ANSPRACHE 2010 26


ABSCHLUSS DER EXERZITIEN DER RÖMISCHEN KURIE

WORTE VON BENEDIKT XVI.

Kapelle "Redemptoris Mater"

Samstag, 27. Februar 2010



Liebe Mitbrüder,
lieber Don Enrico!

Im Namen aller Anwesenden möchte ich Ihnen, Don Enrico, von ganzem Herzen Dank sagen für diese Exerzitien, für ihre leidenschaftliche und sehr persönliche Art und Weise, mit der Sie uns auf dem Weg zu Christus geführt haben, auf dem Weg der Erneuerung unseres Priestertums.

27 Als Ausgangspunkt, als stets gegenwärtigen Hintergrund und als Zielpunkt - das haben wir jetzt gesehen - haben Sie das Gebet Salomos um ein »hörendes Herz« gewählt. In der Tat scheint mir hier die gesamte christliche Sicht des Menschen zusammengefaßt zu sein. Der Mensch ist nicht in sich selbst vollkommen, der Mensch braucht Beziehung, er ist ein Wesen in Beziehung. Es ist nicht sein »cogito«, das die gesamte Wirklichkeit denken (»cogitare«) kann. Er braucht das Hören, das Hören auf den anderen, besonders auf den ganz Anderen: Gott. Nur so erkennt er sich selbst, nur so wird er er selbst.

Von meinem Platz aus habe ich immer die Mutter des Erlösers, Sedes Sapientiae, im Blick gehabt, den lebendigen Thron der Weisheit mit der menschgewordenen Weisheit auf dem Schoß. Und wie wir gesehen haben, stellt der hl. Lukas Maria als Frau mit einem hörenden Herzen dar, die in das Wort Gottes versenkt ist, die das Wort Gottes hört, es meditiert (»synbàllein«), es sich zu eigen macht, es bewahrt und in ihrem Herzen trägt. Die Kirchenväter sagen, daß bei der Empfängnis des Ewigen Wortes im Schoß der Jungfrau der Heilige Geist durch das Ohr in Maria eingedrungen ist. Im Hören hat sie das Ewige Wort empfangen, ihren Leib diesem Wort gegeben. Und so sagt sie uns, was es heißt, ein hörendes Herz zu haben.

Maria ist hier umgeben von den Vätern und Müttern der Kirche, von der Gemeinschaft der Heiligen. Und so sehen wir, und das haben wir gerade in diesen Tagen verstanden, daß wir im einzelnen Ich das Wort nicht wirklich hören können, sondern nur im Wir der Kirche, im Wir der Gemeinschaft der Heiligen.

Und Sie, lieber Don Enrico, haben uns fünf priesterliche Vorbilder vor Augen gestellt und ihnen Stimme verliehen, angefangen beim hl. Ignatius von Antiochien bis hin zum Ehrwürdigen Diener Gottes Papst Johannes Paul II. So haben wir erneut wirklich verstanden, was es heißt, Priester zu sein, immer mehr Priester zu werden.

Sie haben auch hervorgehoben, daß die Weihe auf die Sendung ausgerichtet ist, daß sie dazu bestimmt ist, Sendung zu werden. In diesen Tagen haben wir mit der Hilfe Gottes unsere Weihe vertieft. So wollen wir nun mit neuem Mut unsere Sendung annehmen. Der Herr möge uns helfen. Ihnen, Don Enrico, gilt unser Dank für Ihre Hilfe.





März 2010



AN DIE BISCHÖFE AUS UGANDA ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Freitag, 5. März 2010



Eminenz,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Ich freue mich, euch, die Bischöfe aus Uganda, zu eurem »Ad-limina«-Besuch an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus zu begrüßen. Ich danke Bischof Ssekamanya für die freundlichen Worte der Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri, die er in eurem Namen zum Ausdruck gebracht hat. Ich erwidere sie gern und versichere euch meiner Gebete und Liebe zu euch und zum Volk Gottes, das eurer Sorge anvertraut ist. Ganz besonders denke ich an all jene, die von den jüngsten Erdrutschen in der Region Bududa eures Landes betroffen sind. Ich richte meine Gebete an den allmächtigen Gott, den Vater allen Erbarmens, daß er den Seelen der Verstorbenen die ewige Ruhe gewähren und allen, die unter den Folgen dieses tragischen Ereignisses leiden, Kraft und Hoffnung schenken möge.

Die jüngst abgehaltene Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika erließ einen denkwürdigen Aufruf zu erneuten Anstrengungen im Dienst einer tiefergehenden Evangelisierung eures Kontinents (vgl. Botschaft an das Volk Gottes, 15). Die Kraft des Wortes Gottes, die Kenntnis Jesu und die Liebe zu ihm werden ganz von selbst das Leben der Menschen dadurch umgestalten, daß sie die Art und Weise ihres Denkens und Handelns verbessern. Im Licht der Botschaft des Evangeliums seid ihr euch der Notwendigkeit bewußt, die Katholiken Ugandas zu ermutigen, das Sakrament der Ehe in ihrer Einheit und Unauflöslichkeit und das unantastbare Recht auf Leben voll anzuerkennen.

28 Ich bitte euch dringend, ihnen, sowohl den Priestern wie auch den Laiengläubigen, dabei zu helfen, der Verführung einer materialistischen Kultur des Individualismus zu widerstehen, die in so vielen Ländern Wurzeln gefaßt hat. Hört nicht auf, einen dauerhaften Frieden zu fordern, der auf Gerechtigkeit, Großherzigkeit gegenüber den Notleidenden und einem Geist des Dialogs und der Versöhnung beruht. Seid bei der Förderung einer echten Ökumene vor allem denen nahe, die für die Anwerbeversuche von Sekten besonders anfällig sind.

Leitet sie dazu an, oberflächliche Gefühle und Predigten, die das Kreuz Christi um seine Kraft bringen (vgl.
1Co 1,17), abzulehnen; auf diese Weise werdet ihr als verantwortungsvolle Hirten erreichen, daß sie und ihre Kinder der Kirche Christi treu bleiben. In dieser Hinsicht freue ich mich zu erfahren, daß eure Gläubigen in populären Formen der Evangelisierung geistliche Tröstung finden, wie den organisierten Pilgerschaften zum Schrein der Ugandischen Märtyrer in Namugongo, wo die aktive pastorale Präsenz von Bischöfen und zahlreichen Priestern die Frömmigkeit der Pilger zur inneren Erneuerung als Einzelpersonen und Gemeinden führt. Unterstützt weiterhin alle, die hochherzig Vertriebenen und Waisen aus den von Krieg zerrissenen Gebieten beistehen. Ermutigt diejenigen, die sich um die von Armut, Aids und anderen Krankheiten betroffenen Menschen kümmern, und lehrt sie, in jenen, denen sie dienen, das leidende Antlitz Jesu zu sehen (vgl. Mt 25,40).

Eine erneuerte Evangelisierung läßt umgekehrt eine tiefere katholische Kultur entstehen, die ihren Ursprung in der Familie hat. Aus euren Fünfjahresberichten weiß ich, daß Erziehungsprogramme in Pfarreien, Schulen und Verbänden und eure eigenen Beiträge zu Themen von allgemeinem Interesse in der Tat eine stärkere katholische Kultur verbreiten. Viel Gutes kann von gut vorbereiteten Laien kommen, die in den Medien, in Politik und Kultur tätig sind. Es sollten Kurse für ihre entsprechende Ausbildung, besonders in der katholischen Soziallehre, angeboten werden; dafür können Ressourcen an der Universität der Ugandischen Märtyrer oder anderen Einrichtungen herangezogen werden. Ermutigt sie dazu, sich aktiv und offenherzig in den Dienst all dessen zu stellen, was gerecht und edel ist. Auf diese Weise wird die Gesellschaft als ganze von gut ausgebildeten und eifrigen Christen profitieren, die im Dienst am Gemeinwohl Führungsrollen übernehmen. Auch kirchliche Bewegungen verdienen eure Unterstützung für ihren positiven Beitrag zum Leben der Kirche in vielen Bereichen.

Als erste Träger der Evangelisierung sind die Bischöfe dazu aufgerufen, mit aller Deutlichkeit von der praktischen Solidarität Zeugnis zu geben, die aus unserer Gemeinschaft in Christus entsteht. In einem Geist christlicher Nächstenliebe sollten Diözesen, die über mehr Ressourcen - sowohl materieller als auch spiritueller Art - verfügen, jenen beistehen, die weniger haben. Gleichzeitig haben alle Gemeinden die Pflicht, nach Selbständigkeit zu streben. Es ist wichtig, daß eure Gläubigen ein Verantwortungsgefühl sich selbst, ihrer Gemeinde und ihrer Kirche gegen über entwickeln und tiefer mit einem katholischen Geist der Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der Gesamtkirche erfüllt werden.

Als engagierte Diener der Evangelisierung genießen eure Priester bereits in hohem Maße eure väterliche Sorge und Leitung. Bietet ihnen in diesem Priester-Jahr euren Beistand, euer Beispiel und eure klare Lehre an. Ermahnt sie zu Gebet und Wachsamkeit, besonders was egozentrische weltliche oder politische Neigungen oder eine übertriebene Anhänglichkeit an die Familie oder ethnische Gruppe betrifft. Fördert weiterhin Berufungen, indem ihr euch um die Auswahl von geeigneten Kandidaten und deren eigentliche Motivation und Ausbildung - besonders die spirituelle Bildung - kümmert. Priester müssen Männer Gottes und fähig sein, andere durch weisen Rat und Vorbild auf den Wegen des Herrn zu führen.

Die Ordensmänner und Ordensfrauen in Uganda sind aufgerufen, ein Vorbild und eine Quelle der Ermutigung für die ganze Kirche zu sein. Unterstützt sie durch euren Rat und eure Gebete, während sie das Ziel der vollkommenen Liebe anstreben und Zeugnis für das Reich Gottes geben.

Priester und Ordensleute bedürfen in ihrem Leben im Zölibat und in der geweihten Jungfräulichkeit ständiger Unterstützung. Belehrt sie durch euer eigenes Beispiel über die Schönheit dieser Lebensform, der geistlichen Vater- und Mutterschaft, durch die sie die Liebe der Gläubigen zum Schöpfer und Spender aller guten Gaben bereichern und vertiefen können. Ebenso sind eure Katecheten ein großer Reichtum. Achtet weiterhin auf ihre Bedürfnisse und ihre Ausbildung und stellt ihnen zu ihrer Ermutigung das Beispiel von Märtyrern, wie des sel. Daudi Okello und des sel. Jildo Irwa, vor Augen.

Liebe bischöfliche Mitbrüder, mit dem Apostel Paulus ermahne ich euch: »Seid in allem nüchtern, ertragt das Leiden, verkündet das Evangelium, erfüllt treu euren Dienst!« (vgl. 2Tm 4,5). In den heiligen ugandischen Märtyrern habt ihr und euer Volk Vorbilder großen Mutes und Ausdauer im Leiden. Zählt auf ihr Gebet und bemüht euch stets, ihres Vermächtnisses würdig zu sein. Während ich euch und diejenigen, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, dem liebevollen Schutz Mariens, Mutter der Kirche, anvertraue, erteile ich euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen.


AN DIE VERTRETER DES NATIONALEN ITALIENISCHEN ZIVIL- UND KATASTROPHENSCHUTZES

Audienzenhalle

Samstag, 6. März 2010



Liebe Freunde!

29 Ich freue mich sehr, euch zu begrüßen, und richte an jeden einzelnen von euch meinen herzlichen Willkommensgruß. Ich begrüße die Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt und alle Autoritäten. Mein Gruß gilt Dr. Guido Bertolaso, Untersekretär im Präsidium des Ministerrates und Leiter der Zivilschutzabteilung, und ich danke ihm für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat, sowie für all das, was er für die Zivilgesellschaft und für uns alle tut. Ich begrüße Dr. Gianni Letta, Untersekretär im Präsidium des Ministerrates, der an dieser Begegnung teilnimmt. Mein herzlicher Gruß richtet sich an die zahlreichen freiwilligen Helferinnen und Helfer sowie an die Vertreter einiger Abteilungen des nationalen Zivilschutzes.

Diese Begegnung wurde eingeleitet von einem Moment des Festes, bei dem die »Sinfonische Institution Abruzzen« einige Musikstücke zur Aufführung gebracht hat. Allen danke ich von Herzen. Ihr habt die vom Zivil- und Katastrophenschutz in den letzten zehn Jahren sowohl bei nationalen und internationalen Notfällen als auch bei der Unterstützung großer und besonderer Ereignisse geleistete Arbeit Revue passieren lassen. Wie sollte man bei dieser Gelegenheit nicht an die Hilfe für die Erdbebenopfer in San Giuliano in Apulien und vor allem in den Abruzzen denken? Ich konnte mich bei meinem Besuch in Onna und L’Aquila im vergangenen April persönlich davon überzeugen, mit wie viel Einsatzbereitschaft ihr denen beigestanden habt, die ihre Familienangehörigen und ihre Wohnung verloren hatten. Die Worte, die ich bei jenem Anlaß an euch gerichtet habe, scheinen mir zutreffend zu sein: »Danke für das, was ihr getan habt und vor allem für die Liebe, mit der ihr es getan habt! Danke für das Beispiel, das ihr gegeben habt!« (Ansprache bei der Begegnung mit den Gläubigen und den Hilfskräften, 28. April 2009). Und wie sollte man nicht mit Bewunderung an die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer denken, die Hilfe und Sicherheit gewährleistet haben für die unermeßliche Menge von Jugendlichen - und nicht nur für sie -, die beim unvergeßlichen Weltjugendtag 2000 anwesend waren oder nach Rom kamen, um von Papst Johannes Paul II. Abschied zu nehmen?

Liebe freiwillige Helferinnen und Helfer des Zivil- und Katastrophenschutzes: Ich weiß, daß ihr diese Begegnung von Herzen gewünscht habt, und ich kann euch versichern, daß dies auch mein lebhafter Wunsch war. Ihr seid eine jüngere und wohlorganisierte Ausdrucksform jener langen Tradition von Solidarität, die ihre Wurzeln im Altruismus und in der Großherzigkeit des italienischen Volkes hat. Die freiwilligen Hilfsorganisationen des Zivilschutzes sind ein nationales Phänomen geworden, das sich einer bedeutsamen Teilnahme und Organisation erfreut. Heute umfassen sie circa 1 300 000 Mitglieder, die in über 3 000 Organisationen unterteilt sind. Ziele und Vorsätze eurer Vereinigung sind in entsprechenden gesetzlichen Normen anerkannt worden, die zur Ausbildung einer nationalen Identität der freiwilligen Hilfsorganisationen des Zivilschutzes beigetragen haben, welcher die Grundbedürfnisse der Person und des Gemeinwohls im Auge hat.

Die Begriffe »Zivil« und »Schutz« geben präzise Koordinaten vor und sind ein tiefer Ausdruck eurer Mission, ich würde fast sagen eurer »Berufung «: die Menschen und ihre Würde - zentrale Güter der Zivilgesellschaft - zu schützen in den tragischen Fällen der Naturkatastrophen und Notlagen, die das Leben und die Sicherheit der Familien oder ganzer Gemeinschaften bedrohen. Diese Mission besteht nicht nur in der Hilfeleistung anläßlich eines Notfalls, sondern sie ist ein zuverlässiger und verdienstvoller Beitrag zur Verwirklichung des Gemeinwohls, das immer das Ziel des menschlichen Zusammenlebens darstellt, auch und vor allem in den Augenblicken großer Prüfungen. Diese sind ein Anlaß zum Umdenken und nicht Grund zum Verzweifeln. Sie bieten die Möglichkeit ein neues gesellschaftliches Projekt zu entwerfen, das mehr auf die Tugend und das Wohl aller ausgerichtet ist.

Der zweifache Aspekt des Schutzes, der sowohl während der Notlage als auch danach Ausdruck findet, ist gut beschrieben in der Gestalt des barmherzigen Samariters, die das Evangelium des hl. Lukas uns vor Augen stellt (vgl.
Lc 10,30-35). Dieser hat sicherlich Nächstenliebe, Demut und Mut gezeigt, als er dem Unglücklichen im Augenblick der größten Not beisteht. Und dies, als alle - einige aus Gleichgültigkeit, andere aus Hartherzigkeit - den Blick abwenden. Der barmherzige Samariter lehrt uns aber, über die erste Notlage hinauszugehen und, so könnten wir sagen, die Rückkehr zur Normalität vorzubereiten. Denn er verbindet die Wunden des am Boden liegenden Mannes, aber dann sorgt er auch dafür, ihn dem Wirt anzuvertrauen, damit er sich nach der Überwindung der Notlage wieder erholen kann.

Wie uns der Abschnitt aus dem Evangelium lehrt, kann die Nächstenliebe nicht delegiert werden: der Staat und die Politik können sie, auch mit der notwendigen Sorge für die öffentliche Wohlfahrt, nicht ersetzen. So habe ich in der Enzyklika Deus caritas est geschrieben: »Liebe - Caritas - wird immer nötig sein, auch in der gerechtesten Gesellschaft. Es gibt keine gerechte Staatsordnung, die den Dienst der Liebe überflüssig machen könnte. Wer die Liebe abschaffen will, ist dabei, den Menschen als Menschen abzuschaffen. Immer wird es Leid geben, das Tröstung und Hilfe braucht. Immer wird es Einsamkeit geben. Immer wird es auch die Situationen materieller Not geben, in denen Hilfe im Sinn gelebter Nächstenliebe nötig ist« (). Sie erfordert - und sie wird dies immer tun - einen persönlichen und freiwilligen Einsatz. Die freiwilligen Helfer »stopfen nicht die Löcher« im sozialen Netz, sondern sie sind Menschen, die wahrhaft dazu beitragen, das menschliche und christliche Antlitz der Gesellschaft zu zeichnen. Ohne freiwillige Helfer sind das Gemeinwohl und die Gesellschaft nicht von Dauer, denn ihr Fortschritt und ihre Würde hängen in hohem Maße von jenen Menschen ab, die mehr tun als nur ihre reine Pflicht.

Liebe Freunde! Euer Einsatz ist ein Dienst an der Würde des Menschen, die sich darauf gründet, daß er nach dem Bild Gottes und ihm ähnlich erschaffen worden ist (vgl. Gn 1,26). Wie uns die Episode vom barmherzigen Samariter gezeigt hat, gibt es Blicke, die ins Leere gehen oder sogar in die Verachtung münden, aber es gibt auch andere Blicke, die Liebe zum Ausdruck bringen können. Wacht nicht nur über das Land, sondern seid immer mehr lebendige Abbilder des barmherzigen Samariters, indem ihr dem Nächsten Aufmerksamkeit entgegenbringt, die Würde des Menschen achtet und Hoffnung verbreitet. Wenn jemand sich in Arbeit und Familie nicht nur darauf beschränkt, seine Pflicht zu tun, sondern sich für die anderen einsetzt, wird sein Herz weit. Wer den Nächsten liebt und ihm unentgeltlich dient, lebt und handelt dem Evangelium gemäß und nimmt Teil an der Sendung der Kirche, die immer den ganzen Menschen im Blick hat und ihn die Liebe Gottes spüren lassen will.

Liebe freiwillige Helferinnen und Helfer, die Kirche und der Papst unterstützen euren wertvollen Dienst. Die Jungfrau Maria, die sich »eilig« auf den Weg macht, um ihrer Kusine Elisabet zu helfen (vgl. Lc 1,39), sei euer Vorbild. Ich vertraue euch eurem Patron an, dem hl. Pater Pio von Pietrelcina, und versichere euch meines Gebetsgedenkens. Von Herzen erteile ich euch und euren Lieben den Apostolischen Segen.


AN DIE TEILNEHMER EINES VON DER

APOSTOLISCHEN PÖNITENTIARIE VERANSTALTETEN KURSES ÜBER DAS "FORUM INTERNUM"

Donnerstag, 11. März 2010



Liebe Freunde!

Ich freue mich, euch zu begegnen und jeden von euch willkommen zu heißen aus Anlaß des jährlich stattfindenden Kurses über das »Forum internum«, der von der Apostolischen Pönitentiarie veranstaltet wird. Ich grüße sehr herzlich Herrn Erzbischof Fortunato Baldelli, der zum ersten Mal als Großpönitentiar eure Studiensitzungen geleitet hat und danke ihm für die Worte, die er an mich gerichtet hat. Mit ihm begrüße ich den Regenten, Herrn Erzbischof Gianfranco Girotti, die Mitarbeiter der Pönitentiarie sowie euch alle, die ihr durch die Teilnahme an dieser Initiative die tiefe Notwendigkeit zum Ausdruck bringt, eine für den Dienst und das Leben der Priester wesentliche Thematik zu vertiefen.

30 Die Vorsehung hat es so gefügt, daß euer Kurs im Priester-Jahr stattfindet, das ich ausgerufen habe zum 150. Jahrestag der »Geburt zum Himmel« des hl. Johannes Maria Vianney, der auf heroische und fruchtbare Weise den Dienst der Versöhnung ausgeübt hat. In meinem Schreiben zum Beginn des Priester-Jahres habe ich hervorgehoben: »Wir Priester müßten alle spüren, daß jene Worte, die er [der Pfarrer von Ars] Christus in den Mund legte, uns persönlich angehen: ›Ich beauftrage meine Diener, den Sündern zu verkünden, daß ich immer bereit bin, sie zu empfangen, daß meine Barmherzigkeit unbegrenzt ist.‹ Vom heiligen Pfarrer von Ars können wir Priester nicht nur ein unerschöpfliches Vertrauen in das Bußsakrament lernen, das uns drängt, es wieder ins Zentrum unserer pastoralen Sorge zu setzen, sondern auch die Methode des ›Dialogs des Heils‹, der sich darin vollziehen muß« (O.R. dt., Nr. 26, 26.6.2009, S.8). Wo liegen die Wurzeln der heroischen Hingabe und der Fruchtbarkeit, mit denen der hl. Johannes Maria Vianney seinen Dienst als Beichtvater gelebt hat? Vor allem in einer tiefen persönlichen Dimension der Buße. Das Bewußtsein der eigenen Grenzen und das Bedürfnis, sich an die göttliche Barmherzigkeit zu wenden und um Vergebung zu bitten, um das Herz zu bekehren und auf dem Weg der Heiligkeit gestützt zu werden, sind grundlegend im Leben des Priesters: Nur wer ihre Größe selbst erfahren hat, kann die Barmherzigkeit Gottes mit Überzeugung verkündigen und ausspenden. Jeder Priester wird zum Diener des Bußsakraments durch die ontologische Gleichförmigkeit mit Christus, dem ewigen Hohenpriester, der die Menschheit mit dem Vater versöhnt; die Treue bei der Verwaltung des Sakraments der Versöhnung ist jedoch der Verantwortung des Priesters anvertraut.

Wir leben in einem kulturellen Umfeld, das von der hedonistischen und relativistischen Mentalität geprägt ist, die dazu neigt, Gott aus dem Horizont des Lebens zu entfernen, den Erwerb eines klaren Rahmens von Bezugswerten nicht fördert und die nicht dabei hilft, Gutes von Bösem zu unterscheiden und ein rechtes Sündenbewußtsein heranreifen zu lassen. Diese Situation macht den Dienst der Spender der göttlichen Barmherzigkeit noch dringender. Wir dürfen nämlich nicht vergessen, daß zwischen der Verdunkelung der Gotteserfahrung und dem Verlust des Sündenbewußtseins eine Art Teufelskreis besteht. Wenn wir jedoch auf das kulturelle Umfeld blicken, in dem der hl. Johannes Maria Vianney lebte, dann sehen wir, daß es sich unter mancherlei Aspekten nicht so sehr von dem unseren unterschied. Auch zu seiner Zeit gab es nämlich eine Mentalität, die dem Glauben feindlich gegenüberstand. Sie kam durch Kräfte zum Ausdruck, die sogar versuchten, die Ausübung des priesterlichen Dienstes zu verhindern. In dieser Situation machte der heilige Pfarrer von Ars »die Kirche zu seinem Haus«, um die Menschen zu Gott zu führen. Er lebte radikal den Geist des Gebets, die persönliche und enge Beziehung zu Christus, die Feier der heiligen Messe, die eucharistische Anbetung und die evangeliumsgemäße Armut und erschien seinen Zeitgenossen als ein so deutliches Zeichen der Gegenwart Gottes, daß er viele Bußwillige dazu brachte, bei ihm die Beichte abzulegen. In der Situation der Freiheit, in der der priesterliche Dienst heute ausgeübt werden kann, müssen die Priester ihre Antwort auf die Berufung in »anspruchsvoller Weise« leben, denn nur wer tagtäglich zur lebendigen und deutlichen Gegenwart des Herrn wird, kann in den Gläubigen das Sündenbewußtsein wecken, Mut machen und das Verlangen nach Gottes Vergebung aufkommen lassen.

Liebe Mitbrüder, es ist notwendig, in den Beichtstuhl zurückzukehren als den Ort, an dem man das Sakrament der Versöhnung feiert, aber auch als den Ort, an dem man öfter »wohnt«, damit der Gläubige Barmherzigkeit, Rat und Trost finden, sich von Gott geliebt und verstanden fühlen und die Gegenwart der göttlichen Barmherzigkeit erfahren kann, neben der Realpräsenz in der Eucharistie. Die »Krise« des Bußsakraments, von der oft die Rede ist, ist eine Herausforderung vor allem für die Priester und ihre große Verantwortung, das Gottesvolk zu den radikalen Erfordernissen des Evangeliums zu erziehen. Insbesondere verlangt sie von ihnen, sich großherzig dem Hören der sakramentalen Beichte zu widmen und die Herde mutig zu führen, damit sie sich nicht der Mentalität dieser Welt angleicht (vgl.
Rm 12,2), sondern auch Entscheidungen fällt, die gegen den Strom gehen, und dabei Zugeständnisse oder Kompromisse vermeidet. Dafür ist es wichtig, daß der Priester in ständiger asketischer Spannung lebt, die sich aus der Gemeinschaft mit Gott nährt, und daß er sich bemüht, beim Studium der Moraltheologie und der Humanwissenschaften stets auf dem neuesten Stand zu sein.

Der hl. Johannes Maria Vianney verstand es, mit den Beichtenden einen echten »Dialog des Heils« anzuknüpfen, indem er die Schönheit und Größe der Güte des Herrn aufzeigte und jenes Verlangen nach Gott und dem Himmel weckte, dessen vorrangige Träger die Heiligen sind. Er sagte: »Der gute Gott weiß alles. Schon bevor ihr beichtet, weiß er, daß ihr wieder sündigen werdet, und vergibt euch dennoch. Wie groß ist die Liebe unseres Gottes, die sogar aus freiem Willen die Zukunft vergißt, um uns zu vergeben« (vgl. A. Monnin, Il Curato d’Ars. Vita di Gian-Battista-Maria Vianney, Bd. I, Turin 1870, S. 130). Es ist Aufgabe des Priesters, jene Erfahrung des »Dialogs des Heils« zu fördern, die aus der Gewißheit entsteht, von Gott geliebt zu sein, und so dem Menschen hilft, seine Sünde zu bekennen und allmählich in jene bleibende Dynamik der Bekehrung des Herzens einzutreten, die zur radikalen Abwendung vom Bösen führt und zu einem Leben, das Gott entspricht (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, CEC 1431).

Liebe Priester, welch einen außerordentlichen Dienst hat der Herr uns anvertraut! Wie er sich in der Eucharistiefeier in die Hände des Priesters hineingibt, um weiter in seinem Volk gegenwärtig zu sein, so vertraut er sich in ähnlicher Weise im Sakrament der Versöhnung dem Priester an, damit die Menschen die Umarmung erfahren, mit der der Vater den verlorenen Sohn wieder aufnimmt, ihm die Würde als Sohn zurückgibt und ihn wieder in vollem Umfang als Erben einsetzt (vgl. Lc 15,11-32). Die Jungfrau Maria und der heilige Pfarrer von Ars mögen uns helfen, in unserem Leben die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe der Liebe Gottes zu erfahren (vgl. Ep 3,18-19), um ihre treuen und großherzigen Verwalter zu sein. Ich danke euch allen von Herzen und erteile euch gern meinen Segen.


ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI. AN DIE TEILNEHMER AN DEM VON DER KLERUSKONGREGATION ORGANISIERTEN THEOLOGISCHEN KONGRESS ZUM PRIESTERJAHR

Freitag, 12. März 2010

31
Meine Herren Kardinäle,
liebe Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
verehrte Anwesende!

Ich freue mich, euch zu diesem besonderen Anlaß zu treffen, und begrüße euch alle herzlich. Ein besonderer Gedanke gilt Kardinal Cláudio Hummes, Präfekt der Kleruskongregation, dem ich für die Worte, die er an mich gerichtet hat, danke. Mein Dank gilt dem ganzen Dikasterium für den Einsatz, mit dem es die vielfältigen Initiativen des Priesterjahres koordiniert, darunter diesen Theologischen Kongreß zum Thema »Treue Christi, Treue des Priesters«. Ich freue mich über diese Initiative, die zur Anwesenheit von über 50 Bischöfen und mehr als 500 Priestern geführt hat, von denen viele auf nationaler oder diözesaner Ebene für den Klerus und die ständige Weiterbildung verantwortlich sind. Eure Aufmerksamkeit für Themen, die das Amtspriestertum betreffen, ist eine der Früchte dieses Sonderjahres, das ich eben dazu ausgerufen habe, um »das Engagement der inneren Erneuerung aller Priester für ein stärkeres und wirksameres Zeugnis für das Evangelium in der heutigen Welt zu fördern« (Schreiben zur Eröffnung des Priesterjahres).

Das Thema der priesterlichen Identität, um die es an eurem ersten Studientag ging, ist für die Ausübung des Amtspriestertums in Gegenwart und Zukunft entscheidend. In einer derart »polyzentrischen « Zeit wie der unsrigen, die dazu neigt, jede Art von identitätsstiftender Auffassung, die von vielen als Gegensatz zur Freiheit und zur Demokratie gehalten wird, abzulehnen, ist es wichtig, sich ganz klar zu sein über die besondere theologische Eigenart des geweihten Dienstes, um nicht in die Versuchung zu verfallen, ihn auf die herrschenden kulturellen Kategorien einzuschränken. In einem Umfeld verbreiteter Säkularisierung, das fortschreitend Gott aus der öffentlichen Sphäre und tendentiell auch aus dem miteinander geteilten sozialen Bewußtsein ausschließt, erscheint der Priester oft dem allgemeinen Empfinden als »fremd«, und das gerade wegen der grundlegendsten Aspekte seines Amtes: Mann des Heiligen, der Welt entrückt zu sein, um für die Welt einzutreten, und der in diese Sendung von Gott und nicht von den Menschen eingesetzt wird (vgl.
He 5,1). Aus diesem Grund ist es wichtig, gefährliche Verkürzungen zu überwinden, die in den vergangenen Jahrzehnten unter Anwendung eher funktionalistischer als seinsbezogener Kategorien den Priester gleichsam als »Sozialarbeiter« präsentiert haben und dabei Gefahr liefen, das Priestertum Christi zu verraten. Wie sich die Hermeneutik der Kontinuität als immer dringlicher erweist, um die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils in angemessener Weise zu verstehen, so scheint analog dazu eine Hermeneutik notwendig zu sein, die wir als Hermeneutik »der priesterlichen Kontinuität« bezeichnen könnten, die ausgehend von Jesus von Nazaret, dem Herrn und Christus, und durch zweitausend Jahre der Geschichte von Größe und Heiligkeit, Kultur und Frömmigkeit, die das Priestertum in der Welt geschrieben hat, bis in unsere Tage heraufreicht.

Liebe Brüder im Priesteramt, in der Zeit, in der wir leben, ist es besonders wichtig, daß der Ruf, im geweihten Dienst an dem einen Priestertum Christi teilzuhaben, im »Charisma der Prophezeiung « erblühe: Es besteht großer Bedarf an Priestern, die zur Welt von Gott sprechen und Gott die Welt vorstellen; Männer, die nicht kurzlebigen kulturellen Moden unterworfen, sondern fähig sind, jene Freiheit glaubwürdig zu leben, die allein die Gewißheit der Zugehörigkeit zu Gott zu schenken vermag. Wie euer Kongreß treffend hervorgehoben hat, ist heute die notwendigste Prophezeiung jene der Treue, die ausgehend von der Treue Christi zur Menschheit, durch die Kirche und das Amtspriestertum dazu anleiten soll, das eigene Priestertum in völliger Anhänglichkeit an Christus und die Kirche zu leben. Denn der Priester gehört nicht mehr sich selbst, sondern ist durch das empfangene sakramentale Siegel (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche CEC 1563 CEC 1582) »Eigentum« Gottes. Dieses sein »einem Anderen zu gehören« muß durch ein klares Zeugnis für alle erkennbar sein.

In seiner Art zu denken, zu sprechen, die Gegebenheiten der Welt zu beurteilen, zu dienen und zu lieben, mit den Menschen auch im Priestergewand in Beziehung zu treten, soll der Priester aus seiner sakramentalen Zugehörigkeit, aus seinem tiefsten Wesen prophetische Kraft beziehen. Er muß also alle Sorge darauf verwenden, sich der vorherrschenden Mentalität zu entziehen, die dahin tendiert, den Wert des Priesters nicht mit seinem Sein, sondern mit seiner Funktion zu verbinden, wobei das Werk Gottes verkannt wird, das in die tiefe Identität der Person des Priesters einschneidet und ihn sich auf endgültige Weise gleichgestaltet (vgl. KKK CEC 1583).

Der Horizont der Seinszugehörigkeit zu Gott bildet zudem den richtigen Rahmen, um auch in unseren Tagen den Wert des heiligen Zölibats zu verstehen und zu bekräftigen, der in der lateinischen Kirche ein für die heilige Weihe gefordertes Charisma (vgl. Presbyterorum Ordinis PO 16) ist und in den katholischen Ostkirchen sehr hoch gehalten wird (vgl. CCEO CIO 373). Er ist eine echte prophetische Ankündigung des Reiches, Zeichen der Weihe mit ganzem Herzen an den Herrn und an die »Sache des Herrn« (1Co 7,32), Ausdruck der Selbsthingabe an Gott und an die anderen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche CEC 1579).

Die Berufung des Priesters ist daher eine sehr hohe Berufung, die auch für jene, die sie empfangen haben, ein großes Geheimnis bleibt. Unsere Grenzen und unsere Schwächen müssen uns dazu veranlassen, mit tiefem Glauben dieses kostbare Geschenk zu leben und zu hüten, mit dem Christus uns sich gleichgestaltet hat, indem er uns an seiner heilbringenden Sendung teilhaben läßt. Das Verständnis des Amtspriestertums ist nämlich an den Glauben gebunden und verlangt auf immer eindringlichere Weise eine radikale Kontinuität zwischen der Ausbildung im Priesterseminar und der ständigen Weiterbildung. Das kompromißlose prophetische Leben, mit dem wir Gott und der Welt mit der Verkündigung des Evangeliums und der Feier der Sakramente dienen werden, wird die Ankunft des bereits gegenwärtigen Reiches und das Wachsen des Gottesvolkes im Glauben begünstigen.

Liebe Priester, die Männer und Frauen unserer Zeit verlangen von uns nur, daß wir Priester sind bis zum äußersten und sonst nichts. Die gläubigen Laien werden bei vielen anderen Menschen das finden, was sie menschlich nötig haben, aber nur im Priester werden sie jenes Wort Gottes finden, das immer auf ihren Lippen sein soll (vgl. Presbyterorum Ordinis PO 4); die Barmherzigkeit des Vaters, die im Sakrament der Versöhnung reichlich und unverdient ausgegossen wird; das Brot des neuen Lebens, »den Menschen geschenkt als wahre Speise« (vgl. Hymnus am Fronleichnamsfest). Bitten wir Gott durch Fürsprache der seligen Jungfrau Maria und des hl. Jean Marie Vianney, ihm jeden Tag für das große Geschenk der Berufung danken und mit voller und freudiger Treue unser Priestertum leben zu können. Ich danke allen für diese Begegnung! Gern erteile ich einem jeden von euch den Apostolischen Segen.



ANSPRACHE 2010 26