ANSPRACHE 2009 22

AN HERRN TIMOTHY ANDREW FISCHER, NEUER BOTSCHAFTER AUSTRALIENS BEIM HL. STUHL

Donnerstag, 12. Februar 2009



Herr Botschafter!

23 Mit besonderer Freude heiße ich Sie im Vatikan willkommen und nehme das Beglaubigungsschreiben entgegen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter Australiens beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich möchte Sie freundlicherweise bitten, der Generalgouverneurin, Frau Quentin Bryce, sowie der Regierung und dem Volk Ihrer Nation meinen Dank für ihre Grüße zu übermitteln. Mit lebhaften Erinnerungen an meinen jüngsten Besuch in Ihrem schönen Land versichere ich Sie meiner Gebete für das Wohlergehen des Landes, und ganz besonders möchte ich jedem einzelnen der trauernden Menschen und Familien in Victoria, die bei den Buschbränden der letzten Wochen geliebte Angehörige verloren haben, mein tiefempfundenes Beileid zukommen lassen.

Die Berufung Eurer Exzellenz zum ersten residierenden Botschafter Australiens beim Heiligen Stuhl kennzeichnet eine willkommene neue Ära in unseren diplomatischen Beziehungen und schafft eine gute Gelegenheit, das gegenseitige Verständnis zu vertiefen und unsere bereits bestehende wichtige Zusammenarbeit zu intensivieren.

Der Umgang der Kirche mit der Zivilgesellschaft ist in ihrer Überzeugung verankert, daß der menschliche Fortschritt - sei es als einzelne oder als Gemeinschaften - von der Anerkennung der jedem Menschen eigenen übernatürlichen Berufung abhängt. Von Gott erhalten Männer und Frauen ihre wesenhafte Würde (vgl.
Gn 1,27) und die Fähigkeit, die Wahrheit und das Gute zu suchen. Im Rahmen dieser breiten Perspektive können wir den heute so vorherrschenden Tendenzen zum Pragmatismus und Konsequentialismus entgegentreten, die sich nur mit den Symptomen und Auswirkungen von Konflikten, sozialer Zersplitterung und moralischer Zweideutigkeit, nicht aber mit deren Wurzeln auseinandersetzen. Wenn die geistliche Dimension der Menschheit zum Leuchten gebracht wird, werden Herzen und Sinne der einzelnen zu Gott und zu den Wundern des menschlichen Lebens hingezogen: zum Sein selbst, zu Wahrheit, Schönheit, moralischen Werten und anderen Menschen. Auf diese Weise kann eine sichere Grundlage gefunden werden, um die Gesellschaft zu einen und eine Aussicht auf Hoffnung zu unterstützen.

Der Weltjugendtag war ein Ereignis von einzigartiger Bedeutung für die universale Kirche und für Australien. Noch immer ist der Nachhall der Anerkennung in Ihrer Nation und weltweit zu vernehmen.

Jeder Weltjugendtag ist vor allem ein geistliches Ereignis, bei dem junge Menschen, von denen nicht alle eng mit der Kirche verbunden sind, in einer intensiven Erfahrung des Betens, Lernens und Zuhörens Gott begegnen und so zur Glaubenserfahrung im Tun kommen. Selbst die Einwohner von Sydney ließen sich, wie Eure Exzellenz bemerkte, von der ungetrübten Freude der Pilger inspirieren. Ich bete dafür, daß diese junge Generation der Christen in Australien und überall auf der Welt ihren Enthusiasmus auf alles, was wahr und gut ist, lenken wird, indem sie quer durch alles Spaltende Freundschaften knüpfen und Orte lebendigen Glaubens in unserer und für unsere Welt, Stätten der Hoffnung und der tätigen Nächstenliebe schaffen.

Herr Botschafter, die kulturelle Mannigfaltigkeit bedeutet eine große Bereicherung für das gesellschaftliche Gefüge des heutigen Australien. Jahrzehntelang wurde jene so verschieden zusammengesetzte Gesamtheit durch die Ungerechtigkeiten getrübt, die von der indigenen Bevölkerung so schmerzvoll erduldet wurden. Durch die Vergebungsbitte von Premierminister Rudd im vergangenen Jahr hat sich ein tiefer Gesinnungswandel vollzogen. Im Geist der Versöhnung erneuert können jetzt beide Seiten, die staatlichen Behörden und die Verantwortlichen der Aborigines, mit Entschlossenheit und Leidenschaft die vielen Herausforderungen angehen, die vor ihnen liegen. Ein weiteres Beispiel für den Wunsch Ihrer Regierung, Achtung und Verständnis unter den Kulturen zu fördern, ist deren lobenswertes Bemühen, den interreligiösen Dialog und die Zusammenarbeit sowohl bei sich als auch in der Region zu erleichtern. Derartige Initiativen helfen, das kulturelle Erbe zu bewahren, sie fördern die öffentliche Dimension der Religion und entzünden die wahren Werte, ohne die das Herz der bürgerlichen Gesellschaft bald verdorren würde.

Die diplomatische Aktivität Australiens im Pazifik, in Asien und in jüngster Zeit in Afrika hat viele Facetten und ist im Wachsen begriffen. Allgemein bekannt und respektiert sind die aktive Unterstützung der Millenniums-Entwicklungsziele durch die Nation, zahlreiche regionale Partnerschaften, Initiativen zur Stärkung des Atomsperrvertrags und das nachdrückliche Eintreten für eine gerechte Wirtschaftsentwicklung. Und während sich die Licht- und Schattenseiten der Globalisierung zunehmend und auf immer komplexere Weise über unsere Welt ausbreiten, zeigt sich Ihre Nation dazu bereit, auf eine wachsende Anzahl verschiedener Herausforderungen grundsätzlich, verantwortungsvoll und auf innovative Weise zu antworten. Dazu gehört nicht zuletzt die Bedrohung der Schöpfung selbst durch den Klimawandel.

Vielleicht ist es mehr denn je zuvor in unserer menschlichen Geschichte notwendig, die grundlegende Beziehung zwischen Schöpfer, Schöpfung und Geschöpf zu bedenken und zu achten. Von dieser Erkenntnis her können wir einen allgemeinen sittlichen Kodex entdecken, der aus Normen besteht, die in dem vom Schöpfer dem Wesenskern jedes Menschen eingeschriebenen Naturgesetz verwurzelt sind.

In meiner diesjährigen Botschaft zum Weltfriedenstag lenkte ich besondere Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit eines ethischen Ansatzes für die Schaffung positiver Partnerschaften zwischen den Märkten, der Zivilgesellschaft und den Staaten (vgl. Nr. 12). Diesbezüglich vermerke ich mit Interesse den Beschluß der australischen Regierung, Beziehungen der Zusammenarbeit herzustellen, die auf Werten wie Gerechtigkeit, gute Regierung und Sinn für die regionale Nachbarschaft beruhen.

Eine echte sittliche Haltung gehört wesentlich zu jeder verantwortlichen, respektvollen und das Soziale einschließenden Entwicklungspolitik. Die Ethik gebietet eine mitleidsvolle und großherzige Antwort auf die Armut; sie verlangt dringend, daß protektionistische Interessen zugunsten eines fairen Zugangs der armen Länder zu den entwickelten Märkten aufgegeben werden, und sie macht das Drängen der Geberländer auf Vertrauenswürdigkeit und Transparenz in der Verwendung der finanziellen Hilfe seitens der Empfängerländer verständlich.

Die Kirche ihrerseits hat eine lange Tradition im Gesundheitswesen, wo für sie der ethische Zugang zu den besonderen Nöten jedes einzelnen Menschen im Vordergrund steht. Besonders in den ärmeren Ländern betreiben religiöse Orden und kirchliche Organisationen - einschließlich vieler australischer Missionare - ein breites Netzwerk von Spitälern und Kliniken, oft in entlegenen Gegenden, wo die Staaten nicht in der Lage waren, ihre eigene Bevölkerung zu versorgen. Besonders wichtig ist die medizinische Betreuung der Familien, einschließlich der hochwertigen geburtshelferischen Versorgung der Frauen. Was für eine Ironie ist es da, wenn manche Gruppen durch Hilfsprogramme die Abtreibung als eine Form der »Gesundheitsfürsorge für Mütter« fördern: Indem sie ein Leben zerstören, geben sie vor, die Lebensqualität zu verbessern.

24 Exzellenz, ich bin sicher, daß Ihre Ernennung die bereits bestehenden Bande der Freundschaft zwischen Australien und dem Heiligen Stuhl weiter festigen wird. Wenn Sie Ihre neue Verantwortung wahrnehmen, werden Sie in dem großen Bereich der Ämter der Römischen Kurie die Bereitschaft finden, Sie bei der Erfüllung Ihrer Pflichten zu unterstützen. Auf Sie und Ihre Familie sowie auf Ihre Mitbürger rufe ich von Herzen die reichen Segnungen des allmächtigen Gottes herab.

AN DIE MITGLIEDER DER "CONFERENCE OF PRESIDENTS OF MAJOR AMERICAN JEWISH ORGANISATIONS"

Donnerstag, 12. Februar 2009



Liebe Freunde!

Ich freue mich, Sie alle heute zu empfangen, und ich danke Rabbi Arthur Schneier und Herrn Alan Solow für die Grußworte, die sie in Ihrer aller Namen an mich gerichtet haben. Ich erinnere mich sehr gut an die verschiedenen Gelegenheiten, bei denen ich im Rahmen meines Besuchs in den Vereinigten Staaten im letzten Jahr einigen von Ihnen in Washington und New York begegnen konnte. Rabbi Schneier, Sie haben mich nur wenige Stunden vor Ihrem Pesach-Fest sehr freundlich in der Park-East-Synagoge empfangen. Ich freue mich, daß ich jetzt die Gelegenheit habe, Ihnen hier in meinem Haus Gastfreundschaft zu erweisen. Begegnungen wie diese versetzen uns in die Lage, uns unsere gegenseitige Hochachtung zu bekunden. Sie sollen wissen, daß Sie heute hier im Haus Petri, im Haus des Papstes, herzlich willkommen sind.

Mit Dankbarkeit blicke ich auf die verschiedenen Gelegenheiten im Laufe vieler Jahre zurück, bei denen ich Zeit mit meinen jüdischen Freunden verbringen konnte. Meine Besuche bei Ihren Gemeinden in Washington und New York waren zwar nur kurz, aber dennoch waren sie Erfahrungen brüderlicher Hochachtung und aufrichtiger Freundschaft. Eine ebensolche Erfahrung war mein Besuch in der Kölner Synagoge, der erste Besuch dieser Art während meines Pontifikats. Es war für mich sehr bewegend, diese Augenblicke mit der jüdischen Gemeinde in der Stadt zu verbringen, die ich so gut kenne - der Stadt, in der die erste jüdische Ansiedlung in Deutschland beheimatet war, deren Wurzeln bis in die Zeit des Römischen Kaiserreiches zurückreichen.

Ein Jahr später, im Mai 2006, habe ich das Vernichtungslager in Auschwitz-Birkenau besucht. Wie sollte man diese erschütternde Erfahrung jemals in Worte fassen können? Als ich das Eingangstor zu diesem Ort des Grauens, dem Schauplatz unsäglichen Leidens, durchschritt, dachte ich an die unermeßliche Zahl Gefangener - so viele von ihnen Juden -, die denselben Weg in die Gefangenschaft gegangen waren, in Auschwitz und in all den anderen Gefangenenlagern.

Diese Kinder Abrahams, schmerzerfüllt und erniedrigt, hatten nur wenig, was ihnen Kraft gab, außer ihrem Glauben an den Gott ihrer Väter, einem Glauben, den wir Christen mit Ihnen, unseren Brüdern und Schwestern, teilen.

Wie können wir beginnen, das ungeheure Ausmaß dessen zu erfassen, was in diesen abscheulichen Gefängnissen geschehen ist? Die gesamte Menschheit empfindet tiefe Scham über die grausame Brutalität, die Ihrem Volk damals entgegengebracht wurde.

Gestatten Sie mir, das in Erinnerung zu rufen, was ich bei jenem traurigen Anlaß sagte: »Die Machthaber des Dritten Reiches wollten das jüdische Volk als ganzes zertreten, es von der Landkarte der Menschheit tilgen; auf furchtbare Weise haben sich da die Psalmworte bestätigt: ›Wie Schafe werden wir behandelt, die zum Schlachten bestimmt sind‹« (O.R. dt., Nr. 22, 2.6.2006; S.7).

Unsere heutige Begegnung findet im Rahmen Ihres Besuchs in Italien statt, der mit Ihrer jährlichen »Leadership Mission« nach Israel verbunden ist.

Auch ich bereite mich darauf vor, Israel zu besuchen, ein Land, das sowohl den Christen als auch den Juden heilig ist, da dort die Wurzeln unseres Glaubens liegen. In der Tat erhält die Kirche ihre Nahrung aus der Wurzel des edlen Ölbaums, des Volkes Israel, in das die Zweige vom wilden Ölbaum der Heiden eingepfropft wurden (vgl. Rm 11,17-24). Von den frühesten Tagen des Christentums an waren unsere Identität und jeder Aspekt unseres Lebens und Gottesdienstes stets eng mit der altehrwürdigen Religion unserer Väter im Glauben verbunden.

25 Die 2000jährige Geschichte der Beziehung zwischen dem Judentum und der Kirche hat viele verschiedene Phasen durchlaufen; manche von ihnen bergen schmerzliche Erinnerungen.

Jetzt, da wir in der Lage sind, einander im Geiste der Versöhnung zu begegnen, dürfen die Schwierigkeiten der Vergangenheit uns nicht davon abhalten, einander die Hand der Freundschaft zu reichen. Gibt es etwa irgendeine Familie, die nie Spannungen irgendwelcher Art erleiden mußte? Die Erklärung Nostra aetate des Zweiten Vatikanischen Konzils hat einen Meilenstein auf dem Weg zur Versöhnung gesetzt, und sie hat ganz klar die Grundsätze umrissen, die das Vorgehen der Kirche in bezug auf die christlich-jüdischen Beziehungen seither bestimmen.

Die Kirche ist zutiefst und unwiderruflich darauf verpflichtet, jeden Antisemitismus zurückzuweisen und auch weiterhin gute und dauerhafte Beziehungen zwischen unseren beiden Gemeinschaften aufzubauen. Wenn es ein bestimmtes Bild gibt, das diese Verpflichtung zum Ausdruck bringt, dann ist es der Augenblick, als mein geliebter Vorgänger Papst Johannes Paul II. an der Klagemauer in Jerusalem stand und Gott um Vergebung bat für all das Unrecht, das das jüdische Volk erleiden mußte. Ich mache mir dieses Gebet hiermit zu eigen: »Gott unserer Väter, du hast Abraham und seine Nachkommen auserwählt, deinen Namen zu den Völkern zu tragen: Wir sind zutiefst betrübt über das Verhalten aller, die im Laufe der Geschichte deine Söhne und Töchter leiden ließen. Wir bitten um Verzeihung und wollen uns dafür einsetzen, daß echte Brüderlichkeit herrsche mit dem Volk des Bundes« (O.R. dt., Nr. 13, 31.3.2000; S.1).

Der Haß und die Verachtung gegenüber Männern, Frauen und Kindern, die in der Shoah zum Ausdruck kamen, waren ein Verbrechen gegen Gott und gegen die Menschheit. Das sollte jedem klar sein, besonders jenen, die in der Überlieferung der Heiligen Schriften stehen, nach denen jeder Mensch als Abbild Gottes geschaffen ist, ihm ähnlich (vgl.
Gn 1,26-27). Es steht außer Frage, daß jede Verleugnung oder Schmälerung dieses schrecklichen Verbrechens untragbar und ganz und gar inakzeptabel ist. Kürzlich habe ich in einer Generalaudienz noch einmal bekräftigt, die Shoah müsse »eine Mahnung [sein] gegen das Vergessen, gegen die Leugnung oder die Verharmlosung. Denn Gewalt, die gegen einen einzigen Menschen ausgeübt wird, wird gegen alle verübt« (O.R. dt., Nr. 6, 6.2.2009; S. 3).

Dieses schreckliche Kapitel in unserer Geschichte darf niemals in Vergessenheit geraten.

Erinnerung - so heißt es zu Recht - ist »memoria futuri«: eine Mahnung an uns im Hinblick auf die Zukunft und eine Aufforderung, die Versöhnung zu suchen. Sich erinnern bedeutet, alles zu tun, was in unserer Macht steht, um eine jegliche Wiederholung einer solchen Katastrophe innerhalb der Menschheitsfamilie durch den Bau von Brücken dauerhafter Freundschaft zu verhindern. Ich bete inständig darum, daß die Erinnerung an dieses entsetzliche Verbrechen unsere Entschlossenheit stärken möge, die Wunden zu heilen, die allzulange die Beziehungen zwischen Christen und Juden entstellt haben. Es ist mein inniger Wunsch, daß die Freundschaft, derer wir uns jetzt erfreuen, immer stärker werden möge, auf daß die unwiderrufliche Verpflichtung der Kirche auf achtungsvolle und harmonische Beziehungen mit dem Volk des Bundes reiche Frucht trage.

KONZERT ANLÄSSLICH DES 80. JAHRESTAGES

DES STAATES DER VATIKANSTADT

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.

Audienzenhalle

Donnerstag, 12. Februar 2009



Meine Herren Kardinäle,
verehrte Brüder im Bischofs- und im Priesteramt,
sehr geehrte Damen und Herren!

26 Zum Abschluß dieses schönen Abends freue ich mich, Sie alle herzlich zu begrüßen, die Sie an diesem Konzert teilgenommen haben, das anläßlich des 80. Jahrestages der Gründung des Staates der Vatikanstadt veranstaltet wurde. Mein Gruß gilt den religiösen, zivilen und militärischen Autoritäten sowie den hochgeschätzten Persönlichkeiten, mit einem besonderen Gedanken an die Bischöfe der Römischen Kurie und die Mitarbeiter der verschiedenen Ämter des Governatorats, die hier zusammengekommen sind, um auch mit dieser Veranstaltung dieses so bedeutsamen Jahrestages zu gedenken. Vor allem möchte ich gegenüber Kardinal Giovanni Lajolo, Präsident der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt, meine tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, auch für die Worte der Zuneigung und der Verehrung, die er vor Beginn des Konzertes an mich gerichtet hat. In meinen Gruß schließe ich den Generalsekretär, Bischof Renato Boccardo, ein sowie die anderen Verantwortlichen des Governatorats und danke selbstverständlich allen, die auf verschiedene Weise zur Organisation und Durchführung dieses musikalischen Ereignisses beigetragen haben.

Ich bin sicher, die Empfindungen aller Anwesenden zum Ausdruck zu bringen, wenn ich ein besonderes Wort des Dankes und der Wertschätzung an die Mitglieder des »RTE Concert Orchestra« (Orchester des irischen Radio- und Fernsehsenders) richte sowie an die Sänger des Chores »Our Lady’s Choral Society« aus Dublin, den Dirigenten Proinnsias O’Duinn, den Chorleiter Paul Ward und die Solisten. Einen besonderen Gruß möchte ich den zahlreichen Gläubigen aus Dublin vorbehalten, die den Chor aus ihrer Stadt begleiten.

Uns wurde die Aufführung einiger Ausschnitte aus dem berühmten Oratorium »Messias« von Georg Friedrich Händel geboten, das dank einer reichen Anthologie von biblischen Texten des Alten und des Neuen Testaments - die gleichsam die Struktur der gesamten Partitur bilden - eine ergreifende geistliche Atmosphäre zu schaffen vermag. Chor und Orchester haben uns eindrucksvoll die Gestalt des Messias Christus im Licht der alttestamentarischen messianischen Prophezeiungen vor Augen gestellt. Die Mannigfaltigkeit des musikalischen Kontrapunkts und die Harmonie des Gesangs haben uns so geholfen, das große und tiefe Mysterium des christlichen Glaubens zu betrachten. Erneut ist offensichtlich geworden, wie Musik und Gesang dank ihrer geschickten Verknüpfung mit dem Glauben im religiösen Bereich hohen pädagogischen Wert haben. Musik kann als Kunst eine besonders großartige Art und Weise sein, Christus zu verkünden, denn der Musik gelingt es, mit der ihr eigenen Ausdruckskraft sein Mysterium wahrnehmbar werden zu lassen.

Dieses Konzert, mit dem eines für den Staat der Vatikanstadt bedeutsamen Jahrestages gedacht werden soll, reiht sich ein in das Programm des aus diesem Anlaß organisierten Kongresses zum Thema »Ein kleines Territorium für eine große Mission«. Sicherlich ist jetzt nicht der Augenblick für eine Rede über dieses historische Ereignis, zu dem verschiedene Experten auf dem Kongreß ihren kompetenten Beitrag unter Berücksichtigung zahlreicher Aspekte leisten werden. Außerdem werde ich am kommenden Samstag Gelegenheit haben, den Teilnehmern an diesen Studientagen zu begegnen und mein Wort an sie zu richten. Es liegt mir aber am Herzen, auch bei diesem Anlaß all denen zu danken, die dazu beigetragen haben, einen für die katholische Kirche so bedeutsamen Jahrestag in feierlicher Weise zu begehen. Gedenkt man der 80 Jahre der Civitas Vaticana, so spürt man das Bedürfnis, die Verdienste all derer zu würdigen, die in diesen acht Jahrzehnten die Protagonisten der Geschichte eines kleinen Stücks Erde waren und sind. An erster Stelle möchte ich an die Hauptperson erinnern, meinen verehrten Vorgänger Pius XI. Er hat sich, als er die Unterzeichnung der Lateranverträge und vor allem die Gründung des Staates der Vatikanstadt verkündete, auf Worte des hl. Franz von Assisi beziehen wollen. Er sagte, daß die neue Souveränität für die Kirche wie für den Poverello »jenes bißchen an Leib« war, »das nötig ist, um die Seele zusammenzuhalten« (vgl. Ansprache vom 11. Februar 1929). Bitten wir den Herrn, der die Geschicke des »Schiffes Petri« in den nicht immer ruhigen Wechselfällen der Geschichte sicher lenkt, auch weiterhin über diesen kleinen Staat zu wachen. Bitten wir ihn vor allem, mit der Macht seines Heiligen Geistes dem beizustehen, der am Steuer des Schiffes steht, dem Nachfolger des hl. Petrus, damit er treu und wirksam sein Amt als Fundament der Einheit der katholischen Kirche ausüben kann, die im Vatikan ihr sichtbares Zentrum hat und sich bis ans Ende der Welt ausdehnt. Dieses Gebet vertraue ich der Fürsprache Mariens an, der Unbefleckten Jungfrau und Mutter der Kirche, und während ich im Namen der Anwesenden den Initiatoren dieses Abends, den ausgezeichneten Orchestermusikern, Sängern und besonders den Solisten erneut von Herzen danke, versichere ich jeden eines Gebetsgedenkens und rufe auf alle den Segen Gottes herab.
AN DIE BISCHÖFE VON NIGERIA

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Samstag, 14. Februar 2009



Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Mit großer Freude heiße ich euch, die Bischöfe von Nigeria, zu eurem »Ad-limina«-Besuch an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus willkommen. Als Nachfolger Petri schätze ich diese Begegnung, die unser Band der Gemeinschaft und brüderlichen Liebe stärkt und uns miteinander die heilige Verantwortung erneuern läßt, die wir in der Kirche ausüben. Ich danke Erzbischof Job für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Meinerseits möchte ich euch und allen Gläubigen Nigerias gern meine Gefühle der Hochachtung und Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.

Liebe Brüder, seit eurem letzten »Ad-limina«- Besuch hat Gott der Allmächtige die Kirche in eurem Land mit reichlichem Wachstum gesegnet. Das wird insbesondere an der Zahl neuer Christen sichtbar, die Christus in ihren Herzen empfangen haben und voller Freude die Kirche als »die Säule und das Fundament der Wahrheit« (1Tm 3,15) annehmen. Die steigenden Zahlen der Priester- und Ordensberufungen sind gleichfalls ein deutliches Zeichen für das Wirken des Geistes unter euch. Für diese Gnaden danke ich Gott und spreche euch und den Priestern, den Ordensleuten und Katechisten, die im Weinberg des Herrn arbeiten, meine Anerkennung aus.

Die Ausbreitung der Kirche verlangt besondere Sorgfalt bei der Planung auf Diözesanebene und bei der Ausbildung des Personals durch weiterführende Ausbildungsaktivitäten, um die notwendige Glaubensvertiefung eures Volkes zu erleichtern (vgl. Johannes Paul II. , Ecclesia in Africa ). Aus euren Berichten ersehe ich, daß ihr euch darüber im klaren seid, welche wesentlichen Schritte dafür vorzunehmen sind: die Kunst des Gebets lehren, zur Teilnahme an der Liturgie und an den Sakramenten ermutigen, eine weise und angemessene Predigttätigkeit, Katechismusunterricht, geistliche und moralische Unterweisung und Führung. Auf diesem Fundament gründend wird der Glaube zur christlichen Tugend und läßt lebendige Pfarreien und einen hochherzigen Dienst für die größere Gemeinschaft entstehen. Ihr selbst müßt zusammen mit euren Priestern die Gläubigen führen durch Demut, Loslösung von irdischen Bestrebungen, Gebet, Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes und durch Transparenz bei der Leitung. Auf diese Weise werdet ihr zu einem Zeichen Christ, des Guten Hirten.

Die Feier der Liturgie ist eine bevorzugte Quelle der Erneuerung christlichen Lebens. Ich lege euch nahe, in euren Bemühungen zwischen den Momenten der Betrachtung und den äußeren Gesten der Teilnahme und Freude im Herrn das richtige Gleichgewicht zu halten. Dafür muß der liturgischen Ausbildung der Priester und der Vermeidung liturgiefremder Auswüchse entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet werden. Geht auf diesem Weg weiter und denkt daran, daß der Dialog der Liebe und Verehrung des Herrn durch die Praxis der eucharistischen Anbetung in Pfarreien, Ordensgemeinschaften und an anderen geeigneten Orten wesentlich gesteigert wird (vgl. Sacramentum caritatis, 67).

Die kommende Bischofssynode für Afrika wird sich unter anderem mit dem Thema der ethnischen Konfliktsituation auseinandersetzen. Das wunderbare Bild vom Himmlischen Jerusalem, die Versammlung unzähliger Männer und Frauen aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern, die durch das Blut Christi erlöst worden sind (vgl. Ap 5,9), macht euch Mut, euch der Herausforderung des ethnischen Konflikts zu stellen, wo immer er auftritt, auch in der Kirche. Ich spreche denjenigen von euch, die außerhalb der Grenzen eurer eigenen Region oder Sprachgruppe eine pastorale Sendung angenommen haben, meine Wertschätzung aus und danke den Priestern und dem Volk, die euch freundlich aufnahmen und unterstützten. Eure Bereitschaft, auf eure Mitmenschen einzugehen, ist ein beredtes Zeichen dafür, daß es in der Kirche als der neuen Familie aller derer, die an Christus glauben (vgl. Mc 3,31-35), keinen Platz für irgendeine Form von Spaltung gibt. Katechumenen und Neubekehrte müssen unterwiesen werden, diese Wahrheit anzunehmen, während sie sich zu Christus und einem Leben christlicher Liebe verpflichten. Alle Gläubigen, besonders die Seminaristen und Priester, werden an Reife und Hochherzigkeit wachsen, wenn sie zulassen, daß die Botschaft des Evangeliums jede mögliche Verengung auf lokale Sichtweisen klärt und überwindet. Eine kluge und ausgewogene Auswahl der Seminaristen ist für das geistliche Wohl eures Landes lebenswichtig. Ihre persönliche Formung muß durch eine geregelte geistliche Anleitung, durch die sakramentale Versöhnung, durch Gebet und Meditation über die Heilige Schrift sichergestellt werden. Im Wort Gottes werden die Seminaristen und Priester die Werte finden, die einen guten Priester auszeichnen, der sich mit Leib und Geist dem Herrn geweiht hat (vgl. 1Co 7,34). Stark in der Gnade, die ihnen in Christus Jesus geschenkt ist (vgl. 2Tm 2,1), werden sie lernen, den Menschen, die ihrer Sorge anvertraut sind, mit persönlicher Hingabe und pastoraler Liebe zu dienen.

27 Hervorheben möchte ich die Aufgabe des Bischofs, die wichtige soziale und kirchliche Wirklichkeit von Ehe und Familienleben zu unterstützen. Unter Mitarbeit gut vorbereiteter Priester und Laien, Fachleute und Ehepaare werdet ihr verantwortungsvoll und mit Eifer eurer Sorge in diesem pastoral vordringlichen Bereich nachkommen (vgl. Johannes Paul II. , Familiaris consortio FC 73). Ehevorbereitungskurse für engagierte Paare und allgemeine und spezifische katechetische Unterweisung über den Wert des menschlichen Lebens, über Ehe und Familie werden eure Gläubigen für die Herausforderungen stärken, vor die sie sich durch die gesellschaftlichen Veränderungen gestellt sehen. Versäumt es auch nicht, Vereine oder Bewegungen zu ermutigen, die Ehepaaren wirksam beistehen, ihre Glaubens- und Eheverpflichtungen zu leben.

Als einen wichtigen Dienst an der Nation habt ihr euer Engagement für den interreligiösen Dialog, besonders mit dem Islam, an den Tag gelegt, wodurch mit Geduld und Ausdauer feste Beziehungen gegenseitiger Achtung, Freundschaft und praktischer Zusammenarbeit mit Menschen anderer Religionen angebahnt werden. Dank eurer Anstrengungen als eifrige und unermüdliche Förderer guter Absichten wird die Kirche zu einem sichtbareren Zeichen und Werkzeug der Gemeinschaft mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheit werden (vgl. Lumen gentium LG 1).

Sehr anerkennenswert ist euer Bemühen, aus den katholischen Prinzipien verständige Stellungnahmen zu den derzeitigen nationalen Problemen abzuleiten. Das vom Schöpfer in das Herz jedes Menschen eingeschriebene Naturgesetz (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 2009, 8) und das richtig verstandene und auf die bürgerlichen und politischen Wirklichkeiten angewandte Evangelium schränken in keiner Weise den Bereich rechtsgültiger politischer Optionen ein. Sie stellen im Gegenteil eine Garantie für alle Menschen dar, frei und in ihrer Würde als Personen geachtet zu leben und sich geschützt zu fühlen vor jeder ideologischen Manipulierung und vor jedem Übergriff, der auf der Grundlage des Rechts des Stärkeren verübt wird (vgl. Ansprache an die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission, 5. Dezember 2008). Setzt voll Vertrauen in den Herrn weiterhin eure bischöfliche Autorität ein im Kampf gegen ungerechte Praktiken und Korruption und gegen alle Ursachen und Formen von Diskriminierung und Kriminalität, besonders gegen die entwürdigende Behandlung der Frauen und die beklagenswerte Praxis der Entführungen. Indem ihr die katholische Soziallehre fördert, bietet ihr eurem Land euren zuverlässigen Beitrag und helft mit bei der Festigung einer nationalen Ordnung, die auf Solidarität und auf eine Kultur der Menschenrechte gegründet ist.

Meine lieben Brüder im Bischofsamt, mit den Worten des Apostels Paulus mahne ich euch: »Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe« (1Co 16,13-14). Bitte, überbringt meine Grüße eurem geliebten Volk, besonders den vielen Gläubigen, die durch Gebet und Leiden in der Hoffnung von Christus Zeugnis geben (vgl. Spe salvi, ). Meine herzliche Zuneigung gilt auch allen jenen, die in der Familie, in den Pfarreien und Missionsstationen, im Erziehungsbereich, in der Gesundheitsfürsorge und in anderen Bereichen der christlichen Nächstenliebe dienen.

Während ich euch und alle, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, den Gebeten des sel. Cyprian Michael Iwene Tansi und dem mütterlichen Schutz Mariens, Mutter der Kirche, anvertraue, erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen.

AN DIE TEILNEHMER DER STUDIENTAGUNG ZUM 80. JAHRESTAG DER GRÜNDUNG DES STAATES DER VATIKANSTADT

Samstag, 14. Februar 2009



Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist mir eine große Freude, Sie alle, Organisatoren, Referenten und Teilnehmer der Studientagung zum 80. Jahrestag der Gründung des Staates der Vatikanstadt, hier begrüßen zu dürfen. »Ein kleines Territorium für eine große Mission« lautet das Thema Ihrer gemeinsamen Reflexion über den geistlichen und zivilen Wert dieses kleinen souveränen Staates, der ganz im Dienst der großen Sendung steht, die Jesus Christus dem Apostel Petrus und dessen Nachfolgern anvertraut hat. Ich danke Herrn Kardinal Giovanni Lajolo nicht nur für die Grußworte, die er in Ihrem Namen an mich gerichtet hat, sondern auch für den Einsatz, mit dem er und seine Mitarbeiter vom Governatorat die Feier dieses bedeutenden 80. Jahrestages des Bestehens und der Aktivität des Vatikanstaates ermöglicht haben.

Sehr gefreut habe ich mich über die Initiativen und Gedenkfeiern, die in diesen Tagen dazu beigetragen haben, die Geschichte und Physiognomie der Civitas Vaticana besser bekannt zu machen. Diese ist heute, 80 Jahre nach ihrer Gründung, ein friedlich zustande gekommenes Staatsgebilde, wenn ihre Daseinsberechtigung und die zahlreichen Aufgaben, die sie zu erfüllen gerufen ist, auch nicht immer ganz verstanden werden. Wer im täglichen Dienst des Heiligen Stuhls steht oder in der Ewigen Stadt lebt, empfindet es als selbstverständlich, daß es mitten in Rom einen souveränen Zwergstaat gibt. Aber nicht alle wissen, daß er das Ergebnis eines sehr schwierigen geschichtlichen Prozesses ist und daß seine Schaffung von hohen Glaubensidealen und einem weitblickenden Bewußtsein um die Zwecke motiviert war, die er erfüllen sollte. Wir könnten also sagen, daß uns der Jahrestag, den wir mit unserer heutigen Zusammenkunft begehen dürfen, einlädt, mit größerem Bewußtsein auf das zu blicken, was der Staat der Vatikanstadt bedeutet und was er ist.

28 Wenn man an den 11. Februar 1929 zurückdenkt, kommt man nicht umhin, mit tiefer Dankbarkeit jenes Mannes zu gedenken, der nicht nur der Urheber, sondern auch der wichtigste Protagonist der Lateranverträge war: mein Vorgänger Pius XI. Er war der Papst meiner Kindheit, den wir alle sehr verehrt und geliebt haben. Zu Recht wurde sein Name in diesen Tagen oft genannt; war er doch mit seinem klugen Weitblick und eisernen Willen der wahre Gründer und erste Baumeister des Staates der Vatikanstadt. So lassen uns auch die noch andauernden geschichtlichen Studien zu seinem Pontifikat immer deutlicher die Größe dieses Papstes erkennen, der die Kirche durch die schwierige Zeit zwischen den beiden Weltkriegen geführt hat. Mit fester Hand gab er den unzähligen Dimensionen des Wirkens der Kirche neue Impulse: denken wir nur an den Ausbau der Missionstätigkeit; die auf die Ausbildung der Geistlichen verwandte Sorgfalt; die Förderung des Wirkens der Laien in Kirche und Gesellschaft; die intensiven Beziehungen zur zivilen Gemeinschaft. Während seines Pontifikats mußte der »Bibliothekar-Papst« nicht nur den Schwierigkeiten und Verfolgungen Rechnung tragen, denen die Kirche in Ländern wie Mexiko und Spanien ausgesetzt war, sondern auch dem Kampf, den ihr die totalitären Regime - Nationalsozialismus und Faschismus - bescherten, die in jenen Jahren entstehen und sich konsolidieren konnten. Unvergeßlich ist in Deutschland seine Enzyklika Mit brennender Sorge als klare Absage an den Nationalsozialismus. Das weise und mit Entschlossenheit vorangetriebene Werk dieses Papstes, der für die Kirche nur jene Freiheit wollte, die sie für die uneingeschränkte Erfüllung ihrer Sendung brauchte, ruft unweigerlich Staunen hervor. Auch der infolge der Lateranverträge und besonders des Staatsvertrages entstandene Staat der Vatikanstadt wurde von Pius XI. als ein Werkzeug betrachtet, das die notwendige Unabhängigkeit von jeder menschlichen Macht garantieren und der Kirche und ihrem Obersten Hirten die Möglichkeit geben konnte, den von Jesus Christus, dem Herrn, empfangenen Auftrag anzunehmen. Wie nützlich und vorteilhaft dieses kleine, aber vollständige Staatsgebilde nicht nur für den Heiligen Stuhl und die Kirche, sondern auch für Rom und die ganze Welt war, zeigte sich schon knappe zehn Jahre später, als der Zweite Weltkrieg ausbrach; ein Krieg, der mit seiner Gewalt und seinem Leid bis zu den Toren des Vatikans vordrang.

Man kann also sagen, daß sich der Vatikanstaat in den acht Jahrzehnten seines Bestehens als ein anpassungsfähiges Werkzeug erwiesen hat, das sowohl den Anforderungen gewachsen ist, die die Sendung des Papstes an ihn stellte und weiter stellt, als auch den Bedürfnissen der Kirche und der in ständiger Veränderung begriffenen Gesellschaft. Gerade deshalb konnte es unter der Leitung meiner verehrten Vorgänger - vom Diener Gottes Pius XII. bis zu Papst Johannes Paul II. - zu einer auch heute noch vor aller Augen voranschreitenden kontinuierlichen Anpassung der Normen, Strukturen und Mittel dieses einzigartigen Staates kommen, der um das Grab des Apostels Petrus entstand. Der bedeutende Jahrestag, den wir in diesen Tagen begehen, erfüllt uns mit tiefer Dankbarkeit dem Herrn gegenüber, der die Geschicke seiner Kirche in dem oft stürmischen Meer der Geschichte lenkt und seinem Stellvertreter auf Erden bei der Ausübung seines Amtes als »Christianae religionis summus Antistes« zur Seite steht. Meine Dankbarkeit gilt auch all jenen, die im Leben des Staates der Vatikanstadt eine wichtige Rolle gespielt haben und heute noch spielen: Einige davon sind bekannt, viele aber haben ihren demütigen und wertvollen Dienst in aller Stille versehen. Mit Dankbarkeit denke ich an die Mitglieder der derzeitigen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft des Governatorats und der anderen Strukturen des Staates der Vatikanstadt und spreche damit stellvertretend für das gesamte Volk Gottes. Gleichzeitig möchte ich auch all jene, die in den verschiedenen Büros und vatikanischen Einrichtungen arbeiten, ermutigen, ihren Dienst nicht nur aufrichtig und professionell zu versehen, sondern auch in dem immer stärkeren Bewußtsein, daß ihre Arbeit einen wertvollen Dienst an der Sache des Reiches Gottes darstellt.

Die Civitas Vaticana ist in Wahrheit auf den Landkarten dieser Welt ein fast unsichtbarer Punkt, ein winziger, wehrloser Staat ohne furchteinflößende Streitkräfte, scheinbar unbedeutend für die großen Strategien der internationalen Geopolitik. Und doch war und ist dieser deutlich sichtbare Standort der absoluten Unabhängigkeit des Heiligen Stuhls Ausgangspunkt für ein konstantes Werk der Solidarität und des Gemeinwohls. Oder stimmt es etwa nicht, daß man gerade deshalb von überall mit so großem Interesse auf dieses kleine Fleckchen Erde blickt? Der Vatikanstaat, der nicht nur über Schätze des Glaubens, sondern auch der Geschichte und der Kunst verfügt, stellt für die ganze Menschheit ein wertvolles Erbe dar. Aus der Tiefe seines Herzens, wo neben dem Grab des hl. Petrus der Papst wohnt, erhebt sich die unablässige Botschaft eines wahren sozialen Fortschritts, der Hoffnung, der Aussöhnung und des Friedens. Nachdem er den 80. Jahrestag seiner Gründung feiern konnte, schreitet unser Staat nun mit noch größerem apostolischem Eifer voran. Möge die Vatikanstadt immer mehr eine wahre »Stadt auf dem Berg« sein und leuchten dank der Überzeugungen und des großzügigen Einsatzes derer, die hier im Dienst der kirchlichen Sendung des Nachfolgers Petri wirken. Mit dieser Hoffnung erbitte ich den mütterlichen Schutz Marias und die Fürsprache der hll. Petrus und Paulus wie auch der anderen Märtyrer, die diesen Boden mit ihrem Blut geheiligt haben, und erteile allen Anwesenden meinen Segen, in den ich gerne auch die große Familie des Staates der Vatikanstadt einschließe.


ANSPRACHE 2009 22