ANSPRACHE 2008 Januar 2008 103

103 Ich freue mich, Sie anläßlich der Überreichung Ihrer Beglaubigungsschreiben zu empfangen, durch die Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter Ihrer Länder akkreditiert werden: Tansania, Uganda, Liberia, Tschad, Bangladesch, Weißrußland, Republik Guinea, Sri Lanka und Nigeria. Ich danke Ihnen für die liebenswürdigen Worte, die Sie mir im Namen Ihrer Staatsoberhäupter übermittelt haben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihnen im Gegenzug meine ehrerbietigen Grüße und meine besten Wünsche für sie persönlich und für das hohe Amt, das sie im Dienst ihres Landes ausüben, zum Ausdruck bringen. Meine Grüße gehen auch an alle zivilen und religiösen Autoritäten Ihrer Länder sowie an alle Ihre Landsleute.

Ihre Anwesenheit heute gibt mir auch die Gelegenheit, den in Ihren Ländern vorhandenen katholischen Gemeinschaften mein herzliches Gedenken zu bekunden und sie meiner Gebete zu versichern, damit sie weiterhin in Treue und Hingabe durch die Verkündigung des Evangeliums und durch ihr vielfältiges Engagement im Dienst aller ihrer Brüder und Schwestern in der Menschheitsfamilie Zeugnis von Christus geben.

In der heutigen Welt spielen die Verantwortlichen der Nationen nicht nur in ihrem eigenen Land, sondern in den internationalen Beziehungen eine wichtige Rolle, damit jeder Mensch dort, wo er lebt, in den Genuß annehmbarer Lebensbedingungen kommen kann. Der entscheidende Maßstab dafür ist auf politischem Gebiet die Suche nach der Gerechtigkeit, damit die Würde und die Rechte jedes Menschen stets respektiert werden und alle Bewohner eines Landes am nationalen Reichtum teilhaben können. Das gilt ebenso auf internationaler Ebene. Aber die menschliche Gemeinschaft ist in jedem Fall auch dazu aufgerufen, über die bloße Gerechtigkeit hinauszugehen, indem sie ihre Solidarität gegenüber den ärmsten Völkern in der Sorge um eine bessere Verteilung der Reichtümer bekundet, die es vor allem den Ländern, die über fruchtbare Erde oder Bodenschätze verfügen, erlauben, zuallererst davon zu profitieren. Die reichen Länder können sich nicht allein das aneignen, was aus anderen Ländern stammt. Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit und der Solidarität, daß die internationale Gemeinschaft über die Verteilung der Ressourcen wacht und dabei ihr Augenmerk auf die Bedingungen legt, die für die Entwicklung der bedürftigsten Länder günstig sind. Ebenso ist es über die Gerechtigkeit hinaus nötig, auch die Brüderlichkeit zu entwickeln, um harmonische Gesellschaften aufzubauen, wo Eintracht und Friede herrscht, und um eventuell auftretende Probleme durch Dialog und Verhandlung beizulegen und nicht durch Gewalt in allen ihren Formen, die ausschließlich die Schwächsten und Ärmsten unter den Menschen treffen kann. Die Solidarität und Brüderlichkeit sind letztlich von der grundlegenden Liebe abhängig, die wir unserem Nächsten entgegenbringen sollen, denn jede Person, die eine Verantwortung im öffentlichen Leben hat, ist aufgerufen, aus ihrem Amt vor allem einen Dienst an allen ihren Landsleuten und darüber hinaus an allen Völkern des Planeten zu machen.

Die Ortskirchen ihrerseits übernehmen alle nur möglichen Anstrengungen, um mitunter in schwierigen Situationen ihren Beitrag zum Wohl ihrer Landsleute zu leisten. Es ist ihr innigster Wunsch, diesen Dienst am Menschen - an jedem Menschen ohne Unterschied - unermüdlich weiterzuführen.

Ihre Staatsoberhäupter haben Sie mit einer Mission beim Heiligen Stuhl betraut, der seinerseits besonders sorgfältig auf das Wohl der Menschen und Völker bedacht ist. Zum Abschluß unserer Begegnung möchte ich Ihnen, meine Herren Botschafter, meine besten Wünsche für den Dienst aussprechen, zu dessen Erfüllung im Rahmen des diplomatischen Lebens Sie berufen worden sind. Der Allmächtige stehe Ihnen selbst, Ihren Angehörigen, Ihren Mitarbeitern und allen Ihren Landsleuten beim Aufbau einer befriedeten Gesellschaft bei, und auf jeden komme die Fülle des göttlichen Segens herab.

AN DIE VOLLVERSAMMLUNG DER ITALIENISCHEN BISCHOFSKONFERENZ

Donnerstag, 29. Mai 2008



Liebe italienische Mitbrüder im Bischofsamt!

Bereits zum vierten Mal habe ich die Freude, euch aus Anlaß eurer Vollversammlung zu begegnen, um mit euch über die Sendung der Kirche in Italien und über das Leben dieser geliebten Nation nachzudenken. Ich grüße euren Präsidenten, Kardinal Angelo Bagnasco, und danke ihm herzlich für die freundlichen Worte, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat. Ich grüße die drei Vizepräsidenten und den Generalsekretär. Jeden von euch grüße ich mit der Zuneigung, die aus dem Bewußtsein entspringt, gemeinsam Glieder des einen mystischen Leibes Christi zu sein und an derselben Sendung Anteil zu haben.

Ich möchte euch zunächst dazu beglückwünschen, daß ihr in den Mittelpunkt eurer Arbeiten die Reflexion darüber gestellt habt, wie man die Begegnung der Jugendlichen mit dem Evangelium fördern kann und folglich konkret die grundlegenden Fragen der Evangelisierung sowie der Erziehung und Bildung der jungen Generationen. Wie in vielen anderen Ländern spürt man auch in Italien das, was wir als einen echten »Erziehungsnotstand« bezeichnen könnten. Denn wenn in einer Gesellschaft, die von einem in alle Bereiche eindringenden und nicht selten aggressiven Relativismus geprägt ist, die grundlegenden Sicherheiten, Werte und Hoffnungen fehlen, die dem Leben einen Sinn geben, verbreitet sich leicht unter den Eltern wie unter den Lehrern die Versuchung, sich ihrer Aufgabe zu entpflichten, und zuvor noch besteht die Gefahr, daß sie nicht mehr verstehen, was ihre persönliche Rolle und Aufgabe ist. Auch wenn die Kinder, Heranwachsenden und Jugendlichen von großer Aufmerksamkeit umgeben sind und vor den Prüfungen und Schwierigkeiten des Lebens in vielleicht übertriebener Weise geschützt werden, fühlen sie sich letztendlich allein gelassen angesichts der großen Fragen, die unweigerlich in ihnen aufbrechen, wie auch im Hinblick auf die Erwartungen und Herausforderungen, die sie auf ihrer Zukunft lasten spüren. Für uns Bischöfe, für unsere Priester, für die Katecheten und für die ganze christliche Gemeinschaft hat der Erziehungsnotstand einen eigenen präzisen Aspekt: die Weitergabe des Glaubens an die jungen Generationen. Auch hier, und in gewissem Sinn ganz besonders hier, müssen wir mit den Hindernissen rechnen, die der Weitergabe des Glaubens vom Relativismus in den Weg gelegt werden, von einer Kultur, die Gott ausklammert, den Mut zu jeder wirklich verbindlichen und insbesondere definitiven Entscheidung nimmt und dagegen in den verschiedenen Lebensbereichen die Selbstbehauptung und die unmittelbaren Befriedigungen bevorzugt.

Um diese Hindernisse zu überwinden, hat der Heilige Geist in der Kirche bereits viele Charismen erweckt und Kräfte der Evangelisierung freigesetzt, die im italienischen Katholizismus besonders präsent und lebendig sind. Als Bischöfe haben wir die Aufgabe, diese neuen Kräfte mit Freude aufzunehmen, sie zu unterstützen, ihre Reifung zu fördern, sie so zu lenken und zu leiten, daß sie immer innerhalb des großen Stroms des Glaubens und der kirchlichen Gemeinschaft bleiben. Darüber hinaus müssen wir den zahlreichen, immer noch vorhandenen Formen und Möglichkeiten der Begegnung mit den Jugendlichen und der Präsenz unter ihnen - in den Pfarreien, den Oratorien, den Schulen, vor allem den katholischen Schulen, und zahlreichen anderen Treffpunkten - ein stärker auf die Evangelisierung ausgerichtetes Profil verleihen. Vor allem sind da natürlich die persönlichen Beziehungen wichtig, insbesondere das Sakrament der Beichte und die geistliche Leitung. Jede dieser Gelegenheiten gibt uns die Möglichkeit, unsere Kinder und Jugendlichen das Antlitz jenes Gottes wahrnehmen zu lassen, der der wahre Freund des Menschen ist. Die großen Veranstaltungen - wie das Treffen im vergangenen September in Loreto und der Weltjugendtag im kommenden Juli in Sydney, an dem auch viele italienische Jugendliche teilnehmen werden - sind der gemeinschaftliche, öffentliche und feierliche Ausdruck der Erwartung, der Liebe und des Vertrauens zu Christus und der Kirche, die im Herzen der Jugendlichen verwurzelt bleiben. Diese Treffen ernten daher die Früchte unserer täglichen Pastoralarbeit und tragen zugleich dazu bei, in vollen Zügen den Geist der Universalität der Kirche und der Brüderlichkeit zu atmen, die alle Nationen vereinen muß.

Auch im weiteren sozialen Kontext wirft der aktuelle Erziehungsnotstand die Frage nach einer Erziehung auf, die wirklich eine solche ist: also konkret die Frage nach Erziehern, die glaubwürdige Zeugen jener Realität und jener Werte zu sein vermögen, auf die man sowohl das persönliche Leben aufbauen kann als auch allgemein anerkannte und gemeinschaftliche Lebenspläne. Diese Frage an sich - die aus dem Sozialgefüge aufsteigt und die Jugendlichen nicht weniger betrifft als die Eltern und die anderen Erzieher - ist schon Vorbedingung und Beginn eines Weges der Wiederentdeckung und des Neuanfangs, der erneut die volle und ganzheitliche Erziehung und Bildung der Person in Formen, die der heutigen Zeit angemessen sind, in den Mittelpunkt stellt. In diesem Zusammenhang muß auch ein Wort gesagt werden zugunsten der Schulen, dieser besonderen Orte der Erziehung und Ausbildung. In einem demokratischen Staat, der es sich zur Ehre anrechnet, die freie Initiative auf allen Gebieten zu fördern, scheint der Ausschluß einer angemessenen Unterstützung für das Engagement der kirchlichen Einrichtungen auf schulischem Gebiet nicht gerechtfertigt. Es ist legitim, sich zu fragen, ob die anregende Gegenüberstellung unterschiedlicher Bildungszentren - ins Leben gerufen durch vielfältige Gruppen aus der Bevölkerung, die den Erziehungsentscheidungen der einzelnen Familien Ausdruck verleihen wollen, natürlich unter Achtung der für alle geltenden Lehrpläne des Ministeriums - nicht der Qualität des Unterrichts dienlich wäre? All das weist darauf hin, daß eine solche Gegenüberstellung heilsame Auswirkungen haben würde.

104 Liebe italienische Mitbrüder im Bischofsamt, nicht nur in dem sehr wichtigen Bereich der Erziehung und Bildung, sondern in gewisser Weise im Hinblick auf die Gesamtsituation ist es nötig, daß Italien aus einer schwierigen Zeit herauskommt, in der sich die wirtschaftliche und soziale Dynamik abzuschwächen schien, das Vertrauen in die Zukunft geringer geworden ist, das Gefühl der Unsicherheit dagegen gewachsen ist aufgrund der Armut vieler Familien, mit der daraus folgenden Tendenz eines jeden, sich im eigenen Privatinteresse zu verschließen. Gerade im Bewußtsein dieses Kontexts bemerken wir mit besonderer Freude Zeichen eines neuen, zuversichtlicheren und konstruktiveren Klimas. Dies steht in Zusammenhang mit den sich abzeichnenden friedvolleren Beziehungen zwischen den politischen Kräften und den Institutionen auf Grund eines lebendigeren Bewußtseins der gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft der Nation. Tröstlich ist, daß dieses Bewußtsein sich im allgemeinen Empfinden, auf dem gesamten Territorium und in allen sozialen Schichten zu verbreiten scheint. Es besteht der verbreitete Wunsch, den Weg wieder aufzunehmen, gemeinsam zumindest die dringendsten und schwersten Probleme anzugehen und zu lösen, eine neue Zeit des wirtschaftlichen, aber auch des zivilen und sittlichen Wachstums in Gang zu bringen.

Offensichtlich muß sich dieses Klima konsolidieren, und es könnte sich bald verflüchtigen, wenn es keine Entsprechung findet in einigen konkreten Resultaten. Es stellt aber schon an sich eine wertvolle Ressource dar, und jeder hat die Aufgabe, es der eigenen Rolle und den eigenen Verantwortlichkeiten entsprechend zu bewahren und zu stärken. Als Bischöfe müssen wir unseren besonderen Beitrag leisten, damit Italien eine Zeit des Fortschritts und der Eintracht erfährt und jene Energien und Impulse fruchtbar machen kann, die aus seiner großartigen christlichen Geschichte stammen. Dazu müssen wir unseren kirchlichen Gemeinschaften und dem ganzen italienischen Volk offen sagen und bezeugen, daß - auch wenn es viele Probleme gibt, die zu lösen sind - die Grundfrage des heutigen Menschen die Gottesfrage bleibt. Kein anderes menschliches und soziales Problem kann wirklich gelöst werden, wenn Gott nicht wieder im Mittelpunkt unseres Lebens steht. Nur so, durch die Begegnung mit dem lebendigen Gott, Quelle jener Hoffnung, die uns von innen her verwandelt und die nicht zugrunde gehen läßt (
Rm 5,5), ist es möglich, ein starkes und sicheres Vertrauen in das Leben wiederzufinden und unseren guten Vorhaben Festigkeit und Kraft zu verleihen.

Ich möchte auch euch, liebe italienische Bischöfe, das sagen, was ich am vergangenen 16. April zu unseren Mitbrüdern aus den Vereinigten Staaten gesagt habe: »Als Verkünder des Evangeliums und Leiter der katholischen Gemeinschaft seid ihr auch dazu aufgerufen, euch am Ideenaustausch im öffentlichen Raum zu beteiligen, um dazu beizutragen, die kulturellen Haltungen zu formen« (Ansprache bei der Vesper mit den Bischöfen der USA im Nationalheiligtum der Unbefleckten Empfängnis in Washington; in O.R. dt., Nr. 17, 25.4.2008, S. 10). Im Rahmen einer gesunden und richtig verstandenen Laizität ist es notwendig, jeder Tendenz Widerstand zu leisten, die die Religion und insbesondere das Christentum als reine Privatangelegenheit betrachtet: die unserem Glauben entspringenden Perspektiven können im Gegenteil einen grundlegenden Beitrag leisten zur Klärung und zur Lösung der großen sozialen und moralischen Fragen des heutigen Italien und Europa. Ihr widmet daher zu Recht der auf die Ehe gegründeten Familie große Aufmerksamkeit, um eine Pastoral zu fördern, die den heute vor ihr liegenden Herausforderungen angemessen ist; um die Durchsetzung einer Kultur zu unterstützen, die die Familie und das Leben fördert und ihnen nicht feindlich gegenübersteht; wie auch um von den öffentlichen Institutionen eine konsequente und einheitliche Politik zu fordern, die der Familie jene zentrale Rolle zuerkennt, die sie in der Gesellschaft hat, insbesondere für die Zeugung und Erziehung der Kinder: Italien braucht dringend eine solche Politik. Unser Einsatz für die Würde und den Schutz des menschlichen Lebens muß unerschütterlich und beständig sein - in jeder Phase und Situation, von der Empfängnis über das embryonale Stadium bis hin zu Situationen von Krankheit und Leiden und schließlich zum natürlichen Tod. Wir dürfen auch nicht die Augen verschließen und schweigen angesichts der Armut, der Entbehrungen und der sozialen Ungerechtigkeiten, die einen großen Teil der Menschheit bedrücken und die ein großherziges Engagement aller verlangen, ein Einsatz, der alle Menschen einschließen soll, die, auch wenn sie unbekannt sind, in Not sind. Natürlich muß die Hilfsbereitschaft in die Tat umgesetzt werden unter Achtung der Gesetze, die für die Sicherung eines geordneten Ablaufs des sozialen Lebens sorgen, sei es innerhalb eines Staates, sei es gegenüber jemandem, der von außen kommt. Es ist nicht notwendig, daß ich diesen Aspekt noch konkreter ausführe, ich weiß, daß ihr und eure geschätzten Priester die konkreten und realen Situationen kennt, weil ihr vor Ort unter den Menschen lebt.

Es ist für die Kirche in Italien von außergewöhnlichem Vorteil, daß sie sich auf die Medien stützen kann, die in der öffentlichen Debatte täglich ihre Erfordernisse und Sorgen zum Ausdruck bringen, sicherlich in freier und autonomer Weise, aber im Geist der echten Übereinstimmung. Deshalb freue ich mich zusammen mit euch über den 40. Jahrestag der Gründung der Zeitung »Avvenire« und wünsche sehr, daß sie noch mehr Leser erreichen kann. Ich freue mich über die Veröffentlichung der neuen Bibelübersetzung und über das Exemplar, das ihr mit freundlicherweise überreicht habt, und ich hoffe, daß es auch eine Taschenbuchausgabe geben wird. Dies fügt sich gut ein in die Vorbereitung der nächsten Bischofssynode, die über »Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche« nachdenken wird.

Liebe italienische Mitbrüder im Bischofsamt, ich versichere euch meiner Nähe mit einem beständigen Gebetsgedenken und erteile voll Zuneigung jedem von euch, euren Ortskirchen und der ganzen geliebten italienischen Nation den Apostolischen Segen.

AN DIE BISCHÖFE VON MYANMAR ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Freitag, 30. Mai 2008

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Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!


Ich freue mich, euch, die Bischöfe von Myanmar, willkommen zu heißen. Ihr seid nach Rom gekommen, um die Gräber der heiligen Apostel zu verehren und eure Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri zu stärken. Unsere heutige Begegnung gibt Zeugnis von der Einheit, der Liebe und dem Frieden, die uns verbinden und unsere Sendung beseelen, das Volk Gottes zu lehren, zu leiten und zu heiligen (vgl. Lumen gentium
LG 22). Ich bin dankbar für die freundlichen Grüße und die Zusicherung des Gebets, die Erzbischof Paul Grawng in eurem Namen sowie im Namen des Klerus, der Ordensleute und der Laien eurer jeweiligen Diözesen zum Ausdruck gebracht hat. Ich möchte sie erwidern durch meinen herzlichen Gruß und mein aufrichtiges Gebet, daß »der Herr euch den Frieden schenke zu jeder Zeit und auf jede Weise« (vgl. 2Th 3,16).

Die Kirche in Myanmar ist bekannt und hochgeschätzt für ihre Solidarität mit den Armen und Notleidenden. Das ist besonders deutlich geworden durch eure Sorge um die Folgen und Auswirkungen des Wirbelsturms Nargis. Die zahlreichen katholischen Organisationen und Verbände in eurem Land zeigen, daß die Menschen unter eurer Obhut den Ruf Johannes des Täufers beachtet haben: »Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso« (Lc 3,11). Ich vertraue darauf, daß die Gläubigen unter eurer Führung auch weiterhin beweisen werden, daß es möglich ist, »eine glückliche Verbindung zwischen Evangelisierung und Liebeswerk« (Deus caritas est ) herzustellen, so daß andere »ihre menschliche Güte zu spüren bekommen« und »Gott verherrlicht wird in Jesus Christus« (ebd., 31; vgl. 1P 4,8-11).

Ich weiß, wie dankbar das birmanische Volk in diesen schweren Tagen für die Bemühungen der Kirche ist, den immer noch Notleidenden Unterkunft zu verschaffen und sie mit Nahrung, Wasser und Medizin zu versorgen. Ich hoffe, daß infolge der kürzlich getroffenen Vereinbarung über die Hilfeleistungen durch die internationale Gemeinschaft alle Hilfswilligen in die Lage versetzt werden, den erforderlichen Beistand zu leisten, und effektiven Zugang erhalten zu den Orten, an denen dieser am meisten gebraucht wird. In dieser kritischen Zeit danke ich dem allmächtigen Gott, daß er uns »von Angesicht zu Angesicht« (vgl. 1Th 2,17) zusammengeführt hat, denn es gibt mir Gelegenheit, euch nochmals zu versichern, daß die Universalkirche im Geiste mit denen verbunden ist, die den Verlust geliebter Menschen betrauern (vgl. Rm 12,15), und ihnen die Verheißung der Stärkung und des Trostes gibt, die der Herr schenkt (vgl. Mt 5,4). Möge Gott die Herzen aller Menschen öffnen, damit gemeinsame Anstrengungen unternommen werden, das fortdauernde Bemühen, den Leidenden Hilfe zu bringen und die Infrastruktur des Landes wiederaufzubauen, zu unterstützen und zu koordinieren.

Die Sendung der Liebe, die der Kirche zu eigen ist, leuchtet auf besondere Weise im Ordensleben hervor, durch das Männer und Frauen sich mit »ungeteiltem« Herzen dem Dienst an Gott und am Nächsten weihen (vgl. 1Co 7,34 vgl. Vita consecrata VC 3). Es freut mich zu erfahren, daß eine wachsende Anzahl von Männern und Frauen in eurer Region auf den Ruf zum geweihten Leben antwortet. Ich bete dafür, daß ihre freie und radikale Annahme der evangelischen Räte andere inspirieren möge, das Leben der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams um des Himmelreiches willen anzunehmen. Um die Kandidaten auf diesen Dienst des Gebets und der apostolischen Arbeit vorzubereiten, müssen Zeit und Mittel investiert werden. Die Ausbildungskurse, die von der katholischen Ordenskonferenz von Myanmar angeboten werden, zeigen die Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ordensgemeinschaften auf, mit der gebotenen Achtung gegenüber dem besonderen Charisma jeder einzelnen, und verweisen auf den Bedarf an fundierter akademischer, geistlicher und menschlicher Ausbildung.

Ähnliche Zeichen der Hoffnung sieht man in der steigenden Anzahl von Berufungen zum Priestertum. Diese Männer wurden »zusammengerufen « und »ausgesandt, um zu verkündigen« (vgl. Lc 9,1-2), um dem Gottesvolk Vorbilder der Treue und Heiligkeit zu sein. Mögen die Priester, mit dem Heiligen Geist erfüllt und von eurer väterlichen Fürsorge geleitet, ihren heiligen Pflichten in Demut, Einfachheit und Gehorsam nachkommen (vgl. Presbyterorum ordinis PO 15). Wie ihr wißt, erfordert dies eine gründliche Ausbildung, die der Würde ihres Priesteramtes entspricht. Ich ermutige euch daher, auch weiterhin die notwendigen Opfer zu bringen, um sicherzustellen, daß die Seminaristen die ganzheitliche Ausbildung bekommen, die sie fähig macht, wahre Boten der Neuevangelisierung zu werden (vgl. Pastores dabo vobis PDV 2).

Meine lieben Brüder, die Sendung der Kirche, die Frohe Botschaft zu verbreiten, hängt von einer großherzigen und bereitwilligen Antwort der gläubigen Laien ab, Arbeiter im Weinberg zu werden (vgl. Mt 20,1-16 Mt 9,37-38). Auch sie bedürfen einer soliden und dynamischen christlichen Ausbildung, die sie anspornt, die Botschaft des Evangeliums an ihren Arbeitsplatz, in die Familien und in die ganze Gesellschaft zu tragen (vgl. Ecclesia in Asia ). In euren Berichten wird die Begeisterung erwähnt, mit der die Laien viele neue katechetische und geistliche Initiativen ausrichten, an denen oft eine große Anzahl junger Menschen beteiligt ist. Ich ermutige euch, im Rahmen der Förderung und Überwachung dieser Aktivitäten diejenigen, die unter eurer Obhut stehen, zu ermahnen, sich beständig der Speise der Eucharistie durch die Teilnahme an der Liturgie und die stille Betrachtung zuzuwenden (vgl. Ecclesia de Eucharistia EE 6). Fruchtbare Evangelisierungs- und Katecheseprogramme erfordern auch klare Planung und Organisation, wenn sie das erwünschte Ziel erreichen sollen, die christliche Wahrheit zu lehren und Menschen in die Liebe Christi hineinzuziehen. Es ist wünschenswert, daß sie sich geeigneter Hilfsmittel bedienen, wozu auch Broschüren und audiovisuelle Materialien gehören, um die mündliche Unterweisung zu ergänzen und gemeinsame Bezugspunkte für die wahre katholische Lehre zu geben. Ich bin sicher, daß andere Ortskirchen auf der ganzen Welt alles tun werden, was in ihrer Macht steht, um Material zu beschaffen, wann immer es möglich ist.

Eure aktive Teilnahme am ersten »Asian Mission Congress« hat zu neuen Initiativen geführt, das gegenseitige Wohlwollen zwischen euch und den Buddhisten in eurem Land zu fördern. Ich möchte euch in diesem Zusammenhang ermutigen, immer bessere Beziehungen zu den Buddhisten aufzubauen für das Wohl eurer einzelnen Gemeinschaften und der ganzen Nation.

Abschließend, meine lieben Brüder, möchte ich meinen aufrichtige Dankbarkeit zum Ausdruck bringen für euren treuen Dienst inmitten von schwierigen Umständen und Rückschlägen, die sich oft eurer Kontrolle entziehen. Im kommenden Monat eröffnet die Kirche ein besonderes Jubiläumsjahr zu Ehren des hl. Paulus. Dieser »Völkerapostel« wurde durch alle Jahrhunderte hindurch für seine furchtlose Beharrlichkeit in Prüfungen und Leid hoch geschätzt, von denen in seinen Briefen und in der Apostelgeschichte lebendig berichtet wird (vgl. 2Tm 1,8-13 Ac 27,13-44). Paulus ermahnt uns, unseren Blick fest auf die Herrlichkeit zu heften, die uns erwartet, damit wir im Schmerz und in den Leiden der heutigen Zeit niemals verzweifeln. Das Geschenk der Hoffnung, das wir empfangen haben - und in dem wir gerettet sind (vgl. Rm 8,24) - läßt Gnade zuteil werden und verändert unsere Lebensweise (vgl. Spe salvi ). Erleuchtet durch den Heiligen Geist lade ich euch ein, euch dem sicheren Vertrauen des hl. Paulus anzuschließen, daß nichts - weder Bedrängnis noch Verfolgung oder Hunger, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges - uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserem Herrn (vgl. Rm 8,35-39).

Ich vertraue euch der Fürsprache Mariens, Königin der Apostel, an und erteile euch, eurem Klerus, euren Ordensleuten und gläubigen Laien gern meinen Apostolischen Segen.

AN HERRN ACISCLO VALLADARES MOLINA, BOTSCHAFTER VON GUATEMALA BEIM HL. STUHL

Samstag, 31. Mai 2008

106

Herr Botschafter!

1. Mit Freude nehme ich das Beglaubigungsschreiben entgegen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Gern heiße ich Sie herzlich zu diesem feierlichen Akt willkommen, mit dem die Ihnen anvertraute Mission beginnt, und spreche Ihnen gleichzeitig meinen Dank für die Worte aus, die Sie an mich gerichtet haben, sowie auch für den ehrerbietigen Gruß, den der Präsident Ihres edlen Landes, Ingenieur Álavaro Colom Caballeros, mir durch Eure Exzellenz übermitteln ließ. Ich bitte Sie, ihm meine besten Wünsche für ihn und für seine Regierung zu übermitteln, während ich ihn meiner Gebete für die Sicherheit, den Fortschritt und das harmonische Zusammenleben des geliebten guatemaltekischen Volkes versichere.

2. Fünfundzwanzig Jahre sind vergangen seit dem ersten Pastoralbesuch, den mein verehrter Vorgänger diesem schönen Land »des ewigen Frühlings« abgestattet hat. Bei jenem denkwürdigen Anlaß konnte der Diener Gottes Johannes Paul II. der Aufmerksamkeit Ausdruck verleihen, mit der der Heilige Stuhl diese Nation in den Wechselfällen ihrer Geschichte begleitet hat und ihr in den heikelsten Augenblicken besonders nahe war, um die Sorgen ihres Volkes zu teilen und es vor allem zu ermutigen, sich entsagungsvoll um das Gemeinwohl zu bemühen. Herr Botschafter, ich weiß, daß die Guatemalteken diese Sorge mit einer tiefen Treue zum Bischof von Rom vergelten. Dies trägt zur Festigung der Bande der Freundschaft bei, die seit geraumer Zeit Ihr Land mit dem Heiligen Stuhl verbinden, der diese guten Beziehungen sehr zu schätzen weiß und die besten Wünsche dafür ausspricht, daß die Umstände in Guatemala Erfolge in den verschiedenen Gesellschaftsbereichen ermöglichen und eine feste Basis sein mögen, um einer vielversprechenden Zukunft entgegenzugehen.

3. Der jüngste »Ad-limina«-Besuch der Bischöfe Guatemalas hat eine großartige Gelegenheit geboten, näher kennenzulernen, mit welcher Lebendigkeit die Kirche in Ihrer Nation das Evangelium verkündet, Wege der Hoffnung öffnet und allen Bürgern, besonders den Bedürftigsten, eine brüderliche Hand reicht. Aus dieser Sicht teilt die Kirche die Sorge der Autoritäten Guatemalas - worauf Eure Exzellenz aufmerksam gemacht hat - über Phänomene wie Armut und Emigration, die einen Großteil der Bevölkerung betreffen. Die im Laufe der Geschichte gesammelte reiche kirchliche Erfahrung kann dazu beitragen, Maßnahmen zu finden, um diesen Problemen aus einer humanitären Sicht zu begegnen und die Solidarität zu stärken, die für das Finden wirksamer und dauerhafter Lösungen unerläßlich ist. In diesem Sinn müssen zu den unverzichtbaren technischen und ökonomischen Programmen jene anderen Aspekte hinzukommen, die die Würde der Person, die Stabilität der Familie und eine Erziehung fördern, die den wichtigsten menschlichen und christlichen Werten Rechnung trägt. Nicht vergessen werden dürfen auch alle diejenigen, die ihr Land verlassen mußten, aber nie aufgehört haben, es im Herzen zu tragen. Das ist eine Pflicht der Dankbarkeit und Gerechtigkeit gegenüber jenen, die de facto auch eine Quelle bedeutender Ressourcen für die Heimat sind, aus der sie entstammen.

4. Eine weitere Herausforderung für Guatemala besteht darin, der Unterernährung unzähliger Kinder ein Ende zu setzen. Das Recht auf Nahrung entspricht hauptsächlich einer ethischen Motivation: »den Hungrigen zu essen geben « (vgl.
Mt 25,35), die uns dazu drängt, als Zeichen der Liebe, die wir alle brauchen, die materiellen Güter zu teilen. Wie ich schon bei anderer Gelegenheit gesagt habe, erfordert »das Ziel, den Hunger zu bekämpfen und gleichzeitig auf eine gesunde und ausreichende Ernährung zählen zu können, […] auch besondere Methoden und Vorgehensweisen, die eine Nutzung der Ressourcen ermöglichen, bei der das Gut der Schöpfung geachtet wird. Eine Arbeit in dieser Richtung stellt eine Priorität dar. Sie macht es erforderlich, daß man sich nicht nur die Ergebnisse der Wissenschaft, der Forschung und der Technik zunutze macht, sondern auch die Kreisläufe und den Rhythmus der Natur berücksichtigt, die die Menschen in den ländlichen Gebieten kennen. Auch die traditionellen Gebräuche der indigenen Gemeinschaften müssen geschützt und egoistische und ausschließlich wirtschaftliche Motivationen überwunden werden« (Botschaft an den Generaldirektor der FAO anläßlich des Welternährungstages 2007, 4.10.2007; in O.R. dt., Nr. 43, 26.10.2007, S. 8-9). ).

5. Dieses vorrangige Recht auf Nahrung ist eng verknüpft mit dem Schutz und der Verteidigung des menschlichen Lebens, dem festen und unantastbaren Felsen, auf den das ganze Gebäude der Menschenrechte gegründet ist. Niemals wird daher die Sorgfalt ausreichen, die aufgewandt werden muß, um den Müttern, besonders jenen, die sich in ernsten Schwierigkeiten befinden, beizustehen, so daß sie ihr Kind in Würde zur Welt bringen können und so den nicht zu rechtfertigenden Rückgriff auf Abtreibung vermeiden. In diesem Sinn ist die Rettung besonders des bereits empfangenen, aber noch ungeborenen menschlichen Lebens, dessen Unschuld und Schutzlosigkeit größer ist, eine immer gültige Aufgabe, mit der von ihrer Natur her das Anliegen in Zusammenhang gebracht wird, daß die Adoption der Kinder zu jedem Zeitpunkt von der Gesetzlichkeit der dazu eingesetzten Verfahren garantiert wird.

6. Die Geißel der Gewalt in der Gesellschaft verschlimmert sich oft, weil es in den Familien an Dialog und Zusammenhalt fehlt; weitere Ursachen sind die erschütternden wirtschaftlichen Ungleichheiten, die schwerwiegenden Vernachlässigungen und Mängel im Gesundheitswesen, der Konsum und Handel von Drogen und die Plage der Korruption. Mit Befriedigung vermerke ich die Schritte, die man in Ihrer Nation im Kampf gegen diese Tragödien unternommen hat und die weitergehen müssen, indem man die Zusammenarbeit aller fördert, um durch die Pflege der richtigen Werte und den Kampf gegen Illegalität, Straflosigkeit und Korruption die gesteckten Ziele zu erreichen.

7. Herr Botschafter, vor Schluß dieser Begegnung möchte ich Sie und Ihre Familie sowie auch die anderen Mitglieder dieser diplomatischen Mission beglückwünschen und Ihnen meine besten Wünsche aussprechen in dem Augenblick, in dem Eure Exzellenz erneut die ehrenvolle Verantwortung übernimmt, Ihr Land beim Heiligen Stuhl zu vertreten. Seien Sie gewiß, daß Sie bei meinen Mitarbeitern stets die Hilfe finden werden, die Sie für die Erfüllung einer so erhabenen Aufgabe benötigen.

Während ich das Volk und die Autoritäten Guatemalas der mütterlichen Fürsprache der Schutzpatronin des Landes »Nuestra Señora del Rosario« anvertraue, bitte ich Gott inständig, Ihre Heimat auf ihrem Weg zu segnen und zu begleiten, damit in ihr unablässig die Sterne des Friedens, der Gerechtigkeit, des Wohlergehens und der brüderlichen Eintracht erstrahlen.

AN DIE MITGLIEDER DER STIFTUNG "CENTESIMUS ANNUS - PRO PONTIFICE"

Samstag, 31. Mai 2008

107
Herr Kardinal,

verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
sehr geehrte Damen und Herren!

Gern empfange ich euch heute und heiße euch herzlich willkommen. Ich danke Graf Lorenzo Rossi di Montelera, der als Vorsitzender der Stiftung eure Gefühle zum Ausdruck gebracht und auch über eure Tätigkeit in diesem Jahr berichtet hat. Ich grüße Herrn Kardinal Attilio Nicora und die Erzbischöfe Claudio Maria Celli und Domenico Calcagno sowie einen jeden von euch. Erneut danke ich euch für den Dienst, den ihr für die Kirche leistet, indem ihr euren hochherzigen Beitrag zu den vielfältigen Initiativen des Heiligen Stuhls zugunsten der Armen in allen Teilen der Welt anbietet. In diesem Sinn danke ich euch besonders für das Geschenk, das ihr mir anläßlich dieser Begegnung überbringen wolltet.

Für euer gewohntes Treffen habt ihr in diesem Jahr das Thema »Das soziale Kapital und die menschliche Entwicklung« gewählt. So habt ihr über das von vielen verspürte Bedürfnis nachgedacht, eine globale Entwicklung zu fördern, die auf die ganzheitliche Entfaltung des Menschen achtet. Dabei habt ihr auch den Beitrag hervorgehoben, den die Freiwilligenvereinigungen, die Stiftungen und andere Zusammenschlüsse gemeinnützig leisten mit dem Ziel, das soziale Netz immer solidarischer zu machen. Eine harmonische Entwicklung ist möglich, wenn die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen, die in die Tat umgesetzt werden, jene Grundprinzipien berücksichtigen, die sie für alle erreichbar machen: Ich beziehe mich insbesondere auf die Prinzipien der Subsidiarität und der Solidarität. Im Mittelpunkt jeder wirtschaftlichen Planung, soll - besonders im Hinblick auf das ausgedehnte und komplexe Netz von Beziehungen, das die postmoderne Zeit kennzeichnet - immer die Person stehen, die nach dem Bild Gottes geschaffen und von ihm gewollt ist, um die außerordentlichen Ressourcen der Schöpfung zu schützen und zu verwalten. Nur eine miteinander geteilte Kultur der aktiven und verantwortlichen Teilhabe kann jedem Menschen ermöglichen, sich nicht als Nutznießer oder passiver Zeuge zu fühlen, sondern als aktiver Mitarbeiter am weltweiten Entwicklungsprozeß.

Der Mensch, dem Gott in der Genesis die Erde anvertraut hat, hat die Aufgabe, alle irdischen Güter Frucht bringen zu lassen, indem er sich bemüht, sie zu nutzen, um den vielfachen Bedürfnissen jedes Gliedes der Menschheitsfamilie abzuhelfen. Eine der im Evangelium häufig wiederkehrenden Metaphern ist gerade die des Verwalters. Der Mensch soll mit der Gesinnung eines treuen Verwalters die ihm von Gott anvertrauten Güter verwalten und allen zur Verfügung stellen. Mit anderen Worten gesagt: Es ist zu vermeiden, daß der Nutzen nur dem einzelnen zukommt oder aber daß Formen von Kollektivismus die personale Freiheit unterdrücken. Das wirtschaftliche und kommerzielle Interesse darf niemanden ausschließen, sonst würde in der Tat die Menschenwürde verletzt. Da der weltweite Globalisierungsprozeß immer mehr die Bereiche der Kultur, der Wirtschaft, der Finanzen und der Politik beherrscht, besteht heute die große Herausforderung darin, nicht nur die wirtschaftlichen und kommerziellen Interessen zu »globalisieren «, sondern auch die Erwartungen der Solidarität unter Achtung und Nutzung des Beitrags eines jeden Gliedes der Gesellschaft. Ihr habt zu Recht betont, daß das Wirtschaftswachstum nie von der Suche nach der ganzheitlichen menschlichen und sozialen Entwicklung getrennt werden darf. Die Kirche betont diesbezüglich die Bedeutung des Beitrags der mittleren Körperschaften gemäß dem Prinzip der Subsidiarität, um dazu beizutragen, den kulturellen und sozialen Veränderungen ein Ziel zu setzen und sie auf den wahren Fortschritt des Menschen und der Gemeinschaft auszurichten. In der Enzyklika Spe salvi habe ich betont: »Auch die besten Strukturen funktionieren nur, wenn in einer Gemeinschaft Überzeugungen lebendig sind, die die Menschen zu einer freien Zustimmung zur gemeinschaftlichen Ordnung motivieren können« ().

Liebe Freunde, ich danke euch nochmals, daß ihr die kirchlichen Tätigkeiten der Nächstenliebe und der menschlichen Entfaltung unermüdlich und hochherzig unterstützt, und ich lade euch ein, durch eure Überlegungen auch zur Verwirklichung einer gerechten wirtschaftlichen Weltordnung beizutragen. Dazu möchte ich gern eine bedeutsame Aussage des II. Vatikanischen Konzils wiederholen: »Die Christen« - so heißt es in der Konstitution Gaudium et spes - »können nichts sehnlicher wünschen, als den Menschen unserer Zeit immer großherziger und wirksamer zu dienen. Dem Evangelium gewissenhaft folgend und aus seinen Kräften lebend, verbunden mit allen, die die Gerechtigkeit lieben und pflegen, haben sie das große Werk begonnen, das sie hier auf Erden zu erfüllen haben« (
GS 93). Setzt eure Tätigkeit in diesem Geist zugunsten aller unserer Brüder und Schwestern fort. Am Jüngsten Tag, am Tag des Weltgerichtes, werden wir gefragt werden, ob wir das genutzt haben, was Gott uns zur Verfügung gestellt hat, um den berechtigten Erwartungen und den Bedürfnissen unserer Brüder und Schwestern abzuhelfen, besonders den Bedürfnissen der Geringsten und der Notleidenden.

Die Jungfrau Maria, die wir heute bei ihrem Besuch bei der älteren Kusine Elisabet betrachten, erwirke jedem von euch, dem Nächsten gegenüber immer hilfsbereit zu sein. Ich versichere euch meiner Fürbitte im Gebet und erteile euch hier Anwesenden meinen Segen, in den auch eure Familien und alle eure Mitarbeiter in den verschiedenen Berufen eingeschlossen sind.


ANSPRACHE 2008 Januar 2008 103