Benedikt XVI Predigten 29

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MARIANISCHE GEBETSVIGIL

AM ERSTEN TODESTAG VON JOHANNES PAUL II.

Petersplatz

Sonntag, 2. April 2006




Liebe Brüder und Schwestern!

Wir haben uns an diesem Abend, am ersten Jahrestag des Todes unseres geliebten Papstes Johannes Paul II., zu dieser marianischen Gebetsvigil versammelt, die von der Diözese Rom organisiert worden ist. Ich begrüße euch alle, die ihr hier auf dem Petersplatz anwesend seid, mit Zuneigung, angefangen bei Kardinalvikar Camillo Ruini und den Weihbischöfen, und denke besonders an die Kardinäle, Bischöfe, Priester, Ordensleute und alle Laien, vor allem an die Jugendlichen. Es ist wirklich die ganze Stadt Rom symbolisch hier versammelt zu diesem ergreifenden Moment der Reflexion und des Gebets. Mein besonderer Gruß gilt Kardinal Stanislaw Dziwisz, Erzbischof und Metropolit von Krakau, der über viele Jahre hinweg ein treuer Mitarbeiter des verstorbenen Papstes gewesen ist und der jetzt in Direktschaltung mit uns verbunden ist. Es ist bereits ein Jahr vergangen seit dem Tod des Dieners Gottes Johannes Paul II., der fast genau zu dieser Stunde eingetreten ist – um 21.37 Uhr –, aber die Erinnerung an ihn ist nach wie vor sehr lebendig, wie die vielen Veranstaltungen bezeugen, die in diesen Tagen in allen Teilen der Welt geplant sind. Er ist auch weiterhin in unseren Gedanken und in unserem Herzen gegenwärtig; er vermittelt uns auch weiterhin seine Liebe zu Gott und seine Liebe zu den Menschen; er weckt weiterhin in allen, besonders in den jungen Menschen, die Begeisterung für das Gute und den Mut, Jesus und seiner Lehre zu folgen.

Wie soll man das Leben und das evangeliumsgemäße Zeugnis dieses großen Papstes zusammenfassen? Ich könnte versuchen, es in zwei Worten zu tun: »Treue« und »Hingabe«, vollkommene Treue zu Gott und vorbehaltlose Hingabe an die eigene Sendung als Hirte der universalen Kirche. Diese Treue und Hingabe wurden in den letzten Monaten seines Lebens noch überzeugender und ergreifender sichtbar, in denen er selbst das verkörperte, was er 1984 im Apostolischen Schreiben Salvifici doloris geschrieben hatte. Nach diesem Schreiben »ist das Leiden dafür in der Welt, um Liebe zu wecken, um Werke der Nächstenliebe zu veranlassen und die gesamte menschliche Zivilisation in eine ›Zivilisation der Liebe‹ zu verwandeln« (Nr. 30). Seine Krankheit, die er mutig auf sich nahm, hat alle Menschen aufmerksamer werden lassen für den menschlichen Schmerz, für jeden körperlichen und geistlichen Schmerz; sie hat dem Leiden Würde und Wert verliehen und Zeugnis davon gegeben, daß der Mensch nicht aufgrund seiner Leistungsfähigkeit oder seines Erscheinungsbildes, sondern aus sich selbst heraus einen Wert besitzt, da er von Gott geschaffen wurde und von ihm geliebt ist. Der liebe Johannes Paul II. wurde nicht müde, der Welt durch Wort und Tat zu zeigen, daß der Mensch, wenn er sich von Christus umarmen läßt, nicht auf den Reichtum seines Menschseins verzichtet und daß ihm, wenn er Christus von ganzem Herzen treu ist, nichts fehlen wird. Die Begegnung mit Christus schenkt uns im Gegenteil Begeisterung für unser Leben. Eben weil sich unser geliebter Papst im Gebet, in der Kontemplation, in der Liebe zur Wahrheit und zur Schönheit immer mehr Gott genähert hat, konnte er für uns alle zum Weggefährten werden und maßgeblich auch zu den Menschen sprechen, die dem christlichen Glauben fernstehen.

Am ersten Jahrestag seiner Heimkehr in das Haus des Vaters sind wir eingeladen, von neuem das geistliche Erbe anzunehmen, das er uns hinterlassen hat; wir werden unter anderem angespornt, in unserem Leben unermüdlich nach der Wahrheit zu suchen, die allein unserem Herzen Frieden schenkt. Wir werden dazu ermutigt, keine Angst zu haben, Christus nachzufolgen, um allen Menschen das Evangelium zu verkünden, das Ferment einer brüderlicheren und solidarischeren Menschheit ist. Möge Johannes Paul II. uns vom Himmel her helfen, unseren Weg fortzusetzen und fügsame Jünger Jesu zu bleiben, um, wie er selbst immer wieder gern zu den Jugendlichen sagte, jetzt zu Beginn des dritten christlichen Jahrtausends »Wächter des Morgens« zu sein. Rufen wir darum Maria, die Mutter des Erlösers, an, die er stets mit großer Liebe verehrte.

Ich wende mich jetzt an die Gläubigen, die in Polen mit uns verbunden sind. [Auf polnisch sagte der Papst:]

Vereinen wir uns im Geist mit den Polen, die sich in Krakau, in Warschau und an den anderen Orten zur Gebetsvigil versammelt haben. Die Erinnerung an Johannes Paul II. ist in uns lebendig, und das Bewußtsein seiner geistlichen Anwesenheit nimmt nicht ab. Die Erinnerung an die besondere Liebe, die er für seine Landsleute empfand, möge euch stets Licht auf dem Weg zu Christus sein. »Bleibt stark im Glauben.« Ich segne euch von Herzen. [Papst Benedikt XVI. schloß auf italienisch:]

Jetzt erteile ich allen von Herzen meinen Segen.

AN DIE BISCHÖFE DER ELFENBEINKÜSTE

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Montag, 3. April 2006



Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Mit Freude empfange ich euch in diesen Tagen, in denen ihr euren »Ad-limina«-Besuch durchführt und damit eure unverbrüchliche Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri und mit der Gesamtkirche bekundet. In der Tat, der Bischof, »der ja sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit der eigenen Teilkirche ist, ist ebenfalls das sichtbare Band der kirchlichen Gemeinschaft zwischen seiner Teilkirche und der Gesamtkirche« (Pastores gregis, 55). Ich danke dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, Bischof Laurent Akran Mandjo, für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat, wobei er einen umfassenden Überblick über die Lage der Kirche in der Republik Elfenbeinküste gegeben hat. Überbringt nach eurer Rückkehr allen die herzlichen Grüße des Papstes und die Versicherung seines inständigen Gebets, damit die Nation in einer echten Brüderlichkeit aller ihrer Kinder wieder zu Einheit und Frieden finde.

Denn die Krise, die euer Land erlebt, hat bedauerlicherweise Spaltungen an den Tag gebracht, die eine tiefe Wunde in den Beziehungen zwischen den verschiedenen Komponenten der Gesellschaft darstellen. Die Gewaltausbrüche, die daraus entstanden sind, haben dem Vertrauen der Menschen untereinander und der Stabilität des Landes schweren Schaden zugefügt und viele Leiden hinterlassen, die schwer zu heilen sind. Die Wiederherstellung eines echten Friedens wird nur durch großzügig gewährte Vergebung und tatsächlich vollzogene Versöhnung unter den betroffenen Menschen und Gruppen möglich sein. Um das zu erreichen, müssen alle beteiligten Parteien eine mutige Fortsetzung des Dialogs akzeptieren, um gründlich und ehrlich die Ursachen zu ermitteln, die zur gegenwärtigen Situation geführt haben, und Mittel und Wege zu finden, um in Gerechtigkeit und Wahrheit zu einer für alle annehmbaren Lösung zu gelangen. Der Weg des Friedens ist lang und beschwerlich, aber er ist niemals unmöglich.

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, in diesem gemeinsamen Bemühen haben die Katholiken ihren Platz eingenommen, denn der Aufbau einer versöhnten Welt kann sie niemals unbeteiligt lassen. Es steht in ihrer Verantwortung, zur Herstellung harmonischer und brüderlicher Beziehungen zwischen Personen und Menschengruppen beizutragen. Damit man an eine vollkommene Verwirklichung dieser Zielsetzung glauben kann, muß zuerst das Vertrauen unter den Jüngern Christi wiederhergestellt werden, ungeachtet der Meinungsverschiedenheiten, die zwischen ihnen auftreten können. Denn vor allem innerhalb der Kirche muß echte Liebe in Einheit und Versöhnung gelebt werden, damit sie so der Lehre des Herrn folgt: »Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt« (Jn 13,35). Es kommt also den Christen zu, sich von der Kraft des Geistes verwandeln zu lassen, um wahre Zeugen der Liebe des Vaters zu sein, der aus allen Menschen eine einzige Familie machen will. Ihr Wirken, das sie mit den Leiden und Bedürfnissen ihrer Brüder konfrontiert, wird dann ein überzeugender Ausdruck dafür sein. Angesichts von politischen oder ethnischen Spannungen müssen in euren Diözesankirchen Bischöfe, Priester und geweihte Personen für alle Vorbilder der Brüderlichkeit und Liebe sein und durch ihr Wort und ihr Verhalten zum Aufbau einer geeinten und versöhnten Gesellschaft beitragen.

Unter diesem Gesichtspunkt wird die anfängliche Ausbildung und ständige Weiterbildung der Priester stets eine eurer Hauptaufgaben sein. Um schwierigen Situationen in der heutigen Welt entgegenzutreten und vor allem dem Priester zu ermöglichen, sein priesterliches Dasein in ganzer Fülle aufzubauen, wird diese Ausbildung dem geistlichen Leben einen wesentlichen Platz einräumen. Die Sendung des Priesters ist es ja, den Gläubigen zu helfen, das Geheimnis Gottes zu entdecken und anderen Menschen gegenüber offen zu sein. Deshalb ist er aufgerufen, ein echter Gottsucher zu sein und gleichzeitig den Sorgen der Menschen nahe zu bleiben. Ein intensives geistliches Leben, das ihm erlaubt, tiefer in Gemeinschaft mit dem Herrn zu treten, wird ihm helfen, sich von der Liebe Gottes in Besitz nehmen zu lassen, um den Menschen verkünden zu können, daß diese Liebe vor nichts haltmacht. Zudem wird der Priester dadurch, daß er die Keuschheit im Zölibat treu lebt, zu erkennen geben, daß sein ganzes Sein Selbsthingabe an Gott und an seine Brüder ist. Ich lade euch daher ein, mit väterlicher Sorge über eure Priester zu wachen, um die Einheit und das brüderliche Leben unter ihnen zu fördern. Mögen sie in euch einen Bruder finden, der ihnen zuhört, der ihnen in schwierigen Augenblicken beisteht, und einen Freund, der sie ermutigt, in ihrem persönlichen Leben und in der Verkündigung des Evangeliums fortzuschreiten!

In euren Fünfjahresberichten habt ihr die Dringlichkeit der Ausbildung der Laien unterstrichen. Tatsächlich ist die Vertiefung des Glaubens notwendig, um der Rückkehr zu alten Gebräuchen oder dem Werben der Sekten zu widerstehen und um vor allem in einer komplexen Welt, die vor neuen und schwierigen Problemen steht, Zeugnis zu geben von der christlichen Hoffnung. Ich ermutige euch besonders, den Katechisten, denen ich für ihre Hingabe an den Dienst der Kirche meine Anerkennung ausspreche, eine solide Ausbildung zu geben, die sie dazu befähigt, die ihnen übertragene Aufgabe zu erfüllen und gleichzeitig ihren Glauben konsequent zu leben. Die Gläubigen, besonders diejenigen, die im akademischen, politischen oder wirtschaftlichen Bereich tätig sind, werden hinsichtlich ihres menschlichen und geistlichen Wachstums sowie hinsichtlich ihrer Sendung in der Welt im »Kompendium der Soziallehre der Kirche« ein fundamentales Hilfsmittel für die Ausbildung und Evangelisierung finden.

Damit die Kirche ein immer deutlicheres Zeichen dessen sein kann, was sie ist, und damit sie immer mehr im Einklang mit ihrer Sendung steht, ist es erforderlich, an der Inkulturation des Glaubens zu arbeiten. Dieser Prozeß, der für die Verkündigung des Evangeliums an alle Kulturen so wichtig ist, darf nicht die Eigenart und Unversehrtheit des Glaubens gefährden, sondern er soll den Christen helfen, die Botschaft des Evangeliums besser zu verstehen und sie in ihrer eigenen Kultur besser zu leben, sowie Gebräuche aufzugeben, die zu den Taufversprechen im Widerspruch stehen. Wie ihr in euren Berichten erwähnt habt, ist die Last der überkommenen Mentalität oft ein Hindernis für die Annahme des Evangeliums. Die Ehe – ein Weg zur Heiligung So betrifft unter den zahlreichen Fragen, die sich die Gläubigen stellen, eine der wichtigsten die Verpflichtung, die das Sakrament der Ehe mit sich bringt. Die Polygamie oder das faktische Zusammenleben ohne religiöse Trauung sind oft die Haupthindernisse. Deshalb ist es notwendig, unablässig die Anstrengungen fortzusetzen, die ihr unternommen habt, um vor allem junge Menschen zu einer besseren Akzeptanz der Tatsache zu führen, daß für den Christen die Ehe ein Weg zur Heiligung ist. Voraussetzung für die Ehe ist daher eine unauflösbare Liebe; »dank dieser ihrer Beständigkeit vermag sie wirksam zur vollen Verwirklichung der aus der Taufe erwachsenen Berufung der Eheleute beizutragen« (Ecclesia in Africa, 83).

Schließlich möchte ich noch mit Interesse die Entwicklung der kirchlichen Bewegungen in euren Diözesen hervorheben, die dazu beitragen, den christlichen Gemeinschaften neuen missionarischen Antrieb zu verleihen. Ich lade die Mitglieder dieser Gruppen ein, Christus immer tiefer persönlich kennenzulernen, um sich ihm hochherzig hinzugeben, während sie tief im Glauben der Kirche verwurzelt bleiben. Diese Bewegungen müssen jedoch stets Gegenstand eines mit Klarsicht geführten Unterscheidungsprozesses seitens der Bischöfe sein, um die Kirchlichkeit des Weges, den die Bewegungen gehen, zu gewährleisten, damit echte Gemeinschaft mit der Kirche auf Welt- und Diözesanebene bewahrt bleibt.

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, zum Abschluß dieser Begegnung möchte ich noch einmal die Zuneigung des Nachfolgers Petri für das Volk der Elfenbeinküste betonen, dem ich noch einmal eindringlich sage: »Sie alle lade ich ein, den konstruktiven Dialog für Versöhnung und Frieden fortzuführen« (Angelus, 22. Januar 2006; in O.R. dt., Nr. 4, 27.1.2006, S. 3). Ich vertraue euch, die Priester, Ordensleute, Katechisten und alle Gläubigen eurer Diözesen der Fürsprache Unserer Lieben Frau, Königin des Friedens, an. Allen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



AN DIE VERTRETER DES POLNISCHEN VERLAGSHAUSES "ZNAK" Samstag, 8. April 2006

Sehr geehrte Damen und Herren,


ich danke Ihnen für Ihr Kommen und für die Worte, die soeben an mich gerichtet worden sind. Ich erinnere mich an unsere früheren Begegnungen und freue mich, Sie hier empfangen zu können.

Sie vertreten den Kreis, der seit Jahren im Umfeld des Verlagshauses »ZNAK« besteht. Ich weiß, daß dieser Kreis sich nicht auf Tätigkeiten beschränkt, die mit der Veröffentlichung von Büchern zusammenhängen, sondern sich für die Förderung der christlichen Kultur im weitesten Sinne einsetzt und auch karitative Aufgaben übernimmt. Dies ist ein wertvoller Beitrag zur Gestaltung des geistlichen Antlitzes von Krakau, Polen und der Kirche.

Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, um Ihrem Verlag für die Veröffentlichung meiner Bücher in polnischer Sprache zu danken. Ich bin dankbar für die Sorgfalt, mit der diese Texte für den Druck vorbereitet worden sind.

Sie sind in Zusammenhang mit dem Jahrestag des Todes meines großen Vorgängers Johannes Paul II. nach Rom gekommen. Ich weiß, daß er schon als Bischof von Krakau »ZNAK« besondere Aufmerksamkeit schenkte. Er blieb diesem Kreis auch dann treu, als ihn die Göttliche Vorsehung auf den Stuhl Petri berief. Er hat die aktive Beteiligung der Laien am Leben der Kirche stets geschätzt und ihre zweckmäßigen Initiativen unterstützt. Es ist kein Zufall, daß er sein letztes Buch, das den Titel »Erinnerung und Identität« trägt, Ihrem Verlagshaus anvertraut hat. Mit Dankbarkeit nahm er während seines Aufenthalts im Krankenhaus »Gemelli«, kurz vor seiner Rückkehr in das Haus des Vaters, die ersten Exemplare dieses Buches entgegen. Ich bin sicher, daß er Ihnen auch weiterhin seinen Beistand gewährt und daß er den Segen und die Gnade Gottes für Sie erbittet. Um ihm ein ehrendes Andenken zu bewahren, bitte ich Sie, Christus und der Kirche treu zu bleiben. Möge Ihr Eifer für die Verbreitung der Kultur, die auf die ewigen Werte gegründet ist, nie erlöschen!

Noch einmal danke ich Ihnen für Ihren Besuch und segne Sie von Herzen: im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.



AN DIE TEILNEHMER AM INTERNATIONALEN HOCHSCHULKONGRESS "UNIV 2006" Audienzenhalle

Montag, 10. April 2006

Liebe Freunde!


An euch alle richte ich einen herzlichen Gruß. Einer Tradition folgend, die bereits einige Jahre andauert, seid ihr nach Rom gekommen, um hier die Karwoche und Ostern zu erleben und am Internationalen Hochschulkongreß »UNIV« teilzunehmen. Ihr kommt, wie man sehen kann, aus vielen verschiedenen Ländern und beteiligt euch eifrig an den Initiativen christlicher Bildung, die die Prälatur des »Opus Dei« in euren Städten fördert. Herzlich willkommen zu dieser Begegnung und danke für euren Besuch. Ich grüße besonders euren Prälaten, Bischof Javier Echevarría Rodríguez, sowie den jungen Mann, der euch vertritt, und spreche ihnen meinen Dank aus für die Empfindungen, die sie im Namen aller geäußert haben.

Eure Anwesenheit in Rom, dem Herzen der christlichen Welt, gibt euch während der Karwoche Gelegenheit, das Ostergeheimnis intensiv zu erleben. Sie erlaubt euch insbesondere, Christus persönlicher zu begegnen, vor allem durch die Betrachtung seines Leidens, seines Todes und seiner Auferstehung. Er ist es, wie ich in der Botschaft zum XXI. Weltjugendtag geschrieben habe, der eure Schritte, euer Universitätsstudium und eure Freundschaften im Kommen und Gehen des täglichen Lebens lenkt. Auch für jeden von euch kann, wie damals für die Apostel, die persönliche Begegnung mit dem göttlichen Meister, der euch Freunde nennt (vgl. Joh Jn 15,15), der Beginn eines außerordentlichen Abenteuers sein: des Abenteuers, Apostel unter euren Altersgenossen zu werden, um sie dahin zu führen, die gleiche Erfahrung wie ihr zu machen, die Erfahrung der Freundschaft mit dem menschgewordenen Gott, mit Gott, der sich zu meinem Freund gemacht hat. Vergeßt nie, liebe Jugendliche, daß von der Begegnung und der Freundschaft mit Jesus letztlich euer, unser Glück abhängt.

Für sehr interessant halte ich das Thema, das ihr in eurem Kongreß vertieft: die Kultur und die sozialen Kommunikationsmittel. Wir müssen leider feststellen, daß die neuen Technologien und die Massenmedien in der heutigen Zeit nicht immer die persönlichen Beziehungen, den aufrichtigen Dialog und die Freundschaft unter den Menschen fördern; nicht immer helfen sie dabei, das innere Leben der Beziehung mit Gott zu pflegen. Für euch, das weiß ich wohl, stellen Freundschaft und Kontakte zu den Mitmenschen, vor allem zu euren Altersgenossen, einen wichtigen Teil des Alltagslebens dar. Es ist notwendig, daß ihr Jesus als einen eurer liebsten Freunde, ja als euren besten Freund, betrachtet. Dann werdet ihr sehen, wie die Freundschaft mit ihm euch dazu führen wird, euch den anderen gegenüber zu öffnen, sie als Geschwister zu betrachten und zu jedem eine aufrichtige freundschaftliche Beziehung zu unterhalten. In der Tat ist Jesus Christus die »fleischgewordene Liebe Gottes« (vgl. Deus caritas Est 12), und nur in ihm kann man die Kraft finden, den Brüdern und Schwestern menschliche Zuneigung und übernatürliche Liebe zu schenken in einem Geist des Dienens, der seinen Ausdruck vor allem im Verständnis findet. Es ist großartig, sich vom anderen verstanden zu wissen und auch selbst anzufangen, den anderen zu verstehen.

Liebe Jugendliche, erlaubt mir, das zu wiederholen, was ich im August vergangenen Jahres zu euren in Köln versammelten Altersgenossen gesagt habe: Wer Christus entdeckt hat, muß andere zu ihm führen, denn eine große Freude kann man nicht für sich selbst behalten, sondern muß sie weitergeben (vgl. Predigt auf dem Marienfeld Am 21 Am 2005 in O.R. dt., Nr. Dt 34,26 Dt 34,8 Dt 34, S. Dt 16). Das ist die Aufgabe, zu der euch der Herr ruft; das ist das »Apostolat der Freundschaft«, das der hl. Josemaría, der Gründer des »Opus Dei«, beschreibt als »eine ›persönliche‹ Freundschaft, die opferfreudig ist und aufrichtig: eine Freundschaft von Du zu Du, von Herz zu Herz« (Die Spur des Sämanns, 191). Jeder Christ ist eingeladen, Gottes Freund zu sein und durch seine Gnade die eigenen Freunde zu ihm zu ziehen. Die apostolische Liebe wird auf diese Weise zu einer wahren Leidenschaft, die ihren Ausdruck in der Weitergabe des in Jesus gefundenen Glücks an andere Menschen findet. Es ist wiederum der hl. Josemaría, der euch einige Schlüsselworte eures geistlichen Weges in Erinnerung ruft: »Kommunion, Vereinigung, Sich-Mitteilen, Sich-Anvertrauen: Wort, Brot, Liebe« (Der Weg, 535) – die großen Worte, die die wesentlichen Elemente unseres Weges zum Ausdruck bringen. Wenn ihr die Freundschaft mit Jesus pflegt, wenn ihr regelmäßig die Sakramente empfangt, vor allem das Bußsakrament und die Eucharistie, könnt ihr die »neue Generation von Aposteln« werden, »die im Wort Christi verwurzelt sind, in der Lage, eine Antwort zu geben auf die Herausforderungen unserer Zeit, und bereit, überall das Evangelium zu verkünden« (Botschaft zum XXI. Weltjugendtag; in O.R. dt., Nr. 11, 17.3.2006, S.2).

Die allerseligste Jungfrau helfe euch, dem Herrn, der euch in seine Nachfolge ruft, stets euer Jawort zu geben, und der hl. Josemaría sei euer Fürsprecher. Ich wünsche euch, daß ihr die Karwoche im Gebet und in der Reflexion verbringt, im Kontakt mit den vielen Spuren christlichen Glaubens in Rom, und mit großer Zuneigung segne ich euch, diejenigen, die sich um eure Ausbildung kümmern, und alle Menschen, die euch nahestehen.
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KREUZWEG AM KOLOSSEUM

WORTE VON BENEDIKT XVI. Karfreitag, 14. April 2006

Liebe Brüder und Schwestern!


Wir haben Jesus auf dem Kreuzweg begleitet. Wir haben ihn hier, auf dem Weg der Märtyrer begleitet – im Kolosseum, wo so viele Menschen für Christus gelitten, ihr Leben für den Herrn hingegeben haben, wo der Herr selbst in so vielen von neuem gelitten hat.

Und so haben wir verstanden, daß der Kreuzweg nicht etwas Vergangenes und auf einen bestimmten Punkt der Erde Beschränktes ist. Das Kreuz des Herrn umfaßt die Welt; sein Kreuzweg durchquert die Kontinente und die Zeiten. Beim Kreuzweg können wir nicht bloß Zuschauer sein. Auch wir sind mit hineingenommen und müssen deshalb unseren Platz suchen: Wo sind wir?

Beim Kreuzweg kann man nicht neutral bleiben. Pilatus, der skeptische Intellektuelle, hat versucht, neutral zu sein, sich herauszuhalten; aber gerade dadurch hat er Stellung bezogen gegen die Gerechtigkeit, aus Konformismus zugunsten seiner Karriere.

Wir müssen unseren Platz suchen.

Im Spiegel des Kreuzes haben wir alle Leiden der heutigen Menschheit gesehen. Im Kreuz Christi haben wir heute das Leid der verlassenen, mißbrauchten Kinder gesehen, die Bedrohungen für die Familie, die Spaltung der Welt in den Hochmut der Reichen, die Lazarus vor ihrer Tür nicht sehen, und die Armut so vieler, die Hunger und Durst leiden.

Aber wir haben auch »Stationen« der Tröstung gesehen. Wir haben die Mutter gesehen, deren Güte treu bleibt bis zum Tod und über den Tod hinaus. Wir haben die mutige Frau gesehen, die vor dem Herrn steht und keine Angst hat, Solidarität mit diesem Leidenden zu zeigen. Wir haben Simon von Zyrene gesehen, einen Afrikaner, der mit Jesus das Kreuz trägt.

Wir haben schließlich durch diese »Stationen« der Tröstung gesehen, daß so, wie das Leid nicht aufhört, auch die Tröstungen nicht aufhören. Wir haben gesehen, wie Paulus auf dem »Weg des Kreuzes« seinen Glaubenseifer gefunden und das Licht der Liebe entzündet hat. Wir haben gesehen, wie der hl. Augustinus seinen Weg gefunden hat: ebenso wie der hl. Franz von Assisi, der hl. Vinzenz von Paul, der hl. Maximilian Kolbe und Mutter Teresa von Kalkutta. Und so sind auch wir eingeladen, unseren Standort zu finden, zusammen mit diesen großen, mutigen Heiligen den Weg mit Jesus und für Jesus zu finden: den Weg der Güte, der Wahrheit, den Mut der Liebe.

Wir haben verstanden, daß der Kreuzweg nicht einfach eine Zusammenstellung der düsteren und traurigen Dinge dieser Welt ist. Er ist auch kein Moralismus, der letztlich unwirksam bleibt. Er ist kein Protestschrei, der nichts ändert. Der Kreuzweg ist der Weg der Barmherzigkeit, und zwar der Barmherzigkeit, die dem Bösen eine Grenze setzt: So haben wir es von Papst Johannes Paul II. gelernt. Er ist der Weg der Barmherzigkeit und damit der Weg des Heils. Und so sind wir eingeladen, den Weg der Barmherzigkeit einzuschlagen und mit Jesus dem Bösen eine Grenze zu setzen.

Beten wir zum Herrn, daß er uns helfen möge, daß er uns helfe, uns von seiner Barmherzigkeit »anstecken« zu lassen. Bitten wir die allerseligste Mutter Jesu, die Mutter der Barmherzigkeit, daß auch wir Männer und Frauen der Barmherzigkeit sein und so zum Heil der Welt beitragen können – zum Heil der Geschöpfe, um Männer und Frauen Gottes zu sein.

Amen!
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KONZERT DER STADT ROM

ZU EHREN DES PAPSTES AM 2759. "GEBURTSTAG ROMS"

Auditorium

Freitag, 21. April 2006

Herr Präsident der Republik und geehrte Obrigkeiten,

Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren!

Ich habe gern und mit großer Freude die Einladung angenommen, diesem Konzert im neuen »Auditorium« beizuwohnen, und fühle mich verpflichtet, dem Herrn Bürgermeister, dem Veranstalter dieses Ereignisses, aufrichtig zu danken. Ich grüße ihn herzlich und spreche ihm auch meinen aufrichtigen Dank aus für die ehrerbietigen Worte, die er im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Mein herzlicher Gruß richtet sich dann an den Herrn Präsidenten der Italienischen Republik, der mir die Ehre seiner Anwesenheit erweist, zusammen mit den anderen hier versammelten Obrigkeiten. Einen besonderen Dank richte ich schließlich an Professor Bruno Cagli, den Leiter der Nationalakademie »Santa Cecilia«, an das Orchester und den Chor unter der Leitung von Maestro Wladimir Jurowski sowie an die Sopranistin Laura Aikin, die berühmte Stücke und Arien jenes musikalischen Genies, das Wolfgang Amadeus Mozart war, vorgetragen haben. Ich habe sehr gerne die Einladung angenommen, an der Veranstaltung des heutigen Abends teilzunehmen, die sich im Zusammenwirken verschiedener Anlässe gleichzeitig feierlich und familiär gestaltet.

Genau heute wird der Geburtstag Roms gefeiert, der an den traditionellen Jahrestag der Gründung der Stadt erinnert, einen historischen Gedenktag, der uns zurückführt zu den Ursprüngen der Stadt und so zu einer günstigen Gelegenheit wird, um die Berufung Roms als Leuchtturm der Kultur und der Spiritualität für die ganze Welt besser zu verstehen. Dank der Begegnung ihrer Traditionen mit dem Christentum hat die Stadt Rom im Laufe der Jahrhunderte eine besondere Sendung wahrgenommen und ist heute auch weiterhin ein wichtiger Anlaufpunkt für viele Besucher, die von einem so reichen künstlerischen Erbe angezogen werden, das zum Großteil mit der christlichen Geschichte der Stadt verbunden ist.

Das Konzert des heutigen Abends soll auch an den ersten Jahrestag meines Pontifikats erinnern. Vor einem Jahr ist die katholische Gemeinschaft Roms nach dem Tod des geliebten und unvergessenen Johannes Paul II. von der göttlichen Vorsehung – überraschenderweise, muß ich sagen – meiner pastoralen Sorge anvertraut worden. Wie großzügig, offen und aufnahmefreundlich das römische Volk ist, habe ich selbst schon seit der ersten Begegnung mit den Gläubigen, die am Abend des 19. April letzten Jahres auf dem Petersplatz versammelt waren, erfahren dürfen. Auch bei anderen Gelegenheiten konnte ich später wieder diese einzigartige menschliche und geistliche Wärme wahrnehmen. Wie sollte man zum Beispiel nicht an die herzliche Begegnung mit den vielen Menschen denken, die jeden Sonntag beim traditionellen Treffen zum Mittagsgebet stattfindet? Ich nehme diese Gelegenheit auch zum Anlaß, um für die Warmherzigkeit zu danken, von der ich mich umgeben fühle und die ich gern erwidere.

Einen tiefempfundenen Dank möchte ich an diesem Abend an die ganze Stadtgemeinde richten, die das Gedenken an den Geburtstag der Stadt Rom mit dem des Jahrestages meiner Wahl zum Bischof von Rom vereinen wollte. Danke für diese Geste, die ich aufrichtig schätze. Darüber hinaus bedanke ich mich dafür, daß ein den Werken Mozarts entnommenes Musikprogramm gewählt worden ist, des großen Komponisten, der eine unauslöschliche Spur in der Geschichte hinterlassen hat. In dieses Jahr fällt der 250. Jahrestag seiner Geburt, und daher sind für das ganze Jahr 2006, das zu Recht auch »Mozartjahr« genannt wird, verschiedene Initiativen geplant. Die Kompositionen, die vom Orchester und Chor der Nationalakademie »Santa Cecilia« vorgetragen wurden, sind wunderbare und sehr bekannte Stücke Mozarts, darunter einige von bemerkenswerter religiöser Inspiration. Das »Ave verum« beispielsweise, das oft bei liturgischen Feiern gesungen wird, ist eine Motette mit Worten, die reich sind an theologischem Gehalt, und einer musikalischen Begleitung, die das Herz berührt und zum Gebet einlädt. So hilft uns die Musik, indem sie die Seele zur Kontemplation erhebt, auch die persönlichsten Nuancen des menschlichen Geistes zu erfassen, in denen sich etwas von der unvergleichlichen Schönheit des Schöpfers des Universums widerspiegelt.

Ich danke noch einmal denjenigen, die auf verschiedene Weise die heutige Veranstaltung von hohem künstlerischen Wert ermöglicht haben, besonders den Interpreten und Musikern und denen, die in diesem »Auditorium« arbeiten. Jeden versichere ich meines Gebetsgedenkens und bekräftige dieses durch einen besonderen Segen, den ich jetzt allen gerne erteile, und den ich auf die ganze liebe Stadt Rom ausweite.

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AN DIE TEILNEHMER EINER PILGERFAHRT

DER GESELLSCHAFT JESU (JESUITEN) Petersdom

Samstag, 22. April 2006



Liebe Patres und Brüder der Gesellschaft Jesu!

Mit großer Freude begegne ich euch heute hier in der historischen Petersbasilika nach der heiligen Messe, die Kardinal Angelo Sodano, mein Staatssekretär, anläßlich verschiedener Jubiläen der ignatianischen Familie gefeiert hat. Euch allen gilt mein herzlicher Gruß. Allen voran begrüße ich den Generaloberen, P. Peter-Hans Kolvenbach, und danke ihm für die freundlichen Worte, mit denen er mir gegenüber eure gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Ich begrüße die Herren Kardinäle zusammen mit den Bischöfen und Priestern und allen, die an der heutigen Veranstaltung teilgenommen haben. Gemeinsam mit den Patres und Brüdern begrüße ich auch die hier anwesenden Freunde der Gesellschaft Jesu und unter ihnen die vielen Ordensmänner und Ordensfrauen, die Mitglieder der Gemeinschaften Christlichen Lebens und des Gebetsapostolats, die Alumnen und ehemaligen Alumnen mit ihren Familien aus Rom, aus Italien und aus Stonyhurst in England, die Dozenten und Studenten der akademischen Einrichtungen, die zahlreichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Euer heutiger Besuch gibt mir Gelegenheit, zusammen mit euch dem Herrn dafür zu danken, daß er eurer Gesellschaft Männer von so außergewöhnlicher Heiligkeit und herausragendem apostolischen Eifer geschenkt hat wie den hl. Ignatius von Loyola, den hl. Franz Xaver und den sel. Petrus Faber. Sie sind für euch die Ordensväter und Ordensgründer: Zu Recht gedenkt ihr in diesem Jubiläumsjahr ihrer mit Dankbarkeit und betrachtet sie als leuchtende und sichere Leitbilder eures geistlichen Weges und eures apostolischen Wirkens.

Der hl. Ignatius von Loyola war vor allem ein Mann Gottes, der an die erste Stelle in seinem Leben Gott, die größere Ehre Gottes und den größeren Dienst für Gott setzte; er war ein Mann des tiefen Gebets, dessen Mittel- und Höhepunkt die tägliche Eucharistiefeier war. Auf diese Weise hat er seinen Schülern ein kostbares geistliches Erbe hinterlassen, das nicht verlorengehen oder vergessen werden darf. Gerade weil er ein Mann Gottes war, war Ignatius ein treuer Diener der Kirche, in der er die Braut des Herrn und die Mutter der Christen sah und verehrte. Und aus dem Verlangen heraus, der Kirche auf möglichst nützliche und wirksame Weise zu dienen, ist das Gelübde des besonderen Gehorsams gegenüber dem Papst entstanden, das er selbst als »unser Richtmaß und Fundament« bezeichnete (Constitutiones de Missionibus, Declarationes circa Missiones, cap. I, in: Monumenta Historica Societatis Iesu, Monumenta Ignatiana, Series III, Tomus primus, Rm 1934, S. 162). Möge dieser kirchliche Charakter, der so bezeichnend ist für die Gesellschaft Jesu, auch weiterhin in euch und in eurer apostolischen Arbeit präsent bleiben, liebe Jesuiten, damit ihr treu den dringenden gegenwärtigen Bedürfnissen der Kirche entgegenkommen könnt. Ich glaube, daß es wichtig ist, unter diesen besonders die kulturelle Arbeit auf den Gebieten der Theologie und der Philosophie hervorzuheben, die traditionelle Bereiche apostolischer Präsenz der Gesellschaft Jesu sind, sowie den Dialog mit der modernen Kultur, die zwar einerseits wunderbare Fortschritte auf wissenschaftlichem Gebiet vorzuweisen hat, andererseits jedoch stark von einer positivistischen und materialistischen Wissenschaftsgläubigkeit gekennzeichnet bleibt.

Zweifellos erfordert das Bemühen, in freundschaftlicher Zusammenarbeit mit den anderen Bereichen der Kirche eine Kultur zu fördern, die sich an den Werten des Evangeliums orientiert, eine gründliche geistliche und kulturelle Bildung. Eben deshalb wollte der hl. Ignatius, daß die jungen Jesuiten eine langjährige Ausbildung im geistlichen Leben und im Studium erhalten. Es ist gut, daß diese Tradition gerade angesichts der wachsenden Vielschichtigkeit und der immer größeren Bandbreite der modernen Kultur beibehalten und verstärkt wird. Eine weitere große Sorge war für ihn die christliche Erziehung und die kulturelle Ausbildung der Jugend: Von ihr rührt der Anstoß, den er der Errichtung von »Kollegien« gab, die nach seinem Tod in Europa und in der ganzen Welt Verbreitung fanden. Liebe Jesuiten, führt dieses wichtige Apostolat fort und bewahrt unverändert den Geist eures Ordensgründers!

Wenn ich vom hl. Ignatius spreche, kann ich den hl. Franz Xaver nicht unerwähnt lassen, dessen 500. Geburtstag am 7. April gefeiert wurde: Nicht nur waren ihre Lebensläufe in Paris und Rom über lange Jahre hinweg miteinander verflochten, sondern ihr Leben war, wenn es auch für beide sehr unterschiedlich verlief, von einem einzigen – man könnte sagen, leidenschaftlichen – Wunsch beseelt und getragen: vom leidenschaftlichen Wunsch, dem dreieinigen Gott immer größere Ehre zu geben und für die Verkündigung des Evangeliums Christi unter den Völkern, die nichts von ihm wußten, zu arbeiten. Der hl. Franz Xaver, den mein Vorgänger seligen Angedenkens Pius XI. zum »Patron der katholischen Missionen« erklärt hat, spürte, daß er gesandt war, dem Evangelium »auf dem riesigen asiatischen Kontinent neue Wege zu eröffnen«. Sein Apostolat im Fernen Osten dauerte nur knappe zehn Jahre; es hat sich aber in den viereinhalb Jahrhunderten, seit denen die Gesellschaft Jesu besteht, auf wunderbare Weise als fruchtbar erwiesen, da sein Beispiel unter den jungen Jesuiten sehr viele Berufungen für die Mission hervorgerufen hat und bis heute dazu aufruft, die Missionstätigkeit in den großen Ländern des asiatischen Kontinents weiterzuführen.

Wenn der hl. Franz Xaver in den Ländern des Ostens arbeitete, so wirkte sein Mitbruder, mit dem er seit der gemeinsamen Zeit in Paris befreundet war, der sel. Petrus Faber aus Savoyen, geboren am 13. April 1506, in den europäischen Ländern, wo die gläubigen Christen eine echte Reform der Kirche anstrebten. Der sel. Petrus Faber, ein bescheidener, einfühlsamer Mann mit einem tiefen Innenleben, besaß die Gabe, freundschaftliche Beziehungen zu Menschen jeder Art zu knüpfen, wodurch er viele junge Männer für die Gesellschaft Jesu gewann. Er verbrachte sein kurzes Leben in verschiedenen europäischen Ländern, besonders in Deutschland, wo er im Auftrag Pauls III. auf den Reichstagen von Worms, Regensburg und Speyer an den Gesprächen mit den führenden Köpfen der Reformation teilnahm. So hatte er Gelegenheit, das Gelübde des besonderen Gehorsams gegenüber dem Papst »in bezug auf die Sendungen« in ganz außergewöhnlicher Weise zu erfüllen, und wurde so für alle künftigen Jesuiten zu einem Vorbild, dem sie folgen sollten.

Liebe Patres und Brüder der Gesellschaft Jesu, am heutigen Tag blickt ihr mit besonderer Verehrung auf die allerseligste Jungfrau Maria, in Erinnerung daran, daß am 22. April 1541 Ignatius und seine ersten Gefährten vor dem Marienbild in der Basilika St. Paul vor den Mauern die feierlichen Gelübde ablegten. Möge Maria weiterhin über die Gesellschaft Jesu wachen, damit jedes ihrer Mitglieder das »Bild« des gekreuzigten Christus in sich trage, um an seiner Auferstehung teilzuhaben. Ich versichere euch dafür meines Gebetsgedenkens, während ich allen heute hier Anwesenden und eurer ganzen geistlichen Familie gern meinen Segen erteile, den ich auf alle anderen Ordensleute und geweihten Personen, die an dieser Audienz teilgenommen haben, ausweite.

AN DIE BISCHÖFE AUS GHANA

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES


Montag, 24. April 2006




Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

In diesen Tagen der freudigen Feier der Auferstehung unseres Herrn und Erlösers heiße ich euch, die Bischöfe von Ghana, anläßlich eurer Pilgerfahrt nach Rom zu eurem Besuch ad limina Apostolorum willkommen. Durch euch spreche ich den Priestern, den Ordensleuten und den gläubigen Laien eurer Diözesen meine herzliche Zuneigung aus. Insbesondere danke ich Bischof Lucas Abadamloora für die freundlichen Grußworte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich möchte auch den aus Ghana gebürtigen Kardinal Peter Poreku Dery ausdrücklich erwähnen, der vor kurzem in das Kardinalskollegium aufgenommen wurde, und ich nutze die Gelegenheit, um Kardinal Peter Turkson, Erzbischof von Cape Coast, zu grüßen. Ihr seid nach Rom gekommen, in die Stadt, wo die Apostel Petrus und Paulus, Christus nachfolgend, ihr Leben hingegeben haben: Petrus hier in der Nähe, wo wir uns heute befinden, und Paulus an der Straße nach Ostia. Ich bete immer für euch, daß Gott euch als gute und treue Diener des Evangeliums wie die Apostelfürsten »eurer Berufung würdig mache und in seiner Macht allen Willen zum Guten und jedes Werk des Glaubens vollende. So soll der Name Jesu, unseres Herrn, in euch verherrlicht werden und ihr in ihm, durch die Gnade unseres Gottes und Herrn Jesus Christus« (2 Thess 1,11–12).

In den vergangenen Jahren hat euer Land große Fortschritte gemacht in der Bekämpfung der Armut und in der Stärkung der Wirtschaft. Trotz dieser lobenswerten Entwicklung muß noch viel getan werden, um die Lage zu verbessern, die einen Großteil der Bevölkerung belastet.

Die äußerste und weit verbreitete Armut erzeugt oft einen allgemeinen sittlichen Verfall, der zu Verbrechen, zur Korruption, zu Angriffen auf die Heiligkeit des menschlichen Lebens oder sogar zu einer Rückkehr zu abergläubischen Praktiken der Vergangenheit führt. In dieser Lage können die Menschen leicht das Vertrauen in die Zukunft verlieren. Aber im Leben des Christen erstrahlt die Kirche als Leuchtfeuer der Hoffnung. Sie tut dies besonders wirksam, indem sie den Gläubigen hilft, die Verheißungen Jesu Christi besser zu verstehen. Es ist deshalb dringend notwendig, daß die Kirche als Leuchtfeuer der Hoffnung ihre Anstrengungen verstärkt, um den Katholiken umfassende Bildungsprogramme anzubieten, die ihnen helfen, ihren christlichen Glauben zu vertiefen, und sie so befähigen, den ihnen rechtmäßig zustehenden Platz in der Kirche Christi und in der Gesellschaft einzunehmen.

Wesentlicher Teil jedes angemessenen Bildungsprozesses ist die Rolle des Laienkatechisten. Deshalb möchte ich zu Recht den vielen Laien, Männern und Frauen, die eurer Ortskirche mit Opferbereitschaft dienen, ein Wort des Dankes aussprechen. »Ihre Aufgabe soll innerhalb der christlichen Gemeinschaft anerkannt und geachtet werden«, hat Papst Johannes Paul II. in seinem nachsyodalen Apostolischen Schreiben Ecclesia in Africa betont (Nr. 91).

Ich weiß, daß diese gläubigen Männer und Frauen oft in ihrer Aufgabe behindert werden auf Grund mangelnder Mittel oder eines feindseligen Umfelds; dennoch bleiben sie unerschrockene Boten der Freude in Christus.

An die Dankbarkeit der Ortskirchen für die Unterstützung durch die Katechisten erinnernd, ermutige ich euch und eure Priester, weiterhin alles in eurer Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, daß diese Boten des Evangeliums die geistliche, lehrmäßige, moralische und materielle Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um ihre Sendung angemessen erfüllen zu können.

Die Jugendlichen bilden in vielen Ländern, wie in eurem Land, fast die Hälfte der Bevölkerung. Die Kirche in Ghana ist jung. Um die heutige Jugend zu erreichen, ist es notwendig, daß die Kirche deren Probleme in offener und liebevoller Weise angeht. Eine solide katechetische Grundlage wird sie in ihrer katholischen Identität festigen und ihnen die notwendige Ausrüstung geben, damit sie den Herausforderungen der sich wandelnden wirtschaftlichen Wirklichkeiten, der Globalisierung und der Krankheit begegnen können. Sie wird ihnen auch helfen, den Behauptungen entgegenzutreten, die oft von religiösen Sekten vorgebracht werden. Deshalb ist es wichtig, daß die künftige Pastoralplanung auf Landes- und Ortsebene die Bedürfnisse der Jugendlichen sorgfältig berücksichtigt und Jugendprogramme entwickelt, die ihre Sehnsüchte in angemessener Weise erfüllen (vgl. Christifideles laici CL 46).

Die Kirche hat auch die Aufgabe, den christlichen Familien zu helfen, daß sie als wahre »Hauskirchen« in Treue und Hochherzigkeit leben (vgl. Lumen gentium LG 11). Denn eine gute Katechese zählt auf die Unterstützung gefestigter christlicher Familien, die nicht egoistisch, sondern immer dem Nächsten zugewandt sind und auf dem Ehesakrament gründen. Bei der Prüfung eurer Fünf-Jahres-Berichte stellte ich fest, daß viele von euch sich um die rechte Feier der christlichen Eheschließung in Ghana sorgen. Ich teile eure Sorge, und ich lade die Gläubigen ein, das Ehesakrament in die Mitte ihres Familienlebens zu stellen. Wenn das Christentum immer versucht, die würdigen Traditionen der Kulturen und Völker zu achten, will es doch jene Praktiken reinigen, die im Gegensatz zum Evangelium stehen. Aus diesem Grund ist es wichtig, daß die ganze kirchliche Gemeinschaft weiterhin die Bedeutung der monogamen und unauflöslichen, im heiligen Ehebund geweihten Verbindung zwischen Mann und Frau hervorhebt. Traditionelle Eheformen können für den Christen niemals die sakramentale Ehe ersetzen.

Die Selbsthingabe für den andern steht auch im Zentrum des Weihesakraments. Wer dieses Sakrament empfängt, ist in besonderer Weise Christus, dem Haupt der Kirche, ähnlich geworden. Die Geweihten sind deshalb berufen, sich selbst vollkommen für ihre Brüder und Schwestern hinzugeben. Das kann nur geschehen, wenn Gottes Wille nicht länger als etwas von außen Auferlegtes betrachtet wird, »sondern mein eigener Wille [wird] aus der Erfahrung heraus, daß in der Tat Gott mir innerlicher ist als ich mir selbst« (Deus caritas Est 17). Das Priestertum darf nie als ein Weg betrachtet werden, der die eigene gesellschaftliche Stellung oder die eigene Lebensqualität verbessern kann. Wenn es so ist, dann weicht die priesterliche Selbsthingabe und der Gehorsam gegenüber dem Plan Gottes persönlichen Bestrebungen, so daß der Priester wenig Früchte bringt und keine Erfüllung findet. Ich ermutige euch deshalb in euren ständigen Bemühungen, die Eignung der Priesteramtskandidaten zu prüfen und eine korrekte Priesterausbildung für diejenigen zu sichern, die das geweihte Amt anstreben. Wir müssen ihnen helfen, den Willen Christi zu erkennen und diese Gabe zu pflegen, damit sie eifrige und erfüllte Diener seiner Freude werden können.

Meine lieben Mitbrüder, es ist mir bekannt, daß die Kirche in Ghana in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum feiert. Denn gestern, am 23. April, jährte sich ein Jahrhundert seit der Ankunft der Missionare im nördlichen Teil eures Landes. Ich bete besonders, daß der missionarische Eifer euch und euer liebes Volk weiterhin erfüllen möge, indem ihr in eurem Bemühen, das Evangelium zu verbreiten, gestärkt werdet. Wenn ihr in eure Heimat zurückkehrt, lade ich euch ein, in den Worten des Apostels Petrus, die er an die frühen Christen geschrieben hat, Trost zu finden: »Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben« (1P 1,3). Während ich euren Dienst Maria, der Königin der Apostel, empfehle, erteile ich euch und den eurer Hirtensorge anvertrauten Gläubigen von Herzen meinen Apostolischen Segen.

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI. AN DIE PÄPSTLICHE BIBELKOMMISSION Saal der Päpste

Donnerstag, 27. April 2006




Herr Kardinal,
liebe Mitglieder der Päpstlichen Bibelkommission!

Es ist für mich ein Grund großer Freude, am Schluß eurer Jahresvollversammlung mit euch zusammenzutreffen. Mit Zuneigung erinnere ich mich an jeden von euch, da ich euch ja während meiner Jahre als Vorsitzender dieser Kommission persönlich kennengelernt habe. Ich möchte euch meine Empfindungen der Dankbarkeit und Anerkennung aussprechen für die wichtige Arbeit, die ihr im Einklang mit dem Nachfolger Petri im Dienst der Kirche und zum Wohl der Seelen leistet. Ich danke Herrn Kardinal William Joseph Levada für seine Grußadresse und für die klare und deutliche Darlegung des Themas, das während eurer Zusammenkunft Gegenstand aufmerksamer Reflexion gewesen ist.

Ihr seid aufs neue zusammengekommen, um ein sehr wichtiges Thema zu vertiefen: das Verhältnis zwischen Bibel und Moral. Es handelt sich um ein Thema, das nicht nur den Gläubigen betrifft, sondern jeden Menschen als solchen. Und es betrifft uns besonders in einer Zeit, in der die Kulturen und die Moral sich in einer Krise befinden. Der Urantrieb des Menschen ist nämlich sein Wunsch nach Glück und nach einem vollkommen gelungenen Leben. Heutzutage meinen jedoch viele Menschen, daß diese Erfüllung auf vollkommen autonome Weise, ohne jeden Bezug zu Gott und zu seinem Gesetz, erreicht werden müsse. Einige sind so weit gegangen, die Theorie einer absoluten Oberherrschaft der Vernunft und der Freiheit im Bereich der sittlichen Normen aufzustellen: Diese Normen bildeten den Bereich einer rein »menschlichen« Ethik; sie seien demzufolge Ausdruck eines Gesetzes, das der Mensch sich selbst auf autonome Weise gibt. Die Vertreter dieser »laizistischen Moral« behaupten, daß der Mensch als vernunftbegabtes Wesen den Wert seines Verhaltens nicht nur frei bestimmen »kann«, sondern das geradezu tun »muß«.

Diese falsche Überzeugung basiert auf einem angeblichen Konflikt zwischen der menschlichen Freiheit und jeder Form von Gesetz. In Wirklichkeit hat der Schöpfer in unser Wesen selbst das »Naturgesetz« eingeschrieben, das der Widerschein seines Schöpfungsplans in unserem Herzen ist, als Wegweiser und inneres Maß unseres Lebens. Gerade darum sagen uns die Heilige Schrift, die Tradition und das Lehramt der Kirche, daß die Berufung und volle Verwirklichung des Menschen nicht in der Ablehnung des Gesetzes Gottes liegt, sondern im Leben nach dem neuen Gesetz, das in der Gnade des Heiligen Geistes besteht: Diese zeigt sich zusammen mit dem Wort Gottes und der Lehre der Kirche in dem »Glauben, … der in der Liebe wirksam ist« (Ga 5,6). Und eben in dieser Annahme der Liebe, die von Gott kommt (»Deus caritas est«!), findet die Freiheit des Menschen ihre höchste Verwirklichung. Zwischen dem Gesetz Gottes und der Freiheit des Menschen besteht kein Gegensatz: Das richtig ausgelegte Gesetz Gottes engt die Freiheit des Menschen nicht ein und nimmt sie erst recht nicht weg, sondern im Gegenteil: Es gewährleistet und fördert sie, denn – wie uns der Katechismus der Katholischen Kirche in Erinnerung ruft – »die Freiheit erreicht dann ihre Vollendung, wenn sie auf Gott, unsere Seligkeit, ausgerichtet ist« (Nr. 1731). Das sittliche Gesetz, das von Gott in der Schöpfung festgelegt und in der Offenbarung des Alten Testaments bestätigt wurde, findet in Christus seine Erfüllung und Größe. Jesus Christus ist der Weg der Vollkommenheit, die lebendige und persönliche Synthese der vollkommenen Freiheit im völligen Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes. Die ursprüngliche Funktion des Dekalogs wird durch die Begegnung mit Christus nicht aufgehoben, sondern zu ihrer Vollendung geführt. Eine Ethik, die auf die Offenbarung hören und gleichzeitig auf authentische Weise rational sein will, findet in der Begegnung mit Christus, der uns den Neuen Bund schenkt, ihre Vollendung.

Vorbild dieses wirklich sittlichen Handelns ist das Verhalten des fleischgewordenen Wortes, das seinen Willen mit dem Willen Gottes, des Vaters, übereinstimmen läßt durch die Annahme und Erfüllung seiner Sendung: Seine Speise ist es, den Willen des Vaters zu tun (vgl. Jn 4,34); er tut immer das, was dem Vater gefällt, und hält an seinem Wort fest (vgl. Jn 8,29 Jn 8,55); er teilt das mit, was der Vater ihm zu sagen und zu reden aufgetragen hat (vgl. Jn 12,49). Indem Jesus den Vater und dessen Handlungsweise offenbart, offenbart er gleichzeitig die richtigen menschlichen Handlungsnormen. Er bekräftigt diesen Zusammenhang in ausdrücklicher und exemplarischer Weise, als er zum Abschluß seiner Lehre über die Feindesliebe (vgl. ) sagt: »Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist« (Mt 5,48). Diese göttliche, göttlichmenschliche Vollkommenheit wird für uns möglich, wenn wir eng mit Christus, unserem Retter, verbunden sind.

Der Weg, den Jesus mit seiner Lehre abgesteckt hat, ist keine von außen auferlegte Norm. Jesus geht selbst diesen Weg und bittet uns um nichts anderes als darum, ihm zu folgen. Überdies beläßt er es aber nicht bei seiner Bitte: Vor allem schenkt er uns in der Taufe die Teilhabe an seinem Leben und verleiht uns so die Fähigkeit, seine Lehre anzunehmen und in die Tat umzusetzen. Das tritt in den Schriften des Neuen Testaments immer offenkundiger zutage. Seine Beziehung zu den Jüngern besteht nicht in einer äußerlichen, sondern in einer das Leben betreffenden Unterweisung: Er nennt sie »meine Kinder« (Jn 13,33 Jn 21,5), »Freunde« (), »Brüder« (Mt 12,50 Mt 28,10 Jn 20,17) und lädt sie ein, in die Lebensgemeinschaft mit ihm einzutreten und im Glauben und in der Freude sein Joch, das »nicht drückt«, und seine »leichte« Last auf sich zu nehmen (vgl. Mt 11,28–30). Auf der Suche nach einer christologisch inspirierten Ethik muß man sich daher immer vor Augen halten, daß Christus der inkarnierte Logos ist, der uns an seinem göttlichen Leben teilhaben läßt und uns auf dem Weg zu unserer wahren Verwirklichung mit seiner Gnade stützt. Was der Mensch wirklich ist, zeigt sich endgültig im menschgewordenen Logos; der Glaube an Christus schenkt uns die Vollendung der Anthropologie. Deshalb bestimmt die Beziehung zu Christus die höchste Verwirklichung des sittlichen Handelns des Menschen. Dieses menschliche Handeln ist direkt auf den Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes, die Vereinigung mit Christus und das Innewohnen des Geistes in der Seele des Gläubigen gegründet. Es ist kein Handeln, das von rein äußerlichen Normen auferlegt wird; es kommt vielmehr aus der lebendigen Beziehung, die die Gläubigen mit Christus und Gott verbindet. Während ich euch eine fruchtbare Fortführung eurer Reflexion wünsche, rufe ich auf euch und auf eure Arbeit das Licht des Heiligen Geistes herab und erteile allen als Bestätigung meines Vertrauens und meiner Zuneigung den Apostolischen Segen.

Mai 2006


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Benedikt XVI Predigten 29