSSLICH DER BENENNUNG DES NORDHOFES DER PETERSBASILIKA NACH DEM HL. GREGOR DEM "ERLEUCHTER"

Nordhof des Petersbasilika

Freitag, 22. Februar 2008



Liebe Brüder und Schwestern!

Mein herzlicher Gruß gilt allen Anwesenden. An erster Stelle grüße ich Kardinal Angelo Comastri, Erzpriester der Petersbasilika, und Kardinal Giovanni Lajolo, Präsident des Governatorats. Ich grüße sodann den Patriarchen Nersès Bédros XIX., dem ich für die freundlichen Worte danke, mit denen er die gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. In meinen Gruß seien ferner die Erzbischöfe, Bischöfe und religiösen Vertreter der gesamten armenisch-katholischen Kirche eingeschlossen. Ich begrüße des weiteren die Vertreter aus der Politik, die Delegationen sowie alle, die an dieser bedeutsamen Zeremonie teilnehmen wollten, in der ich das Namensschild dieses Hofes segnen werde. Ich nehme gerne die heutige Gelegenheit wahr, um die armenisch-apostolische Kirche in brüderlicher Liebe zu umarmen. Gleiches gilt für die ganze armenische Nation und alle Armenier auf der ganzen Welt.

Es ist dies zweifellos ein glücklicher Umstand, der uns die Gelegenheit bietet, einander hier, beim Grab des Apostels Petrus, zu begegnen, um eines anderen großen Heiligen zu gedenken, nach dem der sogenannte »Cortilone« benannt wird. Es freut mich daran zu erinnern, daß mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. die Statue des hl. Gregor des Erleuchters, die gerade hier aufgestellt ist, wenige Monate vor seinem Tod segnete. Dieser große Heilige machte aus den Armeniern vor mehr als siebzehn Jahrhunderten ein christliches Volk, mehr noch: das erste Volk, das offiziell christlich wurde. Die Bekehrung der Armenier ist ein Ereignis, das die armenische Identität zutiefst geprägt hat, nicht nur in persönlicher Hinsicht, sondern auf Ebene der gesamten Nation. Der Begriff »Erleuchter«, mit dem dieser vielen von euch teure Heilige benannt wird, macht die zweifache Funktion deutlich, die der hl. Gregor in der Geschichte der Bekehrung Armeniens einnahm. »Erleuchtung« ist nämlich ein Begriff, der in der christlichen Sprache benutzt wird, um den Übergang vom Dunkel hin zum Licht Christi anzuzeigen. Und gerade Christus ist wahrlich der große Erleuchter, der sein Licht über das ganze Dasein dessen ausstrahlt, der ihn aufnimmt und ihm treu nachfolgt. Nun, der hl. Gregor wurde gerade deswegen der Erleuchter genannt, da sich in ihm in außerordentlicher Weise das Antlitz des Heilands widerspiegelte. Das Wort »Erleuchtung« besitzt in bezug auf Armenien noch eine weitere Bedeutung: es zeigt das Licht an, das aus der Verbreitung der Kultur durch die Lehre erwächst. Und dies läßt sofort an jene Mönche und Lehrer denken, die, den Spuren des hl. Gregor folgend, dessen Verkündigung fortsetzten und auf diese Weise das Licht der Wahrheit des Evangeliums verbreiteten, das dem Menschen die Wahrheit seines Seins offenbart und dessen reiche kulturelle und geistliche Potentialitäten entfaltet.

Liebe Brüder und Schwestern, ich danke noch einmal für die Teilnahme an dieser unserer Begegnung. Wir weihen den »Cortile San Gregorio l’Illuminatore« ein und bitten dabei, daß das armenische Volk durch die Fürsprache dieses verehrten und wohlverdienten Sohnes fortfahre, auf den Wegen des Glaubens voranzugehen, und sich dabei, wie es dies im Lauf der Jahrhunderte getan hat, von Christus und seinem Evangelium führen lasse, das die Kultur in unauslöschlicher Weise geprägt hat. Mit diesem Wunsch, den ich der Fürsprache der Jungfrau Maria anheimstelle, erteile ich allen meinen Segen.


SONDERAUDIENZ FÜR DIE DIÖZESE ROM ZUR VORSTELLUNG UND ÜBERGABE DES "SCHREIBENS ÜBER DIE DRINGENDE AUFGABE DER ERZIEHUNG"

Petersplatz - Samstag, 23. Februar 2008

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Liebe Brüder und Schwestern!

Ich danke euch, daß ihr so zahlreich die Einladung zu dieser Sonderaudienz angenommen habt, bei der ihr aus meinen Händen das »Schreiben über die dringende Aufgabe der Erziehung« empfangen werdet, das ich an die Diözese und an die Stadt Rom gerichtet habe. Ich begrüße jeden von euch sehr herzlich: Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Eltern, Lehrer, Katecheten und andere Erzieher, Kinder, Heranwachsende und Jugendliche - einschließlich derer, die die Audienz über das Fernsehen verfolgen. Ich begrüße insbesondere den Kardinalvikar und danke ihm ebenso wie all jenen, die stellvertretend für die verschiedenen Personengruppen, die in diese große erzieherische Herausforderung eingebunden sind, das Wort ergriffen haben.

Wir sind hier versammelt durch unseren gemeinsamen Einsatz für das Wohl der jungen Generationen, für das Heranwachsen und für die Zukunft der Kinder, die der Herr dieser Stadt geschenkt hat. Wir sind auch von einer Sorge getrieben: die Wahrnehmung dessen, was wir als »einen großen Bildungs- und Erziehungsnotstand« bezeichnet haben. Erziehen war nie einfach, und heute scheint es immer schwieriger zu werden. Nicht wenige Eltern und Lehrer sind daher versucht, sich ihrer Aufgabe zu entpflichten, und verstehen nicht einmal mehr, was wirklich die ihnen anvertraute Sendung ist. Zu viele Unsicherheiten und Zweifel kursieren nämlich in unserer Gesellschaft und in unserer Kultur, zu viele verzerrte Bilder werden von den Massenmedien verbreitet. So wird es schwierig, den jungen Generationen etwas Gültiges und Sicheres zu vermitteln, Verhaltensregeln und Ziele, für die zu leben es sich lohnt. Wir sind aber heute auch und vor allem hier, weil wir uns von einer großen Hoffnung und von einem starken Vertrauen getragen fühlen: von der Gewißheit, daß jenes klare und endgültige »Ja«, das Gott in Jesus Christus zur Menschheitsfamilie gesagt hat (vgl.
2Co 1,19-20), auch für unsere Jugendlichen und Heranwachsenden gilt, daß es für die Kinder gilt, vor denen sich heute das Leben ausbreitet. Darum ist die Erziehung zum Guten auch in unserer Zeit möglich. Sie ist eine Leidenschaft, die wir im Herzen tragen müssen. Sie ist ein gemeinsames Unternehmen, zu dem jeder aufgerufen ist, seinen Beitrag zu leisten.

Wir sind hier, ganz konkret, weil wir auf jene Frage der Erziehung antworten möchten, die die Eltern, die sich um die Zukunft ihrer Kinder Sorgen machen, heute in sich verspüren - ebenso wie die Lehrer, die die Krise der Schule von innen her erleben, die Priester und die Katecheten, die aus Erfahrung wissen, wie schwer es ist, zum Glauben zu erziehen, und die Kinder, Heranwachsenden und Jugendlichen selbst, die angesichts der Herausforderungen des Lebens nicht allein gelassen werden wollen. Das ist der Grund, warum ich an euch, liebe Brüder und Schwestern, das Schreiben gerichtet habe, das ich euch gleich überreichen werde. Ihr könnt darin einige einfache und konkrete Hinweise zu den grundlegenden und allgemeinen Aspekten der Erziehungsarbeit finden. Heute wende ich mich an jeden von euch, um euch von Herzen zu ermutigen, mit Freude die Verantwortungen zu übernehmen, die der Herr euch anvertraut, damit das große Erbe des Glaubens und der Kultur, das der wahre Reichtum unserer geliebten Stadt Rom ist, im Übergang von einer Generation auf die nächste nicht verlorengeht, sondern im Gegenteil erneuert und gestärkt wird und unserem Weg in die Zukunft Leitbild und Ansporn sein kann.

In diesem Geist wende ich mich an euch, liebe Eltern, um euch vor allem zu bitten, stets und für immer an eurer gegenseitigen Liebe festzuhalten: Das ist das erste und große Geschenk, das eure Kinder brauchen, um harmonisch aufzuwachsen, Selbstvertrauen und Vertrauen in das Leben zu gewinnen und so ihrerseits die Fähigkeit zu echter und großherziger Liebe zu erlernen. Die Liebe zu euren Kindern muß euch auch den Stil und den Mut des wahren Erziehers geben, mit einem konsequenten Lebenszeugnis und auch mit der Strenge, die notwendig ist, um den Charakter der jungen Generationen zu festigen und ihnen zu helfen, das Gute vom Bösen klar und deutlich zu unterscheiden und sich ihrerseits feste Lebensregeln zu schaffen, die ihnen in zukünftigen Prüfungen Halt geben. So werdet ihr eure Kinder reich machen durch das kostbarste und beständigste Erbe: das Vorbild eines tagtäglich gelebten Glaubens.

Im selben Geist bitte ich euch, die Lehrer der Schulen verschiedener Art, eine hohe und große Auffassung von eurer anspruchsvollen Arbeit zu haben - trotz der Schwierigkeiten, des Unverständnisses und der Enttäuschungen, die ihr allzuoft erfahrt. Lehren heißt nämlich, dem Wunsch nach Wissen und Verstehen entgegenzukommen, der dem Menschen innewohnt und der sich im Kind, im Jugendlichen, im Heranwachsenden in all seiner Kraft und Natürlichkeit zeigt. Eure Aufgabe kann sich daher nicht darauf beschränken, Kenntnisse und Informationen zu vermitteln, und dabei die große Frage nach der Wahrheit beiseite lassen, vor allem jener Wahrheit, die den Weg durch das Leben weisen kann. Ihr seid nämlich im vollen Sinne Erzieher: Euch ist, in enger Zusammenarbeit mit den Eltern, die hohe Kunst der Bildung der Person anvertraut. Besonders diejenigen, die an den katholischen Schulen unterrichten, mögen jenen Erziehungsplan, in dessen Mittelpunkt Jesus, der Herr, und sein Evangelium stehen, in sich tragen und im täglichen Handeln umsetzen.

Und ihr, liebe Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Katecheten, Animatoren und Ausbilder der Pfarreien, der Jugendgruppen, der kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen, der Jugendzentren, der Sport- und Freizeiteinrichtungen, sollt versuchen, gegenüber den Kindern und Jugendlichen, denen ihr euch zur Seite stellt, stets so gesinnt zu sein, wie es dem Leben in Jesus Christus entspricht (vgl. Ph 2,5). Seid also verläßliche Freunde, in denen sie die Freundschaft Jesu zu ihnen konkret wahrnehmen können, und seid gleichzeitig aufrichtige und mutige Zeugen jener Wahrheit, die befreit (vgl. Jn 8,32) und den jungen Generationen den Weg zeigt, der zum Leben führt.

Die Erziehung ist jedoch nicht nur das Werk der Erzieher, sondern sie ist eine Beziehung zwischen Personen, bei der im Laufe der Jahre die Freiheit und die Verantwortung derer, die erzogen werden, immer mehr ins Spiel kommen. Daher wende ich mich mit großer Zuneigung an euch, die Kinder, Heranwachsenden und Jugendlichen, um euch in Erinnerung zu rufen, daß ihr dazu berufen seid, selbst die Verantwortung zu übernehmen für euer sittliches, kulturelles und geistliches Wachstum. Es liegt also an euch, das Erbe der Wahrheit, des Guten und des Schönen, das sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet hat und das in Jesus Christus seinen Eckstein besitzt, im Herzen, im Verstand und im Leben frei aufzunehmen. Es liegt an euch, dieses Erbe zu erneuern und weiterzuentwickeln und es von den vielen Lügen und Makeln zu befreien, die es oft unkenntlich machen und die in euch Mißtrauen und Enttäuschung hervorrufen. Ihr sollt jedoch wissen, daß ihr auf diesem nicht einfachen Weg niemals allein seid: Nicht nur eure Eltern, Lehrer, Priester, Freunde und Ausbilder sind bei euch, sondern vor allem jener Gott, der uns geschaffen hat und der in unseren Herzen verborgene Gast ist. Er erleuchtet von innen her unseren Verstand; er richtet unsere Freiheit, die wir oft als schwach und unbeständig erfahren, auf das Gute aus; er ist die wahre Hoffnung und die feste Grundlage unseres Lebens. Vor allem ihm können wir vertrauen.

Liebe Brüder und Schwestern, in dem Augenblick, in dem ich euch symbolisch das »Schreiben über die dringende Aufgabe der Erziehung« überreiche, vertrauen wir uns also alle gemeinsam unserem wahren und einzigen Meister an (vgl. Mt 23,8), um uns zusammen mit ihm voll Vertrauen und Freude in jenes wunderbare Unternehmen der Ausbildung und des echten Wachstums der Personen einzubringen. Mit diesen Empfindungen und Wünschen erteile ich allen meinen Segen.

ANSPRACHE 2008 Januar 2008 30