ANSPRACHE 2009 95

BEGRÜSSUNGSZEREMONIE

Internationaler Flughafen "Ben Gurion" - Tel Aviv - Montag, 11. Mai 2009

96 Herr Präsident!

Herr Premierminister!
Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren!

Danke für den freundlichen Empfang im Staat Israel, einem Land, das Millionen von Gläubigen in aller Welt heilig ist. Ich danke dem Präsidenten, Herrn Shimon Peres, für seine freundlichen Worte. Ich weiß die Gelegenheit zu schätzen, die mir geboten wurde, eine Pilgerreise in ein Land zu unternehmen, das durch die Fußspuren von Patriarchen und Propheten geheiligt ist, ein Land, das Christen als Schauplatz des Lebens, des Todes und der Auferstehung Jesu Christi besonders verehren. Ich nehme meinen Platz ein in einer langen Reihe christlicher Pilger zu diesem Land, eine Reihe, die bis in die ersten Jahrhunderte der Geschichte der Kirche zurückreicht und die gewiß lange in die Zukunft fortdauern wird. Ich komme, wie so viele andere vor mir, um an den heiligen Stätten zu beten und um besonders für den Frieden zu beten - Frieden hier im Heiligen Land und Frieden in aller Welt.

Herr Präsident, der Heilige Stuhl und der Staat Israel teilen viele gemeinsame Werte, vor allem die Verpflichtung, der Religion den ihr gebührenden Platz im Leben der Gesellschaft zu geben. Die rechte Ordnung der gesellschaftlichen Beziehungen setzt eine Achtung vor der Freiheit und Würde jedes Menschen voraus und erfordert sie. Christen, Muslime und Juden glauben ja gleichermaßen, daß der Mensch von einem liebenden Gott erschaffen und für das ewige Leben bestimmt ist. Wenn man die religiöse Dimension des Menschen leugnet oder beiseite schiebt, wird damit die eigentliche Grundlage für ein rechtes Verständnis der unveräußerlichen Rechte des Menschen aufs Spiel gesetzt.

Auf tragische Weise haben jüdische Menschen die schrecklichen Folgen von Ideologien erfahren, welche die grundlegende Würde jeder menschlichen Person leugnen. Es ist recht und angemessen, daß ich während meines Aufenthalts in Israel die Gelegenheit haben werde, der sechs Millionen jüdischen Opfer der Schoah zu gedenken und zu beten, daß die Menschheit nie wieder Zeuge eines Verbrechens dieses Ausmaßes sein werde. Leider zeigt der Antisemitismus in vielen Teilen der Welt weiterhin seine häßliche Fratze. Das ist völlig inakzeptabel. Jede Anstrengung muß unternommen werden, um den Antisemitismus zu bekämpfen, wo immer er angetroffen wird, und um Respekt und Achtung vor den Menschen jedes Volkes, jedes Stammes, jeder Sprache und Nation auf der Erde zu fördern.

Während meines Aufenthalts in Jerusalem werde ich auch die Freude haben, vielen der ehrenwerten religiösen Führer dieses Landes zu begegnen. Den drei großen monotheistischen Religionen ist eine besondere Verehrung für diese heilige Stadt gemeinsam. Es ist meine aufrichtige Hoffnung, daß alle Pilger zu den heiligen Stätten freien und uneingeschränkten Zutritt haben können, um an religiösen Feiern teilzunehmen und für einen angemessenen Unterhalt der Gotteshäuser an den heiligen Stätten zu sorgen. Mögen sich die Worte der Prophetie Jesajas erfüllen, daß viele Völker zum Berg mit dem Haus des Herrn strömen werden, daß der Herr sie seine Wege lehre und sie auf seinen Pfaden wandeln - auf Pfaden des Friedens und der Gerechtigkeit, Pfaden, die zu Versöhnung und Eintracht führen (vgl.
Is 2,2-5).

Auch wenn der Name Jerusalem „Stadt des Friedens“ bedeutet, ist es doch gar zu offenbar, daß über Jahrzehnte hinweg der Friede den Einwohnern dieses heiligen Landes tragisch vorenthalten blieb. Die Augen der Welt ruhen auf den Völkern dieser Region, wie sie darum ringen, eine gerechte und dauerhafte Lösung von Konflikten zu erreichen, die so viel Leid verursacht haben. Die Hoffnungen zahlloser Männer, Frauen und Kinder auf eine sichere und stabile Zukunft hängen vom Ergebnis der Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern ab. Gemeinsam mit allen Menschen guten Willens bitte ich inständig alle Verantwortlichen, auf der Suche nach einer gerechten Lösung der ausstehenden Schwierigkeiten jeden möglichen Weg zu prüfen, auf daß beide Völker in Frieden in einem eigenen Heimatland innerhalb sicherer und international anerkannter Grenzen leben können. In dieser Hinsicht hoffe und bete ich, daß bald ein Klima größeren Vertrauens geschaffen werden kann, welches beide Seiten befähigt, wirkliche Fortschritte auf dem Weg zu Frieden und Stabilität zu machen.

Ein besonderes Wort der Begrüßung richte ich an die hier anwesenden katholischen Bischöfe und Gläubigen. In diesem Land, in dem Petrus den Auftrag erhielt, die Schafe des Herrn zu weiden, komme ich als Nachfolger des Petrus, um unter euch meinen Dienst zu tun. Es wird mir eine besondere Freude sein, mit euch die Abschlußfeierlichkeiten des Jahres der Familie zu begehen, welche in Nazareth stattfinden werden, der Heimat der Heiligen Familie von Jesus, Maria und Joseph. Wie ich in meiner Botschaft zum Weltfriedenstag im letzten Jahr sagte, ist die Familie „der erste und unerläßliche Lehrmeister des Friedens“ (Nr. 3), und daher hat sie bei der Heilung von Spaltungen auf jeder gesellschaftlichen Ebene eine wesentliche Rolle zu spielen. Den christlichen Gemeinden im Heiligen Land sage ich: Durch euer gläubiges Zeugnis für Ihn, der Vergebung und Versöhnung predigte, durch euer Engagement, die Heiligkeit allen menschlichen Lebens zu schützen, könnt ihr einen besonderen Beitrag zur Beendigung der Feindseligkeiten leisten, die so lange schon dieses Land belasten. Ich bete, daß eure fortwährende Anwesenheit in Israel und in den Palästinensergebieten viel Frucht bringen wird zur Förderung des Friedens und des gegenseitigen Respekts unter allen Völkern, die in den Ländern der Bibel leben.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, noch einmal danke ich Ihnen für die freundliche Aufnahme und versichere Sie meines Wohlwollens. Möge Gott sein Volk stärken! Möge Gott sein Volk mit Frieden segnen!



HÖFLICHKEITSBESUCH BEIM ISRAELISCHEN STAATSPRÄSIDENTEN

Präsidentenpalast - Jerusalem - Montag, 11. Mai 2009

97
Sehr geehrter Herr Präsident!
Exzellenzen!
Meine Damen und Herren!

Als eine liebenswürdige Geste der Gastfreundschaft hat Präsident Peres uns hier in seiner Residenz empfangen und mir damit die Möglichkeit gegeben, Sie alle zu begrüßen und zugleich ein paar Gedanken mit Ihnen auszutauschen. Herr Präsident, ich danke Ihnen für diesen freundlichen Empfang und für Ihre höflichen Worte zur Begrüßung, die ich herzlich erwidere. Ich danke auch den Sängern und Musikern, die uns mit ihrer schönen Darbietung erfreut haben.

Herr Präsident, in der Gratulationsbotschaft, die ich Ihnen anläßlich Ihrer Amtseinführung sandte, habe ich gerne an Ihren hervorragenden Ruf im Dienst für Ihr Land erinnert, der durch ein starkes Engagement im Streben nach Gerechtigkeit und Frieden gekennzeichnet ist. Heute nachmittag möchte ich Ihnen wie der neugebildeten Regierung sowie allen Einwohnern des Staates Israel versichern, daß meine Pilgerreise zu den heiligen Stätten dem Gebet um das kostbare Geschenk der Einheit und des Friedens für den Nahen Osten und für die ganze Menschheit gewidmet ist. In der Tat bete ich täglich darum, daß ein aus Gerechtigkeit hervorgehender Friede in das Heilige Land und die gesamte Region zurückkehre und allen Sicherheit und neue Hoffnung bringe.

Friede ist vor allem ein göttliches Geschenk. Denn Friede ist Gottes Verheißung an die Menschheit und führt zur Einheit. Im Buch des Propheten Jeremia lesen wir: „Denn ich, ich kenne meine Pläne, die ich für euch habe - Spruch des Herrn -, Pläne des Heils und nicht des Unheils; denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben“ (29,11). Der Prophet erinnert uns an das Versprechen des Allmächtigen, daß er „sich finden läßt“, daß er uns „erhört“, daß er uns „sammeln“ und zusammenführen wird. Doch es gibt eine Vorbedingung: Wir müssen „ihn suchen“, und zwar „von ganzem Herzen nach ihm fragen“ (vgl. ebd. 12-14).

So möchte ich den an diesem Nachmittag hier anwesenden religiösen Führern sagen, daß der besondere Beitrag der Religionen zur Suche nach Frieden in erster Linie in der leidenschaftlichen und einmütigen Suche nach Gott liegt. Unsere Aufgabe ist es, zu verkünden und zu bezeugen, daß der Allmächtige gegenwärtig und erkennbar ist, selbst dann, wenn er unserem Blick verborgen scheint, daß er in unserer Welt zu unserem Guten wirkt und daß die Zukunft einer Gesellschaft unter dem Zeichen der Hoffnung steht, wenn diese Gesellschaft in Einklang mit dem göttlichen Gebot lebt. Gottes dynamische Gegenwart ist es, welche die Herzen zusammenführt und die Einheit sichert. Tatsächlich hat die Einheit unter den Menschen ihren Urgrund in der vollkommenen Einzigkeit und Universalität Gottes, der Mann und Frau als sein Abbild und ihm ähnlich erschaffen hat, um uns in sein göttliches Leben hineinzuziehen, damit alle eins seien.

Darum müssen die religiösen Führer bedenken, daß jede Teilung oder Spannung, jede Tendenz zu Zurückgezogenheit oder Mißtrauen unter den Gläubigen oder zwischen unseren Gemeinschaften leicht zu einem Gegensatz führen kann, der die Einzigkeit des Allmächtigen verdunkelt, unsere Einheit verrät und im Widerspruch steht zu dem Einen, der sich selbst als „reich an Huld und Treue“ offenbart (
Ex 34,6 vgl. Ps 136,2 Ps 85,11). Meine Freunde, Jerusalem, das seit jeher ein Kreuzungspunkt für Völker unterschiedlicher Herkunft war, ist eine Stadt, die Juden, Christen und Muslimen sowohl die Pflicht auferlegt als auch das Privileg bietet, gemeinsam das von den Anbetern des einen Gottes lang ersehnte friedliche Zusammenleben zu bezeugen, den Plan des Allmächtigen für die Einheit der dem Abraham verheißenen Menschheitsfamilie zu offenbaren und die wahre Natur des Menschen als Gottsucher zu verkünden. Lassen Sie uns den Vorsatz fassen, dafür zu sorgen, daß wir unseren jeweiligen Gemeinschaften durch die Unterweisung und die Führung helfen, ihrem eigentlichen Wesen als Gläubige treu zu sein und stets die unendliche Güte Gottes, die unveräußerliche Würde eines jeden Menschen und die Einheit der gesamten Menschheitsfamilie im Bewußtsein zu haben.

Die Heilige Schrift bietet uns auch ein Verständnis des Begriffs „Sicherheit“. Nach hebräischem Sprachgebrauch leitet sich „Sicherheit“ - batah - von „Vertrauen“ ab und bezieht sich nicht nur auf das Nicht-vorhanden-Sein von Bedrohung, sondern auch auf das Empfinden von Ruhe und Zuversicht. Im Buch des Propheten Jesaja lesen wir über eine Zeit göttlichen Segens: „Wenn aber der Geist aus der Höhe über uns ausgegossen wird, dann wird die Wüste zum Garten und der Garten wird zu einem Wald. In der Wüste wohnt das Recht, die Gerechtigkeit weilt in den Gärten. Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer“ (Is 32,15-17). Sicherheit, Redlichkeit, Gerechtigkeit und Friede - in Gottes Plan für die Welt sind sie unzertrennlich. Es sind bei weitem nicht einfach Produkte menschlichen Strebens, es sind Werte, die auf die grundsätzliche Beziehung Gottes zum Menschen zurückzuführen sind und als allgemeines Erbe im Herzen jedes einzelnen wohnen.

Es gibt nur einen Weg, diese Werte zu schützen und zu fördern: indem man sie praktiziert! Indem man sie lebt! Kein einzelner, keine Familie, keine Gemeinschaft oder Nation ist von der Pflicht entbunden, in Gerechtigkeit zu leben und für den Frieden zu arbeiten. Und natürlich wird von den zivilen und politischen Führungskräften erwartet, daß sie dem Volk, zu dessen Dienst sie gewählt worden sind, eine gerechte und angemessene Sicherheit gewährleisten. Diese Zielsetzung gehört zur berechtigten Förderung der Werte, die allen Menschen gemeinsam sind, und kann folglich nicht im Widerspruch zur Einheit der Menschheitsfamilie stehen. Die authentischen Werte und Ziele einer Gesellschaft, die immer die menschliche Würde schützen, sind unteilbar, universal und voneinander abhängig (vgl. Ansprache vor der UN-Vollversammlung, 18. April 2008). Deshalb können sie nicht zur Erfüllung gelangen, wenn sie Einzelinteressen oder Teilpolitiken geopfert werden. Dem wahren Interesse einer Nation ist es immer dienlich, die Gerechtigkeit für alle anzustreben.

Sehr geehrte Damen und Herrn, dauerhafte Sicherheit ist eine Sache des Vertrauens, das durch Gerechtigkeit und Redlichkeit genährt und durch die Umkehr der Herzen besiegelt wird, die uns bewegt, dem anderen in die Augen zu schauen und mein Gegenüber, das „Du“, als Meinesgleichen, als meinen Bruder oder meine Schwester zu erkennen. Wird auf diese Weise nicht die Gesellschaft selbst zum „fruchtbaren Garten“ (vgl. Is 32,15), dessen Merkmale nicht etwa Blockaden oder Hindernisse, sondern Zusammenhalt und Dynamik sind? Kann sie nicht eine Gemeinschaft mit großmütigen Bestrebungen werden, wo allen gern der Zugang zu Ausbildung, Wohnung im Familienkreis und die Möglichkeit einer Anstellung gewährt wird, eine Gesellschaft, die bereit ist, auf die dauerhaften Fundamente der Hoffnung zu bauen?

Zum Schluß möchte ich mich gern an die einfachen Familien dieser Stadt und dieses Landes wenden. Welche Eltern würden sich jemals Gewalt, Unsicherheit oder Zwietracht für ihren Sohn oder ihre Tochter wünschen? Welchem humanen politischen Ziel kann je durch Konflikt und Gewalt gedient werden? Ich höre den Ruf derer, die in diesem Lande leben, den Ruf nach Gerechtigkeit, nach Frieden, nach Achtung ihrer Würde, nach dauerhafter Sicherheit, einem Alltag ohne Angst vor Bedrohung von außen und sinnloser Gewalt. Und ich weiß, daß eine bemerkenswerte Anzahl von Männern, Frauen und Jugendlichen durch Kulturprogramme und durch Initiativen mitfühlender und praktischer Hilfeleistung für Frieden und Solidarität arbeiten; demütig genug, um zu vergeben, greifen sie nach dem Traum, der ihr Recht ist.

Herr Präsident, ich danke Ihnen für die Freundlichkeit, die Sie mir erwiesen haben, und ich versichere Sie erneut meiner Gebete für die Regierung und für alle Bürger dieses Staates. Möge eine echte Umkehr der Herzen aller zu einem stets bestärkenden Engagement für Frieden und Sicherheit durch Gerechtigkeit für jeden führen.

Shalom!



BESUCH DER GEDENKSTÄTTE "YAD VASHEM"

Jerusalem - Montag, 11. Mai 2009

98
„Ihnen allen errichte ich in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal, ich gebe ihnen einen Namen … Einen ewigen Namen gebe ich ihnen, der niemals ausgetilgt wird“ (
Is 56,5).

Diese Stelle aus dem Buch des Propheten Jesaja liefert die beiden schlichten Worte, die feierlich die tiefe Bedeutung dieser ehrwürdigen Stätte zum Ausdruck bringen: yad - „Denkmal“; shem - „Name“. Ich bin gekommen, um in Stille vor diesem Denkmal zu stehen, das zur ehrenvollen Erinnerung an die Millionen in der schrecklichen Tragödie der Schoah getöteten Juden errichtet wurde. Sie haben ihr Leben verloren, doch niemals werden sie ihre Namen verlieren: Diese sind fest in die Herzen ihrer Lieben, ihrer Mitgefangenen, die überlebt haben, und all jener eingeschrieben, die entschlossen sind, niemals zuzulassen, daß eine solche Grausamkeit wieder über die Menschheit hereinbricht. Mehr als alles andere sind ihre Namen für immer in das Gedächtnis des Allmächtigen Gottes eingeprägt.

Man kann einen Mitmenschen seines Besitzes, seiner Chancen oder seiner Freiheit berauben. Man kann ein heimtückisches Netz von Lügen spinnen, um andere zu überzeugen, daß gewisse Gruppen keine Achtung verdienen. Doch sosehr sich einer auch bemüht, man kann niemals den Namen eines Mitmenschen wegnehmen.

Die Heilige Schrift lehrt uns die Wichtigkeit der Namen, wenn jemandem eine einzigartige Aufgabe oder eine besondere Gabe verliehen wird. Gott nannte Abram „Abraham“, weil er zum „Stammvater einer Menge von Völkern“ werden sollte (Gn 17,5). Jakob wurde „Israel“ genannt, weil er „mit Gott und mit Menschen gestritten und gewonnen“ hat (Gn 32,29). Die in diesem ehrwürdigen Denkmal bewahrten Namen werden auf immer einen heiligen Platz unter den zahllosen Nachfahren Abrahams einnehmen. Wie bei ihm wurde ihr Glaube geprüft. Wie Jakob wurden sie in das mühevolle Ringen, die Pläne des Allmächtigen zu erkennen, hineingestellt. Mögen die Namen dieser Opfer niemals vergehen! Möge ihr Leid nie geleugnet, herabgesetzt oder vergessen werden! Und mögen alle Menschen guten Willens weiter wachsam darauf achten, aus dem Herzen des Menschen auszumerzen, was immer zu Tragödien wie dieser führen könnte!

Die katholische Kirche, in Verpflichtung zur Lehre Jesu und in der Absicht, seine Liebe zu allen Menschen nachzuahmen, empfindet tiefes Mitgefühl für die Opfer, derer hier gedacht wird. Ebenso ist sie all denen nahe, die heute aufgrund von Volkszugehörigkeit, Hautfarbe, Lebensbedingungen oder Religion verfolgt werden - sie teilt ihre Leiden und macht sich ihre Hoffnung auf Gerechtigkeit zu eigen. Als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus bekräftige ich - wie meine Vorgänger -, daß die Kirche verpflichtet ist, unablässig zu beten und zu arbeiten, um zu gewährleisten, daß der Haß nie wieder in den Herzen der Menschen herrsche. Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist der Gott des Friedens (vgl. Ps 85,9).

Die Schriften lehren, daß es unsere Aufgabe ist, die Welt daran zu erinnern, daß Gott lebt, auch wenn wir es manchmal schwierig finden, seine geheimnisvollen und unergründlichen Wege zu verstehen. Er hat sich selbst geoffenbart und wirkt weiterhin in der menschlichen Geschichte. Er allein regiert die Welt in Gerechtigkeit und spricht den Völkern ein gerechtes Urteil (vgl. Ps 9,9).

99 Wenn man auf die Gesichter blickt, die sich im Becken spiegeln, das innerhalb der Gedenkstätte in Stille ruht, kann man nicht anders, als sich daran erinnern, daß ein jedes davon einen Namen trägt. Ich kann mir nur die freudige Erwartung ihrer Eltern vorstellen, als sie sehnsüchtig auf die Geburt ihrer Kinder warteten. Welchen Namen sollen wir diesem Kind geben? Was wird aus ihm oder ihr werden? Wer hätte sich vorstellen können, daß sie zu einem solch beklagenswerten Schicksal verurteilt werden würden!

Wenn wir hier in Stille stehen, hallt ihr Schrei in unseren Herzen wider. Es ist ein Schrei gegen jeden Akt von Ungerechtigkeit und Gewalt. Es ist ein ständiger Vorwurf gegen das Vergießen von unschuldigem Blut. Es ist der Schrei Abels, der vom Erdboden zum Allmächtigen aufsteigt. Wir bekennen unser unerschütterliches Vertrauen in Gott und verleihen diesem Schrei Stimme mit den Worten aus dem Buch der Klagelieder, das für Juden wie für Christen voller Bedeutung ist:

„Die Huld des Herrn ist nicht erschöpft, sein Erbarmen ist nicht zu Ende.
Neu ist es an jedem Morgen; groß ist deine Treue.
Mein Anteil ist der Herr, sagt meine Seele, darum harre ich auf ihn.
Gut ist der Herr zu dem, der auf ihn hofft, zur Seele, die ihn sucht.
Gut ist es, schweigend zu harren auf die Hilfe des Herrn.“ (
Lm 3,22-26).

Liebe Freunde, Gott und Ihnen bin ich äußerst dankbar für die Gelegenheit, hier in Stille zu verweilen: eine Stille, um zu gedenken, eine Stille, um zu beten, eine Stille, um zu hoffen.



BEGEGNUNG MIT DEN ORGANISATIONEN FÜR DEN INTERRELIGIÖSEN DIALOG

Auditorium des "Notre Dame of Jerusalem Center" - Jerusalem - Montag, 11. Mai 2009

100
Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Sehr geehrte Religionsführer!
Liebe Freunde!

Es ist mir eine große Freude, Ihnen an diesem Abend zu begegnen. Ich möchte dem Patriarchen, Seiner Seligkeit Fouad Twal, für seinen herzlichen Willkommensgruß danken, den er im Namen aller Anwesenden ausgesprochen hat. Ich erwidere seine freundlichen Worte und grüße Sie alle sowie die Mitglieder der Gruppen und Organisationen, die Sie vertreten, sehr herzlich.

„Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. ... Da zog Abram weg ... Abram nahm seine Frau Sarai mit“ (
Gn 12,1-5). Gottes Ruf, der in die Welt hineinbricht und mit dem die Geschichte unserer Glaubenstradition beginnt, erging mitten in das tägliche Leben der Menschen hinein. Und die Geschichte, die dann folgte, war nicht von Isolierung bestimmt, sondern von der Begegnung mit der ägyptischen, hethitischen, sumerischen, babylonischen, persischen und griechischen Kultur.

Der Glaube wird immer innerhalb einer Kultur gelebt. Die Religionsgeschichte zeigt, daß eine Gemeinschaft von Gläubigen nach und nach in Treue zu Gott ihren Weg geht und dabei aus der Kultur, der sie begegnet, schöpft und diese prägt. Dieselbe Dynamik findet sich in den einzelnen Gläubigen der großen monotheistischen Traditionen: Indem wir - wie Abraham - auf Gottes Stimme hören, antworten wir auf seinen Ruf und ziehen aus, wir suchen nach der Erfüllung seiner Verheißungen, streben danach, seinem Willen zu gehorchen und ebnen einen Weg in unserer eigenen Kultur.

Heute, etwa viertausend Jahre nach Abraham, findet die Begegnung der Religionen mit der Kultur nicht nur auf geographischer Ebene statt. Bestimmte Aspekte der Globalisierung und insbesondere die Welt des Internet haben eine weitgreifende virtuelle Kultur geschaffen, die im Wert so unterschiedlich ist wie ihre zahllosen Erscheinungsformen. Zweifellos ist viel erreicht worden, um ein Bewußtsein der Nähe und der Einheit innerhalb der weltweiten Menschheitsfamilie zu schaffen. Zugleich kann jedoch die grenzenlose Anzahl der Portale, durch die die Menschen so einfachen Zugang zu den verschiedensten Informationsquellen haben, leicht zu einem Mittel immer größerer Zersplitterung werden: Die Einheit des Wissens zerfällt, und die komplexen Fähigkeiten der Kritik, der Unterscheidungsfindung und des Urteilsvermögens, die durch akademische und ethische Traditionen erlernt worden sind, werden manchmal umgangen oder außer acht gelassen.

Dann stellt sich natürlich die Frage, welchen Beitrag die Religion auf dem Hintergrund der raschen Globalisierung zu den Kulturen der Welt leistet. Da viele schnell damit zur Hand sind, auf die offensichtlichen Unterschiede zwischen den Religionen hinzuweisen, stehen wir als gläubige oder religiöse Menschen vor der Herausforderung, deutlich unsere Gemeinsamkeiten zu verkünden.

Abrahams erster Schritt im Glauben und unsere Schritte, die zur Synagoge, zur Kirche, zur Moschee oder zum Tempel hinführen oder von dort herkommen, hinterlassen eine Spur in unserer persönlichen menschlichen Geschichte, die sich sozusagen auf dem Weg zum ewigen Jerusalem hin entfaltet (vgl. Ap 21,23). Ebenso verleiht jede Kultur durch die ihr innewohnende Fähigkeit zu geben und zu empfangen der einen menschlichen Natur Ausdruck. Dennoch kann die Kultur den Einzelnen niemals vollkommen zum Ausdruck bringen. Er oder sie übersteigt die eigene Kultur auf der ständigen Suche nach etwas Höherem. Aus dieser Perspektive heraus, liebe Freunde, sehen wir, daß eine Einheit möglich ist, die nicht von der Gleichförmigkeit abhängt. Zwar können die Unterschiede, die Gegenstand des interreligiösen Dialogs sind, uns manchmal als Hindernisse erscheinen, sie brauchen aber nicht die gemeinsame Ehrfurcht und Achtung vor dem Universalen, dem Absoluten und der Wahrheit zu überschatten, durch die religiöse Menschen überhaupt dazu gebracht werden, das Gespräch miteinander zu suchen. In der Tat ist es gerade die gemeinsame Überzeugung, daß diese transzendenten Wirklichkeiten ihre Quelle im Allmächtigen haben - und Spuren von ihm in sich tragen -, die die Gläubigen voreinander, vor unseren Organisationen, unserer Gesellschaft, unserer Welt hochhalten. Auf diese Weise bereichern wir nicht nur die Kultur, sondern prägen sie: Ein Leben in Treue zur Religion ist ein Widerhall von Gottes Gegenwart, die in unsere Welt hineinbricht, und läßt eine Kultur entstehen, die sich nicht innerhalb zeitlicher oder räumlicher Grenzen definiert, sondern vor allem von den Grundsätzen und durch das Handeln geprägt ist, die aus dem Glauben kommen.

Religiöser Glaube setzt Wahrheit voraus. Wer glaubt, sucht nach der Wahrheit und lebt aus ihr. Zwar ist das Mittel, durch das wir die Entdeckung und Weitergabe der Wahrheit verstehen, teilweise von Religion zu Religion verschieden, wir sollten uns aber nicht von unseren Bemühungen abhalten lassen, die Macht der Wahrheit zu bezeugen. Gemeinsam können wir verkünden, daß Gott existiert und daß man ihn erkennen kann, daß die Erde seine Schöpfung ist, daß wir seine Geschöpfe sind und daß er jeden Menschen aufruft, so zu leben, daß er seinen Plan für die Welt achtet. Liebe Freunde, wenn wir glauben, daß wir ein Urteils- und Unterscheidungskriterium besitzen, das göttlichen Ursprungs ist und das für die ganze Menschheit gilt, dann dürfen wir nicht müde werden, dafür zu sorgen, daß dieses Wissen im öffentlichen Leben zum Tragen kommt. Die Wahrheit sollte allen angeboten werden; sie dient allen Gliedern der Gesellschaft. Sie wirft Licht auf die Grundlage von Moral und Ethik und verleiht der Vernunft die Kraft, ihre eigenen Grenzen zu übersteigen, um unsere tiefsten gemeinsamen Bestrebungen zum Ausdruck zu bringen. Die Wahrheit ist weit davon entfernt, die Toleranz gegenüber Unterschieden oder kultureller Pluralität zu gefährden. Vielmehr ermöglicht sie einen Konsens und macht die öffentliche Diskussion rational, aufrichtig und verantwortungsbewußt; sie öffnet dem Frieden das Tor. Wenn wir den Willen hegen, der Wahrheit gehorsam zu sein, wird unser Vernunftbegriff und sein Anwendungsradius erweitert und ein echter Dialog der Kulturen und Religionen ermöglicht, der heute so dringend notwendig ist.

Jeder der hier Anwesenden weiß jedoch auch, daß man Gottes Stimme heute weniger deutlich hört und daß die Vernunft in so vielen Fällen gegenüber dem Göttlichen taub geworden ist. Dennoch herrscht in dieser „Leere“ keine Stille. Im Gegenteil, der Lärm egoistischer Forderungen, leerer Versprechen und falscher Hoffnungen dringt so oft gerade dort ein, wo Gott uns sucht. Gemeinsam können wir Räume schaffen - Oasen des Friedens und der tiefen Reflexion -, wo man Gottes Stimme wieder hören kann, wo man seine Wahrheit in der Allgemeingültigkeit der Vernunft entdecken kann, wo jeder einzelne ungeachtet seiner Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit, politischen Couleur oder seines religiösen Glaubens als Person, als Mitmensch geachtet werden kann. In einer Zeit des unmittelbaren Zugangs zur Information und sozialer Tendenzen, die eine Art Monokultur erzeugen, stärkt eine tiefe Reflexion auf dem Hintergrund von Gottes Gegenwart die Vernunft. Außerdem regt sie den schöpferischen Geist an, erleichtert die kritische Wertschätzung kultureller Bräuche und schützt den universalen Wert der Religion.

Liebe Freunde, die Einrichtungen und Gruppen, die Sie vertreten, widmen sich dem interreligiösen Dialog und der Förderung kultureller Initiativen auf vielen verschiedenen Ebenen. Von akademischen Einrichtungen - und hier möchte ich die hervorragenden Leistungen der „Bethlehem University“ besonders erwähnen - bis hin zu Selbsthilfegruppen verwaister Eltern, von Initiativen im Bereich von Musik und Kunst bis hin zum mutigen Vorbild einfacher Mütter und Väter, von Gruppen, die sich dem offiziellen Dialog widmen, bis hin zu karitativen Organisationen: Jeder von Ihnen zeigt täglich seinen Glauben, daß unsere Pflicht vor Gott nicht nur im Gottesdienst Ausdruck findet, sondern auch in unserer Liebe und Fürsorge gegenüber der Gesellschaft, der Kultur, unserer Welt und gegenüber allen, die in diesem Land leben. Einige wollen uns glauben machen, daß unsere Unterschiede zwangsläufig Anlaß zur Uneinigkeit geben und sie daher höchstens toleriert werden können. Manche vertreten sogar die Ansicht, daß unsere Stimmen einfach zum Schweigen gebracht werden sollten. Wir aber wissen, daß unsere Verschiedenheiten niemals fälschlich als unvermeidlicher Grund für Reibereien oder Spannungen hingestellt werden dürfen, weder unter uns selbst noch in der Gesellschaft im ganzen. Vielmehr geben sie Menschen unterschiedlicher Religion eine wunderbare Gelegenheit, in tiefer gegenseitiger Achtung, Wertschätzung und Anerkennung zusammenzuleben und einander auf Gottes Wegen zu ermutigen. Mit Hilfe des Allmächtigen und von seiner Wahrheit erleuchtet mögen Sie auch weiterhin mutig auf Ihrem Weg voranschreiten, indem sie all das achten, was uns unterscheidet, und all das fördern, was uns vereint als Geschöpfe, die den Wunsch haben, unseren Gemeinschaften und unserer Welt Hoffnung zu bringen. Möge Gott uns auf diesem Weg leiten!



HÖFLICHKEITSBESUCH BEIM GROSSMUFTI

Moscheenplatz - Jerusalem - Dienstag, 12. Mai 2009

101
Liebe muslimische Freunde!
As-salámu ‘aláikum! Der Friede komme über euch!

Herzlich danke ich dem Großmufti, Muhammad Ahmad Hussein, gemeinsam mit dem Direktor der Jerusalemer islamischen Waqf-Stiftung, Scheich Mohammed Azzam al-Khatib al-Tamini, und dem Leiter des Awqaf-Rats, Scheich Abdel Azim Salhab, für den freundlichen Empfang, den sie mir in Ihrem Namen bereitet haben. Ich bin sehr dankbar für die Einladung, diesen heiligen Ort zu besuchen, und bekunde Ihnen und den Verantwortlichen der islamischen Gemeinschaft in Jerusalem meine Hochachtung.

Der Felsendom regt unser Herz und unseren Verstand zum Nachdenken über das Geheimnis der Schöpfung und über den Glauben Abrahams an. Hier treffen sich die Pfade der drei großen monotheistischen Religionen, und wir werden an all das erinnert, was sie gemeinsam haben. Jede von ihnen glaubt an einen Gott, den Schöpfer und Lenker des Alls. Jede sieht in Abraham einen ihrer Vorfahren, einen Mann des Glaubens, den Gott mit einem besonderen Segen beschenkt hat. Jede hat im Lauf der Jahrhunderte eine große Zahl von Gläubigen versammelt und wurde zur Inspiration für ein reiches geistliches, intellektuelles und kulturelles Erbe.

In einer Welt, die leider durch Trennungen zerrissen ist, stellt dieser heilige Ort einen Ansporn dar und fordert die Menschen guten Willens heraus, sich für die Überwindung von Mißverständnissen und Konflikten vergangener Tage einzusetzen und den Weg eines aufrichtigen Dialogs einzuschlagen, der auf den Aufbau einer Welt der Gerechtigkeit und des Friedens für die nachfolgenden Generationen abzielt.

Die Lehren der Religionsgemeinschaften behandeln letztlich die Wirklichkeit Gottes, den Sinn des Lebens und das gemeinsame Ziel der Menschheit, also all das, was uns am heiligsten und am kostbarsten ist. Daher kann die Versuchung aufkommen, in einen solchen Dialog mit Widerwillen und mit Unsicherheit über seine Erfolgsaussichten einzutreten. Wir können jedoch zum Ausgangspunkt den Glauben nehmen, daß der eine Gott die unendliche Quelle der Gerechtigkeit und des Erbarmens ist, da in ihm diese beiden in vollkommener Einheit existieren. Die seinen Namen bekennen, haben den Auftrag, unermüdlich nach Rechtschaffenheit zu streben und zugleich seine Vergebungsbereitschaft nachzuahmen, denn beides ist wesentlich auf das friedliche und harmonische Zusammenleben der Menschheitsfamilie ausgerichtet.

Aus diesem Grund ist es so wichtig, daß jene, die den einen Gott anbeten, sichtbar machen, daß sie sowohl auf dem Boden der Einheit der ganzen Menschheitsfamilie stehen als auch auf sie ausgerichtet sind. Man könnte mit anderen Worten sagen, daß die Treue zu dem einen Gott, dem Schöpfer, dem Allerhöchsten, dazu führt anzuerkennen, daß alle Menschen grundlegend miteinander verbunden sind, da alle ihr Dasein einer einzigen Quelle verdanken und auf ein gemeinsames Ziel hingeordnet sind. Ihnen allen ist das unauslöschliche Abbild des Göttlichen eingeprägt und sie sind dazu berufen, aktiv an der Heilung der Trennungen mitzuarbeiten und die Solidarität unter den Menschen zu fördern.

Dies erlegt uns eine große Verantwortung auf. Die den einen Gott verehren, glauben, daß er von den Menschen Rechenschaft für ihr Tun einfordern wird. Die Christen halten fest, daß die Gaben der Vernunft und der Freiheit dieser Rechenschaftspflicht zugrunde liegen. Die Vernunft öffnet den Geist für die Erkenntnis des gemeinsamen Wesens und des gemeinsamen Ziels der Menschheitsfamilie, während die Freiheit das Herz anspornt, den anderen anzunehmen und ihm in Liebe zu dienen. So werden die ungeteilte Liebe zu dem einen Gott und die Liebe zum Nächsten zum Angelpunkt, um den sich alles andere dreht. Aus diesem Grund arbeiten wir unermüdlich daran, die Herzen der Menschen vor Haß, Groll und Rachegelüsten zu bewahren.

Liebe Freunde, ich bin auf einer Reise des Glaubens nach Jerusalem gekommen. Ich danke Gott für diese Gelegenheit, Ihnen als Bischof von Rom und als Nachfolger des Apostels Petrus zu begegnen, aber auch als ein Sohn Abrahams, „durch den alle Völker der Erde Segen erlangen“ (
Gn 12,3 vgl. Rm 4,16-17). Ich versichere Ihnen, daß die Kirche den innigen Wunsch hat, zum Wohl der Menschheitsfamilie beizutragen. Sie glaubt fest, daß die Erfüllung des Versprechens, das Gott Abraham gegeben hat, ihrem Ziel nach universal ist und alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem gesellschaftlichen Status umfaßt. Ich bete, daß Moslems und Christen bei der Weiterführung des bereits begonnen respektvollen Dialogs darüber nachdenken, wie das Einsein Gottes untrennbar mit der Einheit der Menschheitsfamilie verbunden ist. Mögen alle Angehörigen dieser Religionen, wenn sie sich Gottes liebevollem Plan für die Schöpfung fügen, wenn sie das Gesetz erforschen, das dem Kosmos eingeschrieben und dem Herz des Menschen eingeprägt ist, und wenn sie über das geheimnisvolle Geschenk der Selbstoffenbarung Gottes nachdenken, ihren Blick fest auf sein absolutes Gutsein richten und nie aus den Augen verlieren, wie diese Güte sich in den Gesichtern der Mitmenschen wiederspiegelt.

Mit diesen Gedanken bitte ich den Allmächtigen demütig, daß er Ihnen Frieden schenke und alle Glieder des geliebten Volkes dieser Region segne. Bemühen wir uns, in einem Geist der Harmonie und der Zusammenarbeit zu leben und durch unseren großzügigen Dienst am Nächsten für den einen Gott Zeugnis abzulegen. Vielen Dank!



ANSPRACHE 2009 95