Menslichen Liebe 52


DIE KIRCHLICHE GEMEINSCHAFT

Kirchliche Dimension der geschlechtlichen Erziehung


53 Als Mutter der Gläubigen, die sie in der Taufe zum Glauben geboren hat, kommt der Kirche auch ein ihr von Christus anvertrauter Erziehungsauftrag zu. Sie erfüllt ihn vor allem durch die Verkündigung, die volle Gemeinschaft mit Gott und den Brüdern sowie in der Möglichkeit bewußter und aktiver Teilnahme an der eucharistischen Liturgie und am Apostolat.(39) Die kirchliche Gemeinschaft bildet von der ersten Öffnung auf das Leben hin jenen Raum, der das Einleben in die christliche Ethik ermöglicht und so die Gläubigen das Zeugnis der Frohbotschaft einüben läßt.

Zusammenarbeit zwischen Familie und kirchlicher Gemeinschaft


54 In der Familie stößt die geschlechtliche Erziehung häufig auf Schwierigkeiten. Das verlangt einen größeren Einsatz der christlichen Gemeinschaft, insbesondere der Priester, bei der Erziehung der Getauften mitzuhelfen. In diesem Bereich sind zur Unterstützung der Familie die katholische Schule, die Pfarrgemeinde und andere kirchliche Gruppen aufgerufen.

Mitverantwortung der christlichen Gemeinde


55 Aus dem kirchlichen Charakter der Glaubens ergibt sich die Mitverantwortung der christlichen Gemeinde in der Hilfe für die Getauften, die konsequent und bewußt die Taufverpflichtungen leben sollen. Den Bischöfen ist es aufgetragen, den Notwendigkeiten der Einzelkirchen durch geeignete Vorschriften und Hinweise zu entsprechen.


KATECHESE UND GESCHLECHTLICHE ERZIEHUNG

Die positiven Werte der Geschlechtlichkeit


56 Die Katechese soll fruchtbarer Nährboden für die Erneuerung der ganzen kirchlichen Gemeinschaft sein. Um die Gläubigen zur Reife des Glaubens zu führen, muß sie darum die positiven Werte der Geschlechtlichkeit verdeutlichen und diese im Lichte des Geheimnisses Christi und der Kirche in engstem Zusammenhang mit den Werten der Jungfräulichkeit und der Ehe darstellen.

Diese Katechese sollte unterstreichen, daß die erste Berufung des Christen die Liebe ist und daß sich die Berufung zur Liebe auf zwei unterschiedlichen Wegen verwirklicht: in der Ehe oder in der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen.(40) «Ehe und Jungfräulichkeit sind die beiden Weisen, das eine Geheimnis des Bundes zwischen Gott und seinem Volk darzustellen und zu leben».(41)

Katechese in Übereinstimmung mit dem Lehramt


57 Damit die Familien sicher sein können, daß sich die Katechese nicht gar vom Lehramt der Kirche entfernt, müssen die Hirten sich bei der Auswahl und Vorbereitung des verantwortlichen Personals sowie bei der Bestimmung von Inhalten und Methoden alle Mühe geben.

Einzelerziehung


58 Nach dem unter Nr. 48 Gesagtem bleibt stets gültig, daß bei intimen Fragen biologischer oder affektiver Natur der Einzelerziehung möglichst im Rahmen der Familie Vorrang gebührt.

Der Familie helfen


59 Sicherlich kommt der Katechese innerhalb der Familie eine besondere Rolle zu. Sollten sich indes die Eltern nicht in der Lage sehen, ihrer Verpflichtung nachzukommen, können sie sich an andere Personen ihres Vertrauens wenden. Eine kluge, zurückhaltende, dem Alter entsprechende und die Umwelt berücksichtigende Einführung kann den Kindern seelische Wunden ersparen und ihnen die Lösung geschlechtlicher Probleme erleichtern. Bloße Wissensvermittlung kann niemals genügen. Damit alles innerlich wirklich angeeignet wird, wird man die vielfältigen Anlässe des täglichen Lebens nutzen.


VOREHELICHE KATECHESE

Zutreffende Sicht der christlichen Ethik über die Geschlechtlichkeit


60 Ein grundlegender Aspekt in der Vorbereitung der Jugendlichen auf die Ehe liegt darin, ihnen eine zutreffende Sicht der christlichen Ethik über die Geschlechtlichkeit zu vermitteln. Der Vorteil der Katechese bei der Vorbereitung auf die Ehe ergibt sich aus der Möglichkeit, über die Geschlechtlichkeit in unmittelbarem Blick auf die Ehe zu sprechen. Doch um vollen Erfolg zu haben, bedarf diese Katechese entsprechender Weiterführung, so daß sie zum wahren und wirklichen Katechumenat wird. Außerdem soll sie die Keuschheit, die Verlobten eignet, unterstützen und vertiefen sowie auf ein christlich geführtes Eheleben und auf die besondere Aufgabe der Eheleute im Volk Gottes vorbereiten.

Vorbereitung auf die eheliche Keuschheit


61 Die künftigen Ehepartner sollen die tiefe Bedeutung der Ehe kennen, verstanden als Einheit in der Liebe zur Verwirklichung der ehelichen Gemeinschaft und zur Weitergabe des Lebens. Die Festigkeit der Ehe und der ehelichen Liebe verlangt als unerläßliche Bedingung die Keuschheit und die Selbstbeherrschung, die Charakterbildung und den Geist des Opfers. Im Blick auf einige Schwierigkeiten des ehelichen Lebens, die sich unter den Bedingungen unserer Zeit verschärft haben, wird die Keuschheit der Jugendlichen als angemessene Vorbereitung auf die Keuschheit in der Ehe eine entschiedene Hilfe für die Ehepartner sein. Außerdem brauchen sie klare Kenntnisse über die Normen des göttlichen Gesetzes, wie sie vom kirchlichen Lehramt vorgelegt werden und die sie sich bei der Bildung ihres Gewissens vor Augen halten müssen.(42)

Wissen um den Wert der Ehe ...


62 In klarem Wissen um den Wert und Größe des Ehesakramentes, in dem sich für sie die Taufgnade und Taufberufung konkretisiert, sollen die christlichen Eheleute ganz bewußt die Werte und Aufgaben ihres sittlichen Leben als Forderung und Frucht der Gnade und Wirkung des Geistes leben. Sie sind darin «bestärkt und gewissermaßen geweiht durch ein eigenes Sakrament für die Pflichten und die Würde ihres Standes».(43)

... und der mit ihr verbundenen Pflichten

In der Absicht, ihre Geschlechtlichkeit so zu leben, daß sie ihre Verantwortung in Übereinstimmung mit dem Plan Gottes erfüllen,(44) ist es überdies für die Eheleute wichtig, die natürlichen Methoden der Familienplanung zu kennen. Nach den Worten Johannes Paul II. «... ist es nötig, alles zu tun, damit diese Kenntnis allen Eheleuten und in erster Linie den jüngeren zugänglich wird durch klare Information und Erziehung, die frühzeitig und ernsthaft durch Ehepaare, Ärzte und Fachleute zu vermitteln ist ».(45) Es ist jedoch hervorzuheben, daß die heute so nachdrücklich propagierte Empfängnisverhütung im Widerspruch steht zu diesen christlichen Idealen und sittlichen Werten, deren Lehrmeisterin die Kirche ist. Diese Tatsache macht es noch dringender und notwendiger, daß den Jugendlichen im entsprechenden Alter die Lehre der Kirche mitsamt ihren Gründen hinsichtlich den Mitteln der Empfängnisverhütung dargelegt werden, um sie auf ein verantwortliches eheliches Leben vorzubereiten, das ganz von der Liebe getragen und für das Leben offen ist.


ORIENTIERUNG FÜR ERWACHSENE

Gespräch zwischen den Generationen


63 Eine gründliche katechetische Vorbereitung der Erwachsenen über die menschliche Liebe legt die Grundlage für die geschlechtliche Erziehung der Kinder. Nur so wird die Erlangung jener vom Glauben erleuchteten menschlichen Reife gewährleistet, die entscheidend ist für das Gespräch mit der neuen Generation, zu welchem die Erwachsenen berufen sind. Außer Hinweisen und Methoden, die dabei angewandt werden können, wird diese Katechese einen wünschenswerten Gedankenaustausch über besondere Probleme ermöglichen, mit erzieherischen Hilfsmitteln vertraut machen und gegebenenfalls Treffen mit Fachleuten erlauben, deren Mitarbeit in schwierigen Fällen besonders nützlich sein kann.

AUFGABE DER BÜRGERLICHEN GESELLSCHAFT

Sorge um das Gemeinwohl besonders in der Schule ...


64 Der Mensch sollte in der Gesellschaft schon ausdrücklich und gelebt jene Werte vorfinden, die einen nicht nebensächlichen Einfluß auf seinen Bildungsprozeß haben. Deswegen ist es Aufgabe der bürgerlichen Gesellschaft, so weit es um das Gemeinwohl(46) geht, darauf zu achten, daß eine physisch und sittlich gesunde Umgebung in den Schulen gegeben ist und daß jene Bedingungen gefördert werden, die den ausdrücklichen Wünschen der Eltern entsprechen oder von ihnen frei gebilligt werden.

.. und Schutz der öffentlichen Sittlichkeit


65 Aufgabe des Staates ist es, die Bürger gegen sittliche Ungerechtigkeiten und Unordnungen zu schützen, wie Mißbrauch Jugendlicher, jede Form sexueller Gewalt, das Verkommen guter Sitten, die Permissivität, die Pornographie und unsachliche Verwendung bevölkerungspolitischer Informationen.


VERANTWORTUNG IN DER ERZIEHUNG ZUM GEBRAUCH DER

SOZIALEN KOMMUNIKATIONSMITTEL

Mitprägender Einfluß der Massenmedien


66 In der Welt von heute üben die sozialen Kommunikationsmittel mit der Überfülle ihres suggestiven Angebots auf die Jugend und die Kinder auch und vor allem im Bereich der geschlechtlichen Erziehung durch Information und Belehrung einen ständigen prägenden Einfluß aus, der oft größer ist als jener der eigenen Familie.

Johannes Paul II. hat die Situation beschrieben, in der sich die Kinder angesichts der sozialen Kommunikationsmittel befinden: «Fasziniert und der Welt und den Erwachsenen schutzlos ausgeliefert, sind Kinder von Natur aus bereit, alles anzunehmen, was ihnen geboten wird, mag dies nun gut oder schlecht sein. ... Die Kinder werden vom Bildschirm wie von der Leinwand gefesselt, folgen jeder dargestellten Handlung und erfassen früher und besser als jeder andere die darin ausgedruckten Gefühle und Gemütsbewegungen.(47)

Maßvolle Nutzung der Massenmedien


67 Indes ist darauf zu verweisen, daß die notwendige rechtzeitige Kontrolle infolge der technologischen Entwicklung immer schwieriger wird. Auch im Hinblick auf eine rechte geschlechtliche Erziehung ergibt sich daraus die Dringlichkeit, daß «besonders die Jugendlichen ... sich im Gebrauch dieser sozialen Kommunikationsmittel an Zucht und Maß gewöhnen. Ferner sollen sie sich um ein tieferes Verständnis dessen bemühen, was sie gesehen, gehört oder gelesen haben. Mit Erziehern und Fachleuten mögen sie sich darüber besprechen, um selbst richtig urteilen zu lernen».(48)

Gesundes Urteil im Gebrauch der Medien


68 Zur Verteidigung der Rechte des Kindes in diesem Bereich appelliert Johannes Paul II. an das Gewissen aller verantwortlichen Christen, insbesondere der Eltern und der Mitarbeiter in den sozialen Kommunikationsmitteln, unter dem Anschein von Neutralität und Achtung vor der spontanen Entfaltung des Kindes nicht etwas zu verbergen, was in Wirklichkeit besorgniserregende Interesselosigkeit ist.(49)

Pflichten der öffentlichen Gewalt

«Die öffentliche Gewalt hat hier mit Rücksicht auf das Gemeinwohl ... besondere Verpflichtungen».(50) Es erfordert, daß eine rechtliche Regelung für die sozialen Kommunikationsmittel die öffentliche Sittlichkeit und insbesondere die Jugend schützt, vor allem im Hinblick auf Illustrierte, Filme, Hörfunk- und Fernsehprogramme, Ausstellungen, Theateraufführungen und Werbung.


AUFGABE DER SCHULE IN DER GESCHLECHTLICHEN ERZIEHUNG

Rolle der Schule


69 Unter Wahrung dessen was über die vorrangige Pflicht der Familie gesagt wurde, besteht die Rolle der Schule darin, die Bemühungen der Eltern zu fördern und zu vervollständigen durch Vermittlung einer Sicht der «Geschlechtlichkeit als Wert und Aufgabe der ganzen Person, die als Mann und Frau nach dem Bild Gottes geschaffen wurde».(51)

Gespräch zwischen Erzieher und Schüler


70 Das in der geschlechtlichen Erziehung erforderliche persönliche Gespräch ist darauf ausgerichtet, im Schüler eine innere Bereitschaft zu wecken, die geeignet ist, das Verhalten der Person zu motivieren und zu leiten. Solch eine Haltung ist natürlich eng verknüpft mit den Werten, die sich an der Sichtweise des Lebens orientieren. Die geschlechtliche Erziehung darf nämlich nicht verengt werden auf einen bloßen Unterrichtsgegenstand oder auf rein theoretische Kenntnisse. Sie besteht auch nicht in der Vermittlung eines Programms, das schrittweise zu erfüllen wäre, sondern sie erstrebt die Erreichung eines besonderen Zieles: die affektive Reifung des Schülers sowie die Erlangung der Herrschaft über sich selbst und des rechten Verhaltens in den sozialen Beziehungen.

Gelegenheiten zu Hinweisen in der Gruppe


71 Zur Verwirklichung dieses Zieles kann die Schule in verschiedener Weise beitragen. Alle Unterrichtsfächer können gegebenenfalls Gelegenheit bieten, Themen aufzugreifen, die einen Bezug zur Geschlechtlichkeit haben; der Lehrer wird das immer in positiver Weise und mit großer Behutsamkeit tun, jeweils sorgfältig bedacht auf den geeigneten Augenblick und die rechte Weise.

Individuelle Erziehung

Die geschlechtliche Erziehung des einzelnen hat immer Vorrang und kann nicht unterschiedslos jedem Mitglied des Lehrerkollegiums anvertraut werden, denn neben richtigem Urteil, Verantwortungsbewußtsein, fachlicher Zuständigkeit, affektiver Reife und Schamgefühl verlangt diese Erziehung vom Lehrer, wie nachher weiter ausgeführt wird, auch eine ausgeprägte Feinfühligkeit bei der Einführung des Kindes und des Jugendlichen in Fragen der Liebe und des Lebens, um Störungen seiner seelischen Entwicklung zu vermeiden.

Erziehung in der Gruppe


72 Auch wenn der Erzieher über die nötige Eignung für eine geschlechtliche Erziehung in einer Gruppe verfügt, so ist doch stets die konkrete Situation der Gruppe zu beachten. Das gilt vor allem für gemischte Gruppen, bei denen besondere Vorkehrungen erforderlich sind. In jedem Fall müssen die verantwortlichen Vorgesetzten zusammen mit den Eltern prüfen, ob ein Vorgehen in dieser Weise angebracht ist. Angesichts der Vielfalt der Probleme ist es gut, dem Kind oder Jugendlichen Zeit für persönliche Gespräche anzubieten, um die Möglichkeit zu Fragen um Rat oder Klärung zu fördern, die sonst aus einem natürlichen Schamgefühl heraus in Gegenwart anderer nicht gestellt würden. Nur ein enges Zusammenwirken von Schule und Familie kann einen fruchtbaren Erfahrungsaustausch zwischen Eltern und Lehrern zum Wohl der Schüler gewährleisten.(52)

Es ist Aufgabe der Bischöfe, unter Berücksichtigung der jeweiligen Schulgesetzgebung und örtlichen Verhältnisse Richtlinien über die geschlechtliche Erziehung in Gruppen, vor allem in gemischten Gruppen, zu erlassen.

Beteiligung der Eltern in besonderen Fällen


73 Besondere Vorkommnisse im schulischen Leben können manchmal die rechtzeitige Beteiligung der Eltern erforderlich machen. Entsprechend dem Grundsatz des Zusammenwirkens werden die Verantwortlichen der Schule mit den interessierten Eltern Verbindung aufnehmen, um eine geeignete Lösung zu vereinbaren.

Fachleute für private Gespräche


74 Besonders geeignete Fachleute, die sich durch Ausgewogenheit auszeichnen und das Vertrauen der Eltern besitzen, können zu privaten Gesprächen mit den Schülern eingeladen werden, um ihnen bei der Entfaltung ihrer affektiven Reifung zu helfen und sie zur Ausgeglichenheit in ihren sozialen Beziehungen zu führen. Solche Bemühungen um persönliche Orientierung sind vor allem in schwierigen Fällen geboten. In besonders ernsten Situationen wird man sich an einen entsprechenden Spezialisten wenden müssen.

Zusammenwirken der Verantwortlichen


75 Die Bildung und Entfaltung einer harmonischen Persönlichkeit verlangen eine freundliche Atmosphäre, die durch Verständnis, wechselseitiges Vertrauen und Zusammenwirken zwischen den Verantwortlichen entsteht. Das wird erreicht durch gegenseitige Beachtung der besonderen Zuständigkeiten, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der verschiedenen Erzieher sowie der Entscheidung über die ihnen jeweils möglichen Maßnahmen.


GEEIGNETES LEHRMATERIAL

Bemühungen um Lehrmaterial


76 Um eine rechte geschlechtliche Erziehung zu ermöglichen, kann geeignetes Lehrmaterial hilfreich sein. Zur Erstellung solchen Materials ist die Mitwirkung von Fachleuten der Moral- und Pastoraltheologie und Katechetik sowie von katholischen Pädagogen und Psychologen erforderlich. Besondere Sorgfalt gelte dem Material, das für den Gebrauch der Schüler selbst bestimmt ist.

Einige schulische Texte über die Geschlechtlichkeit sind wegen ihres naturalistischen Charakters für das Kind und den Jugendlichen schädlich. Noch schädlicher kann zeichnerisches oder audiovisuelles Material sein, wenn geschlechtliche Wirklichkeiten, auf die der Schüler noch nicht vorbereitet ist, in grober Weise dargestellt werden, so daß er traumatische Schäden davonträgt oder durch Weckung ungesunder Neugier auf den Weg des Bösen gerät. Mit allem Ernst mögen die Erzieher daran denken, daß durch eine unverantwortliche Haltung auf diesem empfindlichen Gebiet den Schülern schwerer Schaden entstehen kann.


JUGENDGRUPPEN

Wichtigkeit der «Gruppen»


77 Es gibt in der Erziehung einen nicht zu übersehenden Faktor, der sich zum Wirken der Familie und der Schule hinzugesellt und oftmals einen größeren Einfluß bei der Bildung der Person ausübt: die Jugendgruppen, die sich zur Freizeitbeschäftigung bilden und das Leben des Heranwachsenden und des Jugendlichen stark ausfüllen. Die Humanwissenschaften halten «Gruppen» für eine positive Voraussetzung für die Bildung, da keine Reifung der Persönlichkeit ohne wirksame zwischenmenschliche Beziehung möglich ist.

III.

VORAUSSETZUNGEN UND WEISEN

DER GESCHLECHTLICHEN ERZIEHUNG

Die Eigenart dieser Erziehung


78 Die Vielfalt und Eigenart der Aufgabe erfordert eine sorgfältige Vorbereitung der Erzieher, spezifische Eigenschaften für die Erziehung und eine besondere Aufmerksamkeit auf einige Punkte.


DIE VORBEREITUNG DER ERZIEHER

Die Gefühlsreife des Erziehers


79 Die reife Persönlichkeit der Erzieher, ihre Vorbereitung und ihr seelisches Gleichgewicht üben einen bedeutenden Einfluß auf die zu Erziehenden aus. Eine genaue und umfassende Kenntnis der Bedeutung und des Wertes der Geschlechtlichkeit und eine ausgewogene Integration in die eigene Persönlichkeit sind für die Erzieher unverzichtbar, damit eine aufbauende Erziehungstätigkeit möglich wird. Ihre Befähigung hängt von theoretischen Kenntnissen und ihrer Gefühlsreife ab. Dies befreit aber nicht vom Erwerb wissenschaftlicher Erkenntnisse, welche für ihre Erziehungstätigkeit geeignet sind, die gerade in unseren Tagen besonders schwierig ist. Hier können Begegnungen mit den Familien besonders hilfreich sein.

Über die fachliche Vorbereitung hinaus ...


80 Die den Erzieher auszeichnenden Voraussetzungen sind das Ergebnis einer Allgemeinbildung, die sich auf einer positiven und aufbauenden Lebensauffassung und einem beständigen Bemühen um deren Verwirklichung gründet. Eine solche Ausbildung geht weit über die rein fachlich notwendige Vorbereitung hinaus und berührt die innersten Bereiche der Persönlichkeit, den religiösen und spirituellen eingeschlossen. Der letztgenannte garantiert den Rückgriff sowohl auf christliche Grundprinzipien als auch auf übernatürliche Mittel, die die Erziehungstätigkeit unterstützen müssen.

... eine psychopädagogische Vorbereitung


81 Der Erzieher, der seine Aufgabe außerhalb der Familie wahrnimmt, hat eine geeignete und ernsthafte psychopädagogische Vorbereitung nötig, die es ihm erlaubt, in besondere Situationen einzugreifen, wo eine spezielle Sorge erforderlich ist. So ist er in der Lage, auch die Eltern selbst zu beraten, insbesondere wenn der Junge oder das Mädchen einen Psychologen benötigen.

Skala von Problemfällen


82 Zwischen dem Bereich des Normalen und den pathologischen Fällen gibt es eine Skala von mehr oder weniger ausgeprägten und hartnäckigen Problemfällen, bei denen das Risiko unzureichender Fürsorge besteht, obwohl sie Hilfe wirklich nötig hätten. Bei diesen Fällen geht es zwar auch um medizinische Behandlung, noch mehr aber um eine beständige Unterstützung und Führung durch die Erzieher.


QUALITÄT DER ERZIEHUNGSMETHODEN

Kenntnis der Situation und der entsprechenden Methode


83 Es ist eine klare Einschätzung der Situation notwendig, da die angewandte Methode nicht nur in großem Ausmaß den Erfolg dieser höchst besonderen Erziehung bestimmt, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verantwortlichen. Tatsächlich beziehen sich die normalerweise erhobenen Kritiken eher auf die von einigen Erziehern angewandten Methoden als auf die Tatsache ihres Eingreifens. Diese Methoden müssen eine bestimmte Qualität haben, sei es in Hinsicht auf den zu Erziehenden als auch bezüglich der Erzieher selbst sowie im Blick auf den Zweck, den eine solche Erziehung erreichen will.

ERFORDERNISSE DES ZU ERZIEHENDEN UND DIE ERZIEHUNGSTÄTIGKEIT

Eine dem einzelnen angepaßte Erziehung


84 Da die affektiv-geschlechtliche Erziehung vor allem vom physischen und psychologischen Entwicklungsstand des zu Erziehenden abhängt, muß sie stets dem einzelnen angepaßt sein. In bestimmten Fällen ist es notwendig, dem Betroffenen zuvorzukommen, indem man ihn auf besonders schwierige, ihm nahende Situationen vorbereitet, oder indem man ihn auf unmittelbar bevorstehende oder fortdauernde Gefahren aufmerksam macht.

Abstufung und ...


85 Es ist jedoch stets der fortschreitende Charakter dieser Erziehung zu beachten. Eine sachgemäße Abstufung der Eingriffe muß die Momente der physischen und psychischenEntwicklung beachten, die eine sorgfältigere Vorbereitung und eine länger dauernde Reifung erfordern. Man muß sich vergewissern, ob der zu Erziehende die dargelegten Werte, Kenntnisse und Motivationen innerlich aufgenommen oder die Veränderungen und Entwicklungen, die er bei sich selbst bemerken konnte und deren Gründe, Beziehungen und Zweck der Erzieher entsprechend aufzeigt, verarbeitet.


QUALITÄT DER ERZIEHERISCHEN MAßNAHMEN

Behutsamkeit der Eingriffe


86 Um einen gültigen Beitrag zur harmonischen und ausgewogenen Erziehung der Jugendlichen zu leisten, müssen die Erzieher ihre Eingriffe entsprechend ihrer besonderen Rolle ordnen. Der Betroffene nimmt die ihm von Seiten der verschiedenen Erzieher gegebenen Informationen und Motivationen weder in der gleichen Weise wahr noch auf, weil sie in unterschiedlicher Weise sein Innerstes berühren. Objektivität und Behutsamkeit müssen solche Eingriffe charakterisieren.

Wahre Informationen


87 Die fortschreitende Information macht Teilerklärungen erforderlich, die aber stets der Wahrheit entsprechen müssen. Die Erklärungen dürfen weder von absichtlichem Verschweigen noch von fehlender Offenheit verzerrt werden. Die Klugheit erfordert jedoch vom Erzieher nicht nur die gebotene Anpassung des Stoffes an die Erwartungen des Betroffenen, sondern auch eine bestimmte Wahl der Sprache, der Art und Weise seines Vorgehens und des Zeitpunktes, zu dem er tätig wird. Sie erfordert ferner, daß man die Scham des Kindes berücksichtigt. Der Erzieher beachte außerdem den Einfluß der Eltern: ihre Sorge für diesen Bereich der Erziehung, den besonderen Charakter der Erziehung in der Familie, ihre Lebensauffassung sowie den Grad ihrer Öffnung gegenüber anderen Erziehungsträgern.

Vertrauen in die Erziehung


88 Es gilt, besonderen Nachdruck auf die menschlichen und christlichen Werte der Geschlechtlichkeit zu legen, damit sie geschätzt werden können und so das Bedürfnis geweckt wird, sie im eigenen Leben und in den Beziehungen zu den anderen zu verwirklichen. Ohne die Schwierigkeiten, die die geschlechtliche Entwicklung mit sich bringt, zu übersehen, aber auch ohne eine Art Besessenheit zu erzeugen, muß der Erzieher dem erzieherischen Bemühen vertrauen: sie kann auf den Widerhall bauen, den die wirklichen Werte bei den Jugendlichen finden, wenn sie mit Überzeugung vorgetragen und vom Zeugnis des eigenen Lebens bestätigt werden.

Ganzheitliche Sicht der Person


89 Angesichts der Bedeutung der Geschlechtserziehung in der gesamtheitlichen Bildung der Person sollen die Erzieher, indem sie die verschiedenartigen Aspekte der Geschlechtlichkeit und ihren starken Einfluß auf die Gesamtpersönlichkeit beachten, vor allem darum bemüht sein, die Kenntnisse nicht von den entsprechenden Werten zu trennen, die den biologischen, psychologischen und sozialen Informationen Sinn und Richtung verleihen. Wenn sie die sittlichen Normen vorstellen, müssen sie aufzeigen, worin diese ihre Existenzberechtigung finden und welche Werte mit ihnen verbunden sind.


ERZIEHUNG ZUR SCHAMHAFTIGKEIT UND ZUR FREUNDSCHAFT

Achtung vor der Würde der Person


90 Die Schamhaftigkeit, grundlegender Bestandteil der menschlichen Persönlichkeit, kann auf der Ebene des Sittlichen als das wachsame Bewußtsein angesehen werden, welches die Würde des Menschen und die echte Liebe wahrt. Sie neigt dazu, auf bestimmte Verhaltensweisen zu reagieren und ein Benehmen zu bremsen, welches die Würde der Person verdunkelt. Sie ist ein notwendiges und wirkungsvolles Mittel zur Beherrschung der Instinkte, läßt die echte Liebe wachsen und fügt das affektiv-geschlechtliche Leben harmonisch in das Ganze der Persönlichkeit ein. Die Schamhaftigkeit hat eine große pädagogische Bedeutung und muß deshalb geschätzt werden. Kinder und Jugendliche lernen so, den eigenen Leib als Gabe Gottes, als Glied Christi und als Tempel des Heiligen Geistes zu achten. Sie lernen so, dem Bösen zu widerstehen, das sie umgibt; sie lernen, einen klaren Blick und eine klare Vorstellung zu haben, um in der gefühlsmässigen Begegnung mit anderen Personen eine wahrhaft menschliche Liebe mit all ihrer geistigen Vielfalt zu suchen und zum Ausdruck zu bringen.

Anregende Beispiele der Tugend


91 Zu diesem Zweck muß man ihnen konkrete und anregende Beispiele der Tugend darbieten, die das ästhetische Gefühl entwickeln, den Geschmack für das Schöne in der Natur, der Kunst und im sittlichen Leben wecken und so die Jugend dazu führen, ein Gefüge von sinnenhaften und geistigen Werten in einem aus Glaube und Liebe genährten selbstlosen Bemühen in sich aufzunehmen.

Freundschaft ist mehr als Kameradschaft


92 Die Freundschaft ist der Höhepunkt der gefühlsmäßigen Reifung. Sie unterscheidet sich von der einfachen Kameradschaft durch ihre innere Tiefe, durch eine gegenseitige Mitteilung, die wirkliche Gemeinschaft erlaubt und fördert, durch wechselseitige Großzügigkeit und durch Beständigkeit. Die Erziehung zur Freundschaft kann ein außerordentlich bedeutsamer Faktor für den Aufbau der Persönlichkeit in ihrer individuellen und sozialen Dimension werden.

Bedeutung der Freundschaft für die gefühlsmäßige Reife


93 Die freundschaftlichen Bindungen zwischen Jugendlichen verschiedenen Geschlechtes tragen mit bei zum gegenseitigen Verstehen und zur gegenseitigen Hochachtung, sofern sie sich im Bereich normaler gefühlsmäßiger Ausdrucksformen bewegen. Wenn sie sich jedoch zur geschlechtlichen Vereinigung hin entwickeln oder darauf hinzielen, verlieren sie die echte Bedeutung gereifter Freundschaft, verfälschen die bestehende Beziehung sowie die Aussichten auf eine mögliche zukünftige Ehe und mindern die Aufmerksamkeit für eine mögliche Berufung zum gottgeweihten Leben.


IV.

EINIGE EINZELPROBLEME

Voreheliche Beziehungen

Bei der Erfüllung seines Auftrags kann der Erzieher an Einzelprobleme geraten, die besondere Beachtung verdienen.


94 Die geschlechtliche Erziehung muß die Jugendlichen dahin führen, sich der verschiedenen Ausdrucksformen und des Dynamismus der Geschlechtlichkeit sowie der zu respektierenden menschlichen Werte bewußt zu werden.

Die wahre Liebe besteht in der Fähigkeit, sich dem Nächsten gegenüber in großherziger Hilfe zu öffnen. Sie besteht in der Hingabe an den anderen zu dessen Wohl, achtet dessen Persönlichkeit und Freiheit, ist nicht egoistisch und sucht auch nicht sich selbst im anderen,(53) ist hingebend und nicht besitzend. Der geschlechtliche Instinkt hingegen, wenn er sich selbst überlassen bleibt, führt zur bloßen leiblichen Vereinigung und versucht, den anderen zu beherrschen, indem man unmittelbar eine persönliche Befriedigung sucht.

Nur in der Ehe sind Intimbeziehungen legitim


95 Nur in der Ehe dürfen sich Intimbeziehungen entwickeln. Denn nur hier bewahrheitet sich die von Gott gewollte untrennbare Verbindung der Sinnfülle von Vereinigung und Fortpflanzung in solchen Beziehungen, die darauf hingeordnet sind, eine endgültige Lebensgemeinschaft zu bilden, zu befestigen und zum Ausdruck zu bringen: «ein Fleisch».(54) Dies geschieht durch die Verwirklichung einer Liebe, die «menschlich», «total» und «fruchtbar» (55) ist, das heißt der ehelichen Liebe. Daher sind geschlechtliche Beziehungen außerhalb der Ehe eine schwere Verirrung, weil sie ausschließlich Ausdrucksform einer Wirklichkeit sind, die noch nicht besteht.(56) Sie sind ein Zeichen, dem in der Lebenswirklichkeit der beiden Personen die objektive Grundlage fehlt, da sie keine endgültige Gemeinschaft bilden mit der erforderlichen Anerkennung und Garantie durch die bürgerliche und, für katholische Eheleute, die religiöse Gesellschaft.

Verworrene geschlechtliche Ausdrucksformen


96 Unter Heranwachsenden und Jugendlichen verbreiten sich mehr und mehr gewisse geschlechtliche Verhaltensweisen, welche an und für sich zur vollen geschlechtlichen Beziehung führen, ohne daß es jedoch dazu kommt. Solche Formen der Sexualität sind eine sittliche Unordnung, da sie außerhalb des ehelichen Bereichs stattfinden.

Tiefe Werte der Liebe


97 Die geschlechtliche Erziehung hilft den Heranwachsenden, die tiefen Werte der Liebe zu entdecken sowie zu verstehen, welchen Schaden bloß sexuelle Beziehungen der Reifung ihrer Gefühle zufügen. Allenfalls führen sie zu einer unpersönlichen, bloß instinktiven Begegnung, die oft noch weiter verzerrt wird durch egoistische Reserven und Berechnungen, so daß sie fast nichts vom Charakter einer wahrhaft persönlichen und noch weniger einer endgültigen Beziehung an sich hat. Eine ernsthafte Erziehung führt die Jugendlichen zu Reifung und Selbstbeherrschung als Frucht einer bewußten Wahl und einer persönlichen Anstrengung.

Selbsterotik


98 Ziel einer echten geschlechtlichen Erziehung ist es, einen beständigen Fortschritt in der Beherrschung der Triebe zu fördern, um sich zu gegebener Zeit einer wahren und hingebungsvollen Liebe öffnen zu können. Da kann sich ein besonders verwickeltes und delikates Problem stellen: die Selbstbefriedigung und deren Rückwirkungen auf das ganzheitliche Reifen der Person. Die Selbstbefriedigung ist nach katholischer Lehre «eine schwere sittliche Verfehlung»,(57) weil allem voran die Geschlechtskraft in einer Weise gebraucht wird, die ihrem inneren Ziel wesentlich widerspricht; sie steht nicht im Dienst der Liebe und des Lebens gemäß dem Plane Gottes.(58)

Ursachen ...


99 Ein tiefblickender Erzieher und Ratgeber muß sich bemühen, die Ursachen dieser Verirrung festzustellen, um dem Heranwachsenden zu helfen, die Unreife zu überwinden, welche in dieser Gewohnheit liegt. Der Erzieher muß wissen, daß die Selbstbefriedigung und andere Formen der Selbsterotik Zeichen für viel tiefere Probleme sind. Diese führen zu einer geschlechtlichen Spannung, die der Betreffende durch das erwähnte Verhalten zu lösen sucht. Deshalb muß das erzieherische Bemühen mehr auf die Gründe als auf die direkte Unterdrückung solcher Verhaltensweise gerichtet sein.(59)

Auch wenn mit Recht die Selbstbefriedigung als objektiv schwere Verirrung angesehen wird, so ist doch Vorsicht geboten bei der Bewertung der subjektiven Verantwortlichkeit.(60)

Hilfe gegen die Selbsterotik


100 Um dem Jugendlichen zu helfen, sich in eine Gemeinschaft der Liebe aufgenommen und dem Eingeschlossensein in das eigene Ich entrissen zu fühlen, muß der Erzieher «die Tatsache der Selbstbefriedigung entdramatisieren und nicht nachlassen, dem Betreffenden seine Achtung und sein Wohlwollen zu bezeigen».(61) Er muß ihm helfen, sich sozial einzuordnen, sich anderen gegenüber zu öffnen und sich für sie zu interessieren. So kann sich der Betroffene von dieser Form der Selbsterotik befreien und einer hingebenden Liebe zuwenden, die zu einem gereiften Gefühlsleben gehört. Zugleich soll der Erzieher dazu ermutigen, die von der christlichen Aszese empfohlenen Mittel wie Gebet und Sakramente zu Hilfe zu nehmen und sich in Werken der Gerechtigkeit und der Liebe einzusetzen.

Homosexualität ...


101 Die Homosexualität, welche die Person am Erreichen der geschlechtlichen Reife sowohl in sich als auch in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen hindert, ist ein Problem, das vom Betreffenden wie vom Erzieher in aller Objektivität aufgegriffen werden muß.

«Sicher muß man sich bei der seelsorglichen Betreuung dieser homosexuellen Menschen mit Verständnis annehmen und sie in der Hoffnung bestärken, ihre persönlichen Schwierigkeiten und ihre soziale Absonderung zu überwinden. Ihre Schuldhaftigkeit wird mit Klugheit beurteilt werden. Es kann aber keine pastorale Methode angewandt werden, die diese Personen moralisch rechtfertigen würde, weil ihre Handlungen als mit ihrer persönlichen Verfassung übereinstimmend erachtet würden.

Nach der objektiven sittlichen Ordnung sind die homosexuellen Beziehungen Handlungen, die ihrer wesentlichen und unerläßlichen Regelung beraubt sind».(62)

... Ursachen


102 Es ist Aufhabe der Familie und des Erziehers, zunächst die Gründe zu finden, die zur Homosexualität führen, also festzustellen, ob sie im physiologischen oder psychologischenBereich ihren Ursprung hat, ob sie Folge einer falschen Erziehung oder des Ausbleibens einer normalen geschlechtlichen Entwicklung ist, ob sie einer erworbenen Gewohnheit, schlechtem Beispiel oder anderen Gegebenheiten entspringt.(63) Mehr im einzelnen müssen Familie und Erzieher bei der Suche nach den Ursachen dieser Unordnung den Urteilskriterien des kirchlichen Lehramtes Rechnung tragen und die Erkenntnisse nutzen, die verschiedene Wissenschaften anzubieten vermögen. In der Tat haben sie Dinge unterschiedlichster Art zu bewerten: Gefühlsmangel, Unreife, Triebbesessenheit, Verführung, gesellschaftliche Isolierung, Sittenverfall, Freizügigkeit im Schaugeschäft und im Schrifttum. Letztlich steht jedoch hinter allem die dem Menschen als Folge der Erbsünde angeborene Schwäche, die zum Verlust des Gespürs für Gott und den Mitmenschen führen und Auswirkungen im Bereich des Geschlechtlichen haben kann.(64)

Angebot wirksamer Hilfe notwendig


103 Sind die Ursachen gefunden und verstanden, werden Familie und Erzieher eine wirksame Hilfe zum ganzheitlichen Wachstumsprozeß anbieten, indem sie Verständnis entgegenbringen, eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen, Mut machen zur Befreiung von sich selbst und zum Voranschreiten in der Selbstbeherrschung, ein echtes sittliches Streben nach Umkehr zur Liebe zu Gott und zum Nächsten fördern und, falls nötig, die Mithilfe eines Arztes oder Psychologen anraten, der die Lehre der Kirche kennt und respektiert.

Rauschgift und geschlechtliche Unordnung


104 Eine permissive Gesellschaft, die keine gültigen Werte bietet, auf die man das Leben gründen kann, begünstigt entfremdende Fluchterscheinungen, denen in besonderer Weise die Jugendlichen ausgesetzt sind. Mit ihren idealistischen Vorstellungen stoßen sie sich an der rauhen Wirklichkeit des Lebens und geraten so in Spannungen, die bei Mangel an Willenskraft zur selbstzerstörischen Flucht ins Rauschgift verleiten können.

Dieses Problem wird immer ernster und nimmt für den Erzieher dramatische Formen an. Einige psychotropische Substanzen steigern die Empfindlichkeit für die geschlechtliche Lust und schwächen im allgemeinen die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und damit zur Abwehr. Der längere Mißbrauch mit Rauschgift führt zur physischen und psychischen Selbstzerstörung. Rauschgift, mißverstandene Freiheit und geschlechtliche Unordnung finden sich oft zusammen. Die psychologische Situation und das zwischenmenschliche Klima der Selbstisolierung, der Verlassenheit und der Rebellion, in dem die Rauschgiftsüchtigen leben, schaffen Bedingungen, die leicht zum Mißbrauch des Geschlechtlichen führen.

Umerziehung und Vorbeugen


105 Die Umerziehung, die eine tiefgehende innere und äußere Änderung der Person erfordert, ist mühsam und lange, da sie helfen muß, die Persönlichkeit und ihre Beziehungen zur Welt der Menschen und der Werte neu aufzubauen. Wirksamer ist die vorbeugende erzieherische Tätigkeit. Sie trachtet danach, tiefgehende Mängel im Bereich des Gefühlslebens zu vermeiden. Liebe und Umsicht erziehen zur Wertschätzung und Achtung der Würde des Lebens, des Leibes, des Geschlechtlichen und der Gesundheit. Die bürgerliche und die christliche Gemeinde muß es verstehen, rechtzeitig einzugehen auf Jugendliche, die auf Abwege geraten, allein und unsicher sind, und ihnen zu helfen, durch Studium und Arbeit sich gesellschaftlich einzufügen; sie wird ihnen Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung erschließen, indem sie ihnen heilen Raum für Begegnung, für Muße und aktive Einsätze schafft und ihnen Gelegenheit bietet für neue zwischenmenschliche Beziehungen der Freundschaft und Solidarität.

In besonderer Weise kommt dem Sport, wenn er im Dienste des Menschen steht, hoher erzieherischer Wert zu, und zwar nicht nur zur Beherrschung des Körpers, sondern auch als Gelegenheit zu gesunder Entspannung, bei der sich der Mensch darauf einübt, seinem Egoismus zu entsagen und sich mit anderen zu messen. Nur eine Freiheit, die echt und in einem Prozeß der Erziehung geleitet und gefördert worden ist, bietet Schutz gegen die illusorischen Freiheiten des Rauschgiftes und des Geschlechtlichen.


Menslichen Liebe 52