ANSPRACHE 2010 155


AN DIE BISCHÖFE DER PHILIPPINISCHEN BISCHOFSKONFERENZ ANLÄSSLICH IHRES BESUCHES

»AD LIMINA APOSTOLORUM«


Konsistoriensaal

156

Montag, 29. November\i 2010



Liebe Brüder im bischöflichen Dienst!

Ich freue mich, euch alle anläßlich eures Besuches »ad-limina-Apostolorum« herzlich willkommen zu heißen. Ich danke Kardinal Gaudencio Rosales für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat, und versichere euch meiner Gebete und guten Wünsche für euch selbst sowie für alle, die eurer pastoralen Obhut anvertraut sind. Eure Anwesenheit hier in Rom stärkt die Bande der Gemeinschaft zwischen der katholischen Gemeinschaft auf den Philippinen und dem Stuhl Petri, einer Gemeinschaft, die mehr als vier Jahrhunderte bis zu dem Moment zurückreicht, in dem das erste eucharistische Opfer in eurem Land dargebracht wurde. Da diese Gemeinschaft des Glaubens und diese sakramentale Gemeinschaft euer Volk seit mehreren Generationen stärkt, bete ich, daß sie weiterhin als Sauerteig in der breiteren Kultur dienen möge, so daß jetzige und künftige Filipinos auch weiterhin der freudigen Botschaft des Evangeliums unseres Herrn Jesus Christus begegnen können.

Um ein solcher Sauerteig zu sein, muß die Kirche stets versuchen, ihre eigene Stimme zu finden, denn das Evangelium bringt seine Früchte, die das Leben verändern, durch die Verkündigung hervor (vgl. Mc 16,15-16). Diese Stimme kommt im moralischen und geistlichen Zeugnis des Lebens der Gläubigen zum Ausdruck. Sie kommt auch im öffentlichen Zeugnis der Bischöfe als der wichtigsten Lehrer der Kirche sowie im Zeugnis aller zum Ausdruck, die die Aufgabe haben, andere im Glauben zu unterrichten. Dank der klaren Darstellung der Wahrheit über Gott und den Menschen im Evangelium haben Generationen von engagierten philippinischen Geistlichen, Ordensleuten und gläubigen Laien eine immer gerechtere soziale Ordnung gefördert.

Manchmal berührt dieser Verkündigungsauftrag Fragen, die den politischen Bereich betreffen. Das überrascht nicht, da die politische Gemeinschaft und die Kirche, wenngleich sie sich voneinander unterscheiden, dennoch beide im Dienst der ganzheitlichen Entwicklung jedes Menschen und der Gesellschaft als ganzer stehen. Die Kirche ihrerseits trägt hauptsächlich zum Aufbau einer gerechten und gemeinnützigen gesellschaftlichen Ordnung bei. »Indem sie nämlich die Wahrheit des Evangeliums verkündet und alle Bereiche menschlichen Handelns durch ihre Lehre und das Zeugnis der Christen erhellt, achtet und fördert sie auch die politische Freiheit der Bürger und ihre Verantwortlichkeit« (Gaudium et spes GS 76).

Gleichzeitig erfordert das prophetische Amt der Kirche, daß sie die Freiheit hat, »den Glauben zu verkünden, ihre Soziallehre kundzumachen (…) und auch politische Angelegenheiten einer sittlichen Beurteilung zu unterstellen, wenn die Grundrechte der menschlichen Person oder das Heil der Seelen es verlangen« (ebd.). Angesichts dieser prophetischen Aufgabe spreche ich der philippinischen Kirche meine Anerkennung für ihren Versuch aus, dabei mitzuwirken, das menschliche Leben von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Tod zu schützen sowie die Integrität von Ehe und Familie zu verteidigen. In diesen Bereichen setzt ihr euch für Wahrheiten über den Menschen und die Gesellschaft ein, die sich nicht nur aus der göttlichen Offenbarung, sondern auch aus dem Naturrecht ergeben, eine Ordnung, die der menschlichen Vernunft zugänglich ist und so eine Grundlage für den Dialog sowie für eine tiefere Einsicht seitens aller Menschen guten Willens schafft. Ich nehme des weiteren wohlwollend die Arbeit der Kirche zur Kenntnis, die Todesstrafe in eurem Land abzuschaffen.

Ein besonderer Sektor, in dem die Kirche immer ihre Stimme finden muß, betrifft den Bereich der sozialen Kommunikation und der Medien. Die Aufgabe der ganzen katholischen Gemeinschaft besteht darin, eine hoffnungsvolle Sicht des Glaubens und der Tugend zu vermitteln, so daß die Filipinos Ermutigung und Führung auf ihrem Weg zu einem erfüllten Leben in Jesus Christus finden können. Eine gemeinsame und positive Stimme muß der Öffentlichkeit sowohl in Form der alten als auch der neuen Medien angeboten werden, so daß die Botschaft des Evangeliums einen noch stärkeren Einfluß auf die Bevölkerung des Landes ausüben kann. Es ist wichtig, daß die in sozialer Kommunikation bewanderten katholischen Laien ihre Aufgabe wahrnehmen, die christliche Botschaft auf überzeugende und anziehende Weise darzustellen.

Wenn das Evangelium Christi in der philippinischen Gesellschaft als Sauerteig wirken soll, dann muß die gesamte katholische Gemeinschaft auf die Kraft der mit Liebe verkündeten Wahrheit achten. Ein dritter Aspekt des kirchlichen Auftrags, das lebensspendende Wort Gottes zu verkünden, liegt im Engagement der Kirche in wirtschaftlichen und sozialen Fragen, vor allem mit Rücksicht auf die Ärmsten und Schwächsten in der Gesellschaft. Beim Zweiten Plenarrat der Philippinen hat die Kirche in eurem Land ein besonderes Interesse gezeigt, sich stärker für die Betreuung der Armen einzusetzen. Es ist ermutigend zu sehen, daß dieses Unternehmen erfolgreich war und daß karitative katholische Einrichtungen im ganzen Land aktiv engagiert sind. Viele eurer Mitbürger jedoch sind weiterhin arbeitslos und haben keinen Zugang zu angemessener Ausbildung oder zur Grundversorgung, so daß eure prophetischen Äußerungen und euer karitatives Wirken zugunsten der Armen weiter sehr geschätzt werden. Zusätzlich zu diesem Bemühen seid ihr zu Recht besorgt, euch weiter im Kampf gegen die Korruption einzusetzen, da es nur dann zum Wachstum einer gerechten und zukunftsfähigen Wirtschaft kommen kann, wenn überall im Land eine klare und konsequente Anwendung der Rechtsgrundsätze erfolgt.

Liebe Brüder im bischöflichen Dienst, wie mein Vorgänger Johannes Paul II. zu Recht bemerkte: »Ihr seid Hirten eines Volkes, das Maria liebt« (14. Januar 1995). Möge euch ihre Bereitschaft, das Wort, das Jesus Christus ist, auf die Welt zu bringen, eine ständige Inspiration in eurem apostolischen Amt sein. Euch allen sowie den Priestern, den Ordensleuten und den gläubigen Laien eurer Diözesen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen als Unterpfand des Friedens und der Freude.

Dezember 2010


ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.

AN HERRN GÁBOR GYORIVÁNYI,

NEUER BOTSCHAFTER UNGARNS BEIM HEILLIGEN STUHL

Donnerstag, 2. Dezember 2010



157 Sehr geehrter Herr Botschafter!

Mit Freude heiße ich Sie zu diesem feierlichen Anlaß der Übergabe Ihres Beglaubigungsschreibens als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Ungarn beim Heiligen Stuhl willkommen und danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte. Ich bedanke mich für die ehrerbietigen Grüße, die Sie mir im Namen des Herrn Präsidenten Dr. Pál Schmitt und der Regierung überbracht haben und die ich meinerseits gerne erwidere. Zugleich möchte ich Sie bitten, Ihre Landsleute meiner aufrichtigen Zuneigung und meines Wohlwollens zu versichern.

Nach der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Ungarn im Jahre 1990 konnte sich neues Vertrauen für einen aktiven und konstruktiven Dialog mit der katholischen Kirche entwickeln. Damit verbinde ich die Hoffnung, daß die tiefen Wunden jenes materialistischen Menschenbildes, das fast 45 Jahre lang sich der Herzen und der Gemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger Ihres Landes bemächtigte, in einem Klima des Friedens, der Freiheit und der Achtung der Menschenwürde weiter heilen mögen.

Der katholische Glaube gehört zweifelsohne zu den Grundpfeilern der Geschichte Ungarns. Als im fernen Jahr 1000 der junge ungarische Fürst Stephan die Königskrone empfing, die Papst Silvester II. ihm gesandt hatte, war damit der Auftrag verbunden, dem Glauben an Jesus Christus im Land Raum und Heimat zu geben. Die Frömmigkeit, der Gerechtigkeitssinn und die menschlichen Tugenden dieses großen Königs sind ein hoher Maßstab, der für jeden, dem eine Regierungsgewalt oder eine ähnliche Verantwortung übertragen ist, heute wie damals Herausforderung und Verpflichtung ist. Sicher wird vom Staat nicht erwartet, eine bestimmte Religion vorzuschreiben; er soll vielmehr die Freiheit des Bekenntnisses und der Ausübung des Glaubens gewährleisten. Und doch berühren sich Politik und christlicher Glaube. Der Glaube hat gewiß sein eigenes Wesen als Begegnung mit dem lebendigen Gott, die uns neue Horizonte weit über den eigenen Bereich der Vernunft hinaus öffnet. Aber er ist zugleich eine reinigende Kraft für die Vernunft selbst dadurch, daß er der Vernunft ermöglicht, ihr eigenes Werk besser zu tun und das ihr Eigene besser zu sehen. Es geht nicht darum, Gebote und Verhaltensweisen denen aufzudrängen, die den Glauben nicht teilen. Es geht schlicht um die Reinigung der Vernunft, die dazu helfen soll, daß das, was gut und recht ist, jetzt und hier erkannt wird und dann auch ausgeführt werden kann (vgl. Enzyklika Deus caritas est ).

In den etwas mehr als zwanzig Jahren seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, bei dem Ungarn eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hat, hat Ihr Land einen wichtigen Platz in der Völkergemeinschaft eingenommen. Seit nunmehr sechs Jahren ist Ungarn auch Mitglied der Europäischen Union. Es bringt damit einen bedeutsamen Beitrag in den vielstimmigen Chor der Staaten Europas ein. Zu Beginn des nächsten Jahres wird Ihrem Land erstmals die verantwortungsvolle Aufgabe zuteil, den Vorsitz im Rat der Europäischen Union zu übernehmen. Ungarn ist in besonderer Hinsicht berufen, ein Vermittler zwischen Ost und West zu sein. Schon die heilige Krone als Vermächtnis des Königs Stephan zeigt in der Verbindung der ringförmigen corona graeca und der sie überwölbenden corona latina, die beide das Antlitz Christi tragen und durch das Zeichen des Kreuzes bekrönt werden, wie sich der Osten und der Westen aus ihrem geistig-kulturellen Erbe und dem lebendigen religiösen Bekenntnis heraus gegenseitig stützen und bereichern sollen. Dies dürfen wir auch als ein Leitmotiv für Ihr Land auffassen.

Die Bemühungen der politischen Verantwortungsträger, eine Änderung der Verfassung zu erarbeiten, werden vom Heiligen Stuhl mit Interesse zur Kenntnis genommen. Es wurde die Absicht geäußert, daß in der Präambel auf das Erbe des Christentums Bezug genommen wird. Ebenso wünschenswert ist, daß die neue Verfassung von den christlichen Werten inspiriert ist, insbesondere was die Stellung von Ehe und Familie in der Gesellschaft sowie den Schutz des Lebens betrifft.

Ehe und Familie bilden eine entscheidende Grundlage für eine gesunde Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, der Länder und Völker. Die Ehe ist als grundlegende Ordnungsgestalt des Verhältnisses von Mann und Frau und zugleich als Zelle staatlicher Gemeinschaftsbildung vom biblischen Glauben her mitgeformt worden. So hat sie Europa sein besonderes Gesicht und seine Menschlichkeit gegeben, auch und gerade weil die damit vorgezeichnete Form von Treue und von Verzicht immer wieder eingeübt und errungen werden mußte. Europa wäre nicht mehr Europa, wenn diese Grundzelle seines sozialen Aufbaus verschwände oder wesentlich verändert würde. Wir alle wissen, wie sehr Ehe und Familie heute gefährdet sind - zum einen durch die Aushöhlung ihrer innersten Werte der Beständigkeit und Unauflöslichkeit aufgrund einer zunehmenden Liberalisierung des Scheidungsrechts und der sich immer mehr ausbreitenden Gewohnheit des Zusammenlebens von Mann und Frau ohne die rechtliche Form und den Schutz der Ehe, zum anderen durch verschiedene Arten von Lebensgemeinschaften, die kein Fundament in der Kultur- und Rechtsgeschichte Europas haben. Die Kirche kann Gesetzesinitiativen, die eine Aufwertung von alternativen Partnerschafts- und Familienmodellen bedeuten, nicht gutheißen. Sie tragen zu einer Aufweichung naturrechtlicher Prinzipien und damit zur Relativierung der gesamten Gesetzgebung wie auch des Wertbewußtseins in der Gesellschaft bei.

„Die zunehmend globalisierte Gesellschaft macht uns zu Nachbarn, aber nicht zu Geschwistern“ (Enzyklika Caritas in veritate ). Unsere Vernunft ist imstande, die Gleichheit unter den Menschen zu gewährleisten und ein bür­gerliches Zusammenleben zu gestalten, aber es gelingt ihr letztlich nicht, Brüderlichkeit zu schaffen. Diese hat ihren Ursprung in einer übernatürlichen Berufung durch Gott, der die Menschen aus Liebe erschaffen hat und uns in Jesus Christus lehrt, was geschwisterliche Liebe ist. Die Brüderlichkeit ist gewissermaßen die andere Seite der Freiheit und Gleichheit. Sie öffnet den Menschen für die Uneigennützigkeit, für den Gemeinsinn, für die Aufmerk­samkeit gegenüber den anderen. Der Mensch gelangt erst wirklich zu sich selbst, wenn er das Anspruchsdenken überwindet und zu einer Haltung des ungeschuldeten Schenkens und echter Solidarität vordringt, die seiner Berufung zur Gemeinschaft viel besser entspricht.

Die katholische Kirche nimmt wie die anderen Religionsgemeinschaften eine nicht unbedeutende Rolle in der ungarischen Gesellschaft ein. In großem Maßstab engagiert sie sich mit ihren Einrichtungen im Bereich der schulischen Ausbildung und der Kultur wie auch der Wohlfahrt und trägt so zu dem sittlichen Aufbau bei, der Ihrem Land wirklich zugute kommt. Die Kirche vertraut darauf, diesen Dienst zum Wohl der Menschen und für die Entwicklung Ihres Landes mit der Unterstützung des Staates weiterhin auszuüben und zu verstärken. Möge die Zusammenarbeit von Staat und katholischer Kirche auf diesem Gebiet auch in Zukunft zunehmen und für alle Nutzen bringen.

Sehr geehrter Herr Botschafter, zu Beginn Ihres ehrenvollen Amtes wünsche ich Ihnen eine erfolgreiche Mission und versichere Ihnen zugleich das Entgegenkommen und die Unterstützung meiner Mitarbeiter. Möge Maria, die Magna Domina Hungarorum, ihre schützende Hand über Ihr Land halten. Ihnen, Herr Botschafter, Ihrer Familie, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Botschaft und dem gesamten ungarischen Volk erbitte ich von Herzen Gottes reichen Segen.

Aus dem Vatikan, am 2. Dezember 2010




ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.

AN DIE INTERNATIONALE THEOLOGENKOMMISSION

158
Konsistoriensaal

Freitag, 3. Dezember 2010



Herr Kardinal,
verehrte Mitbrüder im Bischofsamt,
sehr geehrte Herren Professoren und liebe Mitarbeiter!

Mit Freude empfange ich euch zum Abschluß der Arbeiten eurer Jahresvollversammlung. Ich möchte zunächst meinen tiefempfundenen Dank für die ehrerbietigen Worte aussprechen, die Sie, Herr Kardinal, als Präsident der Internationalen Theologenkommission in Ihrer Grußadresse im Namen von Ihnen allen an mich gerichtet haben. Die Arbeiten dieses achten »Quinquenniums« der Kommission befassen sich, wie Sie erwähnten, mit den folgenden Themen: der Theologie und ihrer Methodologie; der Frage des einen Gottes im Verhältnis zu den drei monotheistischen Religionen; der Eingliederung der Soziallehre der Kirche in den größeren Rahmen der christlichen Lehre.

»Denn die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben: Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben. Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde« (2 Kor 5,14-15). Sollten wir diese schöne Reaktion des Apostels Paulus auf seine Begegnung mit dem auferstandenen Christus nicht auch als die unsere empfinden? Genau diese Erfahrung liegt den drei wichtigen Themen zugrunde, die ihr bei eurer soeben abgeschlossenen Vollversammlung vertieft habt.

Wer in Christus die vom Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossene Liebe Gottes entdeckt hat, möchte denjenigen, von dem er geliebt wird und den er liebt, besser kennenlernen. Kenntnis und Liebe unterstützen sich gegenseitig. Wie die Kirchenväter bekräftigt haben, wird jeder, der Gott liebt, dazu gedrängt, Theologe zu werden, wenn auch nicht immer in beruflicher Hinsicht. Vom Berufsstand her über Gott forschen und darüber sprechen zu können - »contemplari et contemplata docere« (hl. Thomas von Aquin, Super Sent., lib. 3 d. 35 q. 1 arg. 3) -, ist ein großes Privileg. Euer Nachdenken über die christliche Gottesauffassung wird ein wertvoller Beitrag sein sowohl für das Leben der Gläubigen als auch für unseren Dialog mit den Gläubigen, und auch mit den Nichtglaubenden. In der Tat enthüllt ja das Wort »Theo-logie« diesen kommunikativen Aspekt eurer Arbeit - in der Theologie versuchen wir, durch den »logos« das mitzuteilen, was wir »gesehen und gehört haben« (1Jn 1,3). Aber wir wissen sehr wohl, daß das Wort »logos« eine viel breitere Bedeutung hat, die auch den Sinn von »ratio«, »Vernunft«, einschließt. Und diese Tatsache führt uns zu einem zweiten sehr wichtigen Punkt. Wir können an Gott denken und das, was wir gedacht haben, mitteilen, weil er uns mit einer Vernunft ausgestattet hat, die im Einklang mit seiner Natur steht. Nicht zufällig beginnt das Johannesevangelium mit der Aussage »Im Anfang war das Wort (der Logos)… und das Wort (der Logos) war Gott« (Jn 1,1). Diesen Logos - diesen göttlichen Gedanken - aufzunehmen, ist schließlich auch ein Beitrag zum Frieden in der Welt. Denn Gott in seinem wahren Wesen zu erkennen, ist auch der sichere Weg, um den Frieden sicherzustellen. Ein Gott, der nicht als Quelle begriffen würde, könnte nicht Licht auf dem Weg des Friedens sein.

So wie der Mensch immer bestrebt ist, seine Erkenntnisse miteinander zu verbinden, so entfaltet sich auch die Theologie auf systematische Weise. Aber kein theologisches System kann bestehen, wenn es nicht immer von der Liebe zu seinem göttlichen »Objekt« durchdrungen ist, wenn es nicht unablässig vom Dialog mit dem göttlichen Logos, Schöpfer und Erlöser - das heißt von dessen Aufnahme in den Verstand und das Herz des Theologen - genährt wird. Außerdem ist keine Theologie wirklich eine solche, wenn sie nicht durch Zeit und Raum in das Leben und Nachdenken der Kirche eingebunden ist. Gewiß muß die Theologie, um wissenschaftlich zu sein, rational argumentieren; aber sie muß auch der Natur des kirchlichen Glaubens treu sein: auf Gott ausgerichtet, im Gebet verwurzelt sein und in einer Gemeinschaft mit den anderen Jüngern des Herrn stehen, die von der Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus und mit dem ganzen Bischofskollegium gewährleistet ist.

Diese Aufnahme und Weitergabe des Logos hat auch zur Folge, daß die Vernünftigkeit der Theologie hilft, die menschliche Vernunft zu reinigen, indem sie sie von gewissen Vorurteilen und Ideen befreit, die einen starken Einfluß auf das Denken jeder Epoche ausüben können. Es muß aber andererseits betont werden, daß die Theologie immer in Kontinuität und im Dialog mit den Gläubigen und den Theologen steht, die vor uns gekommen sind; da die kirchliche Gemeinschaft diachronisch ist, gilt das auch für die Theologie. Der Theologe beginnt nie bei Null, sondern betrachtet die Väter und die Theologen der ganzen christlichen Tradition als Lehrer. Wenn die Theologie in der mit den Kirchenvätern und Lehrern gelesenen Heiligen Schrift verwurzelt ist, kann sie eine Schule der Heiligkeit sein, wie uns der sel. John Henry Newman bezeugt hat. Den bleibenden Wert des aus der Vergangenheit überlieferten Reichtums entdecken zu helfen, ist kein geringer Beitrag der Theologie zum Konzert der Wissenschaften.

Christus ist für alle gestorben, auch wenn nicht alle das wissen oder akzeptieren. Wie könnten wir, nachdem wir die Liebe Gottes empfangen haben, jene nicht lieben, für die Christus sein Leben hingegeben hat? »Er hat sein Leben für uns hingegeben. So müssen auch wir das Leben für die Brüder hingeben« (1Jn 3,16). Das alles drängt uns zum Dienst an den anderen im Namen Christi; mit anderen Worten gesagt: der soziale Einsatz der Christen ergibt sich notwendigerweise aus der Offenbarung der göttlichen Liebe. Betrachtung des offenbarten Gottes und Nächstenliebe lassen sich nicht voneinander trennen, auch wenn sie nach verschiedenen Charismen gelebt werden. In einer Welt, die viele Gaben des Christentums - wie zum Beispiel die Vorstellung einer demokratischen Gleichheit, die eine Tochter des dem Evangelium gemäßen Monotheismus ist - oft hochschätzt, ohne die Wurzel der eigenen Ideale zu verstehen, ist es besonders wichtig zu zeigen, daß die Früchte verfaulen, wenn die Wurzel des Baumes abgeschnitten wird. Es gibt nämlich keine Gerechtigkeit ohne Wahrheit, und die Gerechtigkeit entfaltet sich nicht in vollem Maße, wenn ihr Horizont auf die materielle Welt begrenzt ist. Für uns Christen hat die soziale Solidarität immer eine Perspektive der Ewigkeit.


Liebe Theologenfreunde, unsere heutige Begegnung bringt auf wertvolle und einzigartige Weise die unentbehrliche Einheit zum Ausdruck, die zwischen Theologen und Bischöfen herrschen soll. Man kann nicht Theologe in der Einsamkeit sein: Die Theologen bedürfen des Amtes der Hirten der Kirche, so wie das Lehramt Theologen braucht, die ihren Dienst bis ins Letzte tun - mit all der Askese, die das einschließt. Ich möchte daher durch eure Kommission allen Theologen danken und sie ermutigen, Vertrauen zu haben in den großen Wert ihres Einsatzes. Während ich euch meine Wünsche für eure Arbeit ausspreche, erteile ich euch mit Liebe meinen Segen.


AN HERRN ROYSON MABUKU MUKWENA, NEUER BOTSCHAFTER SAMBIAS BEIM HEILIGEN STUHL

Clementina-Saal - Donnerstag, 16. Dezember 2010

159

Exzellenz!

Ich freue mich, Sie im Vatikan willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, durch das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Sambia beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für die Grüße, die Sie von Präsident Rupiah Bwezani Banda überbracht haben und erwidere sie gern durch meine eigenen guten Wünsche und die Versicherung meines Gebets für Seine Exzellenz und für das ganze geliebte Volk von Sambia.

Der Heilige Stuhl schätzt seine diplomatischen Beziehungen zu Ihrem Land als wichtiges Mittel zur Erlangung gegenseitiger Zusammenarbeit für das geistliche, sittliche und materielle Wohl aller Sambier. Unter der Mitarbeit von Männern und Frauen guten Willens in ganz Afrika setzt sich die Kirche für die Förderung des sittlichen, rechtlichen und sozialen Gleichgewichts unter den Mitgliedern der Menschheitsfamilie ein. Durch ihre verschiedenen Werke im Bereich von Entwicklung und Sozialfürsorge fördert sie eine ausgewogene Verwirklichung der Rechte und Pflichten des einzelnen und der Gesellschaft als ganzer. Sie strebt danach, auf den Bedarf an Gerechtigkeit, Solidarität und Eintracht aufmerksam zu machen und trägt besondere Fürsorge für die ärmeren und schwächeren Glieder der Gesellschaft. Die Kirche ist daher stolz auf das Vorbild christlicher Männer und Frauen, die ihrem Land und seinen Einrichtungen Ehre bringen, indem sie selbstlos nach dem Gemeinwohl streben und andere lehren, ebenso zu handeln und über lokale, regionale oder ethnische Belange hinauszugehen.

Besonders erfreulich ist, daß Sambias Gesetze auch weiterhin die Würde eines jeden menschlichen Lebens von der Empfängnis an achten. Machtvolle Einflüsse, die vielfach von außerhalb Afrikas kommen, trachten danach, das Recht auf Leben zu begrenzen, und meinen, es schränke die Freiheit anderer irgendwie ein. Die Kirche ihrerseits sagt jedoch, daß das Recht der unschuldigen Kinder auf Leben unantastbar ist und Vorrang haben muß vor allen anderen angeblichen Rechten. Dadurch verweist sie auf ein objektives moralisches Prinzip, das im Naturrecht verwurzelt ist und dessen Inhalt der rechten Vernunft zugänglich und nicht von politischen Entscheidungen oder gesellschaftlichem Konsens abhängig ist (vgl. Ansprache an die Vertreter der Gesellschaft Großbritanniens, London, 17. September 2010; in O.R. dt., Nr. 38, 24.9.2010, S. 14). Es ist sehr zu hoffen, Herr Botschafter, daß Sambia auch weiterhin die gebührende Achtung der Rechte eines jeden Menschen ohne Ausnahme fördern wird, in Übereinstimmung mit der Pflicht, das Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zu schützen, wie es einem wirklich christlichen Land entspricht.

In bezug auf die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung scheint es in Ihrem Land gegenwärtig ermutigende Anzeichen für eine Verbesserung zu geben, besonders im landwirtschaftlichen Bereich. Durch das wirtschaftliche Wachstum sind Gelder für wichtige Entwicklungsprojekte verfügbar geworden, besonders zur Verbreitung einer angemessenen Gesundheitsfürsorge. Die Nation hat auf diesem Gebiet bedeutende Fortschritte gemacht, was sich in einer niedrigeren Rate der Kinder- und Müttersterblichkeit sowie in anderen Bereichen, die mit der Gesundheit verbunden sind, widerspiegelt. Auch die Verbesserung der Infrastruktur, die Verfügbarkeit von angemessenem Wohnraum, der Kampf gegen die Korruption und die Erweiterung der Bildungschancen sind unverzichtbar für den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fortschritt Ihres Landes. Ebenso muß den Nöten der Benachteiligten stets gebührende Aufmerksamkeit zuteil werden. Es ist zu hoffen, daß eine vielseitige wirtschaftliche Struktur gefördert wird, ebenso wie eine zahlenmäßige Zunahme der Kleinunternehmen, denn »neben den Großprojekten braucht es die kleinen Projekte und vor allem die tatkräftige Mobilisierung aller Angehörigen der Zivilgesellschaft« (vgl. Caritas in veritate, ).

Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, daß die Kirche in Ihrem Land einen positiven Beitrag geleistet hat auf dem Gebiet von Erziehung und Bildung, Entwicklung und Gesundheitsfürsorge, besonders im Kampf gegen Malaria und HIV/Aids. Seien Sie versichert, daß sie auch weiterhin aktiv an der Förderung der Gesundheit der Bevölkerung teilnimmt, mit einer starken Betonung der Vorsorge durch Erziehung. Dauerhafte Verbesserungen im gesundheitlichen Bereich wird man durch die Erziehung zu sittlicher Verantwortung und Solidarität erlangen und insbesondere durch die eheliche Treue. Auf diese Weise setzt sich die Kirche dafür ein, einen größeren Integritätssinn des einzelnen zu fördern sowie den Aufbau einer Gesellschaft, die das Leben, die Familie und die größere Gemeinschaft wirklich hochachtet. Gestatten Sie mir, zum Abschluß dieses Willkommensgrußes erneut meine guten Wünsche und mein Gebet für Sambia und sein Volk zum Ausdruck zu bringen. Zum Beginn Ihrer Mission, Herr Botschafter, versichere ich Ihnen, daß die verschiedenen Ämter der Römischen Kurie Ihnen gerne zur Seite stehen werden. Auf Sie und Ihre Familie sowie auf alle Bürger von Sambia rufe ich von Herzen den überreichen Segen des allmächtigen Gottes herab.




ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.

AN DIE NEUEN BOTSCHAFTER ANLÄSSLICH DER GEMEINSAMEN ÜBERREICHUNG DER BEGLAUBIGUNGSSCHREIBEN

Clementina-Saal

Donnerstag, 16. Dezember 2010



160 Meine Herren Botschafter,
sehr geehrte Frau Botschafterin!

Ich freue mich, Sie heute morgen im Apostolischen Palast zur Überreichung Ihrer Beglaubigungsschreiben zu begrüßen, mit denen Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter Ihrer jeweiligen Länder beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden: Nepal, Sambia, das Fürstentum Andorra, die Republik der Seychellen und Mali. Sie haben soeben freundliche Worte von seiten Ihrer jeweiligen Staatsoberhäupter an mich gerichtet, wofür ich Ihnen danke. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihnen meinerseits meine ergebenen Grüße und meine ehrerbietigen Wünsche für sie persönlich und für die hohe Mission, die sie im Dienst ihres Landes und ihres Volkes erfüllen. übermitteln. Ebenso möchte ich durch Ihre Vermittlung alle zivilen und religiösen Autoritäten Ihrer Länder sowie auch alle Ihre Landsleute grüßen. Meine Gebete und Gedanken gelten natürlich auch den katholischen Gemeinschaften in Ihren Ländern. In ihrem ganz am Evangelium ausgerichteten Leben sind sie darauf bedacht, einen Geist brüderlicher Zusammenarbeit zu bekunden.

Ich möchte zu Ihnen, Exzellenzen, über die menschliche Brüderlichkeit sprechen. An sie hat man dieses ganze Jahr über eindringlich appelliert, um Haiti zu helfen, das von einem Erdbeben und dann von der Cholera heimgesucht worden ist. Weitere Tragödien haben im Laufe des Jahres leider auch andere Länder getroffen. Ihre Länder, die internationale Gemeinschaft und die Welt der Hilfsvereinigungen haben auf besonders dringende Hilfsappelle reagiert, eine Hilfe, die natürlich fortgesetzt und intensiviert werden sollte. Die Kirche leistet ihrerseits und durch ihre verschiedenen Einrichtungen einen vielfältigen Beitrag, den sie zeitlich verlängern wird.

Das schöne Ideal der Brüderlichkeit, das sich im Wappenspruch zahlreicher Länder findet, hat in der Entwicklung des philosophischen und politischen Denkens im Vergleich zu anderen Ideen wie Freiheit, Gleichheit, Fortschritt oder Einheit einen geringeren Widerhall gefunden. Es handelt sich um ein Prinzip, das in den modernen zeitgenössischen politischen Gesellschaften vor allem wegen des Einflusses individualistischer oder kollektivistischer Ideologien großenteils toter Buchstabe geblieben ist (vgl. Kompendium der Soziallehre der Kirche, 390). Die Brüderlichkeit hat, wie Sie wissen, wegen des Planes der brüderlichen Liebe Gottes, also der von Christus offenbar gemachten Brüderlichkeit, für die Christen eine besondere Bedeutung. In meiner letzten Enzyklika Caritas in veritate habe ich übrigens dieses Thema, das für ein harmonisches menschliches Zusammenleben unverzichtbar ist, ausführlich angesprochen.

Um würdig zu leben, braucht jeder Mensch Achtung; ebenso ist es nötig, daß ihm Gerechtigkeit widerfährt und daß seine Rechte konkret anerkannt werden. Das allein genügt jedoch nicht, um ein im Vollsinn menschliches Leben zu führen: Der Mensch braucht tatsächlich Brüderlichkeit. Das gilt nicht nur in den Beziehungen in der nächsten Umgebung, sondern ebenso auf weltweiter Ebene. Auch wenn der zur Zeit im Gang befindliche Globalisierungsprozeß die Menschen näher aneinander rückt, macht er sie deshalb noch nicht zu Brüdern. Es handelt sich hier um ein umfassenderes Problem, da - wie mein Vorgänger Papst Paul VI. feststellte - die tiefe Ursache der Unterentwicklung die fehlende Brüderlichkeit ist (vgl . Populorum progressio
PP 66).

Die menschliche Vernunft ist imstande, die Gleichheit aller Menschen und die Notwendigkeit zu erkennen, die übermäßigen Ungleichheiten zwischen ihnen zu begrenzen, aber sie erweist sich als unfähig, Brüderlichkeit herzustellen. Diese ist ein übernatürliches Geschenk. Die Kirche sieht die Verwirklichung der menschlichen Brüderlichkeit auf Erden als eine Berufung an, die in dem Schöpfungsplan Gottes enthalten ist, zu dessen immer getreuerer Mitarbeiterin sie auf weltweiter Ebene und im lokalen Bereich werden will, wie sie es in den Ländern ist, die Sie beim Heiligen Stuhl vertreten.

Auch wenn die Kirche in der Erfüllung der spezifisch spirituellen Sendung, die Christus ihr anvertraut hat, zwischen ihren Jüngern eine besondere Nähe weckt, will sie nichtsdestoweniger ihren aufrichtigen und tatkräftigen Beitrag zur Bildung einer brüderlicheren Gemeinschaft unter allen Menschen leisten. Deshalb verbietet es sich für sie von selbst, nach Art einer nur auf ihre eigenen Interessen bedachten Lobby zu handeln, sondern sie arbeitet unter dem Blick des Schöpfers aller Menschen, indem sie der Würde jedes einzelnen Ehre zuteil werden läßt. Sie bemüht sich daher, die Liebe und den Frieden zur Grundlage der vielfältigen menschlichen Bande zu machen, die die Menschen miteinander verbinden, so wie Gott es in seiner schöpferischen Weisheit gewollt hat. Im Alltagsleben findet die Brüderlichkeit in der Freigebigkeit und im Respekt einen konkreten Ausdruck. Sie wiederum sollen in allen Bereichen des menschlichen Tuns, einschließlich der Wirtschaft, zum Ausdruck kommen. Die tiefste Identität des Menschen, sein In-Beziehung-Stehen findet auch in seiner wirtschaftlichen Aktivität ihren Ausdruck, die einer der Bereiche größter Zusammenarbeit unter den Menschen ist. Durch meine letzte Enzyklika wollte ich herausstellen, daß die Wirtschaft ein Ort ist, in dem auch die Hingabe und Schenkung möglich und sogar notwendig ist (vgl. Caritas in veritate, 34-39).

Jede Art von Schenkung ist schließlich ein Zeichen der Gegenwart Gottes, denn sie führt zu der grundlegenden Entdeckung, daß uns alles geschenkt ist. Ein solches Bewußtwerden nimmt den Errungenschaften des Menschen keinesfalls etwas von ihrer Schönheit, sondern befreit sie von der ersten aller Knechtschaften, nämlich sich selber erschaffen zu wollen. Im Gegenteil, im Erkennen dessen, was ihm geschenkt wird, kann sich der Mensch dem Wirken der Gnade öffnen und begreifen, daß er dazu berufen ist, sich nicht gegen andere oder neben ihnen, sondern mit und in Gemeinschaft mit ihnen zu entfalten. Auch wenn die gelebte Brüderlichkeit zwischen den Menschen auf der Ebene der »sozialen Wirksamkeit« ein positives Echo finden kann, darf man dennoch nicht vergessen, daß sie nicht ein Mittel darstellt, sondern daß sie in sich selbst ein Ziel ist (vgl. Caritas in veritate ). Die Kirche glaubt an Christus, der uns offenbart hat, daß Gott Liebe ist (vgl. Jn 4,8). Sie ist auch überzeugt, daß für alle, die an die göttliche Liebe glauben, Gott die Sicherheit gibt, »daß allen Menschen der Weg der Liebe offensteht und daß der Versuch, eine allumfassende Brüderlichkeit herzustellen, nicht vergeblich ist« (Gaudium et spes, GS 38).

Als Diplomaten interessieren Sie sich zweifellos besonders für die verschiedenen Aspekte des politischen und sozialen Lebens, das ich soeben dargelegt habe. Während Ihrer Mission beim Apostolischen Stuhl werden Sie, Exzellenzen, die Möglichkeit haben, die Tätigkeiten und Sorgen der Kirche auf allen Kontinenten unmittelbarer zu entdecken. Sie werden bei meinen Mitarbeitern ausgesucht höfliche Aufmerksamkeit finden. Auf Sie, auf Ihre Familien, auf die Mitglieder Ihrer diplomatischen Vertretungen und auf alle Nationen, die Sie vertreten, rufe ich die Fülle der göttlichen Segnungen herab.




ANSPRACHE 2010 155