ANSPRACHE 2008 Januar 2008 33


PASTORALBESUCH IN DER RÖMISCHEN PFARRGEMEINDE

"SANTA MARIA LIBERATRICE" IM TESTACCIO


IMPROVISIERTE NACH DER BEGEGNUNG MIT EINIGEN PFARREIMITGLIEDERN

Sonntag, 24. Februar 2008



34 Ich freue mich sehr, daß ich heute unter euch sein darf. Leider spreche ich den römischen Dialekt nicht, aber als Katholiken sind wir alle ein wenig Römer und tragen Rom in unserem Herzen; also verstehen wir den römischen Dialekt ein wenig. Es war sehr schön für mich, daß ich in eurem Dialekt begrüßt wurde, denn man versteht, daß diese Worte von Herzen kommen. Es ist auch schön und ermutigend, durch euch hier die vielen Tätigkeiten vertreten zu sehen, die in dieser Pfarrei ausgeübt werden, und die vielen Wirklichkeiten, die es hier gibt: die Priester, die Ordensfrauen verschiedener Kongregationen, die Katecheten, die gläubigen Laien, die mit der Pfarrei in verschiedener Weise zusammenarbeiten. Und ich sehe, daß auch der hl. Don Bosco unter euch lebendig ist und sein Werk fortsetzt, und ich sehe auch, wie die »Madonna Liberatrice«, die frei macht, dazu einlädt, Christus die Tore zu öffnen und auch den anderen die wahre Freiheit zu schenken. Das heißt Kirche schaffen und die Gegenwart des Reiches Christi unter uns bewirken. Danke für das alles.

Wir haben heute einen sehr aktuellen Abschnitt des Evangeliums gelesen. Die Samariterin, von der die Rede ist, kann als eine Vertreterin des modernen Menschen, des modernen Lebens erscheinen. Sie hat fünf Ehemänner gehabt und lebt mit einem andern Mann zusammen. Sie hat ihre Freiheit weitgehend genutzt, ist aber doch nicht freier, sondern leerer geworden. Wir sehen aber auch, daß in dieser Frau eine tiefe Sehnsucht lebt, das wahre Glück, die wahre Freude zu finden. Deshalb ist sie unruhig und entfernt sich immer weiter von dem wahren Glück.

Aber auch diese Frau, die ein scheinbar so oberflächliches Leben, fern von Gott führt, zeigt in dem Moment, wo Christus zu ihr spricht, daß sie in ihrem tiefsten Herzen die Frage nach Gott bewahrt hat: Wer ist Gott? Wo können wir ihn finden? Wie können wir ihn anbeten? In dieser Frau können wir den ganzen Spiegel unseres Lebens heute sehen mit all den Problemen, die wir haben; aber wir sehen auch, daß im tiefsten Herzen immer die Frage nach Gott und die Erwartung bleibt, daß er sich in einer anderen Weise zeigen möge.

Unser Leben ist wirklich ein Warten; wir antworten auf die Erwartung aller, die auf das Licht des Herrn warten, und indem wir diese Erwartung beantworten, wachsen auch wir im Glauben und können verstehen, daß dieser Glaube das Wasser ist, nach dem wir dürsten.

In diesem Sinn möchte ich euch ermutigen, euren pastoralen und missionarischen Dienst mit der euch eigenen Dynamik fortzusetzen, um den Personen heute zu helfen, daß sie die wahre Freiheit und die wahre Freude finden. Alle sind unterwegs wie diese Frau im Evangelium, um ganz frei zu werden, um die volle Freiheit und in ihr die volle Freude zu finden: aber oft sind sie auf dem falschen Weg. Mögen alle durch das Licht des Herrn und durch unsere Mitarbeit mit dem Herrn die wahre Freiheit finden, die von der Begegnung mit der Wahrheit kommt, die Liebe und Freude ist.

Heute haben mich zwei Sätze besonders berührt. Zuerst die Worte des Pfarrers: »Wir haben mehr Zukunft als Vergangenheit.« Das ist die Wahrheit unserer Kirche, die immer mehr Zukunft als Vergangenheit hat. Deshalb gehen wir mutig vorwärts.

Der zweite Satz, der mich berührt hat, ist aus der Rede des Vertreters des Pastoralrates: »Die wahre Heiligkeit besteht im Frohsinn.« Die Heiligkeit zeigt sich durch die Heiterkeit. Aus der Begegnung mit Christus erwächst die Heiterkeit. Und das soll mein Wunsch für euch sein, daß aus der Erkenntnis Christi immer neue Fröhlichkeit erwächst und mit ihr eine neue Dynamik, um ihn euren Brüdern und Schwestern zu verkünden. Danke für alles, was ihr tut. Frohe Ostern!

AN DIE TEILNEHMER AN DEM VON DER PÄPSTLICHEN AKADEMIE FÜR DAS LEBEN VERANSTALTETEN KONGRESS

"AN DER SEITE DES UNHEILBAR KRANKEN UND STERBENDEN MENSCHEN: ETHISCHE UND PRAKTISCHE LEITLINIEN"

Clementina-Saal

Montag, 25. Februar 2008



Liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude begrüße ich euch als Teilnehmer an dem Kongreß, den die Päpstliche Akademie für das Leben zum Thema »An der Seite des unheilbar kranken und sterbenden Menschen: ethische und praktische Leitlinien« ausgerichtet hat. Der Kongreß findet in Verbindung mit der XIV. Vollversammlung der Akademie statt, deren Mitglieder gleichfalls bei dieser Audienz zugegen sind. Ich danke vor allem dem Präsidenten Bischof Sgreccia für seine freundlichen Grußworte; mit ihm danke ich dem gesamten Leitungsgremium, dem Vorstand der Päpstlichen Akademie, allen Mitarbeitern und ordentlichen Mitgliedern, Ehrenmitgliedern und korrespondierenden Mitgliedern. Einen herzlichen und dankbaren Gruß möchte ich sodann an die Referenten dieses wichtigen Kongresses und an alle Teilnehmer aus den verschiedenen Ländern der Welt richten. Meine Lieben, euer hochherziges Engagement und euer Zeugnis sind wirklich lobenswert.

35 Schon allein, wenn man sich die Titel der vorgesehenen Referate ansieht, kann man daran das umfassende Spektrum eurer Überlegungen und das Interesse ablesen, das sie für die Gegenwart, besonders in der säkularisierten Welt von heute, erkennen lassen. Ihr versucht, Antworten auf die vielen Probleme zu geben, die tagtäglich von dem anhaltenden Fortschritt der medizinischen Wissenschaften gestellt werden, deren Arbeit zunehmend von hochentwickelten technologischen Instrumenten unterstützt wird. Angesichts dieser Situation ergibt sich für alle und in besonderer Weise für die vom auferstandenen Herrn belebte Kirche die dringende Herausforderung, den Glanz der offenbarten Wahrheit und den Beistand der Hoffnung in den weiten Horizont des menschlichen Lebens hineinzutragen.

Wann immer ein Leben in vorgerücktem Alter oder aber am Beginn seiner irdischen Existenz oder aus unvorhergesehenen Gründen in der vollen Blüte der Jahre verlischt, darf man darin nicht lediglich eine versiegende biologische Erscheinung oder eine abgeschlossene Biographie sehen, sondern eine Neugeburt und ein erneuertes Dasein, das vom Auferstandenen demjenigen geschenkt wird, der sich seiner Liebe nicht absichtlich widersetzt hat. Mit dem Tod endet die irdische Erfahrung, aber durch den Tod eröffnet sich auch für jeden von uns jenseits der Zeit das volle und endgültige Leben. Der Herr des Lebens ist an der Seite des Kranken als der zugegen, der lebt und das Leben schenkt und der gesagt hat: »Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« (
Jn 10,10), »Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt« (Jn 11,25) und »Ich werde ihn auferwecken am letzten Tag« (Jn 6,54). Alle in der christlichen Hoffnung unternommenen Anstrengungen, um uns selbst und die uns anvertraute Welt zu verbessern, finden in jenem feierlichen und heiligen Augenblick, von der Gnade geläutert, ihren Sinn und gewinnen an Wert dank der Liebe Gottes, des Schöpfers und Vaters. Wenn sich im Augenblick des Todes die Beziehung mit Gott in der Begegnung mit demjenigen voll verwirklicht, »der nicht stirbt, der das Leben selber ist und die Liebe selber, dann sind wir im Leben. Dann leben wir« (Benedikt XVI., Enzyklika Spe salvi ). Für die Gemeinschaft der Gläubigen ist diese Begegnung des Sterbenden mit dem Herrn des Lebens und der Liebe ein Geschenk, das für alle wertvoll ist, das die Gemeinschaft aller Gläubigen bereichert. Als solches muß es die gemeinsame Aufmerksamkeit und Anteilnahme nicht nur der engsten Familienmitglieder, sondern im Rahmen des Möglichen der ganzen Gemeinde finden, die mit dem Sterbenden verbunden war. Kein Glaubender dürfte einsam und verlassen sterben. Mutter Teresa von Kalkutta kümmerte sich besonders darum, die Armen und Verlassenen von der Straße aufzulesen, damit sie wenigstens im Augenblick des Todes in der Umarmung durch die Schwestern und Brüder die Wärme des Vaters erfahren konnten.

Aber nicht nur die christliche Gemeinde ist durch ihre besonderen Bande übernatürlicher Gemeinschaft verpflichtet, in ihren Mitgliedern das Geheimnis des Schmerzes und Todes und den Anbruch des neuen Lebens zu begleiten und zu feiern. Tatsächlich ist die ganze Gesellschaft durch ihre Gesundheitseinrichtungen und zivilen Institutionen aufgerufen, das Leben und die Würde des schwerkranken und sterbenden Menschen zu achten. Trotz des Bewußtseins, daß »nicht die Wissenschaft den Menschen erlöst« (Spe salvi ), sind die ganze Gesellschaft und insbesondere die mit der Medizin verbundenen Sektoren verpflichtet, die Solidarität der Liebe, die Wahrung und die Achtung des menschlichen Lebens in jedem Augenblick seiner irdischen Entwicklung auszudrücken, vor allem, wenn es unter Krankheit leidet oder sich in seinem Endstadium befindet. Konkreter gesprochen geht es darum, daß für jeden Menschen, wenn er sie braucht, die notwendige Unterstützung durch Therapien und angemessene ärztliche Eingriffe sichergestellt werden muß, die nach den Kriterien der medizinischen Verhältnismäßigkeit bestimmt und durchgeführt werden, wobei immer die moralische Pflicht zu beachten ist, jene Maßnahmen zur Erhaltung des Lebens (von seiten des Arztes) anzuwenden und (von seiten des Patienten) anzunehmen, die in der konkreten Situation als »gewöhnliche« Behandlungen gelten. Was hingegen die mit schweren Risiken verbundenen Therapien betrifft, die unter der angebrachten Vorsicht als »außergewöhnliche« einzustufen wären, ist ihre Anwendung als moralisch erlaubt, aber fakultativ zu betrachten. Außerdem müssen für jeden Menschen immer die notwendigen und ihm zustehenden Behandlungen sichergestellt sein sowie die Unterstützung für die durch die Krankheit eines ihrer Mitglieder schwergeprüften Familien, besonders wenn es sich um eine schwere und lange Krankheit handelt. Auch werden im Bereich des Arbeitsrechts den Familienangehörigen bei der Geburt eines Kindes normalerweise spezifische Rechte eingeräumt; analog sollten, besonders unter bestimmten Umständen, den engen Verwandten eines todkranken Angehörigen in seiner letzten Lebensphase ähnliche Rechte zugestanden werden. Eine solidarische und humane Gesellschaft kann nicht die schwierigen Umstände von Familien unberücksichtigt lassen, die manchmal über lange Zeit hinweg die Last der Betreuung von pflegebedürftigen Schwerkranken zu Hause tragen müssen. Eine größere Achtung vor dem einzelnen menschlichen Leben geht unvermeidlich über die konkrete Solidarität aller und jedes einzelnen und stellt damit eine der dringlichsten Herausforderungen unserer Zeit dar.

Wie ich in der Enzyklika Spe salvi erwähnt habe, »bestimmt sich das Maß der Humanität ganz wesentlich im Verhältnis zum Leid und zum Leidenden. Das gilt für den einzelnen wie für die Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die die Leidenden nicht annehmen und nicht im Mit-leiden helfen kann, Leid auch von innen zu teilen und zu tragen, ist eine grausame und inhumane Gesellschaft« (). In einer komplexen und stark von der Dynamik der Produktivität und den Bedürfnissen der Wirtschaft beeinflußten Gesellschaft laufen die schwachen Menschen und die ärmeren Familien in Momenten wirtschaftlicher Schwierigkeiten und/oder Krankheit Gefahr, überrannt zu werden. In den großen Städten sehen sich alte und alleinstehende Menschen immer häufiger auch dann allein gelassen, wenn sie schwer krank sind und im Sterben liegen. In solchen Situationen verschärft sich für diese Menschen der auf Sterbehilfe ausgerichtete Druck, vor allem dann, wenn sich eine utilitaristische Auffassung vom Menschen einschleicht. In diesem Zusammenhang nutze ich die Gelegenheit, noch einmal gemäß der jahrhundertealten Lehre der Kirche die feste und bleibende ethische Verurteilung jeder Form von direkter Euthanasie zu bekräftigen.

Die Synergie der Zivilgesellschaft und der Gemeinschaft der Gläubigen muß sich zum Ziel setzen, daß alle nicht nur würdig und verantwortungsvoll leben können, sondern auch die Zeit der Prüfung und den Augenblick des Todes, soweit möglich, in einer Atmosphäre der Brüderlichkeit und Solidarität erfahren; und dies soll auch dort der Fall sein, wo der Tod in einer armen Familie oder in einem Krankenhausbett eintritt. Die Kirche ist dazu berufen, mit ihren bereits wirkenden Einrichtungen und mit neuen Initiativen das Zeugnis der tätigen Nächstenliebe zu geben; das gilt besonders angesichts der kritischen Situation alleinstehender pflegebedürftiger Personen und gegenüber schwerkranken Patienten, die außer angemessenem religiösen Beistand vor allem palliativmedizinische Behandlung benötigen. Die geistliche Mobilisierung der Pfarr- und Diözesangemeinden einerseits und die Schaffung bzw. eignungsgerechte Ausstattung der von der Kirche abhängigen Strukturen andererseits werden die ganze soziale Umgebung anregen und sensibilisieren können, damit jedem leidenden Menschen und besonders dem Sterbenden Solidarität und Nächstenliebe bezeugt und zuteil werden. Die Gesellschaft darf es ihrerseits nicht unterlassen, die nötige Unterstützung für die Familien sicherzustellen, die bereit sind, Angehörige, die von degenerativen Krankheiten (Tumore, neurodegenerative Pathologien usw.) betroffen sind oder eine besonders anspruchsvolle Betreuung nötig haben, oft über lange Zeiten hinweg zu Hause zu pflegen. Besonders erfordert ist das Zusammenwirken aller lebendigen und verantwortlichen Kräfte der Gesellschaft für jene spezialisierten Hilfseinrichtungen, die eine große Zahl von Fachpersonal und besonders kostenträchtige Geräte absorbieren. Vor allem in diesen Bereichen kann sich die Synergie der Kirche und der Institutionen als ausgesprochen wertvoll erweisen, um dem menschlichen Leben im Augenblick der Schwäche und Gebrechlichkeit die nötige Hilfe zu gewährleisten.

Während ich den Wunsch ausspreche, daß bei diesem internationalen Kongreß, der im Zusammenhang mit dem Jubiläum der Marienerscheinungen von Lourdes stattfindet, neue Vorschläge gefunden werden können, um die Situation all jener Menschen zu erleichtern, die mit den Krankheitsformen im Endstadium zu tun haben, fordere ich euch auf, eure verdienstvolle Aufgabe im Dienst am Leben in jeder Phase fortzusetzen. Mit diesen Empfindungen versichere ich euch meines Gebets zur Unterstützung eurer Arbeit und begleite euch mit einem besonderen Apostolischen Segen.

AN DIE BISCHÖFE VON EL SALVADOR ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Donnerstag, 28. Februar 2008

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!


1. Mit großer Freude empfange ich euch an diesem Tag, an dem ihr im Rahmen eures »Ad-limina«-Besuches zu den Gräbern der Apostel gekommen seid, um die Bande der Gemeinschaft eurer Teilkirchen mit dem Apostolischen Stuhl zu stärken. Meine Freude ist noch größer, weil ich zum ersten Mal als Nachfolger Petri die Gelegenheit zur Begegnung mit euch habe. Ich danke dem Erzbischof von San Salvador und Vorsitzenden der Bischofskonferenz Fernando Sáenz Lacalle für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Durch euch lasse ich besonders eure Priester, Ordensleute und gläubigen Laien grüßen, die die Frohe Botschaft von der Erlösung, die Christus uns gebracht hat - wahre und einzige Hoffnung für alle Völker -, hochherzig und mit unermüdlichem Einsatz leben und verkünden.

Die Mehrheit des salvadorianischen Volkes zeichnet sich durch ihren lebendigen Glauben und ihr tiefes religiöses Gefühl aus. Das Evangelium, das von den ersten Missionaren ins Land gebracht und auch von Hirten, die von der Liebe zu Gott erfüllt waren, wie Erzbischof Óscar Arnulfo Romero, leidenschaftlich verkündet wurde, hat sich in diesem schönen Land weithin eingewurzelt und reiche Früchte an christlichem Leben und Heiligkeit erbracht. Einmal mehr, liebe Brüder im Bischofsamt, ist die verwandelnde Kraft der Heilsbotschaft, die zu verkünden die Kirche berufen ist, Wirklichkeit geworden, denn es ist eine Gewißheit, daß »das Wort Gottes nicht gefesselt ist« (2Tm 2,9). Es ist lebendig und kraftvoll (vgl. He 4,12).

Außerdem habt ihr im Jahr 2005 einen Hirtenbrief dem Problem der Gewalt gewidmet, das als eines der schwerwiegendsten Probleme in eurer Nation angesehen wird. In der Analyse ihrer Ursachen erkennt ihr, daß die Zunahme der Gewalt eine unmittelbare Folge anderer, tieferer sozialer Mißstände ist: der Armut, des Mangels an Bildung, des fortschreitenden Verlusts jener Werte, die seit jeher die salvadorianische Seele geformt haben, und der Auflösung der Familie. Die Familie ist in der Tat ein unverzichtbares Gut für die Kirche und die Gesellschaft sowie ein Fundament für den Aufbau des Friedens (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 2008, 3). Deshalb spürt ihr die Notwendigkeit, in allen Diözesen eine angemessene und wirksame Familienpastoral wiederzubeleben und zu stärken, die den Jugendlichen eine solide geistliche und affektive Formung bietet, welche ihnen hilft, die Schönheit von Gottes Plan in bezug auf die menschliche Liebe zu entdecken, und ihnen erlaubt, die echten Werte von Ehe und Familie, wie Zärtlichkeit und gegenseitigen Respekt, Selbstbeherrschung, Ganzhingabe und beständige Treue, konsequent zu leben.

36 3. Angesichts der Armut so vieler Menschen scheint es unausweichlich notwendig zu sein, die wirtschaftlichen Strukturen und Bedingungen zu verbessern, damit es allen ermöglicht wird, ein würdiges Leben zu führen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, daß der Mensch nicht ein bloßes Produkt der materiellen oder sozialen Verhältnisse ist, in denen er lebt. Er braucht mehr, er strebt nach mehr als nach dem, was ihm die Wissenschaft und jegliche menschliche Initiative geben kann. Es gibt in ihm einen unermeßlichen Durst nach Gott. Ja, liebe Brüder im Bischofsamt, die Menschen sehnen sich in der Tiefe ihres Herzens nach Gott, und er ist der einzige, der ihren Durst nach Erfüllung und Leben stillen kann, denn nur er kann uns die Gewißheit einer bedingungslosen Liebe geben, einer Liebe, die stärker ist als der Tod (vgl. Spe salvi ). »Der Mensch braucht Gott, sonst ist er hoffnungslos« (ebd., 23).

Es ist deshalb notwendig, daß ihr in euren Diözesangemeinschaften einen Anstoß gebt zu einem ehrgeizigen und kühnen Bemühen um Evangelisierung, die darauf abzielt, in allen Gläubigen diese vertraute Begegnung mit dem lebendigen Christus zu erleichtern, die die Grundlage und der Ursprung des Christseins ist (vgl. Deus caritas est ). Also eine Pastoral, die »in Christus selbst ihre Mitte findet. Ihn gilt es kennenzulernen, zu lieben und nachzuahmen, um in ihm das Leben des dreifaltigen Gottes zu leben und mit ihm der Geschichte eine neue Gestalt zu geben, bis sie sich im himmlischen Jerusalem erfüllt« (Novo Millennio ineunte
NM 29). Man muß den gläubigen Laien dabei helfen, immer mehr den geistigen Reichtum ihrer Taufe zu entdecken, durch die sie »zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind« (Lumen gentium LG 40) und die ihre Verpflichtung erhellen wird, inmitten der menschlichen Gesellschaft für Christus Zeugnis abzulegen (vgl. Gaudium et spes GS 43). Um diese sehr anspruchsvolle Berufung zu erfüllen, müssen sie fest in einem intensiven Gebetsleben verwurzelt sein, das Wort Gottes eifrig und demütig hören und häufig die Sakramente empfangen; und sie müssen sich auch einen tiefen Sinn für die kirchliche Zugehörigkeit und eine solide Bildung aneignen, vor allem bezüglich der Soziallehre der Kirche, wo sie klare Kriterien und Leitlinien finden werden, um die Gesellschaft, in der sie leben, christlich erhellen zu können.

4. In eurer Hirtensorge müssen die Priester einen ganz besonderen Platz einnehmen. Mit ihnen einen euch engste Bande kraft des Weihesakraments, das sie empfangen haben, und der Teilnahme an demselben Evangelisierungsauftrag. Sie verdienen eure beste Fürsorge und eure Nähe zu einem jeden von ihnen, um ihre persönliche Situation kennenzulernen, ihnen in allen ihren geistigen und materiellen Bedürfnissen beizustehen und sie zu ermutigen, ihren Weg priesterlicher Heiligkeit freudig fortzusetzen. Ihr ahmt darin das Beispiel Jesu nach, der alle, die bei ihm waren, als seine Freunde betrachtete (vgl. Jn 15,15). Als Fundament und sichtbares Prinzip für die Einheit in euren Teilkirchen (vgl. Lumen gentium LG 23) ermuntere ich euch, Förderer und Vorbilder für euer Priesterkollegium zu sein, indem ihr dringend dazu ratet, die Eintracht und Einheit aller Priester untereinander und um ihren Bischof zu leben - als offene Bekundung eurer Liebe als Väter und Brüder, ohne es zu unterlassen, ordnungswidrige Situationen nötigenfalls zu korrigieren.

Die Liebe und Treue des Priesters zu seiner Berufung wird die beste und wirksamste Pastoral für Priesterberufe sowie ein Vorbild und Ansporn für eure Seminaristen sein, die das Herz eurer Diözesen sind und denen ihr eure besten Reserven und Kräfte widmen sollt (vgl. Optatam totius OT 5), denn sie sind die Hoffnung für eure Kirchen.

Begleitet auch aufmerksam das Leben und die Tätigkeit der Ordensinstitute durch Wertschätzung und Förderung der besonderen Berufung und Sendung des geweihten Lebens in euren Diözesangemeinschaften (vgl. Lumen gentium LG 44) und indem ihr sie ermutigt, an der pastoralen Arbeit in der Diözese mitzuwirken, »um durch ihre Anwesenheit und ihren Dienst die kirchliche Gemeinschaft zu bereichern« (Apostol. Schreiben Pastores gregis ).

5. Auch wenn die Herausforderungen, vor denen ihr steht, enorm sind und eure Kräfte und Fähigkeiten zu übersteigen scheinen, wißt ihr, daß ihr euch vertrauensvoll an den Herrn, für den nichts unmöglich ist (vgl. Lc 1,37), wenden und euer Herz dem Antrieb der göttlichen Gnade öffnen könnt. In diesem ständigen Kontakt mit Jesus, dem Guten Hirten, im Gebet werden die besten pastoralen Vorhaben für eure Gemeinden reifen, und ihr werdet wirklich Diener der Hoffnung für alle eure Brüder sein (vgl. Pastores gregis ), denn Er - der Herr - macht euer Bischofsamt fruchtbar, das seinerseits ein echter Widerschein eurer Hirtenliebe sein muß, nach dem Bild dessen, der nicht gekommen ist, »um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele« (Mc 10,45).

6. Liebe Brüder, am Ende unserer Begegnung danke ich euch noch einmal für eure hochherzige Hingabe an die Kirche und begleite euch mit meinem Gebet, damit euch in allen euren pastoralen Herausforderungen die Worte Jesu, des Herrn, mit Hoffnung erfüllen und euch ermutigen: »Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20). Ich drücke euch an mein Herz in einer Umarmung des Friedens, in die ich alle Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien eurer Ortskirchen einschließe. Auf jeden von euch und eure Gläubigen in den Diözesen rufe ich den Schutz der Jungfrau Maria, Königin des Friedens und Schutzpatronin von El Salvador, herab und erteile euch zugleich von Herzen den Apostolischen Segen.



AN FRAU MARY ANN GLANDON, NEUE BOTSCHAFTERIN DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA BEIM HL. STUHL

Freitag, 29. Februar 2008



Exzellenz!

Es ist mir eine Freude, das Schreiben entgegenzunehmen, mit dem Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafterin der Vereinigten Staaten von Amerika akkreditiert werden, und ihnen meine herzlichen und guten Wünsche zur Übernahme Ihrer neuen Verantwortung im Dienst Ihres Landes auszusprechen. Ich bin zuversichtlich, daß das Wissen und die Erfahrung, die aus Ihrer hervorragenden Verbindung mit der Arbeit des Heiligen Stuhls erwachsen sind, sich bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben als nützlich erweisen und die Tätigkeit der diplomatischen Gemeinschaft, der Sie jetzt angehören, bereichern werden. Ich danke Ihnen auch für die freundlichen Grüße, die Sie mir von Präsident George W. Bush im Namen des amerikanischen Volkes überbracht haben, während ich mich schon auf meinen Pastoralbesuch in den Vereinigten Staaten im April freue.

Amerika ist, wie Sie bemerkten, seit den Anfängen der Republik eine Nation, welche die Rolle des religiösen Glaubens für die Sicherstellung einer lebendigen und ethisch gesunden demokratischen Ordnung hochschätzt. Das Beispiel Ihres Landes, Menschen guten Willens ungeachtet von Rasse, Nationalität oder Religionszugehörigkeit in einer gemeinsamen Vision und einem disziplinierten Streben nach dem Gemeinwohl zu vereinen, war für viele jüngere Nationen eine Ermutigung bei ihren Anstrengungen, eine harmonische, freie und gerechte Gesellschaftsordnung zu schaffen. Diese Aufgabe, Einheit und Verschiedenheit zu versöhnen, eine gemeinsame Vision zu schmieden und die moralische Kraft für ihre Umsetzung aufzubieten, ist heute zu einer dringenden Priorität für die ganze Menschheitsfamilie geworden, die sich immer mehr ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und ihres Bedarfs an effektiver Solidarität bewußt wird, um den globalen Herausforderungen begegnen und eine friedliche Zukunft für die kommenden Generationen aufbauen zu können.

37 Die Erfahrung des vergangenen Jahrhunderts mit seinem hohen Blutzoll an Opfern durch Kriege und Gewalt, die in der geplanten Vernichtung ganzer Völker gipfelte, hat deutlich gemacht, daß die Zukunft der Menschheit nicht vom bloßen politischen Kompromiß abhängen kann. Sie muß vielmehr das Ergebnis eines tiefergehenden, auf der Anerkennung universaler Wahrheiten beruhenden Konsenses sein, der durch das vernünftige Nachdenken über die Voraussetzungen unseres gemeinsamen Menschseins zustande kommt (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 2008, 13).

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, deren sechzigsten Jahrestag wir in diesem Jahr begehen, war das Ergebnis einer weltweiten Erkenntnis, daß eine gerechte globale Ordnung nur auf der Anerkennung und Verteidigung der unantastbaren Würde und Rechte jedes Mannes und jeder Frau beruhen kann. Diese Erkenntnis muß dann wieder jede Entscheidung motivieren, die die Zukunft der Menschheitsfamilie und aller ihrer Glieder betrifft. Ich vertraue darauf, daß Ihr Land, das auf die selbstverständliche Wahrheit gegründet ist, wodurch der Schöpfer jeden Menschen mit bestimmten unveräußerlichen Rechten ausgestattet hat, auch weiterhin in den in seine Gründungsdokumente aufgenommenen Prinzipien des allgemeinen Sittengesetzes eine zuverlässige Richtschnur für die Ausübung seiner Führungsrolle in der internationalen Gemeinschaft finden wird.

Der Aufbau einer globalen, von den höchsten Idealen der Gerechtigkeit, der Solidarität und des Friedens inspirierten Rechtskultur verlangt von jeder neuen Generation festes Vertrauen, Hoffnung und Hochherzigkeit (vgl. Spe salvi ). Ich anerkenne Ihren Hinweis auf die beachtlichen Anstrengungen Amerikas bei der Suche nach kreativen Mitteln und Wegen, um die schwerwiegenden Probleme zu lindern, vor denen so viele Nationen und Völker in unserer Welt stehen. Der Aufbau einer sichereren Zukunft für die Menschheitsfamilie bedeutet zuallererst, daß man für die ganzheitliche Entwicklung der Menschen sorgt, besonders durch eine angemessene Gesundheitsfürsorge, die Eliminierung von Pandemien wie Aids, breitere Bildungschancen für junge Menschen, die Förderung der Frauen und die Einschränkung der Korruption und Militarisierung, durch die viele unserer Brüder und Schwestern in den ärmeren Ländern um wertvolle Ressourcen gebracht werden. Der Fortschritt der Menschheit wird nicht nur durch die Geißel des internationalen Terrorismus gefährdet, sondern auch durch Friedensbedrohungen wie das beschleunigte Wettrüsten und die anhaltenden Spannungen im Nahen Osten. Ich gebe bei dieser Gelegenheit meiner Hoffnung Ausdruck, daß geduldige und transparente Verhandlungen zur Reduzierung und Eliminierung der Kernwaffen führen werden und daß die jüngste Nahostkonferenz von Annapolis der erste einer Reihe von Schritten hin zu einem dauerhaften Frieden in der Region sein wird. Die Lösung dieser und ähnlicher Probleme verlangt Vertrauen in die und Engagement für die Arbeit internationaler Körperschaften wie der Organisation der Vereinten Nationen, die aufgrund ihrer Struktur in der Lage sind, einen echten Dialog und Verständigung dadurch zu fördern, daß sie divergierende Ansichten miteinander in Einklang bringen und multilaterale politische und strategische Taktiken entwickeln, die geeignet sind, den vielfältigen Herausforderungen unserer komplexen und sich rasch verändernden Welt zu begegnen.

Mit Dankbarkeit darf ich feststellen, welche Bedeutung die Vereinigten Staaten dem interreligiösen und interkulturellen Dialog als einer positiven friedenstiftenden Kraft beigemessen haben.

Der Heilige Stuhl ist von der großen geistlichen Wirkkraft überzeugt, die ein solcher Dialog besonders im Hinblick auf die Förderung der Gewaltlosigkeit und die Ablehnung von Ideologien darstellt, die die Religion manipulieren und für politische Zwecke mißbrauchen und im Namen Gottes die Gewalt rechtfertigen. Die historische Wertschätzung des amerikanischen Volkes für die Rolle der Religion bei der Gestaltung der öffentlichen Debatte und bei der Erhellung der unverzichtbaren moralischen Dimension der sozialen Probleme spiegelt sich in den Bemühungen so vieler Ihrer Mitbürger und Regierungsverantwortlicher wider, den gesetzlichen Schutz des göttlichen Geschenks des Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod sowie den Schutz der Ehe als festen Bund zwischen einem Mann und einer Frau sowie den Schutz der Familie zu gewährleisten.

Frau Botschafter, da Sie nun Ihre hohe Verantwortung im Dienst Ihres Landes übernehmen, erneuere ich meine guten Wünsche für den Erfolg Ihrer Arbeit. Seien Sie versichert, daß Sie immer auf die verschiedenen Dienststellen des Heiligen Stuhls zählen können, die Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben Hilfe und Unterstützung bieten werden. Auf Sie und Ihre Familie und auf das ganze geliebte amerikanische Volk rufe ich von Herzen den Segen Gottes, seine Weisheit, seine Kraft und seinen Frieden herab.



AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DES PÄPSTLICHEN RATES "COR UNUM"


Clementina-Saal

Freitag, 29. Februar 2008



Herr Kardinal,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

38 Ich freue mich, euch anläßlich der Vollversammlung des Päpstlichen Rates »Cor Unum« zu empfangen. An jeden von euch, die ihr an dieser Begegnung teilnehmt, richte ich meinen herzlichen Gruß. Insbesondere begrüße ich Herrn Kardinal Paul Josef Cordes, dem ich für die freundlichen Worte danke, Seine Exzellenz, den Sekretär, und alle Mitglieder und Offiziale des Päpstlichen Rates »Cor Unum«. Das Thema, über das ihr in diesen Tagen nachdenkt - »Die menschlichen und geistlichen Eigenschaften derer, die im karitativen Dienst der Kirche tätig sind« -, betrifft ein wichtiges Element des kirchlichen Lebens. Es geht nämlich um diejenigen, die im Volk Gottes einen unverzichtbaren Dienst ausüben: die »diakonia« der Nächstenliebe. Und gerade dem Thema der Nächstenliebe wollte ich meine erste Enzyklika Deus caritas est widmen.

Ich nehme daher gern diese Gelegenheit wahr, um denen besondere Anerkennung auszusprechen, die in verschiedenen Positionen im karitativen Bereich tätig sind und durch ihren Beitrag zeigen, daß die Kirche auf konkrete Weise denen zur Seite steht, die in irgendeiner Form von Not und Leid betroffen sind. Für diese kirchliche Tätigkeit tragen die Hirten die allgemeine und letzte Verantwortung; dies betrifft sowohl die Sensibilisierung als auch die Umsetzung von Plänen zur Förderung des Menschen, besonders zugunsten weniger begüterter Gemeinschaften. Wir danken Gott, daß viele Christen Zeit und Kraft investieren, um nicht nur materielle Hilfeleistungen zu bringen, sondern auch Unterstützung in Form von Trost und Hoffnung für diejenigen, die unter schwierigen Bedingungen leben, indem sie stets für das wahre Wohl des Menschen Sorge tragen. So nimmt die karitative Tätigkeit einen zentralen Platz im Evangelisierungsauftrag der Kirche ein. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Werke der Nächstenliebe einen wichtigen Bereich für die Begegnung auch mit Menschen darstellen, die Christus noch nicht oder nur teilweise kennen. Zu Recht bringen daher die Hirten und die Verantwortungsträger in der Seelsorge des karitativen Handelns denjenigen, die im Bereich der »diakonia« tätig sind, ständige Aufmerksamkeit entgegen und sorgen für ihre Ausbildung, sowohl vom menschlichen und fachlichen als auch vom theologisch-geistlichen und pastoralen Gesichtspunkt her.

In unserer Zeit wird sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kirche viel Wert auf die ständige Weiterbildung gelegt, wie die Vielzahl entsprechender Einrichtungen und Zentren zeigt, die errichtet werden, um brauchbare Hilfsmittel zum Erwerb spezifischer fachlicher Kompetenzen anzubieten. Unentbehrlich ist jedoch für diejenigen, die in den karitativen Einrichtungen der Kirche tätig sind, jene »Herzensbildung«, von der ich in der eben erwähnten Enzyklika Deus caritas est gesprochen habe (a): eine innere und geistliche Bildung, die aus der Begegnung mit Christus jene Sensibilität des Herzens hervorgehen läßt, die allein es erlaubt, die Erwartungen und die Bedürfnisse des Menschen bis ins Tiefste zu erkennen und zu erfüllen. Gerade dadurch wird es möglich, sich dieselben Empfindungen barmherziger Liebe anzueignen, die Gott jedem Menschen entgegenbringt. In den Augenblicken des Leidens und des Schmerzes ist dies der notwendige Zugang. Wer in den vielfachen Formen der Liebestätigkeit der Kirche arbeitet, kann sich daher nicht damit begnügen, nur technische Unterstützung zu bieten oder materielle Probleme und Schwierigkeiten zu lösen. Die Hilfe, die er anbietet, darf sich niemals nur auf eine philanthropische Geste reduzieren, sondern sie muß spürbarer Ausdruck der dem Evangelium entsprechenden Liebe sein. Wer auf der Ebene der Pfarrei oder der Diözese oder in internationalen Organismen Dienst am Menschen tut, der tut dies im Namen der Kirche und ist aufgerufen, in seinem Wirken eine echte Erfahrung von Kirche durchscheinen zu lassen.

Eine ernsthafte und wirksame Ausbildung in diesem lebenswichtigen Bereich muß also darauf abzielen, die Mitarbeiter der verschiedenen karitativen Dienste immer besser zu qualifizieren, damit sie auch und vor allem Zeugen der dem Evangelium entsprechenden Liebe sind. Das sind sie, wenn ihre Sendung sich nicht darin erschöpft, Sozialarbeiter zu sein, sondern in der Verkündigung des Evangeliums der Liebe besteht. In der Nachfolge Christi sind sie berufen, Zeugen des Wertes des Lebens in allen seinen Erscheinungsformen zu sein und besonders das Leben der Schwachen und Kranken zu verteidigen, nach dem Vorbild der seligen Mutter Teresa von Kalkutta; sie liebte die Sterbenden und nahm sich ihrer an, weil sich das Leben nicht von seiner Leistungsfähigkeit her bemißt, sondern immer und für alle einen Wert hat. An zweiter Stelle sind diese kirchlichen Mitarbeiter berufen, Zeugen der Liebe zu sein, also der Tatsache, daß wir dann vollkommen Männer und Frauen sind, wenn wir auf den anderen ausgerichtet leben, und Zeugen dafür, daß niemand für sich selbst sterben und leben kann und daß man das Glück nicht in der Einsamkeit eines in sich selbst zurückgezogenen Lebens findet, sondern in der Hingabe seiner selbst. Schließlich muß derjenige, der im kirchlichen Bereich arbeitet, Zeuge Gottes sein, der die Fülle der Liebe ist und zu lieben einlädt. Die Quelle allen Handelns des kirchlichen Mitarbeiters liegt in Gott, der Schöpferliebe und Erlöser ist. Wie ich in der Enzyklika Deus caritas est geschrieben habe, können wir die Liebe tun, weil wir nach Gottes Bild geschaffen sind, um »die Liebe zu verwirklichen und damit das Licht Gottes in die Welt einzulassen« (): Eben dazu wollte ich mit dieser Enzyklika einladen.

Welch große Bedeutungsfülle könnt ihr daher in eurer Tätigkeit finden! Und wie wertvoll ist sie für die Kirche! Ich freue mich, daß der Päpstliche Rat »Cor Unum« - gerade um eure Tätigkeit immer mehr zu einem Zeugnis für das Evangelium zu machen - für den kommenden Juni in Guadalajara einen Exerzitienkurs für Präsidenten und Direktoren karitativer Einrichtungen des amerikanischen Kontinents einberufen hat. Er wird dazu dienen, die menschliche und christliche Dimension, die ich soeben angesprochen habe, in Fülle wiederzuerlangen, und ich hoffe, daß die Initiative sich in Zukunft auch auf andere Teile der Welt ausweiten wird. Liebe Freunde, ich danke euch für das, was ihr tut, versichere euch eines liebevollen Gebetsgedenkens und erteile jedem von euch und eurer Arbeit von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.



ANSPRACHE 2008 Januar 2008 33