ANSPRACHE 2009 142


August 2009



AN DIE TEILNEHMER DER IN ROM VERANSTALTETEN SCHWIMM-WELTMEISTERSCHAFT 2009

Innenhof des Apostolischen Palastes von Castelgandolfo - Samstag, 1. August 2009

Liebe Freunde!

Gerne komme ich eurer Einladung zu diesem Treffen im Rahmen der Schwimm-Weltmeisterschaft nach. Ich danke euch für euren Besuch, über den ich mich sehr freue, und heiße euch alle herzlich willkommen. Zunächst grüße ich den Präsidenten des Schwimm-Weltverbandes (FINA), Herrn Julio Maglione, und den Präsidenten des Italienischen Schwimmverbandes (FIN), Herrn Abgeordneten Paolo Barelli, denen ich für die freundlichen Worte danke, die sie in euer aller Namen an mich gerichtet haben. Mein Gruß gilt auch den anwesenden Autoritäten, den Leitern und Verantwortlichen, den Technikern, Delegierten, Journalisten und Medienvertretern, den Freiwilligen, den Organisatoren, und allen, die diese internationale Sportveranstaltung ermöglicht haben. Ganz besonders herzlich aber grüße ich euch, liebe Sportler aus verschiedenen Ländern: schließlich seid ihr die Hauptpersonen dieser Schwimm-Weltmeisterschaft. Mit euren Wettkämpfen bietet ihr der Welt ein spannendes Schauspiel der Disziplin und Menschlichkeit, der künstlerischen Schönheit und des eisernen Willens. An euch ist es nun zu zeigen, welche Leistungen junge Menschen vollbringen können, wenn sie sich nicht scheuen, die Mühen eines harten Trainings auf sich zu nehmen und zu zahlreichen Opfern und Entbehrungen bereit sind. All das kann auch euren Altersgenossen eine wichtige Lehre fürs Leben sein.

Wie vor kurzem herausgestellt wurde, schult der Sport gerade bei jungen Menschen, die ihn mit Leidenschaft und einem klaren ethischen Sinn praktizieren, nicht nur den gesunden Kampfgeist, sondern er dient auch der körperlichen Ertüchtigung. Er fördert außerdem die Entwicklung menschlicher und geistlicher Werte und ist ein privilegiertes Mittel des persönlichen Wachstums und des Kontakts zur Gesellschaft. Wer diese Schwimm-Weltmeisterschaft verfolgt, kann angesichts der beeindruckenden Resultate erkennen, mit welchen Möglichkeiten Gott den menschlichen Körper ausgestattet hat, welche Perfektion er erreichen kann. Das ruft uns unweigerlich das Staunen des Psalmisten in den Sinn, der - in die Betrachtung des Universums versunken - nicht umhin kam, die Herrlichkeit Gottes und die Größe des Menschen zu preisen. »Seh’ ich den Himmel, das Werk deiner Finger«, lesen wir in Psalm 8, »Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt« (Vers 4-5). Wie sollte man dem Herrn also nicht danken, daß er den menschlichen Körper mit soviel Vollkommenheit ausgestattet, ihn durch eine Schönheit und Harmonie bereichert hat, die auf so viele Weisen zum Ausdruck kommen kann!

Die verschiedenen Sportarten helfen uns - jede auf ihre Weise -, dieses Geschenk Gottes zu schätzen. Mit Interesse verfolgt und befürwortet die Kirche den Sport, der nicht als Selbstzweck praktiziert wird, sondern als Mittel, als wertvolles Instrument, für die ganzheitliche und harmonische Entwicklung der Person. Auch in der Bibel finden wir interessante Verweise auf den Sport als Lebensmodell. Der Apostel Paulus betrachtete ihn beispielsweise als einen authentischen menschlichen Wert. Er benützte ihn nicht nur als Metapher für hohe ethische und asketische Ideale, sondern sah ihn auch als Mittel für die Entwicklung des Menschen, als Bestandteil der menschlichen Kultur und Zivilisation.

143 Ihr, liebe Sportler, seid für eure Altersgenossen Vorbilder; euer Beispiel kann ihnen beim Bau ihrer Zukunft hilfreich sein. Seid also nicht nur Meister im Sport, sondern meistert auch das Leben! Wir haben bereits Johannes Paul II. erwähnt, der im Oktober 2000 im Rahmen der Heiligjahrfeier der Sportler herausstellen wollte, welch große Bedeutung der sportlichen Betätigung zukommt, »da sie zur Festigung wichtiger Werte wie Fairness, Ausdauer, Freundschaft, Teilen und Solidarität in den Jugendlichen beitragen kann« (O.R. dt., Nr. 46, 17.11.2000, S. 9). Außerdem haben Sportveranstaltungen wie die eure dank der modernen sozialen Kommunikationsmittel einen großen Einfluß auf die öffentliche Meinung. Schließlich ist die Sprache des Sports eine universale Sprache und erreicht besonders die junge Generation. Die Verbreitung positiver Botschaften durch den Sport trägt daher auch zum Bau einer brüderlicheren und solidarischeren Welt bei.

...auf französisch: Liebe französischsprachige Sportler, ich freue mich, euch im Rahmen der Schwimm-Weltmeisterschaft empfangen zu können und grüße euch alle herzlich. Der von euch praktizierte Sport ist eine Schule der Großherzigkeit, der Loyalität und des Respekts vor den anderen. Möge er der Entwicklung der Werte der Freundschaft und des Teilens unter den Personen und den Völkern zuträglich sein. Gott segne euch!

auf englisch: Ich freue mich, die englischsprachigen Sportler begrüßen zu können, die an der Schwimm- Weltmeisterschaft des Schwimm-Weltverbandes teilnehmen. Ich grüße auch die vielen Sportfunktionäre, Helfer, Freiwilligen und Freunde, die in diesen Tagen zu euch nach Rom gekommen sind. Möge euer Streben nach Höchstleistungen von der Dankbarkeit über die Gaben begleitet sein, die euch Gott geschenkt hat, und von dem Wunsch, den anderen dabei zu helfen, die ihnen geschenkten Gaben in den Dienst des Aufbaus einer besseren und geeinteren Welt zu stellen. Für euch und eure Familien erbitte ich den Segen Gottes und wünsche euch Freude und Frieden!

auf deutsch: Von Herzen grüße ich die deutschsprachigen Teilnehmer der Schwimm-Weltmeisterschaft hier in Rom. Liebe Freunde, als sportliche Wettkämpfer bringt ihr Höchstleistungen und seid Vorbilder für viele junge Menschen. Setzt euch in eurer Lebenswelt für das Gute und Bleibende ein, damit der Sport der Entfaltung der Gaben dient, die Gott den Menschen geschenkt hat. Der Herr segne euch auf all euren Wegen.

auf spanisch: Herzlich grüße ich nun die Teilnehmer spanischer Sprache: die Athleten, Verantwortlichen und all jene, die auf verschiedene Weise an der Schwimm-Weltmeisterschaft teilgenommen haben. Ich rufe euch auf, den Sport in Harmonie mit den höchsten menschlichen Werten zu praktizieren, so daß er die gesunde körperliche Entwicklung derer fördere, die Sport treiben, und zu einem Mittel der ganzheitlichen Formung der Kinder und jungen Menschen werde. Danke.

auf portugiesisch: Lieber Freunde portugiesischer Sprache, die ihr an dieser Schwimm-Weltmeisterschaft teilnehmt! Ich grüße euch alle von Herzen und nutze die Gelegenheit, euch für diese Lehre für das Leben, die ihr vor der Welt ablegt, zu danken. Sie beruht auf Disziplin, Menschlichkeit und dem festen willen, zu siegen und vor allem euch selbst zu überwinden. Ich rufe den Beistand gottes auf euch und eure Familien herab und erteile euch den Apostolischen Segen.

... auf italienisch: Ich danke euch, liebe Freunde, und vor allem euch, liebe Sportler, nochmals für diese herzliche Begegnung und wünsche euch, immer höheren Idealen »entgegenzuschwimmen«. Gerne versichere ich euch meines Gebetsbeistands und erteile euch, euren Familien und allen, die euch lieb sind, auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria den göttlichen Segen.



KONZERT DES "BAYERISCHEN KAMMERORCHESTERS BAD BRÜCKENAU" ZU EHREN DES HL. VATERS

WORTE VON BENEDIKT XVI.

Innenhof des Apostolischen Palastes von Castelgandolfo

Sonntag, 2. August 2009



Hochwürdiger Herr Dekan Kemmer,
sehr geehrte Musiker,
liebe Freunde!

144 Es ist heute wohl das erste Mal, daß ich nach einem so schönen Konzert nicht herzhaft applaudieren konnte. Um so mehr freut es mich, Herrn Albrecht Mayer und den Musikern des Bayerischen Kammerorchesters Bad Brückenau nun mit diesen Worten den Dank und die Bewunderung aller Anwesenden zum Ausdruck zu bringen. Ebenso danke ich Herrn Dekan Kilian Kemmer für seine Begrüßungsworte sowie allen, die dieses Konzert in Castel Gandolfo organisiert und ermöglicht haben.

Die große Faszination dieses Abends war für uns natürlich der Gesang der Oboe, den Sie, lieber Herr Mayer, uns in so meisterhafter Weise dargeboten haben.

Es war bewegend, wie aus einem Stück Holz, diesem Instrument, ein ganzer Kosmos von Musik entströmt: das Abgründige und das Heitere, das Verspielte und das Ernste, das Große und das Demütige, der innere Dialog der Melodien.

Ich habe mir dabei gedacht, wie großartig es ist, daß in einem kleinen Stück Schöpfung eine solche Verheißung steckt, wenn der Meister sie einzulösen vermag. Und das bedeutet, daß die ganze Schöpfung voller Verheißungen ist und daß dem Menschen geschenkt ist, dieses Buch der Verheißungen wenigstens ein Stück weit aufzublättern. Ich denke, dieser Abend lädt uns ein, nicht nur die verständlichen Kräfte zu behalten, die uns helfen, die physikalischen Energien, die Verheißung der Schöpfung sind, herauszuholen, sondern auch die größeren, tieferen Verheißungen, wie sie diese Musik uns gezeigt hat, in der Wachheit des Herzens, die uns schenkt, auch dieses Stück Schöpfung zum Sprechen zu bringen.

Sie haben uns in dem Programmheft mit der Werkbeschauung ein wenig in die Werkstätte der Meister hineinschauen lassen. Ich denke, es ist für uns alle bewegend, zu denken, daß die Meister sich verhielten wie der gute Hausvater des Evangeliums, von dem der Herr spricht, daß sie Altes und Neues aus ihren Schätzen hervorholen, daß sie unter dem Drang ihrer Aufgaben nicht einfach immer Neues schaffen können, aber Altes neu bedenken und so neue Potentialitäten dessen sichtbar werden, was in dem vorigen Werk dagewesen war. Und dieses Konzert mit den Oboensoli war eine Fortführung dieser Fortschreibungen, wieder Potentialitäten aus dem Geschenkten neu ans Licht zu bringen, in denen Musik fortgeht, lebendig bleibt und in jeder Aufführung, und besonders auch in dieser Stunde, neu geboren wird.

Mir ist dabei ins Bewußtsein gekommen, daß wir heute in der Kirche den Portiunkula-Tag begehen, der an eine wunderbare Vision des hl. Franziskus erinnert: In der kleinen Portiunkula-Kirche in Assisi sieht er den Herrn, seine Mutter und Engel um ihn herum. Er stellt ihm einen Wunsch frei. Und er bittet ihn, eine große Vergebung nach Hause tragen zu dürfen. Der Wunsch wird gewährt, er eilt heim und sagt voll Freude zu den Brüdern: Freunde, der Herr will euch alle im Paradies haben! Heute denke ich, durften wir so etwas wie eine Paradiesesstunde verbringen. Eine Stunde lang gleichsam in das Paradies hineinschauen und hineinhören und in die unzerstörte Schönheit und Güte der Schöpfung. Dies ist nicht eine Flucht vor der Not dieser Welt und des Alltags, denn dem Bösen und Dunklen können wir nur widerstehen, wenn wir selbst dem Guten glauben.

Und dem Guten können wir nur glauben, wenn wir es erfahren und als Realität erleben dürfen. In dieser Stunde haben wir das Gute und Schöne mit unserem Herzen angerührt.

.... auf italienisch:
Liebe Freunde,
ich habe auf deutsch gesprochen, da die Musiker und ein großer Teil der Anwesenden aus Deutschland kommen. Leider trennen uns seit dem Turmbau zu Babel die Sprachen voneinander und schaffen Barrieren. Aber in dieser Stunde haben wir gesehen und gehört, daß es auch nach dem Turmbau und dem Hochmut von Babel einen unzerstörten Teil der Welt gibt, nämlich die Musik: Sie ist die Sprache, die wir alle verstehen können, da sie das Herz aller anrührt. Dies ist für uns nicht nur der sichere Beleg, daß die Güte und die Schönheit der Schöpfung Gottes nicht zerstört wurden, sondern daß wir dazu berufen und befähigt sind, für das Gute und Schöne zu arbeiten. Es ist für uns auch eine Verheißung, daß die künftige Welt kommen wird, daß Gott siegt, daß die Schönheit und die Güte siegen. Für diesen Trost und diese Stärkung in unserer täglichen Arbeit sind wir euch Musikern dankbar. Herzlichen Dank an euch alle! Ich wünsche euch einen guten Abend und eine schöne Woche.

                                                                                September 2009

PASTORALBESUCH IN VITERBO UND BAGNOREGIO


BEGEGNUNG MIT DEN EINWOHNERN

Piazza Sant’Agostino - Bagnoregio - Sonntag, 6. September 2009

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Liebe Brüder und Schwestern!

Die Eucharistiefeier heute morgen in Viterbo hat meinen Pastoralbesuch in eurer Diözesangemeinschaft eröffnet, und diese Begegnung hier in Bagnoregio schließt ihn nun ab. Ich grüße euch alle von Herzen - die religiösen, zivilen und militärischen Autoritäten, die Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, die in der Seelsorge Tätigen, die Jugendlichen und die Familien - und danke euch für den herzlichen Empfang. Zunächst möchte ich erneut eurem Bischof danken für seine herzlichen Worte, die meine Verbindung mit dem hl. Bonaventura ins Gedächtnis gerufen haben. Ehrerbietig grüße ich zudem den Bürgermeister von Bagnoregio, dem ich für den freundlichen Willkommensgruß danke, den er im Namen der ganzen Stadt an mich gerichtet hat.

Johannes Fidanza, der spätere Fra Bonaventura, nennt seinen Namen zusammen mit dem von Bagnoregio in den bekannten Worten, mit denen er sich in der Göttlichen Komödie vorstellt. Er sagt: »Ich bin die Seele des Bonaventura von Bagnoregio, der die hohen Pflichten den weltlichen Geschäften immer vorzog« (Dante, Paradies, XII,127-129), und hebt damit hervor, daß er bei den wichtigen Aufgaben, die ihm in der Kirche übertragen waren, die Sorge um die weltlichen Angelegenheiten stets dem geistlichen Wohl der Seelen unterordnete. Hier in Bagnoregio verbrachte er seine Kindheit und Jugend; später folgte er dem hl. Franziskus, dem er sich zu besonderem Dank verpflichtet sah, denn dieser hatte ihn, wie er schrieb, als Kind »den Fängen des Todes entrissen« (Legenda maior, Prologus, 3,3) und ihm eine »gute Fügung« [ital. »buona ventura«] vorausgesagt, wie euer Bürgermeister vorhin in Erinnerung gerufen hat. Zum »Poverello« von Assisi konnte er eine tiefe und dauerhafte Bindung aufbauen; durch ihn wurde ihm der Wunsch zur Askese und kirchlicher Geist vermittelt. Die kostbare Reliquie des »Heiligen Arms« eures berühmten Mitbürgers wird von euch sorgsam gehütet. Ihr haltet die Erinnerung an ihn lebendig und vertieft seine Lehre, besonders durch das von Bonaventura Tecchi gegründete »Centro di Studi Bonaventuriani«, das jährlich renommierte Studienkongresse veranstaltet, die ihm gewidmet sind.

Es ist nicht einfach, die breitgefächerte philosophische, theologische und mystische Lehre zusammenzufassen, die der hl. Bonaventura uns hinterlassen hat. Jetzt im Priester-Jahr möchte ich besonders die Priester einladen, sich in die Schule dieses großen Kirchenlehrers zu begeben, um seine Lehre der in Christus verwurzelten Weisheit zu vertiefen. Auf die Weisheit, die in der Heiligkeit zur vollen Entfaltung kommt, richtete er jeden Schritt seines Denkens und seines mystischen Strebens aus, wobei er mehrere Stufen durchschreitet: Die erste Stufe, die er als »einförmige Weisheit« bezeichnet, betrifft die Grundprinzipien der Erkenntnis. Auf sie folgt die »vielförmige Weisheit«, die im geheimnisvollen Sprachgebrauch der Bibel besteht, dann die »allförmige Weisheit« die in jeder geschaffenen Wirklichkeit den Abglanz des Schöpfers erkennt, und schließlich die »Weisheit ohne Form«, also die Erfahrung der inneren mystischen Begegnung mit Gott, wenn der Verstand des Menschen schweigend mit dem unendlichen Geheimnis in Berührung kommt (vgl. J. Ratzinger, Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura). Im Gedenken an den hl. Bonaventura, der die Weisheit zutiefst suchte und liebte, möchte ich außerdem meine Ermutigung und meine Hochachtung aussprechen für den Dienst am Glauben, zu dem die Theologen in der kirchlichen Gemeinschaft berufen sind - an jenem Glauben, der das Verstehen sucht, jenem Glauben, der mit der Intelligenz einhergeht und der zum neuen Leben nach dem Plan Gottes wird.

Am heutigen Abend beschränke ich mich darauf, aus dem reichen Erbe der Lehre und der Mystik des hl. Bonaventura eine gedankliche »Spur« aufzugreifen, die sich für den pastoralen Weg eurer Diözesangemeinschaft als nützlich erweisen könnte. Seit seiner Studienzeit in Paris war er in erster Linie ein unermüdlicher »Gottsucher«, und er blieb es bis zu seinem Tod. In seinen Schriften zeigt er den zu beschreitenden Weg auf. Er schreibt: »Da Gott in der Höhe ist, muß sich der Geist mit allen Kräften zu ihm erheben« (De reductione artium ad theologiam, 25). So steckt er einen anspruchsvollen Weg des Glaubens ab, auf dem »die Lesung ohne Salbung, das Denken ohne Hingabe, die Forschung ohne Verehrung, die Umsicht ohne Begeisterung, der Fleiß ohne Frömmigkeit, die Wissenschaft ohne Liebe, der Verstand ohne Demut, das Studium ohne die göttliche Gnade, die Beobachtungsgabe ohne die göttlich inspirierte Weisheit « nicht genügt (Itinerarium mentis in Deum, Prol. 4). Dieser Weg der Läuterung bezieht die ganze Person ein, um durch Christus zur verwandelnden Liebe der Dreifaltigkeit zu gelangen. Und da Christus, der immer Gott war und immer Mensch sein wird, mit seiner Gnade in den Gläubigen eine neue Schöpfung wirkt, wird die Erforschung der göttlichen Gegenwart zur Betrachtung Christi in der Seele, »wo er wohnt mit den Gaben seiner grenzenlosen Liebe« (ebd., IV,4), um am Ende in ihn einzugehen. Der Glaube ist daher die Vollendung unserer Erkenntnisfähigkeit und Teilhabe an der Erkenntnis, die Gott von sich selbst und von der Welt hat; die Hoffnung empfinden wir als Vorbereitung auf die Begegnung mit dem Herrn, in der die Freundschaft, die uns jetzt schon mit ihm verbindet, zu ganzer Fülle gelangen wird. Und die Liebe führt uns ein in das göttliche Leben und läßt uns alle Menschen als Brüder betrachten, gemäß dem Willen unseres gemeinsamen himmlischen Vaters.

Der hl. Bonaventura war also ein »Gottsucher«, aber er war auch ein seraphischer »Sänger des Loblieds auf die Schöpfung«. In der Nachfolge des hl. Franziskus lernte er, »Gott zu loben in allen Geschöpfen und durch alle Geschöpfe«, denn in ihnen »erglänzen die Allmacht, die Weisheit und die Güte des Schöpfers« (ebd., I,10). Der hl. Bonaventura vermittelt eine positive Sicht der Welt, der Liebesgabe Gottes an die Menschen: Er erkennt in der Welt den Abglanz der höchsten Güte und Schönheit, die - so sagt er in Übereinstimmung mit dem hl. Augustinus und dem hl. Franziskus - Gott selbst ist. Alles ist uns von Gott gegeben. Aus ihm als dem Urquell entspringen das Wahre, das Gute und das Schöne. Der Aufstieg zu Gott führt gleichsam über die Stufen einer Leiter, bis man das höchste Gut erreicht und beinahe erlangt hat und wir in ihm unser Glück und unseren Frieden finden. Wie nützlich wäre es, wenn man auch heute die Schönheit und den Wert der Schöpfung im Licht der göttlichen Güte und Schönheit wiederentdecken würde! In Christus, so der hl. Bonaventura, kann das Universum selbst wieder zur Stimme werden, die von Gott spricht und uns anspornt, seine Gegenwart zu erforschen; es ermahnt uns, ihn in allen Dingen zu ehren und zu verherrlichen (vgl. ebd., I,15). Man nimmt hier den Geist des hl. Franziskus wahr, mit dem unser Heiliger die Liebe zu allen Geschöpfen teilte.

Der hl. Bonaventura war ein »Bote der Hoffnung«. Ein schönes Bild der Hoffnung finden wir in einer seiner Adventspredigten, wo er die Bewegung der Hoffnung mit dem Flug eines Vogels vergleicht, der die Flügel so weit wie möglich spreizt und seine ganze Kraft aufwendet, um sie zu bewegen. Er macht gewissermaßen sich selbst zur Bewegung, um aufzusteigen und zu fliegen. Hoffen heißt fliegen, sagt der hl. Bonaventura. Aber die Hoffnung verlangt, daß alle unsere Glieder zur Bewegung werden und nach der wahren Höhe unseres Seins streben, nach Gottes Verheißungen. Wer hofft - so sagt er - »muß das Haupt erheben, indem er seine Gedanken nach oben richtet, zur Höhe unserer Existenz, zu Gott« (Sermo XVI, Dominica I Adv., Opera omnia, IX,40a).

Der Herr Bürgermeister hat in seiner Ansprache die Frage gestellt: »Was wird aus Bagnoregio künftig werden?« In Wirklichkeit stellen wir alle uns Fragen über unsere Zukunft und die der Welt, und dieses Fragen hat viel zu tun mit der Hoffnung, nach der jedes menschliche Herz dürstet. In der Enzyklika Spe salvi habe ich gesagt, daß es nicht genügt, irgendeine Hoffnung zu haben, um sich den Problemen der Gegenwart zu stellen und sie zu überwinden. Unabdinglich ist eine »verläßliche Hoffnung«, die uns die Gewißheit gibt, zu einem »großen« Ziel zu gelangen und die so »die Anstrengung des Weges« rechtfertigt (vgl. ). Nur diese »große Hoffnungsgewißheit« versichert uns, daß wir trotz des Scheiterns im eigenen Leben und der Widersprüche der Geschichte im ganzen immer »in einer unzerstörbaren Macht der Liebe« geborgen sind. Wenn also diese Hoffnung uns stützt, dann sind wir nie in Gefahr, den Mut zu verlieren, zum Heil der Menschheit beizutragen, wie die Heiligen es taten, und wir können uns und die Welt öffnen für das Hereintreten Gottes: der Wahrheit, der Liebe, des Lichts (vgl. ). Der hl. Bonaventura möge uns helfen, »die Flügel der Hoffnung auszubreiten«, die uns anspornt, ebenso wie er unermüdlich Gott zu suchen, die Schönheiten der Schöpfung zu loben und Zeugen zu sein jener Liebe und jener Schönheit, die »alles bewegt«.

Liebe Freunde, ich danke euch von neuem für den herzlichen Empfang. Ich versichere euch eines Gebetsgedenkens und erteile durch die Fürsprache des hl. Bonaventura und besonders Marias - der treuen Jungfrau und des Sterns der Hoffnung - einen besonderen Apostolischen Segen. Gerne schließe ich darin alle Einwohner dieser schönen Region ein, die so reich ist an Heiligen.

Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit!



AN DIE ERSTE GRUPPE DER BISCHÖFE BRASILIENS (WESTREGIONEN 1-2) ANLÄSSLICH IHRES «AD-LIMINA»-BESUCHES

Apostolischer Palast, Castelgandolfo - Montag, 7. September 2009

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Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Mit Gefühlen tiefer Freude und Freundschaft empfange und begrüße ich alle und jeden einzelnen von euch, Bischöfe der Westregionen 1 und 2 innerhalb der Nationalen Bischofskonferenz Brasiliens. Mit eurer Gruppe wird die lange Reihe der Pilgerfahrten der Mitglieder dieser Bischofskonferenz zum Besuch der Apostelgräber, »adlimina Apostolorum«, eröffnet; sie wird mir Gelegenheit geben, die tatsächliche Situation eurer jeweiligen Diözesangemeinschaften besser kennenzulernen. Es sollen Tage brüderlicher Anteilnahme sein, um miteinander über die Fragen nachzudenken, die euch Sorge bereiten: Ein Augenblick, auf den ich sehnsüchtig wartete seit jenen unvergeßlichen Tagen im Mai 2007, als ich während meines Besuchs in eurem Land die ganze Liebe des brasilianischen Volkes für den Nachfolger Petri erleben konnte, und ganz besonders, als ich bei der Begegnung in der Kathedrale da Sé in São Paulo Gelegenheit hatte, den gesamten Episkopat dieser großen Nation mit meinen Blicken zu umarmen.

In der Tat kann allein das große Herz Gottes die Menge der Söhne und Töchter kennen, schützen und leiten, die Er selbst in der unermeßlichen Weite Brasiliens hervorgebracht hat. Im Laufe unserer Gespräche in diesen Tagen sind einige Probleme und Herausforderungen zutage getreten, mit denen ihr euch auseinandersetzen müßt, wie der Erzbischof von Campo Grande zu Beginn dieser Begegnung ausgeführt hat. Beeindruckend sind die Entfernungen, die ihr selber, zusammen mit euren Priestern und den anderen Missionaren, zurücklegen müßt, um euren jeweiligen Gläubigen zu dienen und pastorale Hilfe zu bieten; viele von ihnen erleben die Probleme einer vor relativ kurzer Zeit begonnenen Urbanisierung, wobei es dem Staat nicht immer gelingt, Werkzeug der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls zu sein. Laßt euch nicht entmutigen! Erinnert euch daran, daß die Verkündigung des Evangeliums und die Zustimmung zu den christlichen Werten »ein nicht nur nützliches, sondern unverzichtbares Element für den Aufbau einer guten Gesellschaft und einer echten ganzheitlichen Entwicklung des Menschen« ist, wie ich vor kurzem in der Enzyklika Caritas in veritate () geschrieben habe. Ich danke Ihnen, Erzbischof Vitório, für die herzlichen Worte und die Gefühle der Ergebenheit, die Sie im Namen aller an mich gerichtet haben und die ich gern mit meinen Wünschen für Frieden und Wohlergehen für das brasilianische Volk an seinem heutigen Nationalfeiertag erwidern möchte.

Als Nachfolger Petri und universaler Hirt der Kirche kann ich euch versichern, daß mein Herz tagtäglich eure apostolischen Sorgen und Anstrengungen mitempfindet, während ich nicht aufhöre, Gott die Herausforderungen im Gebet darzubringen, vor denen ihr angesichts des Wachsens eurer Diözesangemeinden steht. In unseren Tagen und konkret in Brasilien gibt es bei der Ernte des Herrn weiterhin zu wenige Arbeiter für die Ernte, die groß ist (vgl.
Mt 9,36-37). Trotz dieses spürbaren Mangels ist und bleibt eine angemessene Ausbildung derjenigen, die zum Dienst am Volk Gottes berufen sind, wirklich wesentlich. Erlaubt mir aus diesem Grund, daß ich mich im Rahmen des laufenden Priesterjahres heute dabei aufhalte, mit euch, geliebte Bischöfe aus dem Westen Brasiliens, über die eigentliche Sorge eures Bischofsamtes nachzudenken, nämlich neue Hirten hervorzubringen.

Auch wenn allein Gott den Ruf zum Hirtendienst an seinem Volk in das menschliche Herz auszusäen vermag, sollten sich alle Glieder der Kirche selber die Frage stellen, mit welcher inneren Dringlichkeit und mit welchem tatsächlichen Engagement sie dieses Anliegen spüren und leben. Einigen Jüngern, die einmal mit der Bemerkung, »noch vier Monate« dauere es bis zur Ernte, Zeit gewinnen wollten, antwortete Jesus: »Ich aber sage euch: Blickt umher und seht, daß die Felder weiß sind, reif zur Ernte« (Jn 4,35). Gott sieht nicht wie der Mensch!

Das Drängen von seiten des gütigen Gottes ist von seinem Wunsch bestimmt, »daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen« (1Tm 2,4). Es gibt viele Menschen, die scheinbar das ganze Leben in einer Minute durchleben wollen, während andere ihr Leben in Langeweile und Trägheit verbringen oder sich jeder Art von Gewalt hingeben. Im Grunde genommen sind sie nichts anderes als verzweifelte Leben auf der Suche nach Hoffnung, wie dies ein verbreitetes, wenngleich manchmal verworrenes Verlangen nach Spiritualität beweist, eine neue Suche nach Bezugspunkten, um den Weg des Lebens wieder aufzunehmen.

Geliebte Brüder, in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben manche die Öffnung zur Welt nicht als ein Erfordernis des missionarischen Eifers des Herzens Christi interpretiert, sondern als einen Übergang zur Säkularisierung, wobei sie in ihr einige Werte von großer christlicher Substanz entdeckten, wie die Gleichheit, die Freiheit und die Solidarität, und sich bereit zeigten, Zugeständnisse zu machen und Bereiche der Zusammenarbeit zu entdecken. So haben einige kirchliche Verantwortliche in Antwort auf die Erwartungen der öffentlichen Meinung in ethische Debatten eingegriffen; sie haben es aber unterlassen, von bestimmten Grundwahrheiten des Glaubens zu sprechen, wie der Sünde, der Gnade, dem theologalen Leben und den Letzten Dingen. Unbewußt ist man in die Selbst-Säkularisierung vieler kirchlicher Gemeinschaften verfallen; in der Hoffnung, die Fernstehenden zufriedenzustellen, haben sie diejenigen, die schon dazugehörten, getäuscht und enttäuscht weggehen sehen: Unsere Zeitgenossen wollen, wenn sie uns begegnen, das sehen, was sie sonst nirgendwo sehen können, nämlich die Freude und die Hoffnung, die aus der Tatsache erwachsen, daß wir beim auferstandenen Herrn sind.

Gegenwärtig gibt es eine neue Generation, die in diesem säkularisierten kirchlichen Umfeld aufgewachsen ist und, statt Öffnung und Zustimmung zu verzeichnen, sehen muß, wie sich in der Gesellschaft immer mehr der Abgrund der Unterschiede und Gegensätze gegenüber dem Lehramt der Kirche auftut, dies vor allem im Bereich der Ethik. In dieser Wüste der Abwesenheit Gottes verspürt die neue Generation einen großen Durst nach Transzendenz.

Es sind die jungen Männer dieser neuen Generation, die heute an die Tür des Seminars klopfen und dort Ausbilder finden müssen, die wahre Gottesmänner sind, Priester, die sich voll und ganz der Ausbildung hingeben, die Zeugnis geben von der Selbsthingabe an die Kirche durch den Zölibat und ein strenges Leben nach dem Vorbild Christi, des Guten Hirten. So werden diese jungen Männer lernen, für die Begegnung mit dem Herrn bei der täglichen Teilnahme an der Eucharistie empfänglich zu sein, während sie die Stille und das Gebet lieben und zuallererst die Ehre Gottes und das Heil der Seelen suchen.

Geliebte Brüder, wie ihr wißt, ist es Aufgabe des Bischofs, die grundlegenden Kriterien für die Ausbildung der Seminaristen und der Priester getreu den allgemeinen Normen der Kirche festzulegen: In diesem Geist sollen sich die Überlegungen zu dem Thema entfalten, das Gegenstand der Vollversammlung eurer Bischofskonferenz im vergangenen April war.

Da ich sicher bin, hinsichtlich der Priesterausbildung auf euren Eifer zählen zu können, fordere ich alle Bischöfe, ihre Priester und die Seminaristen auf, in ihrem Leben die Liebe Christi, des Priesters und Guten Hirten, wiederzugeben, wie es der hl. Pfarrer von Ars getan hat. Und wie er mögen sie als Vorbild und Schutz ihrer Berufung die Jungfrau Maria nehmen, die in einzigartiger Weise auf den Ruf Gottes geantwortet hat, indem sie in ihrem Herzen und in ihrem Leib das menschgewordene Wort empfing, um es der Menschheit zu schenken. Überbringt euren Diözesen mit einem herzlichen Gruß und mit der Versicherung meines Gebets einen väterlichen Apostolischen Segen.



AN DIE ZWEITE GRUPPSE DER BRASILIANISCHEN BISCHÖFE (REGION NORD-OST II) ANLÄSSLICH IHRES «AD-LIMINA»-BESUCHES

Apostolischer Palast in Castelgandolfo - Donnerstag, 17. September 2009

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Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Wie der Apostel Paulus in den Anfangszeiten der Kirche, so seid ihr, geliebte Bischöfe der Kirchenprovinzen Olina und Recife, Paraiba, Maceió und Natal, Petrus besuchen gekommen (vgl.
Ga 1,18). Ich empfange und begrüße herzlich einen jeden von euch, angefangen beim Erzbischof von Maceió, Antônio Munoz Fernandes, dem ich für die Grußworte danke, die er im Namen aller ausgesprochen hat, wobei er auch die Freuden, Schwierigkeiten und Hoffnungen des in der Region Nord-Ost II pilgernden Gottesvolkes zum Ausdruck brachte. In jedem von euch umarme ich die Priester und Gläubigen eurer Diözesangemeinden.

Mit ihren Gläubigen und ihren Amtsträgern ist die Kirche die priesterliche Gemeinschaft auf Erden, die als Leib Christi organisch gegliedert ist, um vereint mit ihrem Haupt ihre historische Heilssendung wirksam zu erfüllen. So lehrt uns der hl. Paulus: »Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm« (1Co 12,27). Tatsächlich haben nicht alle Glieder dieselbe Funktion: Das macht die Schönheit und das Leben des Leibes Christi aus (vgl. 1Co 12,14-17). In dem wesentlichen Unterschied zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum versteht man die besondere Identität von geweihten Gläubigen und Laien. Deshalb gilt es, die Säkularisierung der Priester und die Klerikalisierung der Laien zu vermeiden. Aus dieser Sicht sollen sich daher die gläubigen Laien bemühen, in der realen Wirklichkeit die christliche Sicht des Menschen und die Soziallehre der Kirche auch durch das politische Engagement zum Ausdruck zu bringen.

Die Priester hingegen müssen sich von einer persönlichen Beteiligung in der Politik fernhalten, um die Einheit und die Gemeinschaft aller Gläubigen zu fördern und für alle ein Bezugspunkt zu sein. Es ist wichtig, dieses Bewußtsein bei den Priestern, Ordensleuten und gläubigen Laien zu schärfen, indem man sie ermutigt und darüber wacht, daß sich jeder dazu motiviert fühlen kann, gemäß seinem jeweiligen Stand zu handeln.

Die harmonische, korrekte und klare Vertiefung der Beziehung zwischen allgemeinem Priestertum und Amtspriestertum ist derzeit einer der heikelsten Punkte des Wesens und Lebens der Kirche. Die geringe Zahl von Priestern könnte in der Tat die Gemeinden dazu verleiten, sich mit diesem Mangel abzufinden, indem sie sich mitunter damit trösten, daß dieser Mangel die Rolle der gläubigen Laien besser herausstelle. Aber es ist nicht der Priestermangel, der eine aktivere und fundiertere Beteiligung der Laien rechtfertigt. Je mehr sich die Gläubigen ihrer Verantwortung in der Kirche bewußt werden, um so klarer tritt tatsächlich die besondere Identität und die unersetzliche Rolle des Priesters als Hirte der ganzen Gemeinde, als Zeuge der Echtheit des Glaubens und als Spender der Heilsgeheimnisse im Namen Christi, des Hauptes der Kirche zutage.

Wir wissen, daß »die Heilssendung, die der Vater seinem menschgewordenen Sohn anvertraut hat, von ihm den Aposteln und durch sie ihren Nachfolgern anvertraut wird; sie erhalten den Geist Jesu, um in seinem Namen und in seiner Person zu handeln. So bildet das geweihte Amt das sakramentale Band, das die liturgische Handlung mit dem verbindet, was die Apostel gesagt und getan haben. Durch die Apostel wird die Verbindung mit dem, was Christus, der Ursprung und Urgrund der Sakramente, gesagt und getan hat, hergestellt« (Katechismus der Katholischen Kirche CEC 1120). Deshalb ist die Funktion des Priesters wesentlich und unersetzlich für die Verkündigung des Wortes und für die Feier der Sakramente, vor allem der Eucharistie, Gedächtnis des höchsten Opfers Christi, der seinen Leib und sein Blut hingibt. Darum ist es dringend nötig, den Herrn zu bitten, daß er Arbeiter für seine Ernte entsendet; außerdem müssen die Priester die Freude der Treue zu ihrer Identität mit der Begeisterung für ihre Sendung bekunden.

Geliebte Brüder, ich bin sicher, daß ihr in eurer Hirtensorge und in eurer Klugheit mit besonderer Aufmerksamkeit versucht, für die Gemeinden eurer Diözesen die Präsenz eines geweihten Dieners sicherzustellen. Es gilt zu vermeiden, daß die derzeitige Situation, in der viele von euch gezwungen sind, das kirchliche Leben mit nur wenigen Priestern zu organisieren, als normal oder typisch für die Zukunft angesehen wird. Wie ich in der vergangenen Woche die erste Gruppe brasilianischer Bischöfe daran erinnert habe, müßt ihr eure Anstrengungen darauf konzentrieren, neue Priesterberufe zu wecken und die unerläßlichen Hirten für eure Diözesen zu finden, indem ihr euch gegenseitig helft, damit alle über besser ausgebildete und zahlreichere Priester verfügen, um das Glaubensleben und die apostolische Sendung der Gläubigen aufrechtzuerhalten.

Anderseits sind auch jene, die die heiligen Weihen empfangen haben, aufgerufen, konsequent und in Fülle die Gnade und die Verpflichtungen der Taufe zu leben, das heißt, sich selbst und ihr ganzes Leben in Verbundenheit mit der Hingabe Christi anzubieten. Die tägliche Feier des Meßopfers am Altar und das tägliche Stundengebet müssen immer vom Zeugnis eines Lebens begleitet sein, das zum Geschenk an Gott und an die anderen und somit zur Orientierung für die Gläubigen wird.

In diesen Monaten hat die Kirche das Beispiel des heiligen Pfarrers von Ars vor Augen, der die Gläubigen einlud, ihr Leben mit dem Opfer Christi zu verbinden, und sich selbst anbot, indem er ausrief: »Wie gut tut ein Priester, wenn er Gott allmorgendlich sich selbst als Opfer darbringt!« (Le Curé d’Ars. Sa pensée - son coeur, coord. Bernard Nodet, 1966, S. 104). Er ist weiterhin ein aktuelles Vorbild für eure Priester, besonders im zölibatären Leben als Forderung der totalen Selbsthingabe, Ausdruck jener pastoralen Liebe, die das Zweite Vatikanische Konzil als einigenden Mittelpunkt des priesterlichen Lebens und Handelns vorstellt. Fast gleichzeitig lebte in eurem geliebten Brasilien, in São Paulo, Frei Antônio de Sant’Anna Galvão, den ich zu meiner Freude am 11. Mai 2007 heiligsprechen konnte; auch er hat ein »Zeugnis als glühender Anbeter der Eucharistie « hinterlassen, in einem Leben »in laus perennis, in einer ständigen inneren Haltung der Anbetung« (Predigt bei seiner Heiligsprechung; O.R. dt., Nr. 20, 18.5.2007, S. 7, 2). Auf diese Weise suchten beide Jesus Christus dadurch nachzuahmen, daß jeder nicht nur Priester wurde, sondern auch Opferlamm und Selbsthingabe wie Jesus.

Geliebte Brüder im Bischofsamt, zahlreiche Hoffnungszeichen für die Zukunft eurer Teilkirchen sind bereits sichtbar, eine Zukunft, die Gott durch den Eifer und die Treue vorbereitet, mit der ihr euer Bischofsamt ausübt. Ich möchte euch meiner brüderlichen Unterstützung versichern und bitte euch gleichzeitig um euer Gebet, damit mir gewährt werde, alle im apostolischen Glauben zu stärken (vgl. Lc 22,32). Die selige Jungfrau Maria möge für das ganze Volk Gottes in Brasilien Fürbitte einlegen, damit Bischöfe und Gläubige mit Mut und Freude »freimütig das Geheimnis des Evangeliums verkünden« (vgl. Ep 6,19). Mit diesem Gebet erteile ich euch, den Priestern und allen Gläubigen eurer Diözesen meinen Apostolischen Segen: »Friede sei mit euch allen, die ihr in Christus seid!« (1P 5,14).




ANSPRACHE 2009 142