ANSPRACHE 2008 Januar 2008 224

AN HERRN PIO BOSCO TIKOISUVA, NEUER BOTSCHAFTER DER REPUBLIK FIDSCHI-INSELN BEIM HL. STUHL

Donnerstag, 18. Dezember 2008

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Exzellenz!

Ich freue mich, Sie im Vatikan willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, durch das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Fidschi-Inseln akkreditiert werden. Für die guten Wünsche von seiten des Staatspräsidenten, Ratu Josefa Iloilo, und des Premierministers, Frank Bainimarama, möchte ich meinen Dank zum Ausdruck bringen. Bitte übermitteln Sie beiden meinen Gruß und versichern Sie sie meines ständigen Gebets für das ganze Volk der Fidschi- Inseln.

Der Heilige Stuhl ist stets ermutigt, wenn er Zeichen des Fortschritts auf größeren Frieden und auf Stabilität hin sieht, in der Hoffnung daß die Schritte, die unternommen wurden, um eine demokratisch gewählte Regierungsform auf den Fidschi-Inseln wiederherzustellen, mit Hilfe der Gaben und Kräfte aller Einwohner Frucht tragen werden.

In der Tat ist einer der wichtigsten Grundsätze des christlichen Verständnisses gesellschaftlicher und politischer Organisation die Tugend der Solidarität, durch die die verschiedenen Elemente der Gesellschaft zusammenwirken, um zum Gemeinwohl aller zu gelangen. So wird das hervorgebracht, was mein Vorgänger Papst Paul VI. so schön als »Zivilisation der Liebe« beschrieben hat (Predigt zum Abschluß des Heiligen Jahres 1975). Aus diesem Grund schätzt die Kirche das demokratische System, da es all den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft eine Stimme verleiht und zur gemeinsamen Verantwortung ermutigt.

Eines jedoch ist immer der Fall: »Das Gutsein der Welt kann nie einfach durch Strukturen allein gewährleistet werden, wie gut sie auch sein mögen« (Spe salvi ). Die Demokratie allein ist nicht genug, wenn sie nicht durch Werte geführt und erleuchtet wird, die in der Wahrheit über die menschliche Person verwurzelt sind (vgl. Centesimus annus
CA 46).

Hier können die diplomatischen Beziehungen des Heiligen Stuhls zu den Staaten einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Während die Regierungen für die politische Staatsordnung Verantwortung tragen, verkündet die Kirche ohne Unterlaß ihre Sicht von der Würde und den Rechten der menschlichen Person, die von Gott gegeben sind. Auf dieser Grundlage hält sie die politisch Verantwortlichen dazu an sicherzustellen, daß das ganze Volk ihres Landes in Frieden und Freiheit leben kann, ohne Furcht vor Diskriminierung oder Ungerechtigkeit irgendeiner Art. Sie hält die zivilen Obrigkeiten an, das grundlegendste aller Rechte zu gewährleisten: das Recht auf Leben vom Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod.

Daraus folgt das Recht, in einer geeinten Familie und in einem sittlichen Milieu zu leben, das dem persönlichen Wachstum zuträglich ist, das Recht, durch Bildung die Wahrheit zu suchen und zu erkennen, das Recht zu arbeiten und die Früchte der eigenen Arbeit zu genießen, das Recht, eine Familie zu gründen und Kinder in verantwortlicher Weise aufzuziehen. Die Synthese all dieser Rechte findet sich in der Religionsfreiheit, verstanden als »Recht, in der Wahrheit des eigenen Glaubens und in Übereinstimmung mit der transzendenten Würde der eigenen Person zu leben« (Centesimus annus CA 47).

Die katholische Gemeinschaft der Fidschi- Inseln ist eifrig darauf bedacht, bei der Förderung der Achtung der menschlichen Person ihre Rolle zu spielen, besonders durch das Engagement im Bereich der Erziehung und Bildung und der karitativen Tätigkeit. Die angemessene Ausbildung der jungen Menschen und der Dienst an den Notleidenden gehört wesentlich zur Sendung der Kirche in der Welt; beide sind entscheidende Elemente ihres Beitrags zum Gemeinwohl der Gesellschaft. Dank der Anwesenheit von Christen verschiedener Traditionen sowie von Anhängern anderer Religionen bieten die Fidschi- Inseln einen fruchtbaren Boden für die Entwicklung ökumenischer Initiativen und für den interreligiösen Dialog. Die katholische Kirche freut sich, ihr Wissen und ihre Erfahrung in diesen Bereichen beizutragen und mit allen Männern und Frauen guten Willens zusammenzuarbeiten, um auf diese Weise für die Werte ein gemeinsames Zeugnis abzulegen, die einer »Zivilisation der Liebe« zugrunde liegen müssen. Diejenigen, die Gott verehren, müssen sich besonders für die Anliegen der Armen, der Geringen und der Wehrlosen einsetzen, denn diese werden seit jeher als Gott besonders nahestehend erkannt.

Herr Botschafter, wie Sie wissen, steht der Pazifikraum zur Zeit vielen Herausforderungen gegenüber: nicht zuletzt den Auswirkungen des Klimawandels, besonders auf die Inselbewohner, und der Notwendigkeit, die natürlichen Ressourcen zu bewahren. Die Schönheit von Gottes Schöpfung ist für jene, die im Südpazifik leben, besonders deutlich. Ich hoffe aufrichtig, daß durch regionale und globale Zusammenarbeit »ein annehmbares Entwicklungsmodell gemeinsam vereinbart werden « kann, »das unter Beachtung des ökologischen Gleichgewichts das Wohlergehen aller gewährleistet« (Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 2008, 7). Auf diese Weise werden auch zukünftige Generationen der Bewohner der Pazifikinseln noch die Wunder von Gottes Schöpfergeist genießen und in wahrem Frieden und Eintracht mit der Natur leben können.

Exzellenz,

ich entbiete Ihnen meine besten Wünsche für den Erfolg Ihrer Mission und möchte Ihnen versichern, daß die verschiedenen Abteilungen der Römischen Kurie bereit sind, Hilfe und Unterstützung bei der Erfüllung Ihrer Pflichten anzubieten. Auf Sie, Exzellenz, Ihre Familie und das ganze Volk der Republik der Fidschi- Inseln rufe ich von Herzen Gottes reichen Segen herab.

AN ELF NEUE BOTSCHAFTER BEIM HL. STUHL ANLÄSSLICH DER GEMEINSAMEN ÜBERGABE DER BEGLAUBIGUNGSSCHREIBEN

Donnerstag, 18. Dezember 2008

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Exzellenzen!

Mit Freude empfange ich Sie heute vormittag zur Überreichung Ihrer Beglaubigungsschreiben, durch die Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter Ihrer jeweiligen Länder beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden: Malawi, Schweden, Sierra Leone, Island, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Madagaskar, Belize, Tunesien, die Republik Kasachstan, das Königreich Bahrain und die Republik Fidschi-Inseln. Ich danke Ihnen für die freundlichen Worte, die Sie von seiten Ihrer Staatsoberhäupter an mich gerichtet haben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie im Gegenzug meine herzlichen Grüße und ehrerbietigen Wünsche für sie persönlich und für ihre hohe Mission im Dienst an ihrem Land und ihrem Volk übermitteln würden. Durch Sie möchte ich auch alle zivilen und religiösen Autoritäten Ihrer Länder sowie alle Ihre Landsleute grüßen.

Meine Gebete und Gedanken gehen insbesondere zu den katholischen Gemeinschaften in Ihren Ländern, wo sie sich bemühen, das Evangelium zu leben und im Geist der brüderlichen Zusammenarbeit davon Zeugnis zu geben.

Die Verschiedenheit Ihrer Herkunftsländer gibt mir Gelegenheit, Gott zu danken für seine schöpferische Liebe und die Vielfalt seiner Gaben, die nicht aufhören, den Menschen in Staunen zu versetzen. Sie enthält eine Lehre. Manchmal macht die Verschiedenheit Angst. Deshalb ist es nicht verwunderlich festzustellen, daß der Mensch oft die monotone Einförmigkeit vorzieht. Politisch-ökonomische Systeme, die aus heidnischen oder religiösen Vorbildern stammten oder sich auf sie beriefen, haben die Menschheit schon zu lange gequält und versucht, ihr mit Demagogie und Gewalt Uniformität zu verleihen. Sie haben den Menschen zu einer unwürdigen Sklaverei im Dienst einer Einheitsideologie oder einer unmenschlichen und pseudo-wissenschaftlichen Ökonomie gezwungen und tun dies leider auch noch heute. Wir wissen alle, daß es nicht nur ein einziges politisches Modell gibt, das ein absolut umzusetzendes Ideal wäre. Wir wissen, daß sich die politische Philosophie im Verlauf der Zeit und auch in ihrer Ausdrucksweise mit der Verfeinerung der menschlichen Intelligenz und den aus der politischen und ökonomischen Erfahrung gezogenen Lehren weiterentwickelt. Jedes Volk hat seinen eigenen Geist und auch »seine eigenen Dämonen«. Jedes Volk schreitet voran durch eine ihm eigene, manchmal schmerzliche Geburt auf eine Zukunft hin, die seinem Wunsch nach lichtvoll sein soll. Mein Wunsch ist, daß jedes Volk sein Wesen kultiviert, das es für das Wohl aller immer besser bereichern wird, und daß es sich von seinen »Dämonen« reinigt, die es auch immer besser beherrschen wird, bis es sie ausgerottet hat, indem es sie in positive und Harmonie, Wohlstand und Frieden schaffende Werte verwandelt, um die Größe der menschlichen Würde zu verteidigen!

Beim Nachdenken über die schöne Mission des Botschafters ist mir spontan einer der wesentlichen Aspekte seiner Aktivität in den Sinn gekommen: die Suche und die Förderung des Friedens, auf den ich eben hingewiesen habe. Hier ist der passende Augenblick, um die entsprechende Seligpreisung zu zitieren, die Christus in der Bergpredigt verkündet hat: »Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden« (
Mt 5,9).

Der Botschafter kann und muß ein Friedensstifter sein. Der Friedensstifter, um den es hier geht, ist nicht nur eine Person, die ein ruhiges und versöhnliches Temperament hat, in gutem Einverständnis mit allen leben und wenn möglich Konflikte vermeiden will, sondern er ist auch derjenige, der sich vollkommen in den Dienst des Friedens stellt und sich aktiv einsetzt für dessen Schaffung, manchmal bis zur Hingabe seines Lebens. An historischen Beispielen fehlt es nicht. Der Friede umfaßt nicht nur einen konfliktlosen politischen oder militärischen Zustand; er weist allgemein auf die Gesamtheit der Bedingungen hin, die die Eintracht aller und die persönliche Entfaltung jedes einzelnen erlauben. Der Friede ist von Gott gewollt, der ihn dem Menschen anbietet und schenkt. Dieses göttliche Eingreifen in die Menschheit trägt den Namen »Bund des Friedens« (Is 54,10). Wenn Christus den Friedensstifter »Sohn Gottes« nennt, bringt er damit zum Ausdruck, daß dieser bewußt oder unbewußt am Werk Gottes teilhat, dafür tätig ist und durch seine Mission die notwendigen Bedingungen für die Annahme des Friedens schafft, der vom Himmel kommt. Bei Ihrer Mission, Exzellenzen, handelt es sich um eine hohe und edle Aufgabe. Sie verlangt all ihre Energie, die Sie einsetzen werden, um dieses hohe Ideal zu erreichen, das Ihnen selbst, Ihren jeweiligen Regierungen und Ländern Ehre machen wird.

Sie wissen ebenso gut wie ich, daß der wahre Friede nur möglich ist, wo Gerechtigkeit herrscht. Unsere Welt dürstet nach Frieden und Gerechtigkeit. Der Heilige Stuhl hat im Vorfeld der Doha-Konferenz, die vor einigen Tagen zu Ende gegangen ist, eine Note zur aktuellen Finanzkrise und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Einzelpersonen veröffentlicht. Es handelt sich um einige Punkte der Reflexion, die dazu dienen sollen, den Dialog über mehrere ethische Aspekte zu fördern. Diese ethischen Aspekte sollten die Beziehungen zwischen Finanzwesen und Entwicklung lenken sowie die Regierungen und Wirtschaftsträger ermutigen, zum Wohl aller - und insbesondere derer, die den dramatischen Folgen der Krise am meisten ausgesetzt sind - dauerhafte und solidarische Lösungen zu suchen. Die Gerechtigkeit, um zu ihr zurückzukehren, hat nicht nur soziale oder selbst ethische Tragweite. Sie verweist nicht nur auf das, was angemessen ist oder dem Recht entspricht. Die hebräische Etymologie des Wortes »Gerechtigkeit« bezieht sich auf das, was in Ordnung gebracht, berichtigt worden ist. Die Gerechtigkeit Gottes offenbart sich also durch seine »Richtigkeit«. Er stellt alles wieder her, bringt es in Ordnung, damit die Welt dem Plan Gottes und seiner Ordnung entsprechen kann (vgl. Is 11,3-5). Die edle Aufgabe des Botschafters besteht darin, seine Fähigkeiten aufzubieten, damit alles »recht wird«, damit die Nation, der er dient, nicht nur mit den anderen im Frieden lebt, sondern auch der Gerechtigkeit entsprechend, die Ausdruck findet in der Gleichberechtigung und Solidarität in den internationalen Beziehungen, und damit seine Mitbürger sich des sozialen Friedens erfreuen, frei und in Ruhe ihre Glaubensüberzeugungen leben und so »recht werden« können vor Gott.

Sie haben, sehr geehrte Botschafterinnen und Botschafter, soeben Ihre Mission beim Heiligen Stuhl begonnen. Ich bringe Ihnen erneut von Herzen meine besten Wünsche für das gute Gelingen ihrer schwierigen Aufgabe zum Ausdruck, die sie zu erfüllen berufen sind. Ich bitte den Allmächtigen, Ihnen beizustehen und Sie zu begleiten, Sie selbst, Ihre Familien, Ihre Mitarbeiter und all Ihre Landsleute, um zum Aufbau einer friedlicheren und gerechteren Welt beizutragen. Gott schenke Ihnen die Fülle seines Segens!


AN DIE MITARBEITER DES VATIKANISCHEN FERNSEHZENTRUMS

Donnerstag, 18. Dezember 2008

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Liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, euch, die Angestellten, Mitarbeiter und Räte des Vatikanischen Fernsehzentrums (CTV) in Begleitung eurer Familien zu treffen, um des 25. Jahrestages der Gründung eures Zentrums zu gedenken. Ich begrüße vor allem Kardinal John P. Foley und den Generaldirektor, P. Federico Lombardi, dem ich für seine Worte danke, die er an mich gerichtet hat, um die Sachlage des Zentrums darzustellen. Ich möchte auch des verstorbenen Dr. Emilio Rossi gedenken, der einige Jahre Präsident des Zentrums sowie anschließend Präsident seines Verwaltungsrats war und als solcher Zeugnis eines großherzigen und kompetenten Dienstes für Kirche und Gesellschaft gegeben hat. Das Zentrum wurde 1983 auf Wunsch meines Vorgängers Johannes Paul II. eingerichtet, in dem Bewußtsein, daß sich der Heilige Stuhl neben den Kommunikationsmitteln, über die er bereits verfügte, nun auch mit einer eigenen Fernseheinrichtung ausstatten müßte, damit sich der Dienst des Papstes für die Weltkirche und für die Menschheit auch dieses Mittels bedienen könne, dessen Wirksamkeit sich immer deutlicher herausstellte.

»Videre Petrum«, den Papst sehen, war der Wunsch, der unzählige Pilger nach Rom geführt hat. Dieser Wunsch kann heute, wenigstens teilweise, auch dank des Radios und des Fernsehens erfüllt werden, die es vielen Personen ermöglicht haben - zunächst nur durch die Stimme und nun auch durch die Bilder -, an den Feiern und Ereignissen teilzunehmen, die im Vatikan oder an den anderen Orten stattfinden, an die sich der Papst zur Ausübung seines Amtes begibt. Euer Dienst ist daher vor allem für die Gemeinschaft der Kirche wertvoll. Euer Zentrum hat sich von Anfang an durch die Zusammenarbeit mit den katholischen Fernsehsendern ausgezeichnet. In Italien senden »Telepace« und »SAT2000« fast alle eure Aufnahmen, und es ist sehr ermutigend zu wissen, daß nicht wenige katholische Fernsehsender in verschiedenen Gegenden der Welt mit euch in Verbindung stehen. Auf diese Weise kann eine immer größere Zahl von Gläubigen direkt oder als Aufzeichnung verfolgen, was im Zentrum der Kirche geschieht.

Doch das Fernsehen erreicht nicht nur die gläubigen Katholiken. Dadurch, daß ihr den größten internationalen Fernsehagenturen sowie den großen nationalen und kommerziellen Sendern die Bilder zur Verfügung stellt, ermöglicht ihr es, rechtzeitig und auf angemessene Weise über das Leben und die Lehre der Kirche in der heutigen Welt zu informieren, im Dienst der Würde der menschlichen Person, der Gerechtigkeit, des Dialogs und des Friedens. Die Beziehungen guter Zusammenarbeit, die ihr euch - besonders anläßlich der internationalen Reisen des Papstes - in der weiten Welt der Fernsehkommunikation aufzubauen bemüht habt, haben euren Aufgabenbereich bis - so könnte man sagen - ans Ende der Welt ausgedehnt, um die menschlichen und geistigen Erwartungen zahlreicher unserer Zeitgenossen zu erfüllen.

Bei eurem Dienst seid ihr sehr häufig dazu aufgerufen, die Bilder bedeutender und großartiger liturgischer Feiern aufzunehmen und zu verbreiten, die im Zentrum der Christenheit stattfinden. Die Liturgie ist wirklich der Höhepunkt des kirchlichen Lebens, Zeit und Ort der tiefen Beziehung zu Gott. Das liturgische Geschehen durch das aufmerksame Auge der Fernsehkamera zu verfolgen, um auch denen, die nicht physisch anwesend sein können, eine wirkliche geistige Teilnahme zu ermöglichen, ist eine hohe und anspruchsvolle Aufgabe, die auch von euch eine ernsthafte Vorbereitung und einen wahren geistigen Einklang mit dem erfordert, dessen Vermittler ihr in gewisser Weise seid. Die gute Zusammenarbeit mit dem Amt für die liturgischen Feiern des Papstes, die ihr seit langem pflegt, wird euch dabei helfen, immer mehr in diesem wertvollen geistigen Dienst für die Fernsehzuschauer in aller Welt zu wachsen.

Die Bilder, die ihr im Laufe der Jahre aufgenommen habt und nun sorgsam bewahrt, machen euer Archiv zu einer wertvollen Quelle, nicht nur für die Produktion aktueller und künftiger Fernsehprogramme, sondern, so können wir wohl sagen, für die Geschichte des Heiligen Stuhls und der Kirche. Die Aufbewahrung der Stimmen und Bilder auf richtige Weise, ist ein technisch schwieriges und wirtschaftlich kostspieliges Verfahren, doch dies zählt zu euren institutionellen Aufgaben, die vertrauensvoll anzugehen ich euch ermutige. Damit die Kirche weiterhin mit ihrer Botschaft »im großen Areopag « der sozialen Kommunikation - wie Johannes Paul II. es nannte - präsent und nicht den Bereichen fremd ist, wo zahlreiche junge Menschen auf der Suche nach Antworten und dem Sinn für ihr Leben unterwegs sind, müßt ihr Wege finden, um auf neue Weise Stimmen und Bilder der Hoffnung über das Kommunikationsnetz zu verbreiten, das unseren Planeten immer engmaschiger umschließt.

Im übrigen seid ihr bei der Erfüllung eures Auftrags nicht allein. Heute spricht man zu Recht von der »Konvergenz« zwischen den verschiedenen Medien. Die Grenzen zwischen den einzelnen Medien verschwimmen und die Synergie wird größer. Auch die sozialen Kommunikationsmittel im Dienst des Heiligen Stuhles erfahren natürlich diese Entwicklung und müssen sich bewußt und aktiv in diesen Prozeß einfügen. Die Zusammenarbeit zwischen eurem Zentrum und Radio Vatikan ist schon immer sehr eng gewesen und noch weiter gewachsen, weil in den Sendungen Bild und Ton nicht getrennt werden können. Doch heute erfordert das Internet eine immer stärkere Integration der Kommunikation in Schrift, Ton und Bild und fordert daher dazu heraus, die Formen der Zusammenarbeit zwischen den Medien im Dienste des Heiligen Stuhles zu erweitern und zu verstärken. Dazu wird im besonderen auch das positive Verhältnis zum Päpstlichen Rat der Sozialen Kommunikationsmittel beitragen: ich ermutige euch, gemeinsame Initiativen zu entwickeln und fruchtbar zusammenzuarbeiten.

Mut also! Laßt euch nicht durch die Bescheidenheit eurer Einrichtung im Vergleich zur Größe der Aufgaben erschrecken. Viele Menschen können sich dank eurer Arbeit dem Herzen der Kirche näher fühlen. Seid euch auch der Dankbarkeit des Papstes bewußt, der weiß, daß ihr euch großzügig einer Arbeit widmet, die zur Weite und Wirksamkeit seines täglichen Dienstes beiträgt. Der Herr, der kommt, und dessen Heil ihr durch eure Bilder verkünden wollt, begleite euch. Mit dieser Hoffnung sowie mit einem besonderen Wunsch für ein frohes Weihnachtsfest, den ich auch an alle eure Lieben richte, segne ich euch von Herzen.



AN DAS PÄPSTLICHE INSTITUT FÜR CHRISTLICHE ARCHÄOLOGIE

Samstag, 20. Dezember 2008


Herr Kardinal,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude empfange und begrüße ich jeden von euch, die ihr dem Päpstlichen Institut für Christliche Archäologie angehört. Zunächst begrüße ich den Großkanzler, Kardinal Zenon Grocholewski, und danke ihm für die Worte, mit denen er die gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Ich begrüße den Rektor, den Lehrkörper, die Mitarbeiter und Studenten. Die heutige willkommene Begegnung gibt mir Gelegenheit, meiner großen Wertschätzung für die wertvolle und fruchtbare kulturelle, literarische und akademische Tätigkeit eures Instituts im Dienst der Kirche und der Kultur insgesamt Ausdruck zu verleihen.

Denn ich weiß, daß in den traditionellen Bereichen der Archäologie die Seminare des Grundstudiums und der Spezialisierung eures Päpstlichen Instituts für Christliche Archäologie von beachtenswerter wissenschaftlicher Relevanz sind. Durch sie sollen die frühchristlichen Monumente bekannt gemacht werden, vor allem diejenigen Roms, aber mit weitreichenden Bezügen zu anderen Gebieten des »Orbis christianus antiquus«. Auch mit der »Zeitschrift« und der wissenschaftlichen Arbeit der Dozenten und ehemaligen Studenten sowie durch die Veranstaltung von internationalen Kongressen möchtet ihr den Erwartungen derer entgegenkommen, denen die Kenntnis und das Studium der reichen historischen Zeugnisse der christlichen Gemeinschaft am Herzen liegt. Das Hauptziel eures Instituts ist gerade das Studium der Zeugnisse des kirchlichen Lebens im Lauf der Jahrhunderte. Dem, der dieses Studienfach wählt, gebt ihr die Möglichkeit, in eine komplexe Realität vorzudringen - die Kirche der ersten Jahrhunderte -, um die Vergangenheit zu »verstehen«, indem ihr sie den Menschen von heute gegenwärtig macht. »Verstehen« bedeutet für euch, euch gleichsam in die Vergangenheit zu versetzen, die aus den verschiedenen Bereichen der christlichen Archäologie hervortritt: Ikonographie, Architektur, Epigraphik, Topographie. Wenn es darum geht, die Geschichte der Kirche zu beschreiben, die »Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit« ist (LG 1), kann die sorgfältige Forschung des Archäologen nicht davon absehen, auch die übernatürliche Wirklichkeit zu ergründen, ohne jedoch auf eine genaue Analyse der archäologischen Fundstücke zu verzichten.

Denn, wie ihr wohl wißt, ist es nicht möglich, eine vollständige Sicht von der Wirklichkeit einer christlichen Gemeinschaft zu haben, ob sie nun antik oder neueren Datums ist, wenn man nicht berücksichtigt, daß die Kirche aus einem menschlichen und einem göttlichen Element besteht. Christus, ihr Herr, wohnt in ihr, und er hat sie als »Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfaßt…; so gießt er durch sie Wahrheit und Gnade auf alle aus« (LG 8). In diesem theologischen Vorverständnis kann das Grundkriterium nur sein, sich von der in ihren authentischen Quellen gesuchten Wahrheit ergreifen zu lassen, mit einem Geist, der frei ist von Parteilichkeiten und Vorurteilen, da die christliche Archäologie eine historische Wissenschaft ist und als solche auf dem methodischen Quellenstudium beruht.

228 Die Verbreitung der künstlerischen und historischen Kultur in allen Bereichen der Gesellschaft bietet den Menschen unserer Zeit die Mittel, um die eigenen Wurzeln wiederzuentdecken und dort die kulturellen und geistlichen Elemente zu schöpfen, die ihnen helfen, eine Gesellschaft nach wirklich menschlichem Maßstab zu schaffen. Jeder Mensch, jede Gesellschaft braucht eine Kultur, die für die anthropologische, moralische und spirituelle Dimension des Lebens offen ist. Deshalb wünsche ich von Herzen, daß auch dank der Arbeit eures verdienstvollen Instituts die Erforschung der christlichen Wurzeln unserer Gesellschaft weitergeht, ja sich intensiviert. Die Erfahrung eures Instituts beweist, daß das Studium der Archäologie, insbesondere der frühchristlichen Monumente, erlaubt, die Kenntnis der uns überlieferten Wahrheit des Evangeliums zu vertiefen, sowie die Möglichkeit bietet, den Lehrern und Zeugen des Glaubens zu folgen, die uns vorangegangen sind. Das Erbe vergangener christlicher Generationen zu kennen erlaubt den nachfolgenden Generationen, dem »depositum fidei« der ersten christlichen Gemeinschaft treu zu bleiben und, indem sie auf demselben Weg weitergehen, zu jeder Zeit und an jedem Ort das unwandelbare Evangelium Christi zu verkünden. Und deshalb bemüht sich euer Institut zu Recht neben den auf wissenschaftlichem Gebiet erreichten wichtigen Resultaten auch um einen fruchtbaren Beitrag zur Kenntnis und Vertiefung des christlichen Glaubens. Sich den »Spuren des Volkes Gottes« zu nähern ermöglicht, auf konkrete Art und Weise festzustellen, wie die gleichen und unveränderlichen Glaubensinhalte im Lauf der Jahrhunderte unter veränderten historischen, sozialen und kulturellen Bedingungen angenommen und in christliches Leben umgesetzt wurden.

Liebe Brüder und Schwestern, fördert weiterhin die Bewahrung und tiefere Kenntnis des äußerst reichen archäologischen Erbes Roms und der verschiedenen Regionen der antiken Welt im Bewußtsein der eurem Institut eigenen Sendung, die darin besteht, der Geschichte und der Kunst zu dienen, indem ihr die zahlreichen Zeugnisse der westlichen Zivilisation, der Kultur und der katholischen Spiritualität zur Geltung bringt, die die Ewige Stadt bewahrt. Es handelt sich um ein wertvolles Erbe, das sich im Lauf der vergangenen zwei Jahrtausende gebildet hat, ein kostbarer Schatz, dessen Verwalter ihr seid und aus dem man, so wie es der Schriftgelehrte im Evangelium tut, unablässig Neues und Altes hervorholen muß (vgl.
Mt 13,52). Mit diesen Anliegen verbinde ich meine herzlichen Wünsche zum nun unmittelbar bevorstehenden Weihnachtsfest für euch und alle, die euch nahestehen. Ich segne euch alle von Herzen.

ANSPRACHE AN DAS KARDINALSKOLLEGIUM UND DIE MITGLIEDER DER RÖMISCHEN KURIE BEIM WEIHNACHTSEMPFANG

22. Dezember 2008



Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Das Fest der Geburt des Herrn steht vor der Tür. Jede Familie empfindet das Verlangen, sich zu versammeln, um die einzigartige und unwiederholbare Atmosphäre zu genießen, die dieses Fest herbeiführen kann. Auch die Familie der Römischen Kurie findet sich heute Morgen zusammen, entsprechend einem schönen Brauch, der uns die Freude schenkt, in diesem besonderen geistigen Klima einander zu begegnen und die Glückwünsche auszutauschen. An jeden einzelnen richte ich meinen herzlichen Gruß, voller Dankbarkeit für die geschätzte Mitarbeit am Dienst des Nachfolgers Petri. Herzlich danke ich dem Kardinaldekan Angelo Sodano, der mit der Stimme eines Engels im Namen aller Anwesenden wie auch all derer gesprochen hat, die in den verschiedenen Büros, einschließlich der Päpstlichen Vertretungen, tätig sind. Ich erwähnte zu Beginn die weihnachtliche Atmosphäre. Diese stelle ich mir gerne als eine Art Verlängerung jener geheimnisvollen Freude, jenes inneren Jubels vor, der die heilige Familie, die Engel und die Hirten von Bethlehem in der Nacht erfaßte, da Jesus geboren wurde. Ich würde sie als „Atmosphäre der Gnade“ bezeichnen und denke dabei an die Worte des heiligen Paulus im Brief an Titus: „Apparuit gratia Dei Salvatoris nostri omnibus hominibus“ (vgl. 2, 11). Der Apostel betont, daß die Gnade Gottes für „alle Menschen“ erschienen ist: Ich würde sagen, daß darin auch die Sendung der Kirche und speziell die des Nachfolgers Petri sowie seiner Mitarbeiter aufscheint, dazu beizutragen, daß die Gnade Gottes, des Erlösers, immer mehr allen sichtbar werde und allen das Heil bringe.

Das zu Ende gehende Jahr war reich an Rückblicken auf prägende Daten der jüngeren Geschichte der Kirche, aber auch reich an Ereignissen, die Markierungen für unseren weiteren Weg in die Zukunft bedeuten. Vor 50 Jahren ist Papst Pius XII. gestorben, vor 50 Jahren wurde Johannes XXIII. zum Papst gewählt. 40 Jahre sind seit der Veröffentlichung der Enzyklika „Humanae vitae“ vergangen und 30 Jahre seit dem Tod ihres Verfassers, Papst Paul VI. Die Botschaft dieser Ereignisse wurde im vergangenen Jahr auf vielfache Weise bedacht, so daß ich sie in dieser Stunde nicht neu kommentieren möchte. Der Blick des Erinnerns reichte aber über die Ereignisse des vergangenen Jahrhunderts noch weiter zurück und wies uns gerade so vorwärts: Am Abend des 28. Juni konnten wir in St. Paul vor den Mauern in Anwesenheit des ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. von Konstantinopel und Vertretern vieler anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften das Jahr des heiligen Paulus eröffnen im Gedenken an die Geburt des Völkerapostels vor 2.000 Jahren. Paulus ist für uns keine Gestalt der Vergangenheit. Durch seine Briefe spricht er zu uns. Und wer ins Gespräch mit ihm kommt, wird von ihm weitergeführt zum gekreuzigten und auferstandenen Christus hin. Das Paulus-Jahr ist ein Pilgerjahr nicht nur im äußeren Unterwegssein zu Erinnerungsorten des Apostels, sondern auch und vor allem als Pilgerschaft des Herzens mit Paulus zu Jesus Christus. Schließlich lehrt uns Paulus aber auch, daß die Kirche Christi Leib ist, daß Haupt und Leib untrennbar sind und daß es keine Liebe zu Christus ohne Liebe zu seiner Kirche und ihrer lebendigen Gemeinschaft geben kann.

Drei einzelne Ereignisse des vergangenen Jahres fallen bei der Rückschau besonders ins Auge. Da war zunächst der Weltjugendtag in Australien, ein großes Fest des Glaubens, das mehr als 200.000 Jugendliche aus allen Teilen der Welt nicht nur äußerlich - geographisch -, sondern inwendig in der Gemeinsamkeit der Freude des Christseins zueinandergeführt hat. Daneben stehen die beiden Reisen in die Vereinigten Staaten und nach Frankreich, in denen Kirche vor der Welt und für die Welt sichtbar wurde als geistige Kraft, die Wege des Lebens zeigt und durch das Zeugnis des Glaubens Licht in die Welt trägt. Denn dies waren Tage gewesen, aus denen Helligkeit kam; Zuversicht, daß es gut ist zu leben, recht das Gute zu tun. Und da ist schließlich der Bischofssynode zu gedenken: Bischöfe aus aller Welt waren versammelt um das Wort Gottes herum, das in ihrer Mitte aufgerichtet war; um das Wort Gottes, dessen große Bezeugung in der Heiligen Schrift zu finden ist. Was uns im Alltag zu selbstverständlich geworden ist, haben wir neu in seiner Größe erfaßt: daß Gott redet. Daß er antwortet auf unser Fragen. Daß er in Menschenworten doch als er selber spricht und wir ihm zuhören, durch das Zuhören ihn kennen und verstehen lernen können; daß er in unser Leben hereintritt und es formt; daß wir aus unserem eigenen Leben heraustreten können in die Weite seines Erbarmens hinein. So wurde uns von neuem klar, daß Gott in diesem seinem Wort zu jedem einzelnen von uns redet, jedem in sein Herz hinein: Wenn unser Herz wach wird und sich das innere Gehör öffnet, dann kann jeder das gerade ihm eigens zugedachte Wort hören lernen. Aber gerade wenn wir Gott so persönlich, mit jedem einzelnen von uns reden hören, erkennen wir auch, daß sein Wort da ist, damit wir zueinander kommen. Damit wir aus dem bloß Eigenen herausfinden. Dieses Wort hat gemeinsame Geschichte geformt und will es weiter tun. So ist uns von neuem klar geworden, daß wir das Wort - gerade weil es so persönlich ist - nur im Wir der von Gott gestifteten Gemeinschaft recht und ganz verstehen können: immer wissend, daß wir es niemals vollends ausschöpfen, daß es jeder Generation Neues zu sagen hat. Wir haben verstanden, daß die biblischen Schriften gewiß zu ganz bestimmten Zeiten entstanden und so in diesem Sinn zunächst ein Buch aus vergangener Zeit sind. Aber wir haben gesehen, daß ihr Wort nicht in der Vergangenheit bleibt und darin eingeschlossen werden kann; daß Gott letztlich immer im Präsens spricht und daß wir der Bibel erst dann ganz zugehört haben, wenn wir das Präsens Gottes entdecken, das uns jetzt ruft.

Schließlich war es bedeutend zu erleben, daß in der Kirche auch heute Pfingsten ist - das heißt, daß sie in vielen Sprachen redet und dies nicht nur in dem äußeren Sinne, daß alle großen Sprachen der Welt in ihr vertreten sind, sondern mehr noch in dem tieferen Sinn, daß die vielfältigen Weisen des Erfahrens von Gott und Welt, der Reichtum der Kulturen in ihr gegenwärtig ist und so erst die Weite des Menschseins und von ihr her die Weite von Gottes Wort erscheint. Freilich haben wir auch gelernt, daß Pfingsten noch immer unterwegs, noch immer unerfüllt ist: Noch immer gibt es eine Vielzahl von Sprachen, die noch auf das Wort Gottes in der Bibel warten. Bewegend waren auch die vielfältigen Zeugnisse von Laien aus aller Welt, die das Wort Gottes nicht nur leben, sondern auch dafür leiden. Kostbar war es, daß ein Rabbi über die Heiligen Schriften Israels sprach, die ja auch unsere Heiligen Schriften sind. Ein großer Augenblick war es für die Synode, ja, für den Weg der Kirche insgesamt, daß Patriarch Bartholomäus uns von der orthodoxen Überlieferung her auf eindringliche Weise zum Wort Gottes hinführte. Nun hoffen wir, daß die Erfahrungen und die Erkenntnisse der Synode ins Leben der Kirche hineinwirken: in den persönlichen Umgang mit den Heiligen Schriften, in ihre Auslegung in der Liturgie und Katechese wie auch in wissenschaftlicher Forschung: daß die Bibel nicht Wort der Vergangenheit bleibe, sondern ihre Lebendigkeit und Gegenwart in der Weite der Dimensionen ihrer Bedeutungen gelesen und erschlossen werden.

Um die Gegenwart von Gottes Wort, von Gott selbst in unserer geschichtlichen Stunde ging es auch bei den Pastoralreisen dieses Jahres: ihr eigentlicher Sinn kann nur sein, dieser Gegenwart zu dienen. Kirche wird da öffentlich wahrnehmbar, mit ihr der Glaube und insofern mindestens die Frage nach Gott. Diese Öffentlichkeit des Glaubens beschäftigt inzwischen all diejenigen, die die Gegenwart und ihre wirkenden Kräfte zu verstehen suchen. Besonders das Phänomen der Weltjugendtage wird zusehends Gegenstand von Analysen, die sozusagen diese Art von Jugendkultur zu verstehen versuchen. Australien hat noch nie so viele Menschen aus allen Kontinenten gesehen wie beim Weltjugendtag, selbst nicht bei der Olympiade. Und wenn vorher die Furcht bestanden hatte, das massenhafte Auftreten junger Menschen könne zu Störungen der öffentlichen Ordnung führen, den Verkehr paralysieren, das tägliche Leben behindern, Gewalt produzieren und der Droge Raum geben, so erwies sich all dies als unbegründet. Es war ein Fest der Freude, die schließlich auch die Widerstrebenden einbezog: Am Ende fühlte sich niemand belästigt. Die Tage waren zu einem Fest für alle geworden, ja, man hatte das erst so richtig erfahren, was das ist: ein Fest - ein Vorgang, bei dem alle sozusagen außer sich, über sich hinaus und gerade so bei sich und beieinander sind. Was also geschieht da eigentlich bei einem Weltjugendtag? Welche Kräfte sind da wirksam? Gängige Analysen tendieren dazu, diese Tage als eine Variante der modernen Jugendkultur, als eine Art von kirchlich abgewandeltem Rockfestival mit dem Papst als Star anzusehen. Ob mit oder ohne Glauben wären diese Festivals im Grunde doch dasselbe, und so glaubt man, die Frage nach Gott beiseitelegen zu können. Es gibt auch katholische Stimmen, die in diese Richtung gehen und das Ganze als ein großes und auch schönes Spektakel ansehen, das aber für die Frage nach dem Glauben und der Gegenwart des Evangeliums in unserer Zeit wenig bedeute. Es seien Augenblicke festlicher Ekstase, die aber dann doch letztlich alles beim Alten beließen, das Leben nicht tiefer gestalten könnten.


ANSPRACHE 2008 Januar 2008 224