ANSPRACHE 2008 Januar 2008 196

196 Diese inneren Haltungen geben Rechenschaft vom Wert und der Tiefe sowie auch von der Zuverlässigkeit seiner Lehre und erklären die vertrauensvolle Zustimmung zu ihr, die nicht allein auf die Gläubigen beschränkt war, sondern auch von vielen Menschen kam, die nicht zur Kirche gehörten. Angesichts der großen Breite und hohen Qualität des Lehramtes Pius’ XII. muß man sich fragen, wie er das alles zu leisten vermochte, da er sich ja auch den zahlreichen anderen Aufgaben widmen mußte, die mit seinem Papstamt verbunden waren: die tägliche Leitung der Kirche, die Ernennungen und Besuche der Bischöfe, die Besuche von Staatsoberhäuptern und Diplomaten, die zahllosen Audienzen, die er Privatpersonen und ganz unterschiedlichen Gruppen gewährte.

Alle anerkennen in Pius XII. einen Mann von außergewöhnlicher Intelligenz, mit einem ausgezeichneten Gedächtnis, einer einzigartigen Vertrautheit mit den Fremdsprachen und einer bemerkenswerten Sensibilität. Man sagt von ihm, er sei ein höflicher Diplomat, ein hervorragender Jurist, ein ausgezeichneter Theologe gewesen. Das alles trifft zu, aber es erklärt nicht alles. Es gab darüber hinaus in ihm das ständige Bemühen und den festen Willen, sich selbst Gott zu schenken, ohne sich etwas zu ersparen und ohne Rücksicht auf seine schwache Gesundheit. Die eigentliche Triebfeder seines Verhaltens war folgende: Alles erwuchs aus der Liebe zu seinem Herrn Jesus Christus und aus der Liebe zur Kirche und zur Menschheit. Er war nämlich vor allem der Priester in ständiger, inniger Verbundenheit mit Gott, der Priester, der in langen Gebetszeiten vor dem Allerheiligsten, im stillen Gespräch mit seinem Schöpfer und Erlöser die Kraft für seine enorme Arbeit fand. Darin hatte sein Lehramt seinen Ursprung und erhielt von daher, wie übrigens jede andere seiner Tätigkeiten, seinen Antrieb.

Es braucht deshalb nicht zu verwundern, daß seine Lehre auch heute weiterhin Licht in der Kirche verbreitet. Fünfzig Jahre sind seit seinem Tod vergangen, aber sein vielseitiges und fruchtbares Lehramt bleibt auch für die heutigen Christen von unschätzbarem Wert. Gewiß ist die Kirche, der Mystische Leib Christi, ein lebender und lebendiger Organismus, der nicht starr an dem festhält, was vor fünfzig Jahren war. Aber die Entwicklung vollzieht sich in Kontinuität. Deshalb ist das Erbe des Lehramtes Pius’ XII. vom Zweiten Vatikanischen Konzil gesammelt und den nachfolgenden christlichen Generationen neu vorgelegt worden. In den von den Konzilsvätern des Zweiten Vatikanums eingebrachten mündlichen und schriftlichen Beiträgen finden sich bekanntlich mehr als tausend Bezugnahmen auf das Lehramt Pius’ XII. Nicht alle Konzilsdokumente haben einen Anmerkungsapparat, aber in den Dokumenten, die ihn haben, taucht über zweihundert Mal der Name Pius XII. auf. Das heißt: Mit Ausnahme der Heiligen Schrift ist dieser Papst die am häufigsten zitierte maßgebliche Quelle. Man weiß außerdem, daß die den Dokumenten angefügten Anmerkungen im allgemeinen nicht bloße erklärende Hinweise sind, sondern daß in ihnen oft wesentliche Bestandteile der Konzilstexte enthalten sind; sie sind nicht nur Anmerkungen zur Bekräftigung dessen, was im Text gesagt wurde, sondern sie bieten einen Interpretationsschlüssel dafür.

Wir können also sagen, daß der Herr in der Person Papst Pius’ XII. seiner Kirche ein außerordentliches Geschenk gemacht hat, für das wir alle Ihm dankbar sein müssen. Ich spreche daher noch einmal meine Anerkennung für die wichtige Arbeit aus, die Sie in der Vorbereitung und Durchführung dieses Internationalen Symposions über das Lehramt Pius’ XII. geleistet haben, und wünsche mir, daß man weiter über das wertvolle Erbe, das von dem unsterblichen Papst der Kirche hinterlassen wurde, nachdenkt, um daraus nützliche Anwendungen auf die heute auftauchenden Probleme zu gewinnen. Mit diesem Wunsch rufe ich auf Ihre Arbeit die Hilfe des Herrn herab und erteile jedem von Ihnen von Herzen meinen Segen.



AN DIE BISCHÖFE VON BOLIVIEN ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Montag, 10. November 2008

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Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Ich freue mich, euch, die Bischöfe von Bolivien, zu empfangen. Ihr seid zum »Ad-limina«-Besuch nach Rom gekommen, um an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus zu beten und die Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens mit dem Nachfolger Petri zu erneuern (vgl. Lumen gentium
LG 22). Ich danke Herrn Kardinal Julio Terrazas Sandoval, dem Erzbischof von Santa Cruz de la Sierra und Vorsitzenden der Bischofskonferenz, für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Vor allem möchte ich euch für euren großherzigen Dienst in der wichtigen Aufgabe, den Glauben des Volkes Gottes zu erhalten und zu nähren, meine Wertschätzung zum Ausdruck bringen und meine Ermutigung zusichern.

Ich weiß sehr wohl um die schwierigen Umstände, von denen die Gläubigen und die Einwohner eures Landes seit einiger Zeit betroffen sind und die sich gegenwärtig noch zu verschärfen scheinen. Sicher sind sie für die Kirche ein Grund zu Besorgnis und zu besonderem pastoralen Eifer. Die Kirche hat es verstanden, allen Bolivianern in schwierigen Situationen sehr nahe zu sein und sie zu begleiten, mit dem einzigen Ziel, die Hoffnung aufrechtzuerhalten, den Glauben zu beleben, die Einheit zu fördern, zur Versöhnung aufzurufen und den Frieden zu wahren. Die Bemühungen der Hirten bei dieser Aufgabe, die sie brüderlich, einträchtig und auf koordinierte Weise durchführen, lassen an das Gleichnis vom Sämann im Evangelium denken, der den Samen überreich und unermüdlich aussät, ohne vorher zu berechnen, welche Frucht seine Arbeit für ihn selbst bringen kann (vgl. Lc 8,4ff.).

Auch fehlt es nicht an weiteren Herausforderungen bei eurer pastoralen Aufgabe, denn der in die bolivianische Erde eingepflanzte Glaube muß stets genährt und gestärkt werden, besonders dann, wenn Anzeichen für eine gewisse Schwächung des christlichen Lebens vorhanden sind. Dafür kann es verschiedene Gründe geben, wie eine mangelnde Übereinstimmung zwischen dem Glauben, den man bekennt, und den Richtlinien für das persönliche oder gesellschaftliche Leben oder eine oberflächliche Unterweisung, die zur Folge hat, daß die Getauften empränglich bleiben für Versprechungen, die anziehend erscheinen, aber leer sind.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, zählt die Kirche in Bolivien auf ein machtvolles Mittel wie die Volksfrömmigkeit, diesen wertvollen Schatz, der sich dank der Arbeit mutiger Missionare über Jahrhunderte angesammelt hat und über Generationen hinweg mit großer Treue in den bolivianischen Familien bewahrt wurde. Er ist ein Geschenk, das heute gewiß erhalten und gefördert werden muß, und ich weiß, daß dies mit Sorgfalt und Hingabe getan wird. Es bedarf jedoch ständiger Bemühungen, damit die Bedeutung der Zeichen tief in das Herz eindringt und stets durch das Wort Gottes erleuchtet und zu festen Glaubensüberzeugungen wird. Und der Glaube muß durch die Sakramente und die Treue gegenüber den sittlichen Werten gefestigt sein. In der Tat ist es notwendig, einen reifen Glauben zu haben und »eine feste Hoffnung …, um den Glauben verantwortungsvoll und mit Freude zu leben und ihn so in die Umgebung ausstrahlen zu lassen« (Eröffnungsansprache der Arbeiten der V. Generalkonferenz der Bischofskonferenzen von Lateinamerika und der Karibik, Aparecida, 13. Mai 2007; in O.R. dt. Nr. 20 v. 18.5.2007, S. 4).

Um das zu erreichen, bedarf es einer systematischen, verbreiteten und eindringlichen Katechese, die den katholischen Glauben deutlich und unverkürzt vermittelt. Das Paulusjahr, das wir gegenwärtig feiern, ist eine günstige Gelegenheit, um die apostolische und missionarische Kraft dieses großen Apostels nachzuahmen, der sich niemals entzog, wenn es darum ging, den ganzen Plan Gottes zu verkünden, wie er zu den Hirten der Kirche von Milet sagte (vgl. Ac 20,27). Eine partielle oder unvollständige Unterweisung in der Botschaft des Evangeliums entspricht nämlich nicht der Sendung der Kirche und kann nicht fruchtbar sein.

Auch eine gute allgemeine Erziehung und Bildung, die die geistliche und religiöse Dimension der Person mit einbezieht, trägt sehr stark dazu bei, dem Wachstum im Glauben feste Grundlagen zu geben. Die Kirche in Bolivien besitzt zahlreiche Bildungseinrichtungen, von denen einige großes Ansehen genießen. Sie müssen auch weiterhin auf die Aufmerksamkeit ihrer Hirten zählen können, damit ihre Identität erhalten bleibt und geachtet wird. »Alle Christen, die, durch die Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geist zu einer neuen Schöpfung geworden, Söhne Gottes heißen und es auch sind, haben das Recht auf eine christliche Erziehung« (Gravissimum educationis GE 2) - das darf man auf keinen Fall vergessen.

Ich freue mich über eure Bemühungen, den Seminaristen eine solide menschliche, geistliche, intellektuelle und pastorale Ausbildung anzubieten, indem ihr ihnen Priester zur Seite stellt, die in der Lage sind, sie bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich ihrer Berufung zu begleiten und darauf zu achten, daß sie mit Sicherheit entsprechende Eignung und Fähigkeiten besitzen. Diese stets notwendigen Richtlinien sind in der heutigen Zeit noch dringender, in der die Tendenz besteht, sich in der Informationsflut zu verlieren und tief im Innern, wo der Mensch ein von Gott eingeschriebenes Gesetz hat (vgl. Gaudium et spes GS 16), zersplittert zu sein. Daher ist es nötig, auch später weiterhin für sie Sorge zu tragen und die ständige Weiterbildung des Klerus und der anderen Mitarbeiter in der Pastoral zu gewährleisten, um ihr geistliches Leben ständig zu nähren und ihre Arbeit nicht zur Routine oder oberflächlich werden zu lassen. Sie sind dazu berufen, den Gläubigen aus ihrer eigenen Erfahrung heraus zu zeigen, daß die Worte Jesu Geist und Leben sind (vgl. Jn 6,63), »denn wie sollten sie eine Botschaft verkünden, deren Inhalt und Geist sie nicht gründlich kennen«? (Eröffnungsansprache der Arbeiten der V. Generalkonferenz der Bischofskonferenzen von Lateinamerika und der Karibik, Aparecida, 13. Mai 2007; in O.R. dt., Nr. 20 v. 18.5.2007, S. 5).

In der kürzlich abgehaltenen Versammlung der Bischofssynode wurde hervorgehoben, daß »die Hauptaufgabe der Kirche am Beginn des neuen Jahrtausends vor allem darin besteht, sich vom Wort Gottes zu ernähren, um den Einsatz in der Neuevangelisierung, der Verkündigung in unserer Zeit wirksam werden zu lassen« (Predigt in der Eucharistiefeier zum Abschluß der Versammlung der Bischofssynode, 26. Oktober 2008; in O.R. dt., Nr. 44 v. 31.10.2008, S. 11). Ich fordere euch also nachdrücklich auf, in den Predigten, Katechesen und Eucharistiefeiern in den Pfarreien ebenso wie in vielen kleinen Gemeinden - die zwar verstreut liegen, aber bedeutende Kapellen besitzen, wie man sie in eurer Gegend häufig findet - die treue Verkündigung, das Hören und die Betrachtung der Schrift stets in den Vordergrund zu stellen, denn darin findet das Volk Gottes seinen Seinsgrund, seine Berufung und seine Identität.

Aus dem fügsamen Hören auf Gottes Wort entsteht die Nächstenliebe und mit ihr der uneigennützige Dienst an den Brüdern (vgl. ebd.). Dieser Aspekt nimmt in der Pastoralarbeit in Bolivien angesichts der Armut, der Ausgrenzung und der Verlassenheit eines großen Teils der Bevölkerung einen sehr wichtigen Platz ein. Die kirchliche Gemeinschaft hat bewiesen, daß sie wie der gute Samariter ein großes »sehendes Herz« besitzt, ein Herz, das den notleidenden Bruder sieht, und ihm durch zahllose Werke und Projekte bereitwillig zu Hilfe eilt. Sie weiß, daß »die Liebe in ihrer Reinheit und Absichtslosigkeit das beste Zeugnis für den Gott ist, dem wir glauben und der uns zur Liebe treibt« (Deus caritas est ). In diesem Sinne ist es sozusagen auch ein »sprechendes Herz«, das das Wort in sich trägt, das tief in seinem Innern wohnt und auf das sie nicht verzichten kann, auch wenn sie manchmal schweigen muß. Wenn die Brüderlichkeit gegenüber den notleidenden Brüdern uns zu vorzüglichen Jüngern des Meisters macht, so macht uns die besondere Hingabe und Fürsorge für sie zu Missionaren der Liebe.

Zum Abschluß dieser Begegnung möchte ich euch noch einmal für die Sendung, die ihr als Hirten der Kirche in Bolivien erfüllt, meine Ermutigung aussprechen, ebenso wie für den Geist der Gemeinschaft und der Eintracht unter euch. Diese Gemeinschaft wird durch die brüderlichen Bande mit anderen Teilkirchen bereichert. Einige von ihnen liegen in fernen Ländern, haben jedoch den Wunsch, mit euch die Freuden und Hoffnungen der Evangelisierung in diesem Land zu teilen. Übermittelt meinen Gruß den emeritierten Bischöfen, den Priestern und Seminaristen, den zahlreichen Ordensmännern und Ordensfrauen, die eure christlichen Gemeinden bereichern und beleben, den Katecheten und allen anderen Mitarbeitern an der Aufgabe, den Bolivianern das Licht des Evangeliums zu bringen.

Ich vertraue eure Anliegen der allerseligsten Jungfrau Maria an, die vom bolivianischen Volk in zahlreichen Marienheiligtümern so sehr verehrt wird, und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen.

AN HERRN SANTE CANDUCCI, BOTSCHAFTER DER REPUBLIK SAN MARINO BEIM HL. STUHL

Donnerstag, 13. November 2008

Herr Botschafter!


Ich freue mich, Sie herzlich willkommen zu heißen, um aus Ihren Händen das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der alten und berühmten Republik San Marino hier beim Heiligen Stuhl akkredidiert werden. Mein erster und ehrerbietiger Gedanke gilt den durchlauchten Regierungshauptleuten, deren hoher Repräsentant Sie sind, und der ganzen Bevölkerung von San Marino, die dem Nachfolger Petri seit jeher teuer ist. Tatsächlich hat die Republik am Monte Titano seit ihrer Entstehung freundliche und nutzbringende Beziehungen zum Apostolischen Stuhl unterhalten, die im Jahr 1926 offiziell aufgenommen wurden, mit Banden gegenseitiger und respektvoller Zusammenarbeit. Es ist mir daher willkommen, den Ausdruck meiner geistigen Nähe zu dem Volk zu erneuern, mit dessen Vertretung Sie ab heute beauftragt sind: gemessen an der Ausdehnung des Territoriums, auf dem es wohnt, ein kleines Volk, das aber auf Grund seiner an kulturellen und religiösen Traditionen reichen Geschichte jeder Aufmerksamkeit und aller Achtung würdig ist.

Während ich Sie mit lebhafter Freude begrüße, möchte ich mit aufrichtiger Dankbarkeit an Ihren verdienstvollen Vorgänger, Professor Giovanni Galassi, erinnern, der viele Jahre lang in lobenswerter Weise das Amt des Vertreters der Republik San Marino und das des Dekans des hier akkreditierten Diplomatischen Korps ausgeübt hat. Die Sensibilität, der menschliche Takt und die Kompetenz, die sein Wirken kennzeichneten, haben ihm die Wertschätzung seiner Kollegen im diplomatischen Dienst eingebracht und vor allem zur weiteren Intensivierung der bereits herzlichen Beziehungen zwischen der Republik San Marino und dem Heiligen Stuhl beigetragen. In Anbetracht dessen bin ich sicher, daß Sie die bereits gut angelaufene Arbeit fortsetzen werden, damit die Festigung fruchtbarer gegenseitiger Beziehungen - abgesehen von der Förderung des Dialogs und der Erleichterung der Verständigung zwischen den Autoritäten und der katholischen Gemeinschaft von San Marino - sich auch für ein gemeinsames Vorgehen zugunsten der Solidarität und des Friedens in Europa und in der Welt als nützlich erweisen wird.

198 Jede Nation und jede Institution, sei sie groß oder klein, ist heute dazu aufgerufen, aktiv am Aufbau einer internationalen Gemeinschaft mitzuwirken, die sich auf gemeinsame menschliche und geistige Werte stützt. Die Republik San Marino wird es gewiß nicht versäumen, zu diesem Vorhaben von universaler Tragweite ihren Beitrag zu leisten, indem sie die Erfahrung einer geschichts- und kulturträchtigen Vergangenheit, in welcher der Schutz der Familie, Grundzelle jeder Gemeinschaft, die erste Stelle einnimmt, allen zur Verfügung stellt. Das Land, das als der »Sporn des Monte Titano« bekannt ist, zeichnet sich durch eine besondere Identität aus, die sich in den kulturellen und geistigen Reichtum der italienischen Halbinsel einfügt. Wichtiger Punkt dieser Identität ist das alte Erbe von Werten, das großenteils aus dem christlichen Glauben lebt, der das Leben und die Geschichte der Menschen und der Institutionen von San Marino geprägt hat. Zu Recht haben Sie daher in Ihren Worten an diese alten Wurzeln erinnert und sich dabei auch auf den Besuch meines verehrten Vorgängers Johannes Paul II. am 28. April 1982 bezogen, der von der Bevölkerung San Marinos begeistert aufgenommen wurde. Ich spreche von Herzen den Wunsch aus, daß es auf der Linie dieser jahrhundertealten kulturellen und geistlichen Traditionen und durch Fortsetzung des Einsatzes, der bis heute von so vielen Menschen guten Willens entfaltet worden ist, der heutigen zivilen und religiösen Gemeinschaft von San Marino gelingen möge, gemeinsam ein neues Kapitel des Fortschritts und der Kultur zu beginnen und insofern die unverzichtbare Rolle anzuerkennen, die jede Familie bei der Ausbildung der neuen Generationen als Ort der Erziehung zum Frieden zu erfüllen berufen ist.

Das Hervorheben des griechisch-römischen Erbes, das durch die Begegnung mit dem Christentum bereichert worden ist, stellt daher auch für die Republik San Marino zweifellos eine Gelegenheit dar, dazu beizutragen, daß Europa zum Land des Dialogs und »gemeinsamen Haus« von Nationen mit ihren spezifischen kulturellen und religiösen Besonderheiten wird. Die Umweltverhältnisse und die sozialen Bedingungen, unter denen wir heute leben, haben sich natürlich verändert; unverändert bleibt jedoch das letzte Ziel unseres tagtäglichen persönlichen und gemeinschaftlichen Einsatzes: Die Suche nach dem wahren Wohl des Menschen und der Aufbau einer Gesellschaft, die für die Aufnahme aller offen ist und sich ihrer realen Bedürfnisse annimmt. Das einheitliche Ganze von Werten und Gesetzen, das gemeinsame geistliche »Alphabet «, das es unseren Völkern in den vergangenen Jahrhunderten ermöglicht hat, edle Seiten ziviler und religiöser Geschichte zu schreiben, stellt ein wertvolles Erbe dar, das nicht vergeudet werden darf, ein Erbe, das durch den Beitrag der modernen Entdeckungen in Wissenschaft, Technik und Kommunikation vergrößert werden soll, insofern diese in den Dienst des wahren Wohls des Menschen gestellt werden.

Herr Botschafter, der Heilige Stuhl bekundet erneut seine volle Bereitschaft zur Zusammenarbeit, um diese gemeinsam vertretenen Ziele zu verfolgen, denn er ist sich dessen bewußt, daß für ein so umfassendes Vorhaben die Zusammenarbeit aller erforderlich ist: Es bedarf auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene des Beitrags jedes einzelnen in seinem Bereich und mit seiner spezifischen Aufgabe, und das stets in gegenseitigem Respekt und ständigem Dialog. Das sind die Bedingungen für jene »gesunde« Laizität, die für den Aufbau einer Gesellschaft unverzichtbar ist, in der unterschiedliche Traditionen, Kulturen und Religionen friedlich zusammenleben. Eine vollständige Trennung des öffentlichen Lebens von jedem Wert der Traditionen würde bedeuten, sich in eine Sackgasse zu begeben. Deshalb ist es notwendig, den Sinn einer Laizität neu zu bestimmen, die den wahren Unterschied und die Autonomie zwischen den verschiedenen Elementen der Gesellschaft unterstreicht, aber auch die spezifischen Kompetenzen in einem Rahmen gemeinsamer Verantwortung bewahrt. Gewiß bringt diese »gesunde« Laizität des Staates mit sich, daß jede zeitliche Gegebenheit entsprechend den ihr eigenen Normen existiert, die jedoch die grundlegenden ethischen Instanzen nicht vernachlässigen dürfen, deren Fundament in der Natur des Menschen liegt und die gerade deshalb letzten Endes auf den Schöpfer verweisen. Wenn die katholische Kirche durch ihre rechtmäßigen Hirten an den Wert appelliert, den einige grundlegende ethische Prinzipien, die im christlichen Erbe Europas verwurzelt sind, für das private und noch mehr für das öffentliche Leben haben, ist sie einzig und allein von dem Wunsch bewegt, die unverletzliche Würde des Menschen und das wahre Wohl der Gesellschaft zu gewährleisten und zu fördern.

Herr Botschafter, das sind die Gedanken, die mir in diesem Augenblick spontan in den Sinn kommen. Während ich Ihnen für Ihre freundlichen Worte danke und Ihnen die volle Verfügbarkeit meiner Mitarbeiter zusichere, wünsche ich Ihnen, daß Sie Ihre hohe Aufgabe bestmöglich erfüllen können. An die erlauchten Regierungshauptleute und an das Volk der geliebten Republik San Marino, das Sie hier vertreten, richte ich noch einmal herzlich meinen Gruß, verbunden mit meinem Gebet, daß Gott alle und jeden einzelnen stets schützen und segnen möge.

AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DES PÄPSTLICHEN RATES FÜR DIE LAIEN

Samstag, 15. November 2008

Meine Herren Kardinäle,

verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, heute mit euch allen, den Mitgliedern und Konsultoren des Päpstlichen Rates für die Laien, anläßlich eurer Vollversammlung zusammenzutreffen. Ich begrüße Herrn Kardinal Stanislaw Rylko und Bischof Josef Clemens - den Präsidenten bzw. den Sekretär des Dikasteriums - und zusammen mit ihnen alle weiteren hier anwesenden Prälaten. Besonders willkommen heiße ich die gläubigen Laien, die aus verschiedenen Feldern des Apostolats und aus unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Bereichen kommen. Das für eure Versammlung gewählte Thema - »Zwanzig Jahre nach Christifideles laici: Erinnerung, Entwicklung, neue Herausforderungen und Aufgaben« - führt uns direkt in den Dienst ein, den euer Dikasterium seinem Auftrag entsprechend der Kirche zum Wohl der Laien auf der ganzen Welt anbietet.

Das Apostolische Schreiben Christifideles laici, das als »Magna Charta« des katholischen Laientums in unserer Zeit gilt, ist die reife Frucht der Überlegungen und des Austauschs von Erfahrungen und Vorschlägen bei der VII. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, die im Oktober 1987 zum Thema »Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt« stattfand. Es handelt sich um eine systematische Wiederaufnahme der Lehren des II. Vatikanischen Konzils, die die Laien betreffen - ihre Würde als Getaufte, ihre Berufung zur Heiligkeit, ihre Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft, ihre Teilhabe am Aufbau der christlichen Gemeinden und am Sendungsauftrag der Kirche, ihr Zeugnis in allen gesellschaftlichen Bereichen und ihren Einsatz im Dienst am Menschen für dessen ganzheitliches Wachstum und für das Gemeinwohl der Gesellschaft -, Themen, die vor allem in den Konstitutionen Lumen gentium und Gaudium et spes sowie auch in dem Dekret Apostolicam actuositatem behandelt werden.

Indem Christifideles laici die Lehren des Konzils aufnimmt, bietet es eine Neuorientierung für die Beurteilung, Vertiefung und Ausrichtung des Engagements der Laien in der Kirche angesichts der sozialen Veränderungen dieser Jahre. In vielen Ortskirchen hat sich dank der Pastoralräte auf Diözesan- und Pfarreiebene die Teilnahme der Laien gut entwickelt und erweist sich immer dann als sehr positiv, wenn sie von einem echten »sensus Ecclesiae« beseelt ist. Das lebendige Bewußtsein der charismatischen Dimension der Kirche hat dazu geführt, daß die unscheinbareren Charismen, mit denen Gottes Vorsehung die Menschen ausstattet, in gleicher Weise anerkannt und geschätzt werden wie jene Gaben, die große geistliche, erzieherische und missionarische Fruchtbarkeit erbringen. Nicht zufällig erkennt das Dokument »eine neue Zeit der Zusammenschlüsse von Laien« als Zeichen des »Reichtums und der Vielseitigkeit der Gaben, die der Geist in der Kirche lebendig erhält« (CL 29), unter Hinweis auf jene »Kriterien der Kirchlichkeit «, die einerseits für das Unterscheidungsvermögen der Hirten und andererseits für das Wachstum des Lebens der Zusammenschlüsse von Gläubigen, der kirchlichen Bewegungen und der neuen Gemeinschaften notwendig sind. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Päpstlichen Rat für die Laien ganz besonders für die Arbeit danken, die er während der letzten Jahrzehnte dadurch geleistet hat, daß er diese Gegebenheiten der kirchlichen Wirklichkeit angenommen, begleitet, beurteilt, anerkannt und ermutigt hat, indem er ihre katholische Identität förderte, ihnen half, sich vollkommener in die große Tradition und in das lebendige Gefüge der Kirche einzubringen, und ihre missionarische Entwicklung unterstützte.

199 Wenn vom katholischen Laientum die Rede ist, bezieht man sich damit auf unzählige getaufte Personen, die sich in vielfältigen und ganz verschiedenen Situationen engagieren, um als Jünger und Zeugen des Herrn zu wachsen und die Schönheit der Wahrheit und die Freude am Christsein wiederzuentdecken und zu erfahren. Die heutige kulturelle und soziale Lage macht dieses apostolische Wirken noch dringlicher, um den Schatz an Gnade und Heiligkeit, Nächstenliebe, Lehre, Kultur und Werken, aus denen sich der Strom der katholischen Tradition zusammensetzt, mit vollen Händen zu verteilen. Die neuen Generationen sind nicht nur die bevorzugten Adressaten dieser Weitergabe und dieses Miteinander- Teilens, sondern auch Subjekte, die in ihrem Herzen Angebote der Wahrheit und des Glücks erwarten, um davon ein christliches Zeugnis geben zu können, wie es bereits auf wunderbare Weise geschieht. Davon bin ich selber in Sydney beim letzten Weltjugendtag von neuem Zeuge geworden. Und daher ermuntere ich den Päpstlichen Rat für die Laien, das Werk dieser von der Vorsehung bestimmten weltweiten Pilgerschaft der Jugendlichen im Namen Christi fortzusetzen und sich überall für die Förderung einer echten Erziehung und Jugendpastoral zu engagieren.

Ich weiß auch um euren Einsatz für Probleme von besonderer Wichtigkeit, wie die Frage der Würde der Frauen und deren Beteiligung am Leben der Kirche und der Gesellschaft. Ich hatte bereits Gelegenheit, den Kongreß zu würdigen, der aus Anlaß des 20. Jahrestages der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens Mulieris dignitatem über das Thema »Frau und Mann - das humanum in seiner Ganzheit« von euch ausgerichtet wurde. Der Mann und die Frau sind in ihrer Würde gleich und dazu berufen, sich in Gemeinschaft und Zusammenarbeit gegenseitig zu bereichern, und das nicht nur in Ehe und Familie, sondern auch innerhalb der Gesellschaft in allen ihren Dimensionen. Den christlichen Frauen wird Bewußtheit und Mut abverlangt, um sich anspruchsvollen Aufgaben zu stellen; dafür fehlt ihnen allerdings nicht die Stütze einer ausgeprägten Neigung zur Heiligkeit, eines besonderen Scharfsinns bei der Unterscheidung der kulturellen Strömungen unserer Zeit und der besonderen Leidenschaft bei der Sorge um das Humanum, das sie kennzeichnet. Man wird nie genug darüber sagen können, wie sehr die Kirche die Teilnahme der Frauen an ihrer Mission des Dienstes an der Verbreitung des Evangeliums anerkennt, schätzt und würdigt.

Erlaubt mir, liebe Freunde, eine letzte Überlegung zu dem Weltcharakter, der für die Laien charakteristisch ist. Die Welt im Modell des Familien-, Arbeits- und gesellschaftlichen Lebens ist theologischer Ort, Umfeld und Mittel für die Verwirklichung ihrer Berufung und Sendung (vgl. Christifideles laici, 15-17). Jeder Bereich, jeder Umstand und jede Aktivität, wo man erwartet, daß in ihnen die Einheit zwischen Glaube und Leben erstrahlen könne, ist der Verantwortung der Laien anvertraut, die von dem Wunsch beflügelt sind, das Geschenk der Begegnung mit Christus und die Gewißheit der Würde der menschlichen Person zu vermitteln. Ihre Aufgabe ist es, sich um das Zeugnis der Nächstenliebe besonders gegenüber den Ärmsten, den Leidenden und Bedürftigen zu kümmern, aber auch jedes christliche Bemühen auf sich zu nehmen, das der Schaffung von immer gerechteren und friedlicheren Verhältnissen im menschlichen Zusammenleben gilt, um so für das Evangelium neue Grenzen zu öffnen! Ich bitte deshalb den Päpstlichen Rat für die Laien, sich mit gewissenhafter pastoraler Sorge um die Ausbildung, das Zeugnis und die Mitarbeit der Laien in den unterschiedlichsten Situationen zu kümmern, in denen die wahre menschliche Lebensqualität in der Gesellschaft auf dem Spiel steht. Dabei unterstreiche ich besonders die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Ausbildung gemäß dem Evangelium und der pastoralen Begleitung einer neuen Generation von Katholiken, die sich in der Politik engagieren: Sie sollen in Übereinstimmung mit ihrem Glauben handeln und sich durch hohe Sittlichkeit, kulturelle Urteilsfähigkeit, professionelle Kompetenz und Leidenschaft für den Dienst am Gemeinwohl auszeichnen.

Die Arbeit im großen Weinberg des Herrn braucht »christifideles laici« - christliche Laien -, die wie die allerseligste Jungfrau Maria das »fiat« zu Gottes Plan in ihrem Leben sprechen und leben sollen. In diesem Sinne danke ich euch daher für euren wertvollen Beitrag zu einem so edlen Anliegen und erteile euch und euren Lieben von Herzen den Apostolischen Segen.



AN DIE TEILNEHMER AM 23. INTERNATIONALEN KONGRESS DES PÄPSTLICHEN RATS FÜR DIE PASTORAL IM KRANKENDIENST

Samstag, 15. November 2008

Herr Kardinal,

verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
sehr geehrte Professoren,
liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, euch im Rahmen der Internationalen Konferenz zu begegnen, die jährlich vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst veranstaltet wird und nunmehr zum 23. Mal stattfindet. Sehr herzlich begrüße ich Kardinal Javier Lozano Barragán, den Präsidenten des Dikasteriums, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Mein Dank gilt auch dem Sekretär, den Mitarbeitern dieses Päpstlichen Rates, den Referenten, den akademischen Autoritäten, den Persönlichkeiten, den Verantwortlichen der Gesundheitseinrichtungen, den Mitarbeitern im Gesundheitswesen und jenen, die durch ihre Mitarbeit auf verschiedene Weise zur Verwirklichung der Konferenz beigetragen haben, die in diesem Jahr unter dem Thema steht: »Die Pastoral in der Kinderkrankenpflege«. Ich bin sicher, daß diese Tage der Reflexion und des Austauschs über ein so aktuelles Thema dazu beitragen werden, die öffentliche Meinung für die Pflicht zu sensibilisieren, den Kindern alle Aufmerksamkeit zu schenken, die für ihre harmonische körperliche und geistige Entwicklung notwendig ist. Das gilt für alle Kinder, besonders aber für jene, die krank sind und besonderer medizinischer Betreuung bedürfen.

Durch das Thema eurer Konferenz, die heute zu Ende geht, konntet ihr dank des Beitrags von Fachleuten von Weltruf und von Personen, die in direktem Kontakt mit notleidenden Kindern stehen, die schwierige Situation deutlich machen, in der sich eine immer noch sehr erhebliche Zahl von Kindern in großen Teilen der Erde befindet. Außerdem konntet ihr darlegen, welche Eingriffe notwendig, ja dringend notwendig sind, um ihnen zu Hilfe zu kommen. Die Medizin hat in den letzten 50 Jahren gewiß beachtliche Fortschritte gemacht: Dadurch ist die Kindersterblichkeit erheblich zurückgegangen, auch wenn in dieser Hinsicht noch viel zu tun bleibt. Wie ihr selbst gesagt habt, braucht man nur daran zu denken, daß jedes Jahr vier Millionen Neugeborene im Alter von weniger als 26 Tagen sterben.

200 In diesem Zusammenhang ist die Kinderkrankenpflege ein Thema, das bei allen, die sich der Pastoral im Krankendienst widmen, großes Interesse wecken muß. Eine genaue Untersuchung der aktuellen Lage ist unverzichtbar, um ein entschlossenes Handeln in die Wege zu leiten oder weiterzuführen, das darauf ausgerichtet ist, Krankheiten soweit wie möglich vorzubeugen und dort, wo diese bereits ausgebrochen sind, die kleinen Kranken durch die modernsten Errungenschaften der Medizin zu versorgen. Ebenso muß es darauf abzielen, bessere hygienische und gesundheitliche Bedingungen zu fördern, vor allem in den benachteiligten Ländern. Die Herausforderung liegt heute darin, den Ausbruch nicht weniger einst typischer Kinderkrankheiten zu verhindern und allgemein das Wachstum, die Entwicklung und einen guten Gesundheitszustand aller Kinder zu fördern.

An diesem Handeln auf breiter Ebene sind alle beteiligt: Familien, Ärzte sowie Mitarbeiter im Sozial- und Gesundheitswesen. Die medizinische Forschung steht manchmal vor schweren Entscheidungen, zum Beispiel wenn es darum geht, das richtige Gleichgewicht zwischen Weiterführung und Nichtanwendung einer Therapie zu finden, um die Behandlung zu gewährleisten, die den wirklichen Bedürfnissen der kleinen Patienten entspricht, ohne der Versuchung zum übertriebenen Experimentieren nachzugeben. Es ist nicht überflüssig, daran zu erinnern, daß im Mittelpunkt eines jeden medizinischen Eingriffs stets die Erlangung des wahren Wohls des Kindes stehen muß, und dieses muß in seiner Würde als vollberechtigtes menschliches Subjekt betrachtet werden. Für das Kind muß man daher stets liebevoll Sorge tragen, um ihm zu helfen, dem Leiden und der Krankheit zu begegnen, auch vor der Geburt, in dem Maße wie die Situation es verlangt.

Aufgrund der emotionalen Auswirkungen der Krankheit und der Behandlungen, denen das Kind unterzogen wird und die nicht selten als besonders invasiv wahrgenommen werden, ist es wichtig, ihm eine ständige Kommunikation mit den Angehörigen zu gewährleisten. Wenn schon die Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die Ärzte und das Pflegepersonal die schwere Last spüren, die das Leiden der kleinen Patienten, denen sie beistehen, bedeutet, dann kann man sich wohl vorstellen, wieviel stärker noch der Schmerz ist, den die Eltern erleiden! Der gesundheitliche und der menschliche Aspekt dürfen niemals voneinander getrennt werden, und jede Pflege- und Gesundheitseinrichtung, besonders wenn sie vom wahren christlichen Geist beseelt ist, hat die Pflicht, im Hinblick auf Fachkenntnisse und Menschlichkeit ihr Bestes zu geben. Der Kranke, und ganz besonders das Kind, versteht in erster Linie die Sprache der Zärtlichkeit und der Liebe, die durch einen fürsorglichen, geduldigen und großherzigen Dienst zum Ausdruck gebracht wird, der in den Gläubigen von dem Wunsch beseelt ist, dieselbe Liebe zu zeigen, die Jesus besonders für die Kleinen empfand.

»Maxima debetur puero reverentia« (Juvenal, Satire XIV, V. 479): Schon die Menschen der Antike erkannten, wie wichtig es ist, das Kind zu achten, ein Geschenk und kostbares Gut für die Gesellschaft, dem jene menschliche Würde zuerkannt werden muß, die es bereits dann in vollem Ausmaß besitzt, wenn es noch nicht geboren, sondern noch im Mutterleib ist. Jeder Mensch hat in sich selbst einen Wert, weil er als Gottes Ebenbild geschaffen ist, in dessen Augen er desto kostbarer ist, je schwächer er dem menschlichen Blick erscheint. Mit wieviel Liebe muß daher auch ein Kind angenommen werden, das noch nicht geboren und bereits von Erkrankungen betroffen ist! »Sinite parvulos venire ad me«, sagt Jesus im Evangelium (vgl.
Mc 10,14). So zeigt er uns, mit welcher Achtung und Annahme wir für jedes Kind Sorge tragen müssen, besonders dann, wenn es schwach und in Not ist, wenn es leidet und wehrlos ist. Ich denke besonders an die kleinen Waisen oder an jene, die aufgrund von Elend oder dem Auseinanderbrechen von Familien verlassen wurden; ich denke an die Kinder, die unschuldige Opfer von Aids oder des Krieges und der vielen bewaffneten Konflikte in verschiedenen Teilen der Welt sind; ich denke an die Kinder, die aufgrund von Elend, Dürre und Hunger sterben. Die Kirche vergißt diese Kinder, ihre kleinsten Söhne und Töchter, nicht, und wenn sie einerseits die Initiativen der reicheren Nationen zur Verbesserung ihrer Entwicklungslage gutheißt, so verspürt sie andererseits sehr stark die Pflicht, dazu aufzurufen, diesen unseren Brüdern und Schwestern größere Aufmerksamkeit zu schenken, damit sie dank unserer gemeinsamen Solidarität dem Leben mit Zuversicht und Hoffnung begegnen können.

Liebe Brüder und Schwestern, ich wünsche, daß die vielen Situationen des Ungleichgewichts, die noch gegeben sind, möglichst schnell durch ein entschiedenes Eingreifen zugunsten dieser kleinsten unserer Brüder und Schwestern beseitigt werden. Dabei bringe ich jenen meine aufrichtige Anerkennung zum Ausdruck, die persönliche Kräfte und materielle Mittel in ihren Dienst stellen. Mit besonderer Dankbarkeit denke ich an unser Krankenhaus »Bambin Gesù« und an die zahlreichen katholischen Sozial- und Gesundheitseinrichtungen, die - nach dem Vorbild Jesu, des guten Samariters, und beseelt von seiner Liebe - so vielen leidenden Kindern, die von Gott ganz besonders geliebt sind, menschliche, moralische und geistliche Unterstützung und Trost geben. Die allerseligste Jungfrau, Mutter eines jeden Menschen, wache über die kranken Kinder und schütze jene, die sich mit menschlicher Fürsorge und im Geist des Evangeliums aufopfernd um sie kümmern. Mit diesen Empfindungen und indem ich meine aufrichtige Anerkennung für die Arbeit der Sensibilisierung zum Ausdruck bringe, die diese internationale Konferenz geleistet hat, versichere ich ein ständiges Gebetsgedenken und erteile allen den Apostolischen Segen.


ANSPRACHE 2008 Januar 2008 196