Benedikt XVI Predigten 23

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BESUCH BEI RADIO VATIKAN ANLÄSSLICH DES 75. GRÜNDUNGSJUBILÄUMS

Freitag, 3. März 2006



Zu Beginn des Besuches bei Radio Vatikan richtete Papst Benedikt XVI. bei einer Direktübertragung vom Studio »Kardinal Karol Wojtyla« aus improvisierte Grußworte an die Hörerinnen und Hörer. Er sagte:

Liebe Brüder und Schwestern!

Von Herzen grüße ich alle Hörerinnen und Hörer von Radio Vatikan und wünsche ihnen den Frieden und die Freude des Herrn. Es ist für mich eine große Freude, hier zu sein. Wir wissen, daß Papst Pius XI. vor 75 Jahren Radio Vatikan eingeweiht und so dem Heiligen Stuhl oder vielmehr der Kirche und dem Herrn eine neue Stimme verliehen hat, eine Stimme, die es wirklich ermöglicht, den Auftrag des Herrn zu erfüllen: »Verkündet das Evangelium allen Geschöpfen bis an die Enden der Erde«. Inzwischen ist in diesen 75 Jahren die Technik, wie ich sehe, sehr perfektioniert worden. Heute kann die Stimme von Radio Vatikan jeden Teil der Welt und viele Haushalte erreichen, und vor allem besteht – wie hervorgehoben wurde – ein wunderbarer Austausch; es wird nicht nur gesprochen, sondern auch Antworten werden entgegengenommen, in einem echten Dialog, um zu verstehen, zu antworten und so die Familie Gottes aufzubauen. Das scheint mir der Sinn eines solchen Kommunikationsmittels zu sein: mitzuhelfen, diese große Familie aufzubauen, die keine Grenzen kennt, in der alle Menschen in ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt Brüder und Schwestern sind und so eine Kraft für den Frieden darstellen. Allen, die mir in diesem Moment zuhören, wünsche ich, daß sie sich in diesen großen Dialog der Wahrheit wirklich einbezogen fühlen können. Wie wir wissen, fehlt es in der Welt der Kommunikationsmittel nicht an Stimmen, die hierzu im Gegensatz stehen. Um so wichtiger ist es, daß diese Stimme existiert, die sich wirklich in den Dienst an der Wahrheit, an Christus, und damit in den Dienst des Friedens und der Versöhnung in der Welt stellen will. Den Mitarbeitern wünsche ich, daß sie wirksame Instrumente dieses großen Friedenswerks des Herrn sein können. Ich danke euch für all das, was ihr Tag für Tag und vielleicht auch Nacht für Nacht tut. Den Hörern, die selbst an diesem großen Dialog beteiligt sind, wünsche ich, daß sie ihrerseits Zeugen der Wahrheit und der Kraft des Friedens in der Welt werden.
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Marconi-Saal


Herr Kardinal,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Ich bin gerne zu euch gekommen an diesen schönen Sitz im Palazzo Pio, den der Diener Gottes Paul VI. Radio Vatikan zur Verfügung gestellt hat. Ich grüße euch alle von Herzen und danke euch für den freundlichen Empfang. Insbesondere grüße ich den Generaloberen der Gesellschaft Jesu, P. Peter-Hans Kolvenbach, und danke ihm für den Dienst, den die Jesuiten seit der Gründung von Radio Vatikan dem Heiligen Stuhl erweisen, getreu dem ignatianischen Charisma der vollen Hingabe an die Kirche und an den Papst von Rom. Ich grüße Kardinal Roberto Tucci, P. Antonio Stefanizzi wie auch P. Pasquale Borgomeo – der aufgrund bereits feststehender Termine nicht anwesend sein kann –, die mehrere Jahre lang Generaldirektoren von Radio Vatikan waren. Ich grüße den derzeitigen Generaldirektor, P. Federico Lombardi, und danke ihm für die Worte, die er im Namen von euch allen an mich gerichtet hat. Ich danke Herrn Candi, der die Empfindungen der Laien unter den Angestellten zum Ausdruck gebracht hat. Meine Gedanken gehen in diesem Augenblick auch zu jenen Mitarbeitern, die sich in den anderen Niederlassungen des Senders aufhalten – im Sendezentrum von Santa Maria di Galeria, in der Palazzina Leone XIII und der Palazzina Marconi – und über audiovisuelle Medien an diesem Treffen teilnehmen. Ich grüße eure bereits pensionierten Kollegen, eure zahlreichen Mitarbeiter, Angehörigen und Freunde sowie all jene, die gerne dabeigewesen wären, was aber aufgrund der beschränkten Räumlichkeiten nicht möglich war. Schließlich weite ich meinen Gruß auch auf die Hörer eurer Sendungen aus, die sich in allen Teilen der Welt befinden.

Die eindrucksvollen Bilder von vor 75 Jahren zeigen uns die erste Sendestation von Radio Vatikan, die heute bescheiden erscheinen mag. Guglielmo Marconi wußte jedoch, daß der von Wissenschaft und Technik geöffnete Weg das Leben der Menschheit zutiefst beeinflussen würde. Auch mein verehrter Vorgänger Pius XI. war sich durchaus bewußt, welche Bedeutung das neue Kommunikationsmittel, mit dem sich die Kirche ausstattete, für die weltweite Verbreitung des päpstlichen Lehramtes haben würde. Seine erste Rundfunkansprache, die am 12. Februar 1931 die Geschichte eures Senders einleitete, richtete sich mit besonderer Feierlichkeit »an alle Völker und an jegliches Geschöpf«. In den darauffolgenden Jahren, während des Zweiten Weltkrieges, konnte der Diener Gottes Pius XII. durch seine historischen Rundfunkbotschaften allen Völkern Worte des Trostes, Mahnungen und leidenschaftliche Aufforderungen zu Hoffnung und Frieden übermitteln. Und als der Kommunismus seine Herrschaft über viele Nationen Mittel- und Osteuropas sowie über andere Teile der Erde ausbreitete, vervielfachte Radio Vatikan die Anzahl der Programme und Sprachen seiner Übertragungen, um den durch totalitäre Regime unterdrückten christlichen Gemeinschaften das Zeugnis der Nähe und der Solidarität des Papstes und der Weltkirche zu übermitteln. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde man sich noch stärker der Bedeutung bewußt, die die Kommunikationsmittel für die Verbreitung der Botschaft des Evangeliums in unserer Zeit haben würden, und euer Sender begann, mit wirksamen und modernen technischen Mitteln ein immer reicheres und ausgeprägteres Rundfunkprogramm zu entwickeln. Heute schließlich seid ihr aufgrund modernster Technologien, vor allem Satellit und Internet, in der Lage, Programme in verschiedenen Sprachen zu produzieren, die von zahlreichen Sendern in allen Erdteilen empfangen und übertragen werden und so Hörer in einem noch größeren Radius erreichen.

Liebe Freunde, für all das wollen wir dem Herrn danken und ihn gleichzeitig bitten, euch weiterhin bei eurer Arbeit zu unterstützen. Ruft ihn an mit den Worten, die auf der Fassade dieses Hauses geschrieben stehen: »Adsis Christe, eorumque aspira laboribus, qui pro tuo nomine certant – Hilf uns, Christus, und inspiriere die Arbeit jener, die für deinen Namen kämpfen«. Ja! Euer Kampf ist, wie der Apostel Paulus sagt, der »gute Kampf des Glaubens« (vgl. 1Tm 6,12) zur Verbreitung des Evangeliums Christi. Wie in eurem Statut zu lesen ist, besteht er darin, »die christliche Botschaft in Freiheit und Treue wirksam zu verkünden und das Zentrum der katholischen Christenheit mit den einzelnen Ländern in der Welt zu verbinden. Dabei soll es [Radio Vatikan] die Stimme, das Wort und die Weisung des römischen Papstes verbreiten, über die Aktivität des Heiligen Stuhls berichten und das Sprachrohr des katholischen Lebens in der Welt sein mit dem Ziel, die Probleme von heute im Licht des kirchlichen Lehramts und mit wachem Gespür für die Zeichen der Zeit abzuwägen« (Nr. 1.3).

Diese Mission bleibt immer zeitgemäß, auch wenn die Umstände und Bedingungen, unter denen sie ausgeführt wird, sich mit der Zeit ändern. Radio Vatikan ist heute in Wirklichkeit nicht mehr nur eine Stimme, die von einem einzigen Punkt ausgestrahlt wird, wie dies bei Marconis erster Rundfunkstation der Fall gewesen ist. Es ist vielmehr ein Chor von Stimmen, der in über vierzig Sprachen erschallt und mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen Dialog führen kann, ein Chor von Stimmen, der dank elektromagnetischer Wellen den Äther durchläuft und sich kapillar verteilt, um an den Knotenpunkten und Maschen jenes immer dichteren telematischen Netzes aufgenommen zu werden, das unseren Planeten umgibt. Liebe Freunde, arbeitet weiter im großen Areopag der modernen Kommunikation und beherzigt die außerordentliche Erfahrung, die ihr während des Großen Jubiläums des Jahres 2000 und noch mehr anläßlich des Todes des geliebten Papstes Johannes Paul II. gemacht habt, eines Ereignisses, das gezeigt hat, wie sehr die Menschheit danach verlangt, die Wirklichkeit der Kirche kennenzulernen. Vergeßt aber nicht, daß die Erfüllung der euch anvertrauten Mission natürlich eine entsprechende technische und professionelle Ausbildung erfordert, daß es vor allem jedoch notwendig ist, unablässig in eurem Innern den Geist des Gebetes und der Treue gegenüber der Lehre Christi und seiner Kirche zu pflegen. Stets helfe und schütze euch die Jungfrau Maria, Stern der Neuevangelisierung. Ich spreche euch noch einmal meine Dankbarkeit aus und erteile euch, liebe anwesende Brüder und Schwestern, meinen Segen, den ich auf alle euch nahestehenden Menschen und alle Hörer von Radio Vatikan ausweite.

AN DIE ITALIENISCHE CHRISTLICHE UNION

DER UNTERNEHMER Audienzenhalle

Samstag, 4. März 2006




Meine Herren Kardinäle,
liebe Freunde der Christlichen Union der Unternehmer!

Ich freue mich, euch zu empfangen und an jeden von euch meinen herzlichen Gruß zu richten. Ein besonderer Gedanke gilt Herrn Kardinal Ennio Antonelli, der eure gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Ich danke ihm für seine Grußadresse, so wie ich auch dem Präsidenten der Christlichen Union der Unternehmer für die freundlichen Worte dankbar bin, mit denen er unsere Begegnung eingeleitet und die Motivation und den Stil eures Engagements auf persönlicher und auf Verbandsebene dargestellt hat. Besonders beeindruckt hat mich der von euch bekundete Vorsatz, nach einer Ethik zu trachten, die über eine rein vom Pflichtbewußtsein bestimmte Berufsethik hinausgeht – obwohl schon das in der gegenwärtigen Lage nicht wenig wäre. Das hat mich an den Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Liebe erinnert, dem ich im zweiten Teil der Enzyklika Deus caritas est (Nr. 26–29) eine eingehende Betrachtung gewidmet habe. Der Christ ist aufgerufen, stets die Gerechtigkeit zu suchen, trägt aber den Ansporn der Liebe in sich, die über die Gerechtigkeit hinausgeht. Der Weg, den die christlichen Laien von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute zurückgelegt haben, hat ihnen das Bewußtsein vermittelt, daß die Werke der Nächstenliebe nicht an die Stelle des Einsatzes für soziale Gerechtigkeit treten dürfen. Die Soziallehre der Kirche und vor allem die Tätigkeit so vieler christlich inspirierter Vereinigungen, wie der eurigen, zeigen, welch eine lange Wegstrecke die kirchliche Gemeinschaft im Hinblick auf dieses Thema bewältigt hat. In letzter Zeit ist uns allen, auch dank des Lehramtes und des Zeugnisses der Päpste und besonders des geliebten Papstes Johannes Paul II., klarer geworden, daß Gerechtigkeit und Liebe die zwei untrennbaren Aspekte der einen sozialen Verpflichtung des Christen sind. Den gläubigen Laien kommt es in besonderer Weise zu, für eine gerechte Ordnung in der Gesellschaft dadurch zu wirken, daß sie persönlich am öffentlichen Leben teilnehmen und mit den anderen Bürgern in eigener Verantwortung zusammenarbeiten (vgl. Deus caritas Est 29). Wenn sie so handeln, sind sie von der »sozialen Liebe« beseelt, die sie offen macht für die Menschen als Menschen, für die Situationen größter Not und Einsamkeit und auch für die Bedürfnisse, die nicht materieller Art sind (vgl. ebd., 28b).

Vor zwei Jahren wurde vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden das Kompendium der Soziallehre der Kirche veröffentlicht. Es handelt sich um ein äußerst nützliches Instrument der Bildung für alle, die sich in ihrer beruflichen Tätigkeit vom Evangelium leiten lassen wollen. Ich bin sicher, daß es auch bei euch aufmerksames Interesse gefunden hat, und wünsche mir, daß es für jeden von euch und für die örtlichen Unterabteilungen der UCID zu einem festen Anhaltspunkt bei der Analyse von Problemen, bei der Ausarbeitung von Plänen und bei der Suche nach Lösungen für die komplexen Fragen der Arbeits- und Wirtschaftswelt werden wird. In der Tat verwirklicht ihr gerade in diesem Bereich einen unverzichtbaren Teil eures Auftrags als christliche Laien und damit eures Weges der Heiligung.

Außerdem habe ich mit Interesse die »Charta der Werte« der jungen UCID-Mitglieder gesehen; ich beglückwünsche euch zu dem positiven Geist des Vertrauens in die menschliche Person, der diese Charta erfüllt. Jedes »ich glaube« verbindet sie mit einem »ich verpflichte mich« und zielt so auf den Zusammenhang zwischen einer starken Überzeugung und einem daraus folgenden aktiven und wirksamen Bemühen. Besonders anerkennenswert finde ich euren Vorsatz, jedem Menschen seinen Wert zuzuerkennen, entsprechend dem, was er ist und was er seinen Talenten gemäß geben kann, und jede Form von Ausbeutung zu vermeiden, sowie die Bedeutung, die ihr der Familie und der persönlichen Verantwortung zuerkennt. Es handelt sich um Werte, die leider, auch wegen der derzeitigen schwierigen Wirtschaftslage, oft Gefahr laufen, von den Unternehmern, die ohne eine solide moralische Inspiration handeln, nicht beachtet zu werden. Deshalb ist der Beitrag all derer unverzichtbar, die diese Inspiration aus ihrer christlichen Bildung schöpfen, die um so mehr nie als selbstverständlich vorausgesetzt werden darf, sondern stets genährt und erneuert werden muß.

Liebe Freunde, in wenigen Tagen feiern wir das Fest des hl. Josef, des Schutzpatrons der Arbeiter. Seine Verehrung ist in der Geschichte eures Verbandes sicher immer lebendig gewesen. Da ich meinerseits auch seinen Namen trage, freue ich mich, ihn euch heute nicht nur als himmlischen Beschützer und Fürsprecher für jede verdienstvolle Initiative zu empfehlen, sondern vor allem als Vertrauten eures Gebets und eurer alltäglichen Verpflichtungen, die sicher viele Genugtuungen und Enttäuschungen mit sich bringen, als Vertrauten eurer täglichen und, ich würde sagen, hartnäckigen Suche nach der Gerechtigkeit Gottes in den menschlichen Angelegenheiten. Der hl. Josef wird euch helfen, die verpflichtende Aufforderung Jesu in die Tat umzusetzen: »Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen« (Mt 6,33). Stets stehe euch auch die allerseligste Jungfrau Maria bei, zusammen mit den großen Zeugen der sozialen Liebe, die durch ihre Lehre und ihr Wirken das Evangelium der Liebe verbreitet haben. Es begleite euch zum Abschluß der Apostolische Segen, den ich von Herzen euch, die ihr hier anwesend seid, erteile und den ich gern auf alle Mitglieder eurer Vereinigung und auf eure Angehörigen ausweite.

AN DIE TEILNEHMER DES INTERNATIONALEN KONGRESSES

ZUM 40. JAHRESTAG DER VERKÜNDIGUNG DES KONZILSDEKRETES "AD GENTES" ÜBER DIE MISSIONSTÄTIGKEIT DER KIRCHE Benediktionsaula

Samstag, 11. März 2006

Meine Herren Kardinäle,

ehrwürdige Brüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Herzlich begrüße ich euch alle, die ihr am internationalen Kongreß teilgenommen habt, der von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker und der Päpstlichen Universität Urbaniana zum 40. Jahrestag des Konzilsdekrets »Ad gentes« veranstaltet wurde. An erster Stelle begrüße ich Herrn Kardinal Crescenzio Sepe, den Präfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, und danke ihm für die Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich begrüße die anwesenden Bischöfe und Priester und alle, die sich an dieser Initiative beteiligt haben, die äußerst zweckmäßig ist, weil sie der Forderung nachkommt, die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils weiter zu vertiefen, um die von der Konzilsversammlung auf das Leben und die Sendung der Kirche übertragene Antriebskraft sichtbar werden zu lassen.

In der Tat hat die Mission der Kirche durch die Annahme und Verkündigung des Dekrets »Ad gentes« am 7. Dezember 1965 einen neuen Auftrieb erhalten. Die theologischen Grundlagen des missionarischen Einsatzes sowie sein Wert und seine Aktualität angesichts der Veränderungen der Welt und der Herausforderungen, vor welche sich die Verkündigung des Evangeliums durch die moderne Zeit gestellt sieht (vgl. Ad gentes ) sind besser herausgearbeitet worden. Die Kirche ist sich der fest in ihr verankerten missionarischen Berufung noch klarer bewußt geworden, da sie in ihr ein grundlegendes Element ihres eigentlichen Wesens erkannte. In Gehorsam gegenüber dem Auftrag Christi, der seine Jünger aussandte, um allen Völkern das Evangelium zu verkünden (vgl. Mt 28,18–20), fühlt sich die christliche Gemeinschaft auch in unserer heutigen Zeit zu den Männern und Frauen des dritten Jahrtausends gesandt, um sie mit der Wahrheit der Botschaft des Evangeliums vertraut zu machen und ihnen auf diese Weise den Weg zum Heil zu eröffnen. Und das ist wie gesagt nicht als Option zu verstehen, sondern es stellt die eigentliche Berufung des Volkes Gottes dar, eine Verpflichtung, die ihm aufgrund des Auftrags des Herrn Jesus Christus selbst obliegt (vgl. Evangelii nuntiandi EN 5). Ja, die Verkündigung und das Zeugnis des Evangeliums sind sogar der allererste Dienst, den die Christen jedem einzelnen Menschen und dem ganzen Menschengeschlecht leisten können, sind sie doch dazu aufgerufen, allen die Liebe Gottes zu vermitteln, die im einzigen Erlöser der Welt, Jesus Christus, ganz offenbart worden ist.

Die Veröffentlichung des Konzilsdekrets »Ad gentes«, zu dem ihr nutzbringende Überlegungen angestellt habt, hat es ermöglicht, die ursprüngliche Wurzel der Mission der Kirche besser herauszustellen, nämlich das trinitarische Leben Gottes, aus dem der Liebesstrom entspringt, der sich von den Göttlichen Personen auf die Menschheit ergießt. Alles fließt aus dem Herzen des himmlischen Vaters, der die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat (vgl. Joh Jn 3,16). Durch das Geheimnis der Menschwerdung ist der einzige Sohn zum wahren und höchsten Mittler eingesetzt worden. In ihm, der gestorben und auferstanden ist, erreicht die fürsorgliche Liebe des Vaters jeden Menschen in den Formen und auf den Wegen, die nur Er kennt. Aufgabe der Kirche ist es, diese göttliche Liebe unablässig zu vermitteln, dank dem lebendig machenden Wirken des Heiligen Geistes. Denn der Geist ist es, der das Leben der Gläubigen dadurch verwandelt, daß er sie von der Knechtschaft der Sünde und des Todes befreit und sie fähig macht, Zeugnis zu geben von der barmherzigen Liebe Gottes, der die Menschheit in seinem Sohn zu einer großen Familie machen will (vgl. Deus caritas Est 19).

Das christliche Volk hat von Anfang an erkannt, wie wichtig es ist, durch eine ständige Missionstätigkeit alle, die noch nichts von Christus wußten, an dem Reichtum dieser Liebe teilhaben zu lassen. Noch stärker empfand man in den letzten Jahren die Notwendigkeit, dieser Verpflichtung Nachdruck zu verleihen, weil die »missio ad gentes«, wie mein geliebter Vorgänger Johannes Paul II. bemerkte, heute aufgrund von Schwierigkeiten, die durch das veränderte anthropologische, kulturelle, soziale und religiöse Bild der Menschheit bedingt sind, mitunter eine Phase des Rückgangs durchzumachen scheint. Die Kirche ist heute dazu aufgerufen, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Sie ist dazu bereit, mit verschiedenen Kulturen und Religionen einen Dialog zu führen und so zusammen mit allen Menschen guten Willens nach dem Aufbau eines friedlichen Zusammenlebens der Völker zu trachten. Der Aufgabenbereich der »missio ad gentes« erscheint somit beachtlich erweitert und läßt sich nicht allein auf der Grundlage geographischer oder rechtlicher Überlegungen definieren. Tatsächlich sind nämlich nicht nur nichtchristliche Völker und ferne Länder, sondern auch die soziokulturellen Umfelder und vor allem die Herzen die wahren Adressaten der missionarischen Aktivität des Volkes Gottes.

Es geht um einen Auftrag, dessen getreue Umsetzung Geduld und Weitblick, Mut und Demut, Hören auf Gott und wachsames Erkennen der »Zeichen der Zeit« erfordert. Wie das Konzilsdekret »Ad gentes« hervorhebt, muß die Kirche wissen, daß es notwendig ist, denselben Weg zu gehen, den Christus gegangen ist, den Weg, der zum Tod am Kreuz führt, denn »so soll, was einmal für alle zum Heil vollzogen worden ist, in allen im Ablauf der Zeiten seine Wirkung erlangen« (Nr. 3). In der Tat muß die Evangelisierungsarbeit »denselben Weg gehen, den Christus gegangen ist, nämlich den Weg der Armut, des Gehorsams, des Dienens und des Selbstopfers bis zum Tode hin, aus dem er dann durch seine Auferstehung als Sieger hervorging« (Nr. 5). Ja! Die Kirche ist dazu aufgerufen, der Menschheit unserer Zeit dadurch zu dienen, daß sie einzig und allein auf Jesus vertraut, sich von seinem Wort erleuchten läßt und ihn in der hochherzigen Hingabe an die Brüder und Schwestern nachahmt. Sie ist Werkzeug in seinen Händen und tut so das, was ihr möglich ist, wobei sie sich bewußt bleibt, daß der, der alles bewirkt, immer der Herr ist.

Liebe Brüder und Schwestern, danke für die Überlegungen, die ihr in diesen Tagen angestellt habt, für die Vertiefung der Inhalte der Missionsarbeit und ihrer Bedingungen in unserer Zeit, wobei euch ganz besonders daran gelegen war, die Aufgabe der Theologie zu beleuchten, zu der auch die systematische Darstellung der verschiedenen Aspekte der Mission der Kirche gehört. Durch den Beitrag aller Christen wird die Verkündigung des Evangeliums sicher immer verständlicher und wirksamer werden. Maria, Stern der Evangelisierung, helfe und trage diejenigen, die in so vielen Gebieten der Welt dort tätig sind, wohin die Missionen ihre Grenzen ausgeweitet haben. Wie könnte ich in diesem Zusammenhang all jene unerwähnt lassen, die gerade auch in jüngster Zeit ihr Leben für das Evangelium hingegeben haben? Möge ihr Opfer einen neuen Frühling bewirken, reich an apostolischen Früchten für die Evangelisierung. Dafür beten wir und vertrauen all jene dem Herrn an, die auf unterschiedliche Weise im großen Weinberg des Herrn arbeiten. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch, die ihr hier anwesend seid, den Apostolischen Segen, den ich von Herzen auf die Menschen, die euch nahestehen, und auf die kirchlichen Gemeinschaften, denen ihr angehört, ausweite.
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ABSCHLUSS DER GEISTLICHEN EXERZITIEN ZUR FASTENZEIT

Kapelle Redemptoris Mater
Samstag, 11. März 2006




Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder!

Zum Abschluß dieser Gnadentage ist es dem Papst eine Pflicht und eine Freude, »danke« zu sagen. Ich danke vor allem dem Herrn, der uns diese Zeit der Ruhe für Körper und Geist geschenkt hat. Ich danke Ihnen, Herr Kardinal, daß Sie uns auf den Spuren des hl. Markus auf dem Weg mit Jesus nach Jerusalem angeleitet haben. Gleich zu Anfang haben Sie uns den tief kirchlichen Charakter dieses »sacramentum exercitii« vermittelt. Sie haben uns die Tatsache vermittelt, daß es sich nicht um persönliche, private Exerzitien handelte. Durch das »sacramentum exercitii« setzen wir unsere Solidarität mit der Kirche im gemeinsamen sakramentalen »exercitium« um und nehmen so unsere Verantwortung als Hirten wahr. Wir können der Welt nicht die frohe Botschaft bringen, die Christus selber ist, wenn wir nicht selbst tief mit Christus vereint sind, wenn wir ihn nicht im Innersten persönlich kennen, wenn wir nicht aus seinem Wort leben.

Zusammen mit dem ekklesialen Charakter dieser Exerzitien, die zur Kirche gehören und auf die Kirche ausgerichtet sind, haben Sie uns auch ihren christologischen Charakter aufgezeigt. Sie haben uns unsere Aufmerksamkeit auf den inneren Lehrmeister richten lassen; Sie haben uns geholfen, dem Lehrmeister, der mit uns und in uns spricht, zuzuhören; Sie haben uns geholfen zu antworten, mit dem Herrn zu sprechen und auf sein Wort zu hören. Sie haben uns auf dem Weg der Katechumenen geführt, der das Markusevangelium ist, auf einem gemeinsamen Pilgerweg nach Jerusalem zusammen mit den Jüngern, und Sie haben uns wieder einmal die Gewißheit gegeben, daß in unserem Boot – ungeachtet aller Stürme der Geschichte – Christus sitzt. Sie haben uns neu gelehrt, im leidenden Antlitz Christi, in dem mit Dornen gekrönten Antlitz die Herrlichkeit des Auferstandenen zu sehen. Dafür sind wir Ihnen dankbar, Herr Kardinal, und können mit neuer Kraft und mit neuer Freude auf dem Pilgerweg mit Christus und den Jüngern Ostern entgegengehen.

In all diesen Tagen hat sich mein Blick unwillkürlich diesem Bild der Verkündigung an Maria zugewandt. Das, was mich fasziniert hat, war Folgendes: Der Erzengel Gabriel hält eine Schriftrolle in Händen, die, glaube ich, die Heilige Schrift symbolisiert, das Wort Gottes. Und Maria kniet im Innern der Schriftrolle. Maria ist in der Schriftrolle, das heißt sie lebt im Wort Gottes, lebt mit ihrem ganzen Dasein im Innern des Wortes. Sie ist quasi vom Wort durchdrungen. So sind alle ihre Gedanken, ihr Wille und ihr Handeln vom Wort durchdrungen und geformt. Da sie selbst im Wort wohnt, kann sie auch zur neuen »Wohnung« des Wortes in der Welt werden.

Zum Schluß haben Sie, Herr Kardinal, uns in der Stille, mit nur diesen Hinweisen, auf einem marianischen Weg geführt. Dieser marianische Weg ruft uns auf, uns hineinzustellen in das Wort Gottes, unser Leben in das Wort Gottes hineinzulegen und so unser Dasein von diesem Wort durchdringen zu lassen, damit wir dann Zeugen des lebendigen Wortes sein können, Zeugen Christi in unserer Zeit.

So gehen wir mit neuem Mut, mit neuer Freude auf Ostern zu, auf die Feier des Mysteriums Christi, die stets mehr ist als eine Feier oder ein Ritus: Sie ist Gegenwart und Wahrheit. Und wir bitten den Herrn, daß er uns helfen möge, ihm nachzufolgen und auf diese Weise auch Leiter und Hirten der uns anvertrauten Herde zu sein.

Danke, Herr Kardinal!
Danke, liebe Mitbrüder!
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MARIENANDACHT MIT DEN UNIVERSITÄTSSTUDENTEN

Audienzenhalle
Samstag, 11. März 2006




Liebe Universitätsstudenten!

Nach Beendigung des Rosenkranzgebetes richte ich mit großer Freude meinen herzlichen Gruß an euch alle, die ihr hier im Vatikan und gleichzeitig in Madrid, Nairobi, Owerri, Abidjan, Dublin, Salamanca, München, Fribourg, St. Petersburg und Sofia sowie in Antananarivo und Bonn versammelt seid. Zusammen mit euch grüße ich die verehrten Hirten, die gemeinsam mit euch über Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind und euer Gebet leiten. Dies ist ein schönes Zeichen der Gemeinschaft der katholischen Kirche. Ich danke auch dem Chor und dem Orchester sowie den verschiedenen Körperschaften, die an diesem Ereignis mitgearbeitet haben: dem Vatikanischen Fernsehzentrum, Radio Vatikan, Telespazio, dem Außenministerium und dem Ministerium für Universität und Forschung, der Provinz Rom und der Stadt Rom.

Diese Marienandacht, die Papst Johannes Paul II. sehr ans Herz gewachsen war, schlägt Brücken der Brüderlichkeit zwischen den europäischen Universitätsstudenten, die heute abend verlängert werden bis ins Innere des großen afrikanischen Kontinents hinein, damit die Gemeinschaft unter den neuen Generationen wachsen und die Kultur der Liebe sich ausweiten möge. Aus diesem Grund möchte ich die Freunde, die in Afrika mit uns verbunden sind, besonders herzlich umarmen und in diese Umarmung alle geliebten afrikanischen Völker einschließen. Anschließend wandte sich der Heilige Vater an die verschiedenen Sprachgruppen und sagte: [… auf spanisch:]

Liebe Universitätsstudenten, die ihr in Madrid und Salamanca versammelt seid! Die Jungfrau Maria möge euch helfen, unter euren Freunden und Kommilitonen Zeugnis für die Liebe Gottes abzulegen. [… auf englisch:]

Meine lieben in Nairobi, Owerri und Dublin versammelten Freunde, möge Maria, Sitz der Weisheit, euch lehren, in eurem Studium und in eurem Leben stets Wahrheit und Liebe miteinander zu verbinden! [… auf deutsch:]

Liebe junge Freunde in München und in Bonn! Schöpft die göttliche Liebe aus dem Herzen Christi und bringt sie in konkreten Werken des Dienstes an euren Brüdern und Schwestern zum Ausdruck. Dabei begleite und helfe euch die Jungfrau Maria! [… auf französisch:]

Liebe Studenten in Fribourg und Abidjan! Folgt unter der mütterlichen Führung Marias stets Jesus auf dem Weg der Liebe, indem ihr aus eurem Leben ein großzügiges Geschenk macht. [… auf russisch:]

Liebe Freunde in St. Petersburg! Die Heilige Mutter Gottes begleite euren Bildungsweg, damit ihr eure berufliche Tätigkeit von christlicher Liebe beseelt beginnen könnt. [… auf bulgarisch:]

Liebe Studenten in Sofia! Gott ist Liebe: Diese Grundwahrheit des christlichen Glaubens erhelle stets euer Studium und euer ganzes Leben. [… auf italienisch:]

Liebe Freunde, gleich werde ich euren Vertretern meine Enzyklika Deus caritas est überreichen. Auf diese Weise möchte ich sie symbolisch allen Studenten in Europa und Afrika überreichen mit dem Wunsch, daß die Grundwahrheit des christlichen Glaubens – Gott ist die Liebe – den Weg eines jeden von euch erhellen und sie durch euer Zeugnis auf eure Studienkollegen ausstrahlen möge. Diese Wahrheit über die Liebe Gottes, die Ursprung, Sinn und Ziel des Universums und der Geschichte ist, ist von Jesus Christus durch sein Wort und sein Leben offenbart worden, vor allem durch das Ostergeschehen: durch seinen Tod und seine Auferstehung. Sie liegt der christlichen Weisheit zugrunde, die wie Sauerteig jede menschliche Kultur zum Wachsen bringen kann, damit diese das Beste aus sich herausholen und zum Heranwachsen einer gerechteren und friedlicheren Welt beitragen kann.

Liebe Studenten, während ich euch die Enzyklika übergebe, lege ich euch auch meine Botschaft zum XXI. Weltjugendtag ans Herz, den wir am kommenden Palmsonntag feiern werden. Diese Botschaft habe ich der großen Bedeutung gewidmet, die das Wort Gottes besitzt, und deshalb habe ich ihren Titel dem Vers des 119. Psalms entnommen, der lautet: »Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade«. Zur Vorbereitung auf den Palmsonntag lade ich euch zum traditionellen Treffen für alle Jugendlichen ein, das am Nachmittag des 6. April, dem Donnerstag vor dem Palmsonntag, auf dem Petersplatz stattfinden wird. Wir werden das Pilgerkreuz entgegennehmen, das aus Köln kommt, und werden fast genau ein Jahr nach seinem Tod uns mit dankbarem Herzen an meinen großen Vorgänger Johannes Paul II. erinnern.

Maria, Sitz der Weisheit, erwirke für euch in dieser Fastenzeit eine tiefe geistliche Erneuerung, damit ihr stets zur Ehre Gottes leben und ihm euer Studium darbringen könnt. Daher versichere ich euch, daß ich auch weiterhin in meinen Gebeten an euch denken werde, während ich euch alle und eure Angehörigen von Herzen segne.

AN DIE MITGLIEDER DES "AMERICAN JEWISH COMMITTEE" Donnerstag, 16. März 2006



Sehr geehrte Mitglieder des »American Jewish Committee«!

Ich freue mich, Sie im Vatikan willkommen zu heißen, und ich bin zuversichtlich, daß diese Begegnung Sie in Ihren Bemühungen um eine Vertiefung der Freundschaft zwischen dem jüdischen Volk und der katholischen Kirche weiter unterstützen wird.

Der 40. Jahrestag der Konzilserklärung Nostra aetate, den wir kürzlich begangen haben, hat unseren gemeinsamen Wunsch verstärkt, einander besser kennenzulernen und einen Dialog zu entwickeln, der von gegenseitiger Achtung und Liebe geprägt ist. Juden und Christen besitzen in der Tat ein reiches gemeinsames Erbe. In vielerlei Hinsicht macht dies unsere Beziehung einzigartig unter allen Religionen der Welt. Die Kirche kann nie jenes auserwählte Volk vergessen, mit dem Gott einen heiligen Bund geschlossen hat (vgl. Nostra aetate NAE 4).

Judentum, Christentum und Islam glauben an den einen Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde. Daraus folgt, daß alle drei monotheistischen Religionen zur Zusammenarbeit für das Gemeinwohl der Menschheit aufgerufen sind, indem sie der Sache der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt dienen. Dies ist besonders in der heutigen Zeit wichtig, in der mit besonderer Aufmerksamkeit die Ehrfurcht vor Gott, vor den Religionen und ihren Symbolen sowie vor heiligen Orten und Kultstätten gelehrt werden muß. Die Anführer der Religionsgemeinschaften tragen die Verantwortung, durch aufrichtigen Dialog und Gesten menschlicher Solidarität auf Versöhnung hinzuarbeiten.

Liebe Freunde, ich bete dafür, daß der heutige Besuch Sie in Ihren Bemühungen, über alle Hindernisse hinweg Brücken des Verstehens zu bauen, bestärken möge. Auf Sie alle rufe ich die göttlichen Gaben der Kraft und des Wohlergehens herab.
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Benedikt XVI Predigten 23