ANSPRACHE 2008 Januar 2008 128

128 Frage: Heiliger Vater, es tut mir leid, aber ich spreche nicht gut italienisch. So werde ich meine Frage auf englisch stellen. Australische Opfer von sexuellem Mißbrauch durch Kleriker haben gefordert, daß Eure Heiligkeit das Thema ansprechen und während Ihrer Reise nach Australien den Opfern eine Entschuldigung bieten solle. Auch Kardinal Pell sagte, daß es für den Papst angemessen wäre, das Thema anzusprechen, und Sie selbst machten eine ähnliche Geste während Ihrer jüngsten Reise in die Vereinigten Staaten. Wird Eure Heiligkeit über das Thema des sexuellen Mißbrauchs sprechen und sich entschuldigen?

Benedikt XVI.: Ja, das Problem ist im wesentlichen dasselbe wie in den Vereinigten Staaten. Ich fühlte mich dazu verpflichtet, darüber in den Vereinigten Staaten zu sprechen, da es im Wesen der Kirche liegt zu versöhnen, vorzubeugen, zu helfen und ebenso die Schuld in diesen Problemen zu erkennen; daher werde ich im wesentlichen dasselbe sagen, was ich in Amerika sagte. Wir haben, so merkte ich an, drei Dimensionen zu klären: die erste, die ich erwähnte, ist unsere Morallehre. Es muß klar sein, und es war immer klar, angefangen bei den ersten Jahrhunderten, daß das Priestertum, das Priestersein mit diesem Verhalten unvereinbar ist, da ein Priester im Dienst des Herrn steht, und unser Herr ist die Heiligkeit in Person, und er ist immer unser Lehrer - die Kirche hat hierauf stets den Akzent gesetzt. Wir müssen darüber nachdenken, was in unserer Erziehung, in unserer Lehre der letzten Jahrzehnte unzureichend war: in den 50er, 60er und 70er Jahren gab es das Konzept des ethischen Proportionalismus: es bestand in der Absicht, daß nichts in sich schlecht ist, sondern nur in seiner Proportion zu anderem; mit dem Proportionalismus war die Möglichkeit gegeben, in bezug auf einige Dinge - eines davon kann auch die Pädophilie sein - zu denken, daß sie in bestimmten Proportionen gut sein können. Nun, da muß ich ganz klar sein: das war niemals eine katholische Lehre. Es gibt Dinge, die immer schlecht sind, und Pädophilie ist immer schlecht. In unserer Ausbildung, in den Seminarien, in der ständigen Weiterbildung der Priester müssen wir den Priestern helfen, Christus wirklich nahe zu sein, von Christus zu lernen, und so Helfer und nicht Feinde unserer Mitmenschen, unserer Mitchristen zu sein. Daher werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, um zu erklären, was die Lehre der Kirche ist, und in der Ausbildung und Vorbereitung von Priestern helfen, in der ständigen Weiterbildung, und wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um die Opfer zu heilen und zu versöhnen. Ich denke, dies ist der wesentliche Inhalt des Wortes »um Entschuldigung bitten«. Ich denke, daß es besser und wichtiger ist, den Inhalt der Formel zu geben, und ich bin der Ansicht, daß der Inhalt besagen muß, was in unserem Verhalten unzureichend war, was wir in diesem Moment tun sollen, wie wir es verhindern und wie wir alle heilen und versöhnen können.

P. Lombardi: Danke, Heiliger Vater. Jetzt eine weitere Frage von Martine Nouaille der »Agence France Presse«.
Frage: Eines der Themen des jüngsten G8-Gipfeltreffens in Japan war der Kampf gegen den Klimawandel. Australien ist aufgrund der starken Dürre und der dramatischen klimatischen Vorkommnisse in dieser Region der Welt ein für diese Thematik sehr sensibles Land. Sind Sie der Ansicht, daß die in diesem Bereich getroffenen Entschlüsse auf der Höhe der Herausforderung stehen? Werden Sie während der Reise über dieses Thema sprechen?

Benedikt XVI.: Wie ich bereits in meiner ersten Antwort sagte, wird dieses Problem gewiß während dieses Weltjugendtages sehr präsent sein, da wir über den Heiligen Geist sprechen, und folglich sprechen wir über die Schöpfung und unsere Verantwortung gegenüber der Schöpfung. Ich beanspruche nicht, mich mit technischen Fragen zu befassen, die Politiker und Spezialisten lösen müssen, sondern ich möchte wesentliche Impulse geben, um die Verantwortung zu sehen, um fähig zu sein, auf diese große Herausforderung zu antworten: in der Schöpfung das Antlitz des Schöpfers neu zu entdecken, die ethische Fähigkeit zu einem Lebensstil zu bilden, der notwendigerweise angenommen werden muß, wenn wir die Probleme dieser Situation angehen und wirklich zu positiven Lösungen gelangen wollen. Also: das Gewissen wecken und den großen Zusammenhang dieses Problems sehen, in dem dann die detaillierten Antworten zum Tragen kommen, die nicht wir geben müssen, sondern die Politik und die Experten.

P. Lombardi: Die nächste Frage stellt Cindy Wooden, CNS, »Catholic News Service«, katholische Nachrichtenagentur der Vereinigten Staaten.
Frage: Heiliger Vater, während Sie in Australien sind, treffen sich die Bischöfe der Anglikanischen Gemeinschaft, die in Australien sehr verbreitet ist, zur Lambeth Conference. Eines der Hauptthemen betrifft die Möglichkeiten, um die Gemeinschaft unter den Provinzen zu stärken und einen Weg zu finden, um sicherzustellen, daß nicht eine oder mehrere Provinzen Initiativen ergreifen, die andere als dem Evangelium oder der Tradition entgegengesetzt ansehen. Es besteht die Gefahr einer Zersplitterung der Anglikanischen Gemeinschaft und die Möglichkeit, daß einige darum bitten, in die katholische Kirche aufgenommen zu werden. Was wünschen Sie der Lambeth Conference und dem Erzbischof von Canterbury? Danke.

Benedikt XVI.: Mein wesentlicher Beitrag kann nur das Gebet sein, und mit meinem Gebet werde ich den anglikanischen Bischöfen, die in der Lambeth Conference zusammenkommen, sehr nahe stehen. Wir können und dürfen nicht unmittelbar in ihre Diskussionen eingreifen, wir achten ihre Verantwortung, und unser Wunsch ist, daß Schismen oder neue Brüche vermieden werden können und eine Lösung in Verantwortung gegenüber unserer Zeit, aber auch in Treue zum Evangelium gefunden wird. Diese beiden Dinge müssen zusammengehen. Das Christentum ist immer in der Gegenwart und lebt in dieser Welt, zu einer bestimmten Zeit, es macht jedoch in dieser Zeit die Botschaft Jesu Christi gegenwärtig und bietet somit einen wahren Beitrag für diese Zeit nur dann, wenn es in reifer Weise treu ist, in kreativer Weise, aber in Treue zur Botschaft Christi. Hoffen wir, und ich persönlich bete dafür, daß sie gemeinsam den Weg des Evangeliums in unserem Heute finden. Das ist mein Wunsch für den Erzbischof von Canterbury: daß die Anglikanische Gemeinschaft, in Gemeinschaft mit dem Evangelium Christi und im Wort des Herrn, die Antworten auf die aktuellen Herausforderungen finde.

P. Lombardi: Eure Heiligkeit, wir danken Ihnen vielmals für diesen Beitrag, für das Gespräch und für die Antworten, die Sie uns gegeben haben. Wir wünschen Ihnen erneut alles Gute für diese lange Reise, in der Hoffnung, daß sie wirklich alle Früchte bringe, die Sie sich erwarten. Wir werden versuchen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, um Ihre Botschaft bekannt zu machen, um sie auf die beste Weise weiterzugeben. Danke.

BEGRÜSSUNGSZEREMONIE

Government House, Sydney

Donnerstag, 17. Juli 2008



129 Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe australische Freunde,

Mit großer Freude grüße ich Sie heute. Ich möchte dem Generalgouverneur, Generalmajor Michael Jeffery, und Premierminister Kevin Rudd danken für die Ehre, die sie mir durch ihre Anwesenheit bei dieser Feier erweisen, und dafür, daß sie mich so freundlich willkommen geheißen haben. Wie Sie wissen, konnte ich seit meiner Ankunft in Australien am vergangenen Sonntag einige Ruhetage genießen. Ich bin sehr dankbar für die mir entgegengebrachte Gastfreundschaft. Nun freue ich mich darauf, heute abend am „Willkommen im Land“ von Seiten der indigenen Bevölkerung teilzunehmen und dann die großen Ereignisse zu feiern, die das Ziel meines Apostolischen Besuchs in diesem Land sind: den 23. Weltjugendtag.

Mancher könnte sich fragen, was Tausende junger Menschen bewegt, eine für viele von ihnen lange und anstrengende Reise auf sich zu nehmen, um an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen. Seit dem ersten Weltjugendtag im Jahr 1986 ist ersichtlich, daß eine große Zahl von Jugendlichen die Gelegenheit schätzt, zusammenzukommen, um ihren Glauben an Christus zu vertiefen und miteinander eine freudige Erfahrung der Gemeinschaft in seiner Kirche zu teilen. Sie verlangen danach, Gottes Wort zu hören und mehr über ihren christlichen Glauben zu lernen. Sie sind begierig, an einem Event teilzunehmen, der die großen Ideale in den Blick nimmt, die sie inspirieren, und sie kehren nach Hause zurück erfüllt von Hoffnung und erneuert im Entschluß, zum Aufbau einer besseren Welt beizutragen. Für mich ist es eine Freude, bei ihnen zu sein, mit ihnen zu beten und gemeinsam mit ihnen die Eucharistie zu feiern. Der Weltjugendtag erfüllt mich mit Vertrauen für die Zukunft der Kirche und für die Zukunft unserer Welt.

Es scheint besonders angebracht, den Weltjugendtag hier zu feiern; denn die Kirche in Australien ist sowohl die jüngste unter den Kirchen auf den verschiedenen Kontinenten als auch eine der am meisten kosmopolitischen. Seit der ersten europäischen Siedlung hier im späten 18. Jahrhundert ist dieses Land nicht nur zu einem Zuhause von Generationen von Europäern, sondern von Menschen aus jedem Winkel der Erde geworden. Die riesige Vielfalt der australischen Bevölkerung verleiht einer im Vergleich zum Großteil der restlichen Welt noch jungen Nation heute eine besondere Lebendigkeit. Doch vor der Ankunft westlicher Siedler lebten schon über Jahrtausende nur die Aborigines und die Inselbewohner der Torresstraße in diesem Land. Ihr altehrwürdiges Vermächtnis bildet einen wesentlichen Teil der kulturellen Landschaft des modernen Australien. Dank der mutigen Entscheidung der australischen Regierung, die in der Vergangenheit an der indigenen Bevölkerung begangenen Ungerechtigkeiten anzuerkennen, ist man nun dabei, konkrete Schritte zu unternehmen, um zu einer auf gegenseitigem Respekt gegründeten Versöhnung zu gelangen. Zu Recht suchen Sie, das Auseinanderklaffen zwischen indigenen und nicht indigenen Australiern hinsichtlich der Lebenserwartungen, der Ausbildungsziele und der wirtschaftlichen Chancen zu überwinden! Dieses Beispiel der Versöhnung gibt all jenen Völkern in der ganzen Welt Hoffnung, die danach verlangen, daß ihre Rechte bestätigt werden und ihr gesellschaftlicher Beitrag anerkannt und gefördert wird.

Die Siedler, die aus Europa hierher kamen, umfaßten immer einen bedeutenden Anteil an Katholiken, und wir dürfen zu Recht stolz sein auf den Beitrag, den sie zur Entstehung der Nation geleistet haben, insbesondere in den Bereichen der Bildung und des Gesundheitswesens. Eine der herausragenden Gestalten der Geschichte dieses Landes ist die selige Mary MacKillop, an deren Grab ich im weiteren Verlauf dieses Vormittags noch beten werde. Ich weiß, daß ihre Ausdauer angesichts der Widrigkeiten, ihr Aufruf zur Gerechtigkeit zugunsten der ungerecht Behandelten und ihr konkretes Beispiel von Heiligkeit zu einer Inspirationsquelle für alle Australier wurden. Generationen von Australiern haben Grund, ihr, den Schwestern des heiligen Josef vom Herzen Jesu und anderen Ordensgemeinschaften dankbar zu sein für das Schulnetz, das sie hier gegründet haben, wie auch für das Zeugnis ihres gottgeweihten Lebens. Im heutigen säkularisierteren Umfeld leistet die Gemeinschaft der Katholiken weiter einen wichtigen Beitrag für das Leben der Nation, nicht nur durch die Bildung und im Krankendienst, sondern besonders dadurch, daß sie die geistliche Dimension jener Fragen aufzeigt, die in der gegenwärtigen Diskussion im Vordergrund stehen.

Angesichts der vielen tausend Jugendlichen, die in diesen Tagen Australien besuchen, ist es angebracht, darüber nachdenken, welche Welt wir den zukünftigen Generationen hinterlassen. Nach den Worten Ihrer Nationalhymne ist dieses Land „reich an Geschenken der Natur, an üppiger und seltener Schönheit“. Die Wunder der Schöpfung Gottes erinnern uns an die Notwendigkeit, die Umwelt zu schützen und die Güter der Erde verantwortlich zu verwalten. In diesem Zusammenhang stelle ich fest, daß Australien sich ernstlich engagiert, um sich seiner Verantwortung in der Sorge um die natürliche Umwelt zu stellen. Auf gleiche Weise hat dieses Land gegenüber der menschlichen Umwelt großzügig internationale Operationen zur Friedenserhaltung unterstützt, indem es zur Lösung von Konflikten im Pazifikraum, in Südostasien und anderswo beigetragen hat. Aufgrund der vielen in Australien vertretenen religiösen Traditionen ist dies hier ein besonders fruchtbarer Boden für den ökumenischen und interreligiösen Dialog. Ich freue mich darauf, den örtlichen Vertretern der verschiedenen christlichen Gemeinschaften und der anderen Religionen während meines Aufenthalts zu begegnen, um diesen wichtigen Einsatz zu ermutigen, der Zeichen des Versöhnungswirkens des Geistes ist, der uns antreibt, die Einheit in Wahrheit und Liebe zu suchen.

Doch vor allem bin ich hier, um die jungen Menschen aus Australien und aus der ganzen Welt zu treffen und um eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes über den Teilnehmern an unseren Feiern zu erbitten. Das Thema, das für den Weltjugendtag 2008 gewählt wurde, ist den Worten entnommen, die Jesus selbst an seine Jünger gerichtet hat, wie sie in der Apostelgeschichte angeführt sind: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein … bis an die Grenzen der Erde“ (1,8). Ich bete darum, daß der Heilige Geist diesem Land, dem australischen Volk, der Kirche in Ozeanien und wirklich bis an die Grenzen der Erde eine geistliche Erneuerung bringe. Die Jugendlichen stehen heute vor einer verwirrenden Vielfalt an Lebensentscheidungen, so daß es für sie zuweilen schwierig ist zu wissen, wie sie ihren Idealismus und ihre Energie am besten lenken sollen. Der Geist ist es, der die Weisheit schenkt, den richtigen Weg zu erkennen, und den Mut, ihn zu beschreiten. Er krönt unsere armseligen Bemühungen mit seinen göttlichen Gaben, wie der Wind, der in die Segel bläst, das Schiff vorantreibt und um vieles übertrifft, was die Ruderer durch ihr mühevolles Rudern erreichen können. So ermöglicht der Geist es Männern und Frauen aller Länder und jeder Generation, heilig zu werden. Mögen die hier zum Weltjugendtag versammelten Jugendlichen durch das Wirken des Geistes den Mut haben, heilig zu werden! Das ist es, was die Welt mehr als alles andere braucht.

Liebe australische Freunde, noch einmal danke ich Ihnen für den herzlichen Empfang, und ich freue mich darauf, diese Tage mit Ihnen und mit den Jugendlichen aus der ganzen Welt zu verbringen. Gott segne alle hier Anwesenden, alle Pilger und alle, die in diesem Land wohnen. Und er segne und schütze immer das Commonwealth von Australien.


WILLKOMMENSFEIER DER JUGENDLICHEN

Barangaroo, Sydney

Donnerstag, 17. Juli 2008



130 Liebe junge Freunde,

welch eine Freude ist es für mich, Euch hier in Barangaroo am Ufer des wunderschönen Hafens von Sydney mit seiner berühmten Brücke und dem Opernhaus zu begrüßen. Viele von Euch sind hier zu Hause, stammen aus dem Hinterland oder aus den dynamischen multikulturellen Gemeinschaften der australischen Städte. Andere unter Euch sind von den zerstreuten Inseln Ozeaniens gekommen und wieder andere aus Asien, aus dem Mittleren Osten, aus Afrika sowie aus Nord- und Südamerika. Einige von Euch sind sogar von so weit her gekommen wie ich, aus Europa! Woher auch immer wir stammen, schließlich sind wir nun hier in Sydney. Und gemeinsam stehen wir in unserer Welt als Gottes Familie, als Jünger Christi, gestärkt durch seinen Geist, um vor allen Zeugen seiner Liebe und Wahrheit zu sein.

Zuerst möchte ich den Ältesten der Aborigines danken, die mich willkommen geheißen haben, bevor ich das Boot in der Rose Bay bestieg. Ich bin tief bewegt, auf dem Boden Eures Landes zu stehen, da ich um das Leiden und die Ungerechtigkeiten weiß, die es ertragen hat, doch ich bin mir auch des aktuellen Heilungsprozesses und der Hoffnung bewußt, die alle australischen Bürger zu Recht mit Stolz erfüllen. Den jungen Ureinwohnern - den Aborigines und den Insulanern der Torresstraße - und den Tokelauanern drücke ich meinen Dank für Euren bewegenden Empfang aus. Durch Euch sende ich herzliche Grüße an Eure Völker.

Ihnen, Herr Kardinal Pell und Herr Erzbischof Wilson, danke ich für Ihre herzlichen Worte zur Begrüßung. Ich weiß, daß Ihre Gefühle einen Widerhall finden in den Herzen der jungen Menschen, die an diesem Abend hier versammelt sind, und darum danke ich Euch allen. Vor mir sehe ich ein lebendiges Bild der Weltkirche. Die Vielfalt der Nationen und Kulturen, aus denen Ihr kommt, zeigt, daß die Gute Nachricht Christi wirklich für alle und jeden bestimmt ist; sie hat die Enden der Erde erreicht. Doch ich weiß auch, daß etliche unter Euch noch auf der Suche nach einer geistlichen Heimat sind. Einige, uns ebenfalls sehr willkommene Teilnehmer sind weder Katholiken noch Christen. Andere bewegen sich vielleicht am Rande des Lebens der Pfarrei und der Kirche. Euch möchte ich Ermutigung bringen: Geht voran, in die liebevolle Umarmung Christi hinein; erkennt die Kirche als Eure Heimat. Niemand muß draußen bleiben, denn seit Pfingsten ist sie die eine, universale Kirche.

Heute abend möchte ich auch diejenigen einschließen, die nicht unter uns zugegen sind. Ich denke vor allem an die Kranken oder geistig Behinderten, an die Jugendlichen im Gefängnis, an diejenigen, die sich am Rande unserer Gesellschaften abmühen, und an jene, die sich, aus was für Gründen auch immer, der Kirche entfremdet fühlen. Zu ihnen sage ich: Jesus ist Dir nahe! Spüre seine heilende Umarmung, sein Mitleid und seine Barmherzigkeit!

Vor fast zweitausend Jahren wurden die Apostel, die zusammen mit Maria (vgl.
Ac 1,14) und einigen gläubigen Frauen im Obergemach versammelt waren, vom Heiligen Geist erfüllt (vgl. Ac 2,4). In diesem außerordentlichen Moment, aus dem die Kirche hervorging, wurden Verwirrung und Furcht, von denen die Jünger Christi ergriffen waren, in kraftvolle Überzeugung und Zielstrebigkeit verwandelt. Sie fühlten sich gedrängt, über ihre Begegnung mit dem auferstandenen Jesus zu sprechen, den sie jetzt liebevoll den Herrn nannten. In vieler Hinsicht waren die Apostel ganz gewöhnliche Menschen. Niemand von ihnen konnte behaupten, der vollkommene Jünger zu sein. Sie waren nicht fähig gewesen, Christus zu erkennen (vgl. Lc 24,13-32), sie schämten sich wegen ihres Ehrgeizes (vgl. Lc 22,24-27), und sie hatten ihn sogar verleugnet (vgl. Lc 22,54-62). Als aber der Heilige Geist sie erfüllt hatte, waren sie betroffen von der Wahrheit des Evangeliums Christi und fühlten sich inspiriert, diese furchtlos zu verkünden. Freimütig riefen sie: Kehrt um, laßt Euch taufen, empfangt den Heiligen Geist (vgl. Ac 2,37-38)! Gegründet auf die Lehre der Apostel, auf ihre Glaubensgemeinschaft, auf das Brechen des Brotes und auf das Gebet (vgl. Ac 2,42), trat die junge christliche Gemeinde hervor, um sich der Verdorbenheit in der sie umgebenden Kultur entgegenzusetzen (vgl. Ac 2,40), füreinander zu sorgen (vgl. Ac 2,44-47), ihren Glauben an Jesus gegen Feindseligkeiten zu verteidigen (vgl. Ac 4,33) und die Kranken zu heilen (vgl. Ac 5,12-16). Und im Gehorsam gegenüber dem Befehl Christi selbst brachen sie auf und gaben Zeugnis für die bedeutendste Geschichte aller Zeiten: daß Gott einer von uns geworden ist, daß das Göttliche in die menschliche Geschichte eingetreten ist, um sie zu verwandeln, und daß wir gerufen sind, uns in die rettende Liebe Christi zu versenken, die über das Böse und über den Tod triumphiert. Der heilige Paulus leitete diese Botschaft in seiner berühmten Rede auf dem Areopag so ein: Gott schenkt allen alles - einschließlich das Leben und den Atem -, so daß alle Nationen Gott suchen und, indem sie den eigenen Weg zu ihm ertasten, ihn auch finden können. Tatsächlich ist er keinem von uns fern, denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir (vgl. Ac 17,25-28).

Und immer sind seitdem Männer und Frauen aufgebrochen, um dieselbe Geschichte zu erzählen, Christi Liebe und Wahrheit zu bezeugen und ihren Beitrag zur Mission der Kirche zu leisten. Heute denken wir an jene Pioniere - Priester und Ordensleute - die aus Irland, Frankreich, Großbritannien und anderen Teilen Europas an diese Küsten und in andere Regionen des Pazifiks kamen. Die meisten von ihnen waren jung - einige noch nicht einmal zwanzig Jahre alt - und als sie sich von ihren Eltern, Geschwistern und Freunden verabschiedeten, wußten sie, daß sie wohl kaum jemals nach Hause zurückkehren würden. Ihr ganzes Leben war ein selbstloses christliches Zeugnis. Sie wurden die demütigen, aber hartnäckigen Gründer eines großen Teils des sozialen und geistigen Erbes, das diesen Nationen bis heute Güte, Mitgefühl und Sinn vermittelt. Und sie inspirierten schließlich eine weitere Generation. Wir denken spontan an den Glauben, der die selige Mary MacKillop in ihrer klaren Entschlossenheit unterstützte, besonders die Armen zu unterrichten, und an den seligen Peter To Rot mit seiner unbeirrbaren Überzeugung, daß die Leitung einer Gemeinschaft sich immer am Evangelium orientieren muß. Denkt auch an Eure eigenen Großeltern und Eltern, Eure ersten Lehrer im Glauben. Auch sie haben aus Liebe zu Euch unzählige Opfer an Zeit und Energie auf sich genommen. Unterstützt durch Eure Pfarrer und Lehrer, haben sie die nicht immer leichte, aber höchst befriedigende Aufgabe, Euch durch ihr persönliches Zeugnis - wie sie unseren christlichen Glauben lehren und leben - zu allem Guten und Wahren hinzuführen.

Heute bin ich an der Reihe. Einigen von uns mag es scheinen, als seien wir ans Ende der Welt gekommen! Für Menschen in Eurem Alter ist allerdings jeder Flug eine spannende Unternehmung. Mir aber stand dieser Flug bevor wie etwas, das einem den Mut nehmen kann! Und doch waren die Ausblicke auf unseren Planeten, die sich mir von der Höhe aus boten, wirklich wundervoll. Das Gefunkel des Mittelmeeres, die Erhabenheit der nordafrikanischen Wüste, das üppige Grün der Wälder Asiens, die Weite des Pazifischen Ozeans, der Horizont, über dem die Sonne auf- und unterging, und der majestätische Glanz von Australiens natürlicher Schönheit, die ich in den vergangenen Tagen genießen konnte - all das weckte eine tiefe Ehrfurcht. Es ist, als bekomme man einen Einblick in die Schöpfungsgeschichte der Genesis - Licht und Finsternis, Sonne und Mond, Wasser, Luft und Lebewesen: all das ist „gut“ in Gottes Augen (vgl. Gn 1,1 - 2,4). Wer würde, wenn er in solche Schönheit vertieft ist, nicht die Worte des Psalmisten zum Lob des Schöpfers wiederholen: „Wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!“ (Ps 8,2)?

Und da gibt es noch mehr, vom Himmel aus kaum wahrnehmbar: Männer und Frauen, nach nichts Geringerem als Gottes eigenem Ebenbild geschaffen (vgl. Gn 1,26). Im Herzen des Wunders der Schöpfung sind wir, Ihr und ich, die Menschheitsfamilie „mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Ps 8,6). Wie erstaunlich! Mit dem Psalmisten flüstern wir: „Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst“ (Ps 8,5). Und gleichsam hineingezogen ins Schweigen, in eine Haltung des Dankens, in die Macht der Heiligkeit, werden wir nachdenklich.

Was entdecken wir? Vielleicht kommen wir etwas widerstrebend zu dem Eingeständnis, daß es auch Verletzungen gibt, welche die Oberfläche unserer Erde zeichnen: Erosion, Entwaldung, die Verschwendung der weltweiten Mineral- und Meeresressourcen, um einen unersättlichen Konsumismus zu befriedigen. Einige von Euch kommen aus Insel-Staaten, deren Existenz durch die ansteigenden Meeresspiegel bedroht sind; andere aus Nationen, die unter den Folgen verheerender Trockenheit leiden. Die wunderbare Schöpfung Gottes wird bisweilen von ihren Verwaltern als beinahe feindlich, sogar als etwas Gefährliches erfahren. Wie kann etwas, das „gut“ ist, so bedrohlich erscheinen?

Aber mehr noch. Wie steht es um den Menschen, den Gipfel von Gottes Schöpfung? Jeden Tag begegnen wir dem Genius menschlicher Errungenschaften. Von den Fortschritten in den medizinischen Wissenschaften und der klugen Anwendung der Technologie bis zur Kreativität, die sich in den Künsten niederschlägt, sind Lebensqualität und Lebensfreude der Menschen auf vielerlei Weise in ständigem Anstieg begriffen. Bei Euch selbst gibt es eine schnelle Bereitschaft, die Euch angebotenen reichlichen Möglichkeiten aufzugreifen. Einige von Euch tun sich hervor in ihren Studien, in Sport, Musik oder Tanz und Theater, andere unter Euch haben ein ausgeprägtes Empfinden für soziale Gerechtigkeit und Ethik, und viele von Euch engagieren sich in Dienstleistungen und Volontariat. Wir alle, jung und alt, kennen solche Momente, in denen die angeborene Güte des Menschen - die wir vielleicht in der Geste eines kleinen Kindes oder in der Bereitschaft eines Erwachsenen zum Verzeihen erblicken - uns mit tiefer Freude und Dankbarkeit erfüllt.

131 Doch solche Augenblicke sind nicht von langer Dauer. Das stimmt uns wiederum nachdenklich. Und wir entdecken, daß nicht nur das natürliche, sondern auch das soziale Umfeld - der Lebensraum, den wir selbst uns gestalten - seine Verletzungen hat; Wunden, die anzeigen, daß etwas nicht in Ordnung ist. Auch hier, in unserem persönlichen Leben und in unseren Gemeinschaften können wir einer Feindseligkeit, etwas Gefährlichem begegnen; einem Gift, das droht, das, was gut ist, zu zerstören, das, was wir sind, zu verformen und den Zweck, zu dem wir erschaffen worden sind, zu verdrehen. Beispiele dafür sind reichlich vorhanden, wie Ihr selber wißt. Zu den vorherrschenden gehören Alkohol- und Drogenmißbrauch, die Verherrlichung der Gewalt und der sexuelle Verfall, die in Fernsehen und Internet oft als Unterhaltung präsentiert werden. Ich frage mich: Könnte jemand Aug’ in Auge mit Menschen, die tatsächlich unter Gewalt und sexueller Ausbeutung leiden, „erklären“, daß diese Tragödien, wenn sie in virtueller Form wiedergegeben werden, lediglich als „Unterhaltung“ zu betrachten sind?

So manches Unheil kommt auch daher, daß Freiheit und Toleranz so oft von der Wahrheit getrennt werden. Das wird durch die heute weithin vertretene Vorstellung gefördert, daß es keine absoluten Wahrheiten gibt, die unser Leben lenken können. Der Relativismus hat, indem er unterschiedslos praktisch allem einen Wert zugesteht, die „Erfahrung“ zum alleinigen Kriterium erhoben. Wenn aber Erfahrungen von jeder Überlegung, was gut und wahr sei, losgelöst werden, können sie, anstatt zu echter Freiheit zu verhelfen, zu moralischer und intellektueller Verwirrung, zu einer Schwächung der Prinzipien, zum Verlust der Selbstachtung und sogar in die Verzweiflung führen.

Liebe Freunde, das Leben wird nicht vom Zufall regiert; es ist nicht der Willkür unterworfen. Euer persönliches Sein ist von Gott gewollt; er hat es gesegnet und ihm einen Sinn gegeben (vgl.
Gn 1,28)! Das Leben ist nicht bloß eine Abfolge von Ereignissen oder Erfahrungen, so hilfreich viele von ihnen auch sind. Es ist ein Suchen nach der Wahrheit, dem Guten und dem Schönen. Zu diesem Zweck treffen wir unsere Entscheidungen, dafür üben wir unsere Freiheit aus; darin - in Wahrheit, Güte und Schönheit - finden wir Glück und Freude. Laßt Euch nicht täuschen von denen, die Euch nur als einen der vielen Konsumenten in einem Markt der undifferenzierten Möglichkeiten ansehen, wo die Wahl selbst zum Gut wird, die Neuheit sich als Schönheit ausgibt und die subjektive Erfahrung die Wahrheit verdrängt.

Christus bietet mehr! Er bietet in der Tat alles! Allein er, der die Wahrheit ist, kann der Weg sein und darum auch das Leben. So ist der „Weg“, den die Apostel bis an die Enden der Erde brachten, das Leben in Christus. Das ist das Leben der Kirche. Und der Eingang zu diesem Leben, zum christlichen Weg, ist die Taufe.

Deshalb möchte ich heute abend kurz etwas über unser Verständnis der Taufe ins Gedächtnis rufen, bevor wir morgen über den Heiligen Geist nachdenken werden. Am Tag Eurer Taufe hat Gott Euch in seine Heiligkeit hineingezogen (vgl. 2P 1,4). Ihr wurdet als Sohn oder Tochter des himmlischen Vaters angenommen. Ihr wurdet in Christus eingegliedert. Ihr wurdet zu einer Wohnung seines Geistes (vgl. 1Co 6,19). Der Priester hat sich in der Tat gegen Ende Eurer Taufe an Eure Eltern und die Umstehenden gewandt, Euch mit Eurem Namen angesprochen und gesagt: „Du bist eine neue Schöpfung geworden“ (Ritus der Taufe, 99).

Liebe Freunde, bei Euch zu Hause, in Euren Schulen und Universitäten, an Euren Arbeitsplätzen und in der Freizeit erinnert Euch daran, daß Ihr eine neue Schöpfung seid! Als Christen steht Ihr in dieser Welt in dem Wissen, daß Gott ein menschliches Angesicht hat - Jesus Christus -, der „Weg“, der alles menschliche Sehnen befriedigt, und das „Leben“, von dem Zeugnis zu geben wir berufen sind, indem wir immer in seinem Licht wandeln (vgl. ebd., 100).

Die Aufgabe des Zeugen ist nicht leicht. Es gibt heute viele, die fordern, Gott müsse „auf der Ersatzbank“ gelassen werden und Religion und Glauben, die zwar für die Einzelnen gut sind, müßten aus dem öffentlichen Leben entweder gänzlich ausgeschlossen oder aber nur zur Verfolgung begrenzter pragmatischer Ziele eingesetzt werden. Diese säkularisierte Sichtweise versucht, mit wenig oder gar keinem Bezug auf den Schöpfer menschliches Leben zu erklären und die Gesellschaft zu formen. Sie stellt sich selbst als neutral, als unparteiisch und daher für jeden offen vor. In Wirklichkeit aber drängt der Säkularismus wie jede Ideologie eine bestimmte Sicht der Welt auf. Wenn Gott für das öffentliche Leben irrelevant ist, dann wird die Gesellschaft nach einem gottlosen Bild geformt. Aber wenn Gott in den Schatten gestellt wird, schwindet unsere Fähigkeit, die natürliche Ordnung, ihr Ziel und das „Gute“ zu erkennen, allmählich dahin. Was prahlerisch als menschliche Genialität gefördert wurde, erweist sich bald als Torheit, Gier und egoistische Ausbeutung. Und so sind wir uns immer mehr bewußt geworden, wie dringend wir angesichts der heiklen Komplexität von Gottes Welt der Demut bedürfen.

Doch wie steht es um unser soziales Umfeld? Sind wir gleichermaßen aufmerksam auf die Zeichen unserer Abwendung von den moralischen Strukturen, mit denen Gott die Menschheit ausgestattet hat (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 2007, 8)? Anerkennen wir, daß die angeborene Würde jedes einzelnen Menschen auf seiner tiefsten Identität als Abbild des Schöpfers beruht und daß daher die Menschenrechte universal sind, auf dem Naturrecht basieren und nicht von Verhandlungen oder Zugeständnissen abhängen, geschweige denn dem Kompromiß überlassen sind? Und so werden wir angeregt darüber nachzudenken, welchen Platz die Armen und die alten Menschen, die Immigranten und diejenigen, die kein Mitspracherecht besitzen, in unseren Gesellschaften einnehmen. Wie ist es möglich, daß so viele Mütter und Kinder unter häuslicher Gewalt zu leiden haben? Wie ist es möglich, daß der wundersamste und heiligste Raum im Menschen - der Mutterschoß - zum Ort unsagbarer Gewalt geworden ist?

Meine lieben Freunde, Gottes Schöpfung ist einzig, und sie ist gut. Die Bemühungen um Gewaltlosigkeit, nachhaltige Entwicklung, Gerechtigkeit und Frieden sowie die Sorge für unsere Umwelt sind von lebenswichtiger Bedeutung für die Menschheit. Sie können jedoch nicht verstanden werden, wenn man sie trennt von einer vertieften Betrachtung der angeborenen Würde jedes einzelnen Menschenlebens von der Zeugung bis zum natürlichen Tod - einer Würde, die von Gott selbst verliehen und deshalb unantastbar ist. Unsere Welt ist der Gier, der Ausbeutung und der Spaltungen, der Öde falscher Idole und halber Antworten und der Plage falscher Versprechungen überdrüssig geworden. Unsere Herzen und Gedanken sehnen sich nach der Vision eines Lebens, wo Liebe andauert, wo Gaben geteilt werden, wo Einheit gebildet wird, wo Freiheit ihren eigentlichen Sinn in der Wahrheit findet und wo die Identität in einem respektvollen Miteinander gefunden wird. Das ist das Werk des Heiligen Geistes! Das ist die Hoffnung, die das Evangelium Jesu Christi bereithält. Um für diese Wirklichkeit Zeugnis zu geben, seid Ihr in der Taufe neu geschaffen und in der Firmung durch die Gaben des Geistes gestärkt worden. Das soll die Botschaft sein, die Ihr von Sydney aus in die Welt tragt!



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