BOTSCHAFT 2006-2010 67


BENEDICTUS PP. XVI

BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI.

ANLÄSSLICH DES 22. WELTJUGENDTAGES (1. APRIL 2007)


“Wie ich euch geliebt habe, so sollt

auch ihr einander lieben” (Jn 13,34)

Liebe Jugendliche,


anläßlich des XXII. Weltjugendtages, der am kommenden Palmsonntag in den Diözesen gefeiert wird, möchte ich Euch zur Meditation diese Worte Jesu vorschlagen: »Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben« (Jn 13,34).

Ist es möglich zu lieben?

Jeder Mensch verspürt den Wunsch, zu lieben und geliebt zu werden. Und dennoch: Wie schwierig ist es zu lieben; wie viele Irrtümer und Fehlschläge sind bei der Liebe zu verzeichnen! Manch einer kommt sogar dazu, daran zu zweifeln, daß die Liebe möglich ist. Wenn aber emotionale Mängel oder Enttäuschungen im Gefühlsleben auch daran denken lassen, daß Liebe eine Utopie ist, ein unerreichbarer Traum – darf man deshalb resignieren? Nein! Die Liebe ist möglich, und Ziel dieser meiner Botschaft ist es, einen Beitrag zu leisten, damit in jedem von Euch, die Ihr die Zukunft und die Hoffnung der Menschheit seid, das Vertrauen in die wahre, treue und starke Liebe neu geweckt wird – eine Liebe, die Frieden und Freude hervorbringt; eine Liebe, die die Menschen untereinander verbindet, so daß sie sich in gegenseitiger Achtung frei fühlen. Laßt uns also gemeinsam drei Stationen des Weges hin zur »Entdeckung« der Liebe beschreiten.

Gott, Quelle der Liebe

Die erste Station betrifft die Quelle der wahren Liebe. Es gibt nur eine einzige Quelle der Liebe, und das ist Gott. Der hl. Johannes macht dies deutlich, wenn er erklärt, daß Gott »die Liebe« ist (1Jn 4,8 1Jn 4,16). Nun will er nicht nur sagen, daß Gott uns liebt, sondern daß das Wesen Gottes selbst Liebe ist. Wir stehen hier vor der hellsten Offenbarung der Quelle der Liebe, die das Geheimnis der Dreifaltigkeit ist: Im einen und dreifaltigen Gott findet zwischen den Personen des Vaters und des Sohnes ein ewiger Austausch der Liebe statt; und diese Liebe ist keine Energie oder ein Gefühl, sondern eine Person: der Heilige Geist.

Das Kreuz Christi offenbart die Liebe Gottes in Fülle

Wie offenbart sich uns Gott, der die Liebe ist? Wir sind hier an der zweiten Station unseres Weges angelangt. Auch wenn es schon in der Schöpfung deutliche Spuren der göttlichen Liebe gibt, so geschah die volle Offenbarung des innersten Geheimnisses Gottes in der Fleischwerdung, als Gott selbst Mensch wurde. In Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, haben wir die Liebe in ihrer ganzen Tragweite kennengelernt. In der Tat, so habe ich in der Enzyklika Deus caritas est geschrieben, sind »das eigentlich Neue des Neuen Testaments (…) nicht neue Ideen, sondern die Gestalt Christi selber, der den Gedanken Fleisch und Blut, einen unerhörten Realismus gibt« (12). Die Offenbarung der göttlichen Liebe ist total und vollkommen am Kreuz, wo – wie der hl. Paulus sagt – »Gott aber (…) seine Liebe zu uns darin erwiesen (hat), daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren« (Rm 5,8). Jeder von uns kann somit wahrhaft sagen: »Christus hat mich geliebt und sich für mich hingegeben« (vgl. Ep 5,2). Da es durch sein Blut erlöst wurde, ist kein menschliches Leben unnütz oder von geringem Wert, denn wir alle werden persönlich von ihm mit einer leidenschaftlichen und treuen Liebe geliebt, einer Liebe ohne Grenzen. Das Kreuz – Torheit für die Welt, Ärgernis für viele Gläubige – ist hingegen »Weisheit Gottes« für all diejenigen, die sich in den Tiefen des eigenen Seins berühren lassen, »denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen« (vgl. ). Ja, mehr noch: Der Gekreuzigte, der nach der Auferstehung die Male seines Leidens für immer trägt, läßt die »Täuschungen« und Lügen in Bezug auf Gott, die in der Gestalt von Gewalt, Rache und Abweisung auftreten, offenbar werden. Christus ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich nimmt und den Haß aus dem Herzen des Menschen vertreibt. Das ist die wahre »Revolution «, die er bringt: die Liebe.

Den Nächsten lieben wie Christus uns liebt

So sind wir bei der dritten Station unserer Überlegung angekommen. Am Kreuz ruft Christus: »Mich dürstet« (Jn 19,28). So offenbart er den brennenden Durst danach, zu lieben und von einem jeden von uns geliebt zu werden. Nur wenn es uns gelingt, die Tiefe und Intensität dieses Geheimnisses zu erfassen, wird uns die Notwendigkeit und die Dringlichkeit klar, ihn unsererseits zu lieben wie er uns geliebt hat. Das bringt die Bemühung mit sich, getragen von Seiner Liebe auch das eigene Leben für die Brüder hinzugeben, falls es notwendig sein sollte. Schon im Alten Testament hat Gott gesagt: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Lv 19,18). Die Neuheit Christi aber besteht in der Tatsache, daß »wie er lieben« heißt: alle lieben, ohne Unterschied; auch die Feinde, »bis zur Vollendung« (vgl. Jn 13,1).

Zeugen der Liebe Christi

Jetzt möchte ich bei drei Bereichen des alltäglichen Lebens innehalten, in denen Ihr, liebe Jugendliche, besonders aufgerufen seid, die Liebe Gottes offenbar werden zu lassen. Der erste Bereich ist die Kirche, die unsere geistliche Familie ist und sich aus allen Jüngern Christi zusammensetzt. Fördert – eingedenk seiner Worte: »Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt« (Jn 13,35) – mit Eurem Enthusiasmus und mit Eurer Liebe die Tätigkeiten der Pfarreien, der Gemeinschaften, der kirchlichen Bewegungen und der Jugendgruppen, denen Ihr angehört. Sorgt Euch darum, das Wohl des anderen zu suchen, in Treue zu den eingegangenen Verpflichtungen. Zögert nicht, mit Freude auf einige Eurer Vergnügungen zu verzichten. Nehmt frohen Herzens die notwendigen Opfer auf Euch. Bezeugt Eure treue Liebe zu Jesus, indem Ihr sein Evangelium besonders unter Euren Altergenossen verkündigt.

Sich auf die Zukunft vorbereiten

Der zweite Bereich, in dem Ihr dazu berufen seid, die Liebe zum Ausdruck zu bringen und in ihr zu wachsen, ist Eure Vorbereitung auf die Zukunft, die Euch erwartet. Wenn Ihr verlobt seid, hat Gott einen liebevollen Plan für Eure Zukunft als Ehepaar und Familie, und deshalb ist es so wesentlich, daß Ihr ihn mit Hilfe der Kirche entdeckt, frei vom verbreiteten Vorurteil, daß das Christentum mit seinen Geboten und Verboten der Freude der Liebe Hindernisse in den Weg lege und im besonderen verhindere, jenes Glück zu genießen, das Mann und Frau in ihrer gegenseitigen Liebe suchen. Die Liebe des Mannes und der Frau steht am Ursprung der menschlichen Familie, und das aus Mann und Frau gebildete Paar hat seinen Grund im ursprünglichen Plan Gottes (vgl. ). Zu lernen, sich als Ehepaar zu lieben, ist ein wunderbarer Weg, der nichtsdestoweniger eine anspruchsvolle Lehrzeit erfordert. Die Zeit der Verlobung ist grundlegend für die Formung des Paares; sie ist eine Zeit der Erwartung und der Vorbereitung, die in der Keuschheit der Gesten und der Worte zu leben ist. Dies gestattet es, in der Liebe, in der Fürsorge und in der Aufmerksamkeit dem anderen gegenüber zu reifen; es hilft, Selbstbeherrschung zu üben und die Achtung vor dem anderen zu entwickeln. All dies sind Kennzeichen der wahren Liebe, die an erster Stelle weder die eigene Befriedigung noch das eigene Wohlergehen sucht. Bittet im gemeinsamen Gebet den Herrn darum, daß er Eure Liebe behüte und vermehre und sie von jeglichem Egoismus reinige. Zögert nicht, dem Ruf des Herrn großherzig zu folgen, denn die christliche Ehe ist eine wahre Berufung in der Kirche. Liebe junge Männer und Frauen, seid gleichermaßen bereit, Ja zu sagen, wenn Gott Euch ruft, ihm auf dem Weg des Priestertums oder des geweihten Lebens nachzufolgen. Euer Vorbild wird viele andere Eurer Altersgenossen, die auf der Suche nach dem wahren Glück sind, ermutigen.

Jeden Tag in der Liebe wachsen

Der dritte Bereich des Einsatzes, den die Liebe mit sich bringt, ist der des alltäglichen Lebens mit seinen mannigfaltigen Beziehungen. Ich beziehe mich insbesondere auf die Familie, die Schule, die Arbeit und die Freizeit. Liebe Jugendliche, pflegt Eure Talente nicht nur, um einen sozialen Status zu erreichen, sondern auch, um den anderen beim »Wachsen« zu helfen. Entwickelt Eure Fähigkeiten nicht nur, um »konkurrenzfähiger« und »produktiver« zu werden, sondern um »Zeugen der Nächstenliebe « zu sein. Verbindet mit der Berufsausbildung die Bemühung, religiöse Kenntnisse zu erwerben, die nützlich sind, um Eure Sendung auf verantwortliche Weise verwirklichen zu können. Ich lade Euch insbesondere dazu ein, die Soziallehre der Kirche zu vertiefen, damit ihre Prinzipien Euer Handeln in der Welt inspirieren und erleuchten. Der Heilige Geist mache Euch erfindungsreich in der Nächstenliebe, standhaft in den Aufgaben, die Ihr übernehmt, und kühn in Euren Initiativen, damit Ihr Euren Beitrag zum Aufbau der »Zivilisation der Liebe« leisten könnt. Der Horizont der Liebe ist wirklich grenzenlos: er ist die ganze Welt!

Dem Beispiel der Heiligen folgend »die Liebe wagen«

Liebe Jugendliche, ich möchte Euch dazu einladen, »die Liebe zu wagen«; das heißt, nichts Geringeres für Euer Leben zu ersehnen als eine starke und schöne Liebe, die fähig ist, das ganze Dasein zu einer freudigen Verwirklichung der Gabe Eurer selbst an Gott und die Brüder zu machen, in Nachahmung dessen, der durch seine Liebe für immer den Haß und den Tod besiegt hat (vgl. Ap 5,13). Die Liebe ist die einzige Kraft, die imstande ist, die Herzen der Menschen und der ganzen Menschheit zu wandeln und die Beziehungen zwischen Männern und Frauen, zwischen Reich und Arm, zwischen Kulturen und Zivilisationen fruchtbringend zu machen. Davon legt das Leben der Heiligen Zeugnis ab, die als wahre Freunde Gottes Weg und Abglanz dieser ursprünglichen Liebe sind. Bemüht Euch darum, sie besser kennenzulernen; vertraut Euch ihrer Fürsprache an und versucht, wie sie zu leben. Ich beschränke mich darauf, Mutter Teresa zu zitieren: Weil sie auf den Ruf Christi »Mich dürstet! « – einen Schrei, der sie zutiefst bewegte – prompt antworten wollte, begann sie, todkranke Menschen auf den Straßen Kalkuttas in Indien aufzunehmen. Von da an bestand die einzige Sehnsucht ihres Lebens darin, den Durst Jesu nach Liebe zu löschen – nicht mit Worten, sondern mit konkreten Handlungen, wobei sie dessen entstelltes, nach Liebe dürstendes Antlitz im Gesicht der Ärmsten unter den Armen erkannte. Die sel. Teresa setzte die Lehre des Herrn in die Praxis um: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (vgl. Mt 25,40). Und die Botschaft dieser demütigen Zeugin der göttlichen Liebe hat sich in der ganzen Welt verbreitet.

Das Geheimnis der Liebe

69 Einem jeden von uns ist es gegeben, diesen Grad an Liebe zu erreichen – aber nur, wenn wir die unverzichtbare Hilfe der göttlichen Gnade in Anspruch nehmen. Nur die Hilfe des Herrn erlaubt es uns nämlich, angesichts der gewaltigen Größe der zu bewältigenden Aufgabe nicht der Resignation zu erliegen, und nur sie verleiht uns den Mut, das zu verwirklichen, was nach menschlichem Ermessen undenkbar ist. Vor allem die Eucharistie ist die große Schule der Liebe. Nimmt man regelmässig und mit Ehrfurcht an der Heiligen Messe teil, verbringt man in Gesellschaft mit dem eucharistischen Jesus lange Momente der Anbetung, so ist es leichter, die Länge, Breite, Höhe und Tiefe seiner Liebe zu begreifen, die jede Erkenntnis übersteigt (vgl. ). Durch das Teilen des eucharistischen Brotes mit den Brüdern der kirchlichen Gemeinschaft wird man dann dazu angetrieben, die Liebe Christi »mit Eile«, wie es die Jungfrau gegenüber Elisabeth getan hat, in einen großherzigen Dienst an den Brüdern umzusetzen.

Unterwegs zur Begegnung in Sydney

Erhellend ist diesbezüglich die Ermahnung des Apostels Johannes: »Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit. Daran werden wir erkennen, daß wir aus der Wahrheit sind« (). Liebe Jugendliche, in diesem Geist lade ich Euch dazu ein, den nächsten Weltjugendtag zusammen mit Euren Bischöfen in Euren jeweiligen Diözesen zu begehen. Er wird eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Begegnung in Sydney sein, deren Thema lautet: »Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein« (Ac 1,8). Maria, die Mutter Christi und der Kirche, helfe Euch, überall den Ruf erschallen zu lassen, der die Welt verändert hat: »Gott ist die Liebe!« Ich begleite Euch mit meinem Gebet und segne Euch von Herzen.

Aus dem Vatikan, am 27. Januar 2007

BENEDICTUS PP. XVI




XXIII. WELTJUGENDTAG

BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI.

ANLÄSSLICH DES 23. WELTJUGENDTAGES


«Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen,

der auf euch herabkommen wird, und ihr werdet meine Zeugen sein» (Ac 1,8)

Liebe Jugendliche!


1. Der XXIII. Weltjugendtag

Mit großer Freude denke ich noch immer an die verschiedenen Momente, die wir im August 2005 in Köln gemeinsam erlebt haben. Am Schluß dieser unvergeßlichen Kundgebung des Glaubens und der Begeisterung, die mir in Herz und Geist eingeprägt bleibt, habe ich Euch zum nächsten Treffen eingeladen, das 2008 in Sydney stattfinden wird. Es wird der XXIII. Weltjugendtag sein, und er wird das Thema haben: »Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird, und ihr werdet meine Zeugen sein« (Ac 1,8). Der Leitgedanke der spirituellen Vorbereitung auf das Treffen in Sydney ist der Heilige Geist und die Mission. Nachdem wir 2006 den Heiligen Geist als »Geist der Wahrheit« betrachtet haben, werden wir uns 2007 bemühen, ihn tiefer als den »Geist der Liebe« zu entdecken, um uns dann auf den Weg zum Weltjugendtag 2008 in Sydney zu machen, indem wir über den »Geist der Stärke und des Zeugnisses« nachdenken, der uns den Mut gibt, das Evangelium zu leben, und die Beherztheit, es zu verkünden. Deshalb ist es äußerst wichtig, daß jeder von Euch Jugendlichen in seiner Gemeinschaft und mit seinen Erziehern im Glauben über diesen Hauptakteur der Heilsgeschichte, der ja der Heilige Geist bzw. der Geist Jesu ist, nachdenken kann, um die folgenden hohen Ziele zu erreichen: die wahre Identität des Heiligen Geistes zu erkennen, vor allem durch das Hören auf das Wort Gottes in der biblischen Offenbarung; ein klares Bewußtsein zu haben von seiner beständigen, aktiven Gegenwart im Leben der Kirche, insbesondere durch die Wiederentdeckung des Heiligen Geistes als »Seele«, als lebensnotwendiger Atem des eigenen christlichen Lebens, dank der Sakramente der christlichen Initiation – Taufe, Firmung und Eucharistie; die Fähigkeit zu erlangen, ein immer tieferes und freudigeres Verständnis von Jesus reifen zu lassen und so am Beginn des dritten Jahrtausends zugleich eine wirksame Umsetzung des Evangeliums zu verwirklichen. Gerne biete ich Euch mit dieser Botschaft den Entwurf einer Meditation an, die Ihr im Laufe dieses Jahres der Vorbereitung vertiefen sollt und anhand derer Ihr die Qualität Eures Glaubens an den Heiligen Geist überprüfen könnt, ihn wiederfinden könnt, wenn Ihr ihn verloren habt, ihn stärken könnt, wenn er schwach geworden ist, und ihn als Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes Jesus Christus genießen könnt, gerade durch das unerläßliche Wirken des Heiligen Geistes. Vergeßt nie, daß die Kirche, ja vielmehr die Menschheit selbst – sowohl die Euch jetzt umgebende als auch die zukünftige –, sehr viel von Euch Jugendlichen erwartet, denn Ihr tragt in Euch die höchste Gabe des Vaters: den Geist Jesu.

2. Die Verheißung des Heiligen Geistes in der Bibel

Das aufmerksame Hören auf das Wort Gottes in bezug auf das Geheimnis und das Wirken des Heiligen Geistes macht uns offen für große und inspirierende Erkenntnisse, die ich in den folgenden Punkten zusammenfassen möchte.

70 Kurz vor seiner Himmelfahrt, hat Jesus zu seinen Jüngern gesagt: »Und ich werde die Gabe, die mein Vater verheißen hat, zu euch herabsenden« (Lc 24,49). Das wurde am Pfingsttag Wirklichkeit, als sie mit der Jungfrau Maria betend im Obergemach vereint waren. Die Ausgießung des Heiligen Geistes auf die entstehende Kirche war die Erfüllung einer sehr viel älteren Verheißung Gottes, die im ganzen Alten Testament angekündigt und vorbereitet worden war.

Denn schon von den ersten Seiten an stellt die Bibel den Geist Gottes vor als einen Hauch, der »über dem Wasser schwebte« (vgl. Gn 1,2), und verdeutlicht, daß Gott den Lebensatem in die Nase des Menschen blies (vgl. Gn 2,7) und ihm so das Leben einhauchte. Nach der Erbsünde offenbart sich der lebenspendende Geist Gottes mehrmals in der Geschichte der Menschen und erweckt Propheten, um das auserwählte Volk aufzufordern, zu Gott zurückzukehren und seine Gebote treu zu halten. In der berühmten Vision des Propheten Ezechiel belebt Gott mit seinem Geist das Volk Israel wieder, das durch die »ausgetrockneten Gebeine« sinnbildlich dargestellt wird (vgl. 37,1–14). Joël prophezeit eine »Ausgießung des Geistes« über das ganze Volk, ohne Ausnahme. »Danach aber«, schreibt der biblische Autor, »wird es geschehen, daß ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch… Auch über Knechte und Mägde, werde ich meinen Geist ausgießen in jenen Tagen« (3,1–2).

In der »Fülle der Zeit« (vgl. Ga 4,4) verkündet der Engel des Herrn der Jungfrau von Nazaret, daß der Heilige Geist, »die Kraft des Höchsten«, auf sie herabkommen und sie überschatten wird. Der, den sie gebären wird, wird deshalb heilig und Sohn Gottes genannt werden (vgl. Lc 1,35). Nach den Worten des Propheten Jesaja wird der Messias derjenige sein, auf dem sich der Geist des Herrn niederlassen wird (vgl. 11,1–2; 42,1). Diese Prophezeiung greift Jesus am Beginn seines öffentlichen Wirkens in der Synagoge von Nazaret auf: »Der Geist des Herrn«, verkündete er den staunenden Anwesenden, »ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe« (; vgl. ). An die Anwesenden gerichtet, wird er diese prophetischen Worte auf sich selbst beziehen, indem er bekräftigt: »Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt« (Lc 4,21). Und vor seinem Tod am Kreuz wird er mehrmals seinen Jüngern das Kommen des Heiligen Geistes, des »Trösters«, ankündigen, dessen Mission es sein wird, Zeugnis von ihm zu geben und den Gläubigen beizustehen, indem er sie lehrt und in die ganze Wahrheit führt (vgl. ).

3. Pfingsten als Ausgangspunkt der Mission der Kirche

Bei der Erscheinung Jesu vor seinen Jüngern am Abend des Auferstehungstages »hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!« (Jn 20,22). Mit noch größerer Kraft kam der Heilige Geist am Pfingsttag auf die Apostel herab: »Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen«, ist in der Apostelgeschichte zu lesen, »wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder« (2,2–3).

Der Heilige Geist erneuerte die Apostel in ihrem Inneren und erfüllte sie mit einer Kraft, die ihnen Mut gab, furchtlos zu verkünden: »Christus ist gestorben und auferstanden!« Frei von jeglicher Furcht, begannen sie freimütig zu reden (vgl. Ac 2,29 Ac 4,13 Ac 4,29 Ac 4,31). Aus furchtsamen Fischern wurden sie zu mutigen Boten des Evangeliums. Sogar ihre Feinde vermochten nicht zu verstehen, wie »ungelehrte und einfache Leute« (vgl. Ac 4,13) in der Lage sein konnten, solchen Mut zu zeigen und Widerspruch, Leiden und Verfolgungen mit Freude zu ertragen. Nichts konnte sie aufhalten. Jenen, die sie zum Schweigen bringen wollten, antworteten sie: »Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben« (Ac 4,20). So ist die Kirche entstanden, die seit dem Pfingsttag nicht aufgehört hat, die Frohe Botschaft »bis an die Grenzen der Erde« (Ac 1,8) zu verbreiten.

4. Der Heilige Geist: Seele der Kirche und Ursprung der Gemeinschaft

Um aber die Sendung der Kirche zu verstehen, müssen wir in das Obergemach zurückkehren, wo die Jünger mit Maria, der »Mutter«, in Erwartung des verheißenen Heiligen Geistes im Gebet verharrten (vgl. Lc 24,49). An dieser Ikone der entstehenden Kirche muß sich jede christliche Gemeinschaft beständig inspirieren. Die apostolische und missionarische Fruchtbarkeit ist nicht in erster Linie das Ergebnis von klug ausgearbeiteten und »wirksamen« pastoralen Programmen und Methoden, sondern sie ist die Frucht des unaufhörlichen gemeinschaftlichen Gebetes (vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi EN 75). Die Wirksamkeit der Mission setzt außerdem voraus, daß die Gemeinden eins sind, das heißt »ein Herz und eine Seele« haben (vgl. Ac 2,32), und daß sie bereit sind, Zeugnis zu geben von der Liebe und der Freude, die der Heilige Geist in die Herzen der Gläubigen eingießt (vgl. Ac 2,42). Der Diener Gottes Johannes Paul II. schrieb, daß Mission noch vor aller Aktivität Zeugnis und Ausstrahlung bedeutet (vgl. Enzyklika Redemptoris missio RMi 26). So geschah es am Anfang des Christentums, als, wie Tertullian schreibt, die Heiden sich bekehrten, weil sie die Liebe sahen, die zwischen den Christen herrschte: »Seht, sagen sie, wie sie einander lieben« (vgl. Apologeticus, 39 §7).

Nach diesem kurzen Blick auf das Wort Gottes in der Bibel lade ich Euch ein zu entdecken, daß der Heilige Geist das höchste Geschenk Gottes an den Menschen ist, das heißt das höchste Zeugnis seiner Liebe zu uns, einer Liebe, die konkreten Ausdruck findet im »Ja zum Leben«, das Gott für jedes seiner Geschöpfe will. Dieses »Ja zum Leben« erreicht seine vollkommene Gestalt in Jesus von Nazaret und seinem Sieg über das Böse durch die Erlösung. Vergessen wir in diesem Zusammenhang nie, daß das Evangelium Jesu, gerade durch die Kraft des Heiligen Geistes, sich nicht auf eine reine Feststellung beschränkt, sondern zur »guten Nachricht für die Armen, zur Befreiung für die Gefangenen, zum Augenlicht für die Blinden…« werden will. Das ist es, was sich voller Kraft am Pfingsttag offenbarte und zur Gnade und Aufgabe der Kirche gegenüber der Welt wurde, ihre hauptsächliche Mission.

Wir sind die Früchte dieser Mission der Kirche durch das Wirken des Heiligen Geistes. Wir tragen in uns jenes Siegel der Liebe des Vaters in Jesus Christus, das der Heilige Geist ist. Vergessen wir das nie, weil der Geist des Herrn sich immer an jeden von uns erinnert und vor allem durch Euch Jugendliche in der Welt den Wind und das Feuer eines neuen Pfingsten bewirken will.

5. Der Heilige Geist: »Innerer Lehrmeister«

71 Liebe Jugendliche, auch heute wirkt der Heilige Geist weiterhin kraftvoll in der Kirche und seine Früchte sind in dem Maße reich, in dem wir bereit sind, uns seiner erneuernden Kraft zu öffnen. Deshalb ist es wichtig, daß ihn jeder von uns kennt, mit ihm in Beziehung tritt und sich von ihm führen läßt. Aber an diesem Punkt stellt sich natürlich eine Frage: Wer ist der Heilige Geist für mich? Für nicht wenige Christen ist er tatsächlich weiterhin der »große Unbekannte«. Deshalb wollte ich Euch bei unserer Vorbereitung auf den nächsten Weltjugendtag einladen, die persönliche Kenntnis des Heiligen Geistes zu vertiefen. In unserem Glaubensbekenntnis beten wir: »Ich glaube an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht« (Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel). Ja, der Heilige Geist, der Geist der Liebe des Vaters und des Sohnes, ist Quelle des Lebens, die uns heiligt, »denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist« (Rm 5,5). Dennoch reicht es nicht, ihn nur zu kennen; er muß als Führer unserer Seelen angenommen werden, als »innerer Lehrmeister«, der uns in das Geheimnis der Trinität einführt, denn nur er kann uns für den Glauben offen machen und uns ermöglichen, ihn jeden Tag in Fülle zu leben. Er treibt uns an, den anderen zu begegnen, er entzündet in uns das Feuer der Liebe, er macht uns zu Missionaren der Liebe Gottes.

Ich weiß sehr wohl, was für eine große Wertschätzung und Liebe zu Jesus Ihr in Eurem Herzen tragt, wie sehr Ihr ihm begegnen und mit ihm sprechen wollt. Nun, bedenkt, daß es gerade die Gegenwart des Heiligen Geistes in uns ist, die unsere Person nach der Person des gekreuzigten und auferstandenen Jesus bildet, sie kräftigt und aufbaut. Werden wir also mit dem Heiligen Geist vertraut, um es mit Jesus zu sein.

6. Die Sakramente der Firmung und der Eucharistie

Aber, so werdet Ihr sagen, wie können wir uns vom Heiligen Geist erneuern lassen und in unserem geistlichen Leben wachsen? Wie Ihr wißt, lautet die Antwort darauf: Das kann man durch die Sakramente, weil der Glaube durch die Sakramente in uns entsteht und sich kräftigt, vor allem durch die Sakramente der christlichen Initiation: die Taufe, die Firmung und die Eucharistie, die einander ergänzen und untrennbar voneinander sind (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche CEC 1285). Diese Wahrheit über die drei Sakramente, die am Anfang unseres Christseins stehen, wird vielleicht im Glaubensleben nicht weniger Christen vernachlässigt, für die es in der Vergangenheit vollzogene Handlungen sind, die keinen wirklichen Einfluß auf das Heute haben, wie Wurzeln ohne Lebenssaft. Es kommt vor, daß sich manche Jugendliche nach dem Empfang des Sakramentes der Firmung von einem Leben aus dem Glauben entfernen. Und es gibt auch Jugendliche, die dieses Sakrament gar nicht empfangen. Und dennoch geschieht es durch die Sakramente der Taufe, der Firmung und in beständiger Weise durch die Eucharistie, daß der Heilige Geist uns zu Söhnen des Vaters, zu Brüdern und Schwestern Jesu und Gliedern seiner Kirche macht, fähig zu einem wahren Zeugnis für das Evangelium, die Freude des Glaubens genießend.

Deshalb lade ich Euch ein, über das nachzudenken, was ich Euch hier schreibe. Heute ist es besonders wichtig, das Sakrament der Firmung und seinen Wert für unser geistliches Wachstum wiederzuentdecken. Wer die Sakramente der Taufe und der Firmung empfangen hat, soll sich daran erinnern, daß er »Tempel des Heiligen Geistes « geworden ist: Gott wohnt in ihm. Er soll sich dessen bewußt sein und dafür sorgen, daß der Schatz, der in ihm ist, Früchte der Heiligkeit trägt. Wer getauft ist, aber das Sakrament der Firmung noch nicht empfangen hat, möge sich darauf vorbereiten, es zu empfangen in dem Wissen, daß er so ein »vollendeter« Christ wird, denn die Firmung vervollkommnet die Taufgnade (vgl. ).

Die Firmung verleiht uns eine besondere Kraft, um mit unserem ganzen Leben Gott zu bezeugen und zu verherrlichen (vgl. Rm 12,1); sie macht uns zutiefst unsere Zugehörigkeit zur Kirche, dem »Leib Christi«, bewußt, dessen lebendige, untereinander solidarische Glieder wir sind (vgl. ). Wenn er sich vom Heiligen Geist führen läßt, kann jeder Getaufte seinen eigenen Beitrag zum Aufbau der Kirche leisten, dank der Charismen, die er verleiht, denn jedem »wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt« (1Co 12,7). Und wenn der Geist handelt, bringt er im Herzen seine Früchte: »Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung« (Ga 5,22). An alle unter Euch, die das Sakrament der Firmung noch nicht empfangen haben, richte ich die herzliche Einladung, sich auf den Empfang vorzubereiten, indem sie ihre Priester um Hilfe bitten. Es ist eine besondere Gelegenheit der Gnade, die der Herr Euch anbietet: Laßt sie Euch nicht entgehen!

Ich möchte hier ein Wort über die Eucharistie hinzufügen. Um im christlichen Leben zu wachsen, ist es notwendig, sich mit dem Leib und dem Blut Christi zu nähren: denn wir sind getauft und gefirmt im Hinblick auf die Eucharistie (vgl. KKK CEC 1322 Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum caritatis, 17). Als »Quelle und Höhepunkt« des kirchlichen Lebens ist die Eucharistie ein »fortwährendes Pfingsten«, denn jedesmal wenn wir die heilige Messe feiern, empfangen wir den Heiligen Geist, der uns tiefer mit Christus vereint und uns ihm ähnlich macht. Wenn Ihr, liebe Jugendliche, häufig an der Eucharistiefeier teilnehmt, wenn Ihr ein wenig Eurer Zeit der Anbetung des Allerheiligsten Sakraments widmet, werdet Ihr von der Quelle der Liebe, der Eucharistie, die freudige Entschlossenheit erhalten, das Leben der Nachfolge des Evangeliums zu widmen. Zugleich werdet Ihr erfahren, daß dort, wo unsere Kräfte nicht ausreichen, es der Heilige Geist ist, der uns verwandelt, uns seine Kraft schenkt und uns zu Zeugen macht, die vom missionarischen Eifer des auferstandenen Christus erfüllt sind.

7. Die Notwendigkeit und die Dringlichkeit der Mission

Viele Jugendliche blicken angstvoll auf ihr Leben und stellen sich viele Fragen über ihre Zukunft. Sie fragen sich besorgt: Wie soll man sich in eine Welt einfügen, die von zahlreichen und schweren Ungerechtigkeiten und Leiden gezeichnet ist? Wie soll man auf den Egoismus und die Gewalt reagieren, die manchmal das Übergewicht zu haben scheinen? Wie soll man seinem Leben vollen Sinn geben? Wie kann man dazu beitragen, daß die Früchte des Geistes, die wir oben genannt haben – »Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung« (Nr. 6) –, diese verletzte und zerbrechliche Welt überfluten, die Welt der Jugendlichen vor allem? Unter welchen Bedingungen kann der Leben schenkende Geist der ersten Schöpfung und vor allem der zweiten Schöpfung, das heißt der Erlösung, die Seele der neuen Menschheit werden? Vergessen wir nicht, daß je größer die Gabe Gottes ist – und die Gabe des Geistes Jesu ist die allergrößte Gabe – , desto größer auch das Bedürfnis der Welt ist, ihn zu empfangen, und deshalb ist die Mission der Kirche, davon glaubhaft Zeugnis zu geben, groß und begeisternd. Und Ihr Jugendliche bringt durch den Weltjugendtag in gewisser Weise Euren Willen zum Ausdruck, an dieser Mission teilzunehmen. Diesbezüglich liegt es mir am Herzen, liebe Freunde, Euch hier an einige grundlegende Wahrheiten zu erinnern, über die Ihr nachdenken sollt. Noch einmal wiederhole ich Euch, daß nur Christus die tiefste Sehnsucht des menschlichen Herzens erfüllen kann; nur er kann die Menschheit »menschlich« machen und sie zu ihrer »Vergöttlichung « führen. Mit der Macht des Heiligen Geistes gießt er die göttliche Liebe in uns ein, die uns fähig macht, den Nächsten zu lieben, und dazu bereit, ihm zu dienen. Der Heilige Geist erleuchtet, indem er den gekreuzigten und auferstandenen Christus offenbart, er zeigt uns den Weg, ihm ähnlicher zu werden, das heißt um »Ausdruck und Organ seiner Liebe« (Enzyklika Deus caritas est ) zu sein. Und wer sich vom Geist leiten läßt, versteht, daß sich in den Dienst des Evangeliums zu stellen keine fakultative Entscheidung ist, weil er merkt, wie dringend es ist, diese gute Nachricht auch an die anderen weiterzugeben. Dennoch – und daran soll noch einmal erinnert werden – können wir Zeugen Christi nur dann sein, wenn wir uns vom Heiligen Geist führen lassen, der der »Erstbeweger der Evangelisierung« (vgl. Evangelii nuntiandi EN 75) und die »Hauptperson der Mission« ist (vgl. Redemptoris missio RMi 21). Liebe Jugendliche, wie meine verehrten Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul II. mehrmals wiederholt haben, ist die Verkündigung des Evangeliums und das Zeugnis des Glaubens heute dringlicher denn je (vgl. Redemptoris missio RMi 1). Manche meinen, es sei intolerant, den wertvollen Schatz des Glaubens denen vorzulegen, die ihn nicht teilen, aber dem ist nicht so, denn Christus vorzustellen bedeutet nicht, ihn aufzuzwingen (vgl. Evangelii nuntiandi EN 80). Im übrigen haben vor zweitausend Jahren die zwölf Apostel ihr Leben hingegeben, damit Christus gekannt und geliebt würde. Seit damals verbreitet sich das Evangelium über die Jahrhunderte hinweg weiterhin durch Männer und Frauen, die von demselben missionarischen Eifer beseelt sind. Deshalb ist es auch heute notwendig, daß es Jünger Christi gibt, die weder Zeit noch Kräfte sparen, um dem Evangelium zu dienen. Es muß Jugendliche geben, die in sich die Liebe Gottes brennen lassen und großherzig auf seinen dringlichen Ruf antworten, wie es so viele junge Selige und Heilige in der Vergangenheit und auch vor gar nicht langer Zeit getan haben. Ich versichere Euch insbesondere, daß der Geist Jesu Euch Jugendliche heute dazu einlädt, Überbringer der guten Nachricht Jesu an Eure Altersgenossen zu sein. Die zweifellose Mühe der Erwachsenen, in verständlicher und überzeugender Weise dem Bereich der Jugendlichen zu begegnen, kann ein Zeichen sein, mit dem der Heilige Geist Euch Jugendliche antreiben will, dies zu übernehmen. Ihr kennt die Ideale, die Sprache und auch die Wunden und Erwartungen Eurer Altersgenossen sowie ihre Sehnsucht nach dem Guten. Es öffnet sich die weite Welt der Gefühle, der Arbeit, der Ausbildung, der Erwartungen, des Leidens der Jugendlichen… Jeder von Euch soll den Mut haben, dem Heiligen Geist zu versprechen, einen Jugendlichen zu Jesus Christus zu führen, auf die Weise, die er für die beste hält, indem er »von der Hoffnung, die ihn erfüllt«, mit Sanftmut Rechenschaft zu geben vermag (vgl. 1P 3,15).

Um aber dieses Ziel zu erreichen, seid heilig, seid Missionare, denn man kann Heiligkeit nie von der Mission trennen (vgl. Redemptoris missio RMi 90). Habt keine Angst, heilige Missionare zu werden wie der hl. Franz Xaver, der den Fernen Osten durchquerte und die Frohe Botschaft bis zum Äußersten seiner Kräfte verkündete, oder wie die hl. Theresia vom Kinde Jesu, die Missionarin war, ohne jemals den Karmel zu verlassen; beide sind »Patrone der Missionen«. Seid bereit, Euer Leben einzusetzen, um die Welt mit der Wahrheit Christi zu erleuchten; um mit Liebe auf den Haß und die Verachtung des Lebens zu antworten; um die Hoffnung des auferstandenen Christus in jedem Winkel der Erde zu verkünden.

8. Um ein »neues Pfingsten« für die Welt beten

72 Liebe Jugendliche, ich erwarte Euch zahlreich im Juli 2008 in Sydney. Es wird eine von der Vorsehung geschenkte Gelegenheit sein, um die Kraft des Heiligen Geistes in ihrer ganzen Fülle zu erfahren. Kommt zahlreich, um Zeichen der Hoffnung und wertvolle Unterstützung für die Gemeinschaften der Kirche in Australien zu sein, die sich darauf vorbereiten, Euch zu empfangen. Für die Jugendlichen des Landes, in dem wir zu Gast sein werden, wird es eine außergewöhnliche Gelegenheit sein, die Schönheit und die Freude des Evangeliums in einer Gesellschaft zu verkünden, die in vielerlei Hinsicht säkularisiert ist. Australien hat es wie das gesamte Ozeanien nötig, seine christlichen Wurzeln wiederzuentdecken. Im nachsynodalen Apostolischen Schreiben Ecclesia in Oceania schrieb Johannes Paul II.: »Mit der Kraft des Heiligen Geistes bereitet sich die Kirche in Ozeanien auf eine Neuevangelisierung von Völkern vor, die heute nach Christus hungern… Die Neuevangelisierung ist eine Priorität der Kirche in Ozeanien« (Nr. 18).

Ich lade Euch ein, Euch auf dieser letzen Etappe des Weges, der uns zum XXIII. Weltjugendtag führt, Zeit zu nehmen für das Gebet und Eure spirituelle Bildung, damit Ihr in Sydney Euer Tauf- und Euer Firmversprechen erneuern könnt. Gemeinsam wollen wir den Heiligen Geist anrufen und Gott vertrauensvoll um die Gabe eines neuen Pfingsten für die Kirche und die Menschheit des dritten Jahrtausends bitten.

Maria, die mit den Aposteln im Obergemach im Gebet vereint war, begleite Euch in diesen Monaten und erbitte für alle jungen Christen eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes, der ihre Herzen entflamme. Denkt daran: Die Kirche vertraut auf Euch! Besonders wir Hirten beten, damit Ihr Jesus liebt, andere zu dieser Liebe führt und ihm treu nachfolgt. Mit diesen Gedanken segne ich Euch alle in großer Zuneigung.

Aus Lorenzago, am 20. Juli 2007


BOTSCHAFT 2006-2010 67