Menslichen Liebe 105


SCHLUß

Dringlichkeit der Geschlechtserziehung


106 Aus den vorausgehenden Überlegungen geht hervor, wie dringend es in der gegenwärtigen gesellschaftlich-kulturellen Lage ist, den Kindern, den Heranwachsenden und Jugendlichen unter Berücksichtigung der vom Konzil gegebenen Richtlinien eine positiv ausgerichtete, stufenweise Erziehung auf affektivem und geschlechtlichem Gebiet zu geben. Schweigen auf diesem Gebiet kann nie Verhaltensnorm sein, vor allem wenn man an die zahlreichen «geheimen Verführer» denkt, die sich einer einschmeichelnden Sprache bedienen. Ihr Einfluß ist heute nicht mehr zu leugnen. Daher ist es Aufgabe der Eltern, nicht nur darum besorgt zu sein, die durch unglückliche und abträgliche Einflüsse verursachten Schäden wiedergutzumachen, sondern vor allem die eigenen Kinder durch eine positive, überzeugende Erziehung gebührend vorzubereiten.

Vorrangige Pflicht der Eltern


107 Die Verteidigung der fundamentalen Rechte des Kindes und des Heranwachsenden auf eine harmonische und ganzheitliche Entwicklung der Persönlichkeit, die der Würde der Gotteskindschaft Rechnung trägt, ist in erster Linie Sache der Eltern. Das personale Reifen erfordert nämlich eine Kontinuität im Erziehungsprozeß; dieser muß durch das Liebes- und Vertrauensverhältnis, das dem Familienbereich eigen ist, gewährleistet sein.

Rechte und Pflichten der Kirche
Beitrag der Schule...
... im Einklang mit der Familie


108 In Erfüllung ihres Auftrages hat die Kirche die Pflicht und das Recht, für die sittliche Erziehung der Getauften zu sorgen. Was die Schule im Bereich der Erziehung insgesamt, besonders aber auf diesem so heiklen Gebiet unternimmt, muß im Einklang mit der Familie geschehen. Auf Seiten der Erzieher und aller, die direkt oder indirekt mitwirken, setzt dies voraus, daß sie die richtige Auffassung vom Ziel ihres Tuns haben und vorbereitet sind, dieses Problem mit Sorgfalt und vertrauensvollem Optimismus anzugehen.

Individuelle Erziehung


109 Damit Aufklärung und Erziehung im affektiv-geschlechtlichen Bereich wirksam seien, müssen sie rechtzeitig und klug, mit angemessenen Formulierungen und möglichst individuell erfolgen. Der Erfolg dieser Erziehung wird zum größten Teil davon abhängen, wie der Erzieher die Werte des Lebens und der Liebe darzustellen versteht.

Erziehung im Lichts des Glaubens


110 Der christliche Erzieher, seien es Vater oder Mutter, Lehrer, Priester oder wer immer diesbezüglich verantwortlich ist, kann vor allem heute versucht sein, diese Aufgabe, die auf Seiten des Erziehers so viel an Feingefühl, Unterscheidungsvermögen, Geduld und Mut, aber auch auf Seiten des zu Erziehenden viel guten Willen erfordert, auf andere abzuwälzen. Daher ist es notwendig, zum Abschluß nochmals festzustellen, daß Erziehen für einen Christen vor allem ein Handeln aus dem Glauben und im Vertrauen auf die Gnade ist: jeder Aspekt der geschlechtlichen Erziehung richtet sich nämlich am Glauben aus und schöpft aus ihm und aus der Gnade die unentbehrliche Kraft. Der Brief des hl. Paulus an die Galater reiht die Selbstbeherrschung und die Mäßigung unter die Gaben ein, die der Geist und nur Er im gläubigen Menschen wirken kann. Gott ist es, der Licht gibt, und Gott ist es, der die ausreichende Kraft schenkt.(65)

Einladung an die Bischofskonferenzen


111 Die Kongregation für das katholische Bildungswesen wendet sich an die Bischofskonferenzen mit der Bitte, sie möchten das Zusammenwirken zwischen Eltern, christlichen Gemeinden und Erziehern fördern im Hinblick auf ein gemeinsames Handeln in einem für die Zukunft der Jugendlichen und für das Wohl der Gesellschaft so bedeutenden Bereich. Sie lädt dazu ein, diese Erziehungsaufgabe in gegenseitigem Vertrauen und unter höchstmöglicher Achtung der jeweiligen Rechte und Zuständigkeiten zu übernehmen, um eine durchgreifende und umfassende christliche Erziehung zu erreichen.

Rom, 1. November 1983, am Fest Allerheiligen.

WILLIAM Kardinal Baum,
Präfekt

Antonio M. Javierre, Sekretär
Titularerzbischof von Meta



(1) 2. Vat. Konzil: Erklärung über die christliche Erziehung, Gravissimum educationis, Nr. 1.

(2) Ebd.

(3) Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung über einige Fragen der Sexualethik, Persona humana, 29. Dezember 1975, AAS 68 (1976), S. 77, Nr. 1.

(4) Vgl. Johannes, Paul II. Apostol. Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, AAS 74. (1982), S. 128, Nr. 37 ; vgl. auch unten Nr. 16.

(5) Pius XI. erklärte in seiner Enzyklika Divini illius Magistri vom 31. Dezember 1929 eine geschlechtliche Erziehung, wie sie zu seiner Zeit gehandhabt wurde, nämlich als frühzeitig und unterschiedslos erteilte naturalistische Information, für verfehlt (AAS 22 (1930) SS. 49-86).

Aus dieser Sicht muß man das Dekret des Hl. Offiziums vom 21. März 1931 lesen (AAS 23 (1931) SS. 118-119). Doch Pius XI. zog die Möglichkeit einer positiven Geschlechtserziehung des einzelnen «durch diejenigen» in Betracht, «die von Gott den erzieherischen Auftrag und die Gnade des Standes erhalten haben» (AAS 22 (1930) S. 71).

Dieser positive Wert der Geschlechtserziehung, auf den Pius XI. hingewiesen hatte, wurde von den nachfolgenden Päpsten schrittweise entwickelt. Pius XII. bestimmt in seiner Ansprache an den V. Internationalen Kongreß für klinische Psychotherapie und Psychologie am 13. April 1953 (AAS 45 (1953) SS. 278-286) und in der Rede vor den italienischen Frauen der Katholischen Aktion am 26. Oktober 1941 (AAS 33 (1941) SS. 450-458) sehr klar, wie die geschlechtliche Erziehung im Rahmen der Familie durchgeführt werden solle (vgl. auch Pius XII. an die Karmeliter: (AAS 43 (1951) SS. 734-738) an französische Eltern: (AAS 43 (1951) SS. 730-734). Das Lehramt Pius XII. bereitet den Weg für die Konzilserklärung Gravissimum educationis vor.

(6) Vgl. Gravissimum educationis, Nr. 1

(7) Ebd.

(8) Vgl. 2. Vat. Konzil: Konstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 49.

(9) Vgl. Gravissimum educationis, Nr. 5.

(10) Ebd., Nr. 3; vgl. Gaudium et spes, Nr. 52.

(11) Familiaris consortio, Nr. 37.

(12) Familiaris consortio, Nr. 37.

(13) Ebd.

(14) Ebd.

(15) Familiaris consortio, Nr. 37.

(16) Gaudium et spes, Nr. 11.

(17) Johannes Paul II: Generalaudienz am 14. November 1979, Insegnamenti di Giovanni Paolo II, II-2 (1979), S. 1156, Nr. 4. (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 9. Jg., Nr. 47, 23.11.1979, SS. 1-2).

(18) Johannes Paul II: Generalaudienz am 9. Januar 1980, Insegnamenti di Giovanni Paolo II, III-I (1980), S. 90, Nr. 4. (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 10. Jg., Nr. 3, 18. 1. 1980, SS. 1-2).

(19) Johannes Paul II: Generalaudienz am 20. Februar 1980, Insegnamenti di Giovanni Paolo II, III-I (1980), S. 430, Nr. 4 (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 10. Jg., Nr. 9, 29.2.1980, S. 2).

(20) Johannes Paul II.: Generalaudienz am 9. Januar 1980, Insegnamenti di Giovanni Paolo II, III-I (1980), S. 90, Nr. 4 (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 10. Jg., Nr. 3, 18.1.1980, SS. 1-2).

(21) «Aus der Tiefe jener ursprünglichen Einsamkeit steigt der Mensch nun auf zur Dimension des gegenseitigen Sich-Schenkens, dessen Ausdruck - und daher auch dessen Ausdruck als Person - der menschliche Leib in der ganzen ursprünglichen Wahrheit seiner Männlichkeit und Weiblichkeit ist. Der Leib, der die Weiblichkeit für die Männlichkeit und umgekehrt die Männlichkeit für die Weiblichkeit zum Ausdruck bringt, bekundet die Gegenseitigkeit und Gemeinschaft der Person. Er bringt sie durch das Sich-Schenken als das grundlegende Merkmal der personalen Existenz zum Ausdruck» Ebd.

(22) Vgl. Johannes Paul II: Generalaudienz am 26. März 1980, Insegnamenti di Giovanni Paolo II, III-I (1980), SS. 737-741 (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 10. Jg., Nr. 14-15, 4.4.1980, S. 2).

(23) Gaudium et spes, Nr. 49.

(24) Ebd., Nr. 12.

(25) Gaudium et spes, wo die soziale Bedeutung von Gen. 1, 27 erläutert wird.

(26) Ebd., NNr. 47-52

(27) Johannes Paul II: Generalaudienz am 20. Februar 1980, Insegnamenti di Giovanni Paolo II, III-I (1980), S. 429, Nr. 2 (deutsch: L'Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 10. Jg., Nr. 9, 29.2. 1980, S. I) .

(28) Gaudium et spes, Nr. 22.

(29) Vgl. Eph 4, 13.

(30) Vgl. Mt 19, 3-12.

(31) Vgl. I Kor 7, 32-34.

(32) Ebd., 13, 4-8; vgl. Familiaris consortio, Nr. 16.

(33) Vgl. 2. Vat. Konzil: Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, Nr. 39.

(34) Kongregation für das katholische Bildungswesen: Leitgedanken für die Erziehung zum priesterlichen Zölibat, II. April 1974, Nr. 22.

(35) Vgl. 1 Kor 6, 15. 19-20.

(36) Vgl. Röm 7, 18-23.

(37) Gaudium et spes, Nr. 52; vgl. Familiaris consortio, Nr. 37.

(38) Vgl. Familiaris consortio, Nr. 37.

(39) Vgl. Gravissimum educationis, Nr. 3-4.; vgl. Pius XI, Divini illius Magistri: AAS 22 (1930), S 53 f, 56 f.

(40) Vgl. Familiaris consortio, Nr. 11.

(41) Ebd., Nr. 16.

(42) Vgl. Paul VI, Enzyklika Humanae vitae, 25. Juli 1968, AAS 60 (1968), S. 493 ff., Nr. 17 ff.

(43) Gaudium et spes, Nr. 48.

(44) Vgl. Humanae vitae, Nr. 10.

(45) Familiaris consortio, Nr. 33. Bezüglich der heute weit verbreiteten Werbung für Empfängnisverhütung, vgl. Humanae vitae, NNr. 14-17.

(46) vgl. Gaudium et spes, Nr. 26; vgl. Humanae vitae, Nr. 23.

(47) Johannes Paul II: Botschaft zum 13. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, 23. Mai 1979, AAS 71 (1979-II) S. 930. (deutsch: L'Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 9. Jg., Nr. 21, 25.5.1979, S. I).

(48) 2. Vat. Konzil: Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel, Inter mirifica, Nr. 10; vgl. Päpstliche Kommission für die sozialen Kommunikationsmittel: Pastoralinstruktion Communio et progressio, AAS 63 (1971) S. 619, Nr. 68.

(49) Vgl. Johannes Paul II: Botschaft zum 13. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, 23. Mai 1979, AAS 71 (1979-II), SS. 930-933 (deutsch: L'Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 9. Jg., Nr. 21, 25.5. 1979, S. I).

(50) Inter mirifica, Nr. 12.

(51) Familiaris consortio, Nr. 32.

(52) Vgl. oben Nr. 58.

(53) Vgl. 1 Kor 13,5.

(54) Mt 19,5.

(55) Humanae Vitae, AAS 60 (1968), S. 486, Nr. 9.

(56) Vgl. Persona humana, AAS 68 (1976), S. 82, Nr. 7.

(57) Ebd., SS. 85-87, Nr. 9.

(58) Ebd.

(59) Ebd.

(60) Ebd.

(61) Leitgedanken für die Erziehung zum priesterlichen Zölibat, Nr. 63.

(62) Vgl. Persona humana, AAS 68 (1976), SS. 84-85, Nr. 8.

(63) Vgl. ebd.

(64) Vgl. Röm 1, 26-28; vgl. auch Persona humana, AAS 68 (1976), Nr. 9.

(65) Vgl. Gal 5. 22-24.



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