BOTSCHAFT 2006-2010 39

BENEDICTUS PP. XVI




BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI. ZUM WELTMISSIONSSONNTAG 2009 „Die Völker werden in diesem Licht einhergehen“ (@AP 21,24@)




An diesem Sonntag, der der Mission gewidmet ist, wende ich mich insbesondere an euch, Brüder im Bischofs- und Priesteramt, und dann auch an euch, Brüder und Schwestern des ganzen Gottesvolkes, und ermuntere einen jeden, auf den Spuren des Völkerapostels Paulus in sich das Bewußtsein für den Sendungsauftrag Christi „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19) neu zu wecken.

Die Völker werden in diesem Licht einhergehen“ (Ap 21,24). Ziel der Mission der Kirche ist es in der Tat, alle Völker auf ihrem Weg zu Gott durch die Geschichte mit dem Licht des Evangeliums zu erleuchten, damit sie in Ihm ihre Verwirklichung und ihre Erfüllung finden. Wir sollen das Verlangen und die Leidenschaft spüren, alle Völker mit dem Licht Christi zu erleuchten, das auf dem Antlitz der Kirche erstrahlt, damit alle sich unter der liebevollen Vaterschaft Gottes in einer einzigen Menschheitsfamilie versammeln.

In dieser Perspektive arbeiten die Jünger Christi über die ganze Welt verstreut, sie mühen sich ab, sie stöhnen unter der Last des Leids und geben das Leben hin. Ich betonte mit Nachdruck, was meine verehrten Vorgänger mehrmals gesagt haben: Die Kirche handelt nicht, um ihre Macht auszudehnen oder ihre Vorherrschaft durchzusetzen, sondern um allen Menschen Christus, das Heil der Welt, zu bringen. Wir wollen nichts anderes, als uns in den Dienst der Menschen zu stellen, vor allem der Notleidenden und Ausgegrenzten, denn wir glauben, daß „die Verkündigung des Evangeliums an die Menschen unserer Zeit … ohne Zweifel ein Dienst ist, der nicht nur der Gemeinschaft der Christen, sondern der ganzen Menschheit erwiesen wird“ (Evangelii nuntiandi EN 1), die „zwar erstaunliche Errungenschaften aufzuweisen hat, aber sie scheint den Sinn für letzte Wirklichkeiten und für das Dasein selbst verloren zu haben“ (Redemptoris missio RMi 2).

40 1. Alle Völker sind zum Heil berufen

Die ganze Menschheit ist wahrlich von Grund auf dazu berufen, zur eigenen Quelle zurückzukehren, die Gott ist, in Dem allein sie ihre endgültige Erfüllung durch die Wiederherstellung aller Dinge in Christus finden wird. Die Zerstreuung, die Verschiedenheit, der Konflikt, die Feindschaft werden durch das Blut des Kreuzes versöhnt und wieder zur Einheit geführt.

Der neue Anfang hat bereits mit der Auferstehung und Verherrlichung Christi begonnen, der alle Dinge an sich zieht, sie erneuert und sie an der ewigen Freude Gottes teilhaben läßt. Die Zukunft der neuen Schöpfung erstrahlt bereits in unserer Welt und entfacht, trotz aller Widersprüche und allen Leids, die Hoffnung auf neues Leben. Die Sendung der Kirche besteht darin, alle Völker mit dieser Hoffnung „anzustecken“. Deshalb beruft Christus seine Jünger, er macht sie gerecht und heilig und sendet sie aus, damit sie das Reich Gottes verkünden, auf daß alle Nationen zum Volk Gottes werden. Und nur in dieser Sendung wird der wahre Weg der Menschheit in der Geschichte verständlich und authentisch. Die Weltmission muß eine grundlegende Konstante im Leben der Kirche werden. Die Verkündigung des Evangeliums muß für uns, wie schon für den Apostel Paulus, unaufschiebbar und vorrangig sein.

2. Die pilgernde Kirche

Die Weltkirche, in der es weder Grenzen noch Barrieren gibt, fühlt sich angesichts ganzer Völker für die Verkündigung des Evangeliums verantwortlich (vgl. Evangelii nuntiandi
EN 53). Sie ist Keim der Hoffnung aus Berufung und soll den Dienst Christi an der Welt fortführen. Ihre Mission und ihr Dienst richten sich nicht nach dem Maß der materiellen oder auch geistigen Bedürfnisse, die sich im Rahmen des zeitlichen Lebens erschöpfen, sondern eines transzendenten Heils, das sich im Reich Gottes erfüllt (vgl. Evangelii nuntiandi EN 27). Obwohl dieses Reich in seiner Vollendung eschatologisch und nicht von dieser Welt (vgl. Jn 18,36) ist, besteht es doch in dieser Welt und in ihrer Geschichte als Kraft der Gerechtigkeit, des Friedens, der wahren Freiheit und der Achtung der Würde jedes Menschen. Die Kirche strebt danach, die Welt durch die Verkündigung des Evangeliums der Liebe zu verwandeln, die „eine dunkle Welt immer wieder erhellt und uns den Mut zum Leben und zum Handeln gibt … und damit das Licht Gottes in die Welt einzulassen“ (vgl. Deus caritas est ). Zur Mitwirkung an dieser Sendung und an diesem Dienst möchte ich, auch mit dieser Botschaft, alle Mitglieder und Einrichtungen der Kirche aufrufen.

3. Missio ad gentes

Die Sendung der Kirche besteht also darin, alle Völker zum Heil zu rufen, das Gott durch seinen menschgewordenen Sohn gewirkt hat. Es ist deshalb notwendig, daß wir den Einsatz für die Verkündigung des Evangeliums erneuern, welches Ferment der Freiheit und des Forschritts, der Brüderlichkeit, der Einheit und des Friedens ist (vgl. Ad gentes AGD 8). Ich möchte „erneut bekräftigen, daß der Auftrag, allen Menschen die Frohbotschaft zu verkünden, die wesentliche Sendung der Kirche ist“ (Evangelii nuntiandi EN 14), eine Aufgabe und eine Sendung, die durch die weitreichenden und tiefgreifenden Veränderungen der heutigen Gesellschaft noch dringlicher werden. Es steht das ewige Heil der Menschen auf dem Spiel, das Ziel und die Erfüllung der Menschheitsgesichte und des Universums selbst. Vom Völkerapostel ermutigt und inspiriert, müssen wir uns dessen bewußt sein, daß Gott viel Volk in allen Städten gehört, die auch von den heutigen Aposteln durchquert werden (vgl. Ac 18,10). In der Tat gilt die Verheißung „all denen in der Ferne, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird“ (Ac 2,39).

Die ganze Kirche muß an der missio ad gentes mitwirken, bis die rettende Herrschaft Christi ganz verwirklicht ist: „Jetzt sehen wir noch nicht alles ihm zu Füßen gelegt“ (He 2,8).

4. Berufen auch durch das Martyrium zu evangelisieren

An diesem der Mission gewidmeten Tag gedenke ich im Gebet aller, die ihr Leben ganz der Evangelisierungstätigkeit geweiht haben. Besonders erwähnen möchte ich jene Ortskirchen und jene Missionare und Missionarinnen, die das Reich Gottes in Situationen der Verfolgung bezeugen und verbreiten, wo Formen von Unterdrückung herrschen, die von der gesellschaftlichen Diskriminierung bis zu Gefängnis, Folter und Tod reichen. Es sind nicht wenige, die derzeit um seines „Namens“ willen getötet werden. Es ist immer noch erschreckend aktuell, was mein verehrter Vorgänger Papst Johannes Paul II. schrieb: „Das Gedächtnis des Jubiläums hat uns einen überraschenden Schauplatz eröffnet. Es hat uns gezeigt, daß unsere Zeit reich ist an Zeugen, die auf je eigene Weise trotz Widerstand und Verfolgung das Evangelium zu leben vermochten und dabei oft bis zur höchsten Hingabe des Blutes gegangen sind“ (Novo millennio ineunte NM 41).

Die Teilhabe an der Sendung Christi kennzeichnet in der Tat das Leben der Verkünder des Evangeliums, denen das gleiche Schicksal vorbehalten ist, das auch ihrem Meister widerfuhr. „Denkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen.“ (Jn 15,20). Die Kirche begibt sich auf denselben Weg und erduldet dasselbe Schicksal Christi, denn sie handelt nicht auf der Grundlage einer menschlichen Logik, noch rechnet sie mit der Macht der Kraft, sondern sie folgt dem Weg des Kreuzes und wird in kindlichem Gehorsam gegenüber dem Vater Zeugin und Weggefährtin der Menschheit.

41 Die alten Kirchen ebenso wie die neuerer Gründung erinnere ich daran, daß sie vom Herrn als Salz der Erde und Licht der Welt errichtet wurden und berufen sind, Christus, das Licht der Völker, bis an das äußerste Ende der Erde zu verbreiten. Die missio ad gentes muß deshalb Priorität in ihren Pastoralprogrammen haben.

Den Päpstlichen Missionswerken danke ich und ermutige sie bei ihrer unverzichtbaren missionarischen Informations- und Bildungsarbeit und bei der materiellen Unterstützung der jungen Kirchen. Durch diese päpstlichen Institutionen verwirklicht sich auf wunderbare Weise die Gemeinschaft unter den Kirchen durch den Austausch von Gaben sowie in gegenseitiger Fürsorge und in gemeinsamen missionarischen Projekten.

5. Schluß

Der missionarische Elan ist stets Zeichen der Lebendigkeit unserer Kirchen gewesen (vgl. Redemptoris missio
RMi 2). Es muß jedoch auch betont werden, daß die Evangelisierung ein Werk des Geistes ist und daß sie vor aller Aktivität zunächst Zeugnis und Ausstrahlung des Lichtes Christi (vgl. Redemptoris missio, RMi 26) seitens der Ortskirche ist, die ihre Missionare und Missionarinnen aussendet, damit diese über die eigenen Grenzen hinausgehen. Deshalb bitte ich alle Katholiken um das Gebet zum Heiligen Geist, daß er in der Kirche die Leidenschaft für die Mission wachsen lasse, das Reich Gottes zu verbreiten und die Missionare und Missionarinnen zu unterstützen wie auch die christlichen Gemeinden, die sich an vorderster Front, bisweilen in einem feindlichen Umfeld der Verfolgung, für diese Sendung einsetzen.

Zugleich lade ich alle ein, die Gemeinschaft unter den Kirchen durch die materielle Unterstützung glaubhaft zu bezeugen, insbesondere auch in der Zeit der Krise, die die Menschheit gegenwärtig erlebt, damit die jungen Ortskirchen in der Lage sind, die Völker mit dem Evangelium der Liebe zu erleuchten.

In unserem missionarischen Handeln leite uns die Jungfrau Maria, der Stern der Neuevangelisierung, die der Welt Christus geschenkt hat, der zum Licht für die Völker gemacht wurde, damit er „bis an das Ende der Erde“ (Ac 13,47) das Heil bringen möge.

Allen erteile ich meinen Segen.

Aus dem Vatikan, am 29. Juni 2009

BENEDICTUS PP. XVI

BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI.

ZUM WELTMISSIONSSONNTAG 2010


Der Aufbau der kirchlichen Gemeinschaft ist der Schlüssel der Mission


Liebe Brüder und Schwestern!

Der Monat Oktober, in dem wir den Sonntag der Weltmission begehen, gibt den Diözesen und Pfarrgemeinden, den Instituten geweihten Lebens, den kirchlichen Bewegungen, ja, dem gesamten Gottesvolk, die Gelegenheit, ihren Einsatz für die Verkündigung des Evangeliums zu erneuern und den pastoralen Tätigkeiten eine stärkere missionarische Ausrichtung zu geben. Dieses wichtige Ereignis lädt uns jedes Jahr aufs neue dazu ein, die im Bereich der Liturgie und der Katechese, der Caritas und der Kultur beschrittenen Wege bewußter zu erleben, durch die uns Jesus Christus an den Tisch seines Wortes und der Eucharistie lädt. Auf diese Weise läßt er uns in den Genuß des Geschenks seiner Gegenwart kommen und lehrt uns, immer bewußter vereint mit ihm, unserem Herrn und Meister, zu leben. Schließlich hat er selbst zu uns gesagt: »Wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren« (Jn 14,21). Nur durch diese Begegnung mit der göttlichen Liebe, die unser Leben ändert, können wir in Gemeinschaft mit ihm und unseren Nächsten leben und vor unseren Mitmenschen glaubwürdig Zeugnis ablegen für die Hoffnung, die uns erfüllt (vgl. 1P 3,15). Ein reifer Glaube, der fähig ist zu einem bedingungslosen, kindlichen Gottvertrauen und der aus dem Gebet, dem Hören des Wortes Gottes und dem Studium der Glaubenswahrheiten gespeist wird, ist die notwendige Voraussetzung für die Förderung eines neuen Humanismus, der auf das Evangelium Jesu gegründet ist.

Im Monat Oktober, in dem in vielen Ländern die verschiedenen kirchlichen Aktivitäten nach der Sommerpause wieder aufgenommen werden, lädt uns die Kirche auch ein, durch das Rosenkranzgebet von Maria zu lernen, den Plan der Liebe des Vaters für alle Menschen zu betrachten, damit wir die Menschen lieben lernen, wie er sie liebt. Ist nicht gerade das auch der Sinn der Mission?

42 Wir sind nämlich vom Vater gerufen, durch seinen geliebten Sohn seine geliebten Kinder zu werden und durch ihn in allen Menschen unsere Brüder und Schwestern zu sehen. Er, das Heilsgeschenk für die durch Zwietracht und Sünde gespaltene Menschheit, zeigt uns das wahre Antlitz jenes Gottes, der »die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrundegeht, sondern das ewige Leben hat« (Jn 3,16).

»Wir möchten Jesus sehen« (Jn 12,21) bitten die zum Paschafest nach Jerusalem gekommenen Griechen im Johannesevangelium den Apostel Philippus. Und diese Bitte vernehmen im Oktober auch wir in unseren Herzen, weil uns dieser Monat daran erinnert, daß die eifrige Verkündigung des Evangeliums die Pflicht der gesamten Kirche ist. Nicht umsonst ist die Kirche »ihrem Wesen nach missionarisch« (Ad gentes AGD 2) und ruft uns auf, Förderer des neuen Lebens zu werden, das aus wahren Beziehungen besteht und in Gemeinschaften stattfindet, die auf das Evangelium gegründet sind. In einer multiethnischen Gesellschaft, die zunehmend von besorgniserregenden Formen der Einsamkeit und Gleichgültigkeit geprägt ist, müssen die Christen lernen, Zeichen der Hoffnung anzubieten und weltweit zu Brüdern und Schwestern zu werden. Wenn sie die großen Ideale pflegen, die die Geschichte verändern, können sie sich ohne falsche Illusionen oder unnötige Ängste dafür einsetzen, daß unser Planet zum Haus aller Völker wird.

Wie die griechischen Pilger vor zweitausend Jahren bitten die Menschen die Gläubigen auch heute, wenngleich nicht immer bewußt, nicht nur von Christus zu »sprechen«, sondern ihn ihnen auch zu »zeigen«; das Antlitz des Erlösers überall auf der Welt vor den Augen der Generationen des neuen Jahrtausends erstrahlen zu lassen, damit es besonders die jungen Menschen aller Kontinente sehen, die die bevorzugten Empfänger und der Gegenstand der Verkündigung des Evangeliums sind. Sie sollen erkennen, daß die Christen das Wort Gottes verkünden, weil er die Wahrheit ist, weil sie in ihm den Sinn und die Wahrheit ihres eigenen Lebens gefunden haben.

Diese Überlegungen verweisen auf den Missionsauftrag, den zwar alle Getauften und die ganze Kirche empfangen haben, der aber ohne eine glaubwürdige persönliche, gemeinschaftliche und pastorale Umkehr nicht erfüllt werden kann. Das Bewußtsein, zur Verkündigung des Evangeliums berufen zu sein, läßt nämlich nicht nur den einzelnen Glaubenden, sondern alle Diözesen und Pfarrgemeinden eine ganzheitliche Erneuerung und zunehmende Öffnung für die missionarische Zusammenarbeit zwischen den Kirchen anstreben, damit im Herzen jedes Menschen, jedes Volkes, in allen Kulturkreisen, Rassen und Nationalitäten überall auf der Welt der Wunsch nach der Verkündigung des Evangeliums erwächst. Dieses Bewußtsein wird auch durch das Werk der Fidei-Donum-Priester, der Ordensleute, Katechisten und Laienmissionare gefördert, die sich unermüdlich für die Stärkung der kirchlichen Gemeinschaft einsetzen, damit auch das Phänomen der »Interkulturalität« in ein Einheit stiftendes Modell integriert werden kann, in dem das Evangelium Ferment der Freiheit und des Fortschritts, Quelle der Brüderlichkeit, der Demut und des Friedens ist (vgl. Ad gentes AGD 8). Die Kirche ist ja »in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit« (Lumen gentium LG 1)

Kirchliche Gemeinschaft entsteht aus der Begegnung mit dem Sohn Gottes, Jesus Christus, der durch die Verkündigung der Kirche die Menschen erreicht und dadurch Gemeinschaft mit ihm selbst und folglich mit dem Vater und dem Heiligen Geist schafft (vgl. 1Jn 1,3). Christus schafft die neue Beziehung zwischen dem Menschen und Gott. »Er offenbart uns, ›daß Gott die Liebe ist‹ (1Jn 4,8), und belehrt uns zugleich, daß das Grundgesetz der menschlichen Vervollkommnung und deshalb auch der Umwandlung der Welt das neue Gebot der Liebe ist. Denen also, die der göttlichen Liebe glauben, gibt er die Sicherheit, daß allen Menschen der Weg der Liebe offensteht und daß der Versuch, eine allumfassende Brüderlichkeit herzustellen, nicht vergeblich ist« (Gaudium et spes GS 38).

Die Kirche wird »Gemeinschaft« durch die Eucharistie, bei der Christus, der in Brot und Wein gegenwärtig ist, die Kirche durch sein Liebesopfer als seinen Leib aufbaut, uns mit dem einen und dreifaltigen Gott und untereinander vereint (vgl. 1Co 10,16ff.). Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Sacramentum caritatis habe ich angemerkt: »Tatsächlich können wir die Liebe, die wir im Sakrament feiern, nicht für uns behalten. Sie verlangt von ihrem Wesen her, an alle weitergegeben zu werden. Was die Welt braucht, ist die Liebe Gottes – Christus zu begegnen und an ihn zu glauben« (Nr. 84). Aus diesem Grund ist die Eucharistie nicht nur Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens, sondern auch ihrer Sendung: »Eine authentisch eucharistische Kirche ist eine missionarische Kirche« (ebd.), die alle der Gemeinschaft mit Gott zuführt und mit Nachdruck verkündet: »Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt« (1Jn 1,3).

Liebe Freunde, an diesem Sonntag der Weltmission, an dem wir den Blick unseres Herzens über den weiten Raum der Mission schweifen lassen, sollen wir uns alle angesprochen fühlen und bereit sein, uns für die Verkündigung des Evangeliums einzusetzen. Der missionarische Elan war schon immer Zeichen der Lebendigkeit unserer Kirchen (vgl. Enzyklika Redemptoris missio RMi 2) und ihre Zusammenarbeit ist ein einzigartiges Zeugnis jener Brüderlichkeit und Solidarität, die uns zu glaubwürdigen Verkündern der erlösenden Liebe macht!

Ich wiederhole daher meine Aufforderung zum Gebet und möchte Euch alle bitten, ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Eure Bereitschaft zur brüderlichen und konkreten Hilfe für die jungen Kirchen zu zeigen. Ich danke den Päpstlichen Missionswerken, die dafür sorgen werden, daß diese Geste der Liebe und des Teilens der Ausbildung von Priestern, Seminaristen und Katechisten in den entlegenen Gebieten der Mission zugute kommen und ein Ansporn für die jungen kirchlichen Gemeinschaften sein kann.

Abschließend möchte ich in meiner diesjährigen Botschaft zum Weltmissionssonntag von ganzem Herzen den Missionarinnen und Missionaren danken, die in fernen und schwierigen Regionen wirken und oft auch unter Einsatz ihres Lebens Zeugnis ablegen für das Kommen des Reiches Gottes. Ihnen, der »Vorhut« der Verkündigung des Evangeliums, gebührt die Freundschaft, Verbundenheit und Unterstützung aller Gläubigen. »Gott, (der) einen fröhlichen Geber liebt« (2Co 9,7), erfülle sie mit geistlichem Eifer und tiefer Freude.

Wie das »Ja« der Gottesmutter Maria wird jede großherzige Antwort der kirchlichen Gemeinschaft auf die Aufforderung Gottes zur Nächstenliebe eine neue apostolische und kirchliche Mutterschaft hervorrufen (vgl. Ga 4,4 Ga 4,19 Ga 4,26), die dann, wenn sie sich vom Geheimnis Gottes überraschen läßt, der die Liebe ist und »als aber die Zeit erfüllt war, seinen Sohn sandte, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt« (Ga 4,4), den neuen Aposteln Zuversicht und Mut schenken wird. Und diese Antwort wird alle Gläubigen »fröhlich in der Hoffnung« (Rm 12,12) machen bei der Umsetzung des Planes Gottes, der will »daß das ganze Menschengeschlecht ein Volk Gottes bilde, in den einen Leib Christi zusammenwachse und zu dem einen Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut werde« (Ad gentes AGD 7).

Aus dem Vatikan, 6. Februar 2010

BENEDICTUS PP. XVI

BOTSCHAFT VON PAPST BENEDIKT XVI.

ZUM 43. WELTGEBETSTAG UM GEISTLICHE BERUFUNGEN

7. MAI 2006 - IV. OSTERSONNTAG



43 Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Brüder und Schwestern!

Die Feier des bevorstehenden Weltgebetstages für geistliche Berufe bietet mir Gelegenheit, das ganze Volk Gottes einzuladen, über das Thema »Berufung im Geheimnis der Kirche« nachzudenken. Der Apostel Paulus schreibt: »Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus … Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt … seine Söhne zu werden durch Jesus Christus« (
Ep 1,3-5). Vor der Erschaffung der Welt, bevor wir ins Dasein gekommen sind, hat der himmlische Vater uns persönlich erwählt, um uns in die Gotteskindschaft zu berufen, durch Jesus, das fleischgewordene Wort, unter der Führung des Heiligen Geistes. Indem er für uns gestorben ist, hat Jesus uns in das Geheimnis der Liebe des Vaters eingeführt, eine Liebe, die ihn ganz umgibt, und die er uns allen darbietet. Auf diese Weise bilden wir vereint mit Jesus, der das Haupt ist, den einen Leib, die Kirche.

Das Gewicht einer 2000jährigen Geschichte macht es schwierig, die Neuheit des faszinierenden Geheimnisses der göttlichen Adoption, das im Mittelpunkt der Lehre des hl. Paulus steht, wahrzunehmen. Der Vater, erinnert uns der Apostel, »hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan … in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist« (Ep 1,9 Ep 1,10). Und er fügt nicht ohne Begeisterung hinzu: »Wir wissen, daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind; denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei« (Rm 8,28-29). Diese Aussicht ist wirklich faszinierend: Wir sind berufen, als Brüder und Schwestern Jesu zu leben, uns als Söhne und Töchter desselben Vaters zu fühlen. Das ist ein Geschenk, das alle ausschließlich menschlichen Vorstellungen und Pläne auf den Kopf stellt. Das Bekenntnis des wahren Glaubens öffnet den Geist und das Herz weit für das unerschöpfliche Geheimnis Gottes, das das menschliche Dasein durchdringt. Was soll man also sagen über die Versuchung, die in unseren Tagen sehr stark ist, selbstgenügsam zu sein bis zu dem Punkt, an dem wir uns sogar verschließen gegenüber dem geheimnisvollen Plan, den Gott für uns hat? Die Liebe des Vaters, die sich in der Person Christi offenbart, hinterfragt uns.

Um auf den Ruf Gottes zu antworten und sich auf den Weg zu machen, ist es nicht notwendig, bereits perfekt zu sein. Bekanntlich war es das Wissen um die eigene Sünde, das dem verlorenen Sohn ermöglichte, die Rückkehr anzutreten und so die Freude der Versöhnung mit dem Vater zu erfahren. Menschliche Schwäche und Begrenztheit sind kein Hindernis, wenn sie dazu beitragen, uns immer stärker der Tatsache bewußt zu werden, daß wir die erlösende Gnade Christi brauchen. Dies ist die Erfahrung des hl. Paulus, der bekannte: »Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt« (2Co 12,9). Im Geheimnis der Kirche, dem mystischen Leib Christi, verändert die göttliche Macht der Liebe das Herz des Menschen und macht diesen fähig, die Liebe Gottes seinen Brüdern und Schwestern zu vermitteln. Im Verlauf der Jahrhunderte haben viele Männer und Frauen, die von der göttlichen Liebe verwandelt worden waren, ihr Leben dem Reich Gottes geweiht. Bereits am Ufer des Sees von Galiläa haben viele Menschen sich von Jesus einnehmen lassen: Sie waren auf der Suche nach Heilung an Körper oder Geist und sind berührt worden von der Macht seiner Gnade. Andere wurden von ihm persönlich auserwählt und sind seine Apostel geworden. Wir finden auch Menschen, die wie Maria Magdalena und andere Frauen ihm aus eigenem Antrieb nachgefolgt sind, einfach aus Liebe, aber wie der Jünger Johannes hatten auch sie einen besonderen Platz in seinem Herzen. Diese Männer und Frauen, die durch Jesus das Geheimnis der Liebe des Vaters kennengelernt haben, stehen für die Vielfalt der Berufungen, die es von Anfang an in der Kirche gegeben hat. Das Vorbild aller, die berufen sind, auf besondere Weise die Liebe Gottes zu bezeugen, ist Maria, die Mutter Jesu, die auf ihrem Pilgerweg des Glaubens unmittelbar teilhatte am Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung.

In Christus, dem Haupt der Kirche, die sein Leib ist, sind alle Christen zusammen »ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonders Eigentum wurde, damit [es …] die großen Taten … verkündet« (1P 2,9). Die Kirche ist heilig, auch wenn ihre Mitglieder der Läuterung bedürfen, damit die von Gott geschenkte Heiligkeit in ihnen aufleuchten kann, bis sie in ihrem vollen Glanz erstrahlt. Das Zweite Vatikanische Konzil betont die allgemeine Berufung zur Heiligkeit, wenn es sagt: »Die Anhänger Christi sind von Gott nicht kraft ihrer Werke, sondern aufgrund seines gnädigen Ratschlusses berufen und in Jesus dem Herrn gerechtfertigt, in der Taufe des Glaubens wahrhaft Kinder Gottes und der göttlichen Natur teilhaftig und so wirklich heilig geworden« (Lumen gentium LG 40). In seiner Fürsorge für die Kirche ruft dann der Hohepriester Christus im Rahmen dieser allgemeinen Berufung in jeder Generation Menschen, die Sorge tragen sollen für sein Volk; speziell zum priesterlichen Dienst beruft er Männer, eine väterliche Funktion auszuüben, deren Quelle in Gottes eigener Vaterschaft liegt (vgl. Ep 3,14). Die Sendung des Priesters in der Kirche ist unersetzlich. Daher darf es, selbst wenn in einigen Gebieten Priestermangel zu verzeichnen ist, niemals an der Gewißheit fehlen, daß Christus auch weiterhin Männer beruft, die wie die Apostel jede andere Beschäftigung aufgeben und sich ganz der Feier der heiligen Geheimnisse, der Verkündigung des Evangeliums und dem pastoralen Dienst widmen. Im Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis hat mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. diesbezüglich festgestellt: »Die Beziehung des Priesters zu Jesus Christus und in ihm zu seiner Kirche liegt im Sein des Priesters selbst auf Grund seiner sakramentalen Weihe bzw. Salbung und in seinem Tun, das heißt in seiner Sendung bzw. seinem Dienst. Im besonderen ist der Priester Diener des in der Kirche gegenwärtigen Christus, wobei Kirche verstanden wird als Mysterium, Communio und Missio.Dadurch, daß er Anteil erhalten hat an der ›Salbung‹ und ›Sendung‹ Christi, kann er dessen Gebet, Wort, Opfer und Heilswirken in der Kirche andauern lassen. Er ist also Diener der Kirche als Mysterium, weil er die kirchlichen und sakramentalen Zeichen der Gegenwart des auferstanden Christus gegenwärtig setzt« (Nr. 16).

Eine weitere besondere Berufung, die in der Kirche eine Ehrenstellung besitzt, ist die zum geweihten Leben. Nach dem Vorbild der Maria von Bethanien – sie »setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu« (Lc 10,39) – weihen sich viele Männer und Frauen einer totalen und ausschließlichen Christusnachfolge. Auch wenn sie verschiedene Dienste verrichten im Bereich der Erziehung und Bildung, in der Fürsorge für die Armen, in der Lehre oder im Krankendienst, so betrachten sie diese Arbeiten doch nicht als hauptsächlichen Zweck ihres Lebens, denn, wie der Kodex des kanonischen Rechts hervorhebt, »die erste und vorzügliche Verpflichtung aller Ordensleute hat in der Betrachtung der göttlichen Dinge und in der ständigen Verbindung mit Gott im Gebet zu bestehen« (Kan. 663, § 1). Und im Apostolischen Schreiben Vita consecrata bemerkte Johannes Paul II.: »In der Tradition der Kirche wird die Ordensprofeß als eine einzigartige und fruchtbare Vertiefung der Taufweihe betrachtet, da sich durch sie die bereits mit der Taufe eingeleitete innige Verbindung mit Christus in dem Geschenk einer durch das Bekenntnis zu den evangelischen Räten vollkommener zum Ausdruck gebrachten und verwirklichten Anpassung an ihn entfaltet« (Nr. 30).

Eingedenk dessen, was Jesus uns ans Herz gelegt hat: »Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden« (Mt 9,37), spüren wir sehr deutlich die Notwendigkeit, für die Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben zu beten. Es ist nicht überraschend, daß es dort, wo mit Hingabe gebetet wird, viele Berufungen gibt. Die Heiligkeit der Kirche hängt wesentlich von der Vereinigung mit Christus und von der Öffnung gegenüber dem Geheimnis der Gnade ab, die im Herzen der Glaubenden wirkt. Daher möchte ich alle Gläubigen einladen, eine innige Beziehung zu Christus, dem Meister und Hirten seines Volkes, zu pflegen und so Maria nachzuahmen, die im Herzen die göttlichen Geheimnisse bewahrte und beharrlich darüber nachdachte (vgl. Lc 2,19). Zusammen mit ihr, die im Geheimnis der Kirche eine zentrale Stellung einnimmt, beten wir:

O Vater, laß unter den Christen
viele und heilige Berufungen zum Priestertum entstehen,
die den Glauben lebendig halten
44 und die dankbare Erinnerung an deinen Sohn Jesus bewahren,
durch die Verkündigung seines Wortes
und die Verwaltung der Sakramente,
durch die du deine Gläubigen ständig erneuerst.

Schenke uns heilige Diener deines Altars,
die aufmerksame und eifrige Hüter der Eucharistie sind,
des Sakraments der äußersten Hingabe Christi
für die Erlösung der Welt.

Rufe Diener deiner Barmherzigkeit,
die durch das Sakrament der Versöhnung
die Freude deiner Vergebung verbreiten.

45 O Vater, laß die Kirche mit Freuden
die zahlreichen Inspirationen des Geistes deines Sohnes aufnehmen
und laß sie - deiner Lehre fügsam -
Sorge tragen für die Berufungen zum priesterlichen Dienst
und zum geweihten Leben.

Unterstütze die Bischöfe, die Priester, die Diakone,
die Menschen des geweihten Lebens und alle in Christus Getauften,
damit sie treu ihre Sendung erfüllen
im Dienst des Evangeliums.

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen.

Maria, Königin der Apostel, bitte für uns!

46 Aus dem Vatikan, 5. März 2006

BENEDIKT XVI.




BOTSCHAFT DES HL. VATERS BENEDIKT XVI. ZUM 44. WELTGEBETSTAG UM GEISTLICHE BERUFUNGEN



29. APRIL 2007 - IV. SONNTAG DER OSTERZEIT

Thema: «Die Berufung im Dienst der Kirche als Gemeinschaft»




Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Brüder und Schwestern!

Der jährlich Weltgebetstag um geistliche Berufungen ist eine gute Gelegenheit, um die Bedeutung der Berufungen im Leben und in der Sendung der Kirche deutlich zu machen und unser Gebet zu verstärken, damit die Berufungen an Zahl und Qualität wachsen. Aus Anlaß des bevorstehenden Weltgebetstages möchte ich die Aufmerksamkeit des ganzen Gottesvolkes auf das folgende, sehr aktuelle Thema lenken: »Die Berufung im Dienst der Kirche als Gemeinschaft«.

Als ich im vergangenen Jahr bei den Generalaudienzen am Mittwoch einen neuen Katechesezyklus begann, der der Beziehung zwischen Christus und der Kirche gewidmet war, machte ich darauf aufmerksam, daß sich die erste christliche Gemeinschaft – in ihrer ursprünglichen Kerngruppe – bildete, als einige Fischer aus Galiläa Jesus begegneten und sich von seinem Blick, von seiner Stimme einnehmen ließen und seine nachdrückliche Einladung annahmen: »Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen« (Mc 1,17 vgl. Mt 4,19). Tatsächlich hat Gott stets einige Menschen auserwählt, die auf unmittelbarere Weise an der Verwirklichung seines Heilsplanes mitarbeiten sollten. Im Alten Testament rief er am Anfang Abraham, um »ein großes Volk« zu bilden (Gn 12,2) und dann Mose, um Israel aus der Knechtschaft Ägyptens zu befreien (vgl. Ex 3,10). Er bestimmte immer wieder Menschen, besonders die Propheten, um den Bund mit seinem Volk zu bewahren und lebendig zu erhalten. Im Neuen Testament lud Jesus, der verheißene Messias, die Apostel einzeln ein, bei ihm zu sein (vgl. Mc 3,14) und an seiner Sendung teilzuhaben. Beim Letzten Abendmahl, als er ihnen den Auftrag gab, das Gedächtnis seines Todes und seiner Auferstehung fortzusetzen bis hin zu seiner glorreichen Wiederkunft am Ende der Zeiten, richtete er für sie an den Vater die flehentliche Bitte: »Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin« (Jn 17,26). Die Sendung der Kirche gründet daher auf einer innigen und treuen Gemeinschaft mit Gott.

Die Konstitution Lumen gentium des Zweiten Vatikanischen Konzils beschreibt die Kirche als »das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk« (Nr. 4), in dem sich das Geheimnis Gottes widerspiegelt. Daher kommt in ihm die trinitarische Liebe zum Ausdruck und bilden dank des Wirkens des Heiligen Geistes alle seine Glieder »einen Leib und einen Geist« in Christus. Vor allem wenn es sich zur Eucharistie versammelt, lebt dieses Volk, organisch gegliedert unter der Leitung seiner Hirten, das Geheimnis der Gemeinschaft mit Gott und mit den Brüdern. Die Eucharistie ist die Quelle jener kirchlichen Einheit, für die Jesus am Vorabend seines Leidens gebetet hat: Vater, auch sie sollen »in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast. (Jn 17,21)«. Diese innige Gemeinschaft fördert das Gedeihen großherziger Berufungen im Dienst der Kirche: Das Herz des Gläubigen, erfüllt von göttlicher Liebe, wird gedrängt, sich ganz der Sache des Reiches Gottes zu widmen. Um die Berufungen zu fördern, ist also eine Pastoral wichtig, die aufmerksam ist gegenüber dem Geheimnis der Kirche als Gemeinschaft. D00enn wer in einer einmütigen, mitverantwortlichen, sorgetragenden kirchlichen Gemeinschaft lebt, lernt gewiß leichter, den Ruf des Herrn zu erkennen. Die Sorge um geistliche Berufungen verlangt daher eine ständige »Erziehung« zum Hören auf die Stimme Gottes, nach dem Vorbild Elis, der dem jungen Samuel half, das zu verstehen, worum Gott ihn bat, und es bereitwillig in die Tat umzusetzen (vgl. 1S 3,9). Das fügsame und treue Hören kann jedoch nur in einer Atmosphäre vertrauter Gemeinschaft mit Gott vor sich gehen. Und diese Atmosphäre entsteht vor allem im Gebet. Entsprechend dem ausdrücklichen Gebot des Herrn müssen wir die Gabe der Berufungen erbitten, indem wir vor allem unermüdlich und gemeinsam mit dem »Herrn der Ernte« beten. Die Einladung steht im Plural: »Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden« (Mt 9,38). Diese Einladung des Herrn entspricht sehr genau dem Stil des »Vater Unser« (vgl. Mt 6,9), des Gebetes, das er uns gelehrt hat und das, dem bekannten Wort Tertullians zufolge, eine »Zusammenfassung des ganzen Evangeliums« darstellt (vgl. De oratione 1,6: CCL 1,258). Unter diesem Blickwinkel ist auch ein weiteres Wort Jesu erhellend: »Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten« (Mt 18,19). Der gute Hirte lädt uns also ein, den himmlischen Vater zu bitten, ihn gemeinsam und mit Nachdruck zu bitten, daß er Berufungen zum Dienst an der Kirche als Gemeinschaft sende.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat die pastorale Erfahrung der vergangenen Jahrhunderte aufgegriffen und betont, daß es wichtig ist, die zukünftigen Priester zu einer wahren kirchlichen Gemeinschaft zu bilden. Wir lesen diesbezüglich im Dekret Presbyterorum ordinis: »Die Priester üben entsprechend ihrem Anteil an der Vollmacht das Amt Christi, des Hauptes und Hirten, aus. Sie versammeln im Namen des Bischofs die Familie Gottes, die als Gemeinschaft von Brüdern nach Einheit verlangt, und führen sie durch Christus im Geist zu Gott dem Vater« (Nr. 6). Diese Worte des Konzils finden einen Nachklang im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis, das hervorhebt: Der Priester »ist Diener der Kirche als Gemeinschaft, weil er – verbunden mit dem Bischof und in enger Beziehung zum Presbyterium – im Zusammenführen der verschiedenen Berufungen, Charismen und Dienste die Einheit der kirchlichen Gemeinschaft aufbaut« (Nr. 16). Es ist unverzichtbar, daß innerhalb des christlichen Volkes jedes Amt und jedes Charisma sich an der vollen Gemeinschaft ausrichtet, und es ist Aufgabe des Bischofs und der Priester, diese im Einklang mit jeder anderen kirchlichen Berufung und mit jedem anderen kirchlichen Dienst zu fördern. So steht zum Beispiel auch das geweihte Leben auf seine ganz eigene Art im Dienst dieser Gemeinschaft, wie es von meinem verehrten Vorgänger Johannes Paul II. im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Vita consecrata deutlich gemacht wird: »Das geweihte Leben hat zweifellos das Verdienst, wirksam dazu beigetragen zu haben, in der Kirche das Verlangen nach Geschwisterlichkeit als Bekenntnis zur Dreifaltigkeit lebendig zu erhalten. Es hat durch die ständige Förderung der geschwisterlichen Liebe auch in der Form des Gemeinschaftslebens gezeigt, daß die Teilnahme an der trinitarischen Gemeinschaft die menschlichen Beziehungen dahingehend zu verändern vermag , daß sie eine neue Art von Solidarität hervorbringt« (Nr. 41).

Im Mittelpunkt jeder christlichen Gemeinschaft steht die Eucharistie, Quelle und Höhepunkt des Lebens der Kirche. Wer sich in den Dienst des Evangeliums stellt, schreitet, wenn er aus der Eucharistie heraus lebt, in der Liebe zu Gott und zum Nächsten voran und trägt so dazu bei, die Kirche als Gemeinschaft aufzubauen. Wir könnten sagen, daß »die eucharistische Liebe« den Einsatz der ganzen Kirche in bezug auf die Berufungen begründet und ihm seine Grundlage verleiht, weil – wie ich in der Enzyklika Deus caritas est geschrieben habe – die Berufungen zum Priestertum und zu den anderen Ämtern und Diensten im Gottesvolkes dort gedeihen, wo es Menschen gibt, in denen Christus in seinem Wort, in den Sakramenten und besonders in der Eucharistie sichtbar wird. Denn »in der Liturgie der Kirche, in ihrem Beten, in der lebendigen Gemeinschaft der Gläubigen erfahren wir die Liebe Gottes, nehmen wir ihn wahr und lernen so auch, seine Gegenwart in unserem Alltag zu erkennen. Er hat uns zuerst geliebt und liebt uns zuerst; deswegen können auch wir mit Liebe antworten« (Nr. 17).

Wir wenden uns schließlich an Maria, die die erste Gemeinschaft gestützt hat, wo »alle einmütig waren und alle sich regelmäßig zum Gebet versammelten« (vgl. Ac 1,4), auf daß sie der Kirche helfe, in der heutigen Welt Abbild der Trinität zu sein, beredtes Zeichen der göttlichen Liebe zu allen Menschen. Die Jungfrau, die auf den Ruf des Vaters bereitwillig geantwortet hat, indem sie sagte: »Ich bin die Magd des Herrn« (Lc 1,38), möge Fürbitte einlegen, damit es im christlichen Volk nicht an Dienern der göttlichen Freude fehle: an Priestern, die, in Gemeinschaft mit ihren Bischöfen, treu das Evangelium verkünden und die Sakramente feiern, die Sorge tragen für das Gottesvolk und die bereit sind, der ganzen Menschheit das Evangelium zu verkünden. Die Jungfrau Maria möge erwirken, daß auch in dieser unserer Zeit die Zahl der geweihten Menschen zunehme, der Menschen, die gegen den Strom schwimmen, indem sie die evangelischen Räte der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams leben und auf prophetische Weise Christus und seine befreiende Heilsbotschaft bezeugen. Liebe Brüder und Schwestern, die der Herr zu besonderen Berufungen in der Kirche ruft, ich möchte euch auf besondere Weise der Jungfrau Maria anvertrauen, damit sie, die mehr als alle Menschen den Sinn der Worte Jesu: »Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln« (Lc 8,21), verstanden hat, euch lehre, auf ihren göttlichen Sohn zu hören. Sie helfe euch, durch euer Leben zu sagen: »Ja, ich komme, um deinen Willen, Gott, zu tun« (vgl. He 10,7). Mit diesen Wünschen verspreche ich jedem von euch mein besonderes Gebetsgedenken und segne euch alle von Herzen.

Aus dem Vatikan, am 10. Februar 2007



BENEDICTUS PP. XVI



BOTSCHAFT DES HL. VATERS BENEDIKT XVI.

ZUM 45. WELTGEBETSTAG UM GEISTLICHE BERUFUNGEN

13. APRIL 2008 - 4. SONNTAG DER OSTERZEIT

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BOTSCHAFT 2006-2010 39