Augustinus - Bekenntnisse 1319

Dreizehntes Buch - Neunzehntes Kapitel

1319
Aber zuvor waschet euch, reinigt euch; tut euer böses Wesen von meinen Augen und lasset ab von Übeltat, damit die trockene Erde erscheine. Lernet Gutes tun, schaffet den Waisen Recht und führt der Witwen Sache, damit die Erde nährendes Gras und fruchtbare Bäume hervorbringe; so kommt denn und laßt uns miteinander rechten, spricht der Herr, damit sie leuchtende Gestirne an der Veste des Himmels werden und ihr Licht über die Erde ergießen. jener Reiche fragte den guten Meister - was er tun solle, um das ewige Leben zu haben, und es spricht zu ihm der gute Meister - den er für einen Menschen hielt und für weiter nichts; gut ist er nur, weil er Gott ist - zu ihm spricht er, willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote; er solle von sich die Bitterkeit der Bosheit und der Ungerechtigkeit entfernen; er solle nicht töten, nicht ehebrechen, nicht stehlen, nicht falsches Zeugnis geben, damit die trockene Erde erscheine und Verehrung des Vaters und der Mutter und Liebe gegen den Nächsten hervorbringe. Da sprach er, das habe ich alles gehalten. Woher so viele Disteln und Domen, wenn die Erde fruchtbar ist? Gehe und reiße das dichte Dorngebüsch des Geizes aus; verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach, wenn du vollkommen sein und dich zu denen gesellen willst, unter denen der Weisheit redet, der den Tag von der Nacht zu unterscheiden weiß, damit auch du es weißt, damit auch dir an der Veste des Himmels Sterne aufgehen, was nicht geschehen wird, wenn nicht dein Herz dort ist; und ebensowenig, wenn nicht dein Schatz dort ist: wie du es von dem guten Meister gehört hast. Aber die unfruchtbare Erde ward betrübt und die Domen erstickten das Wort.

Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, ihr, die Schwachen in der Welt, die ihr alles verlassen habt, um dem Herrn nachzufolgen; gehet ihm nach und beschämet die Mächtigen der Welt; folget ihm nach, ihr lieblichen Füße, und leuchtet an der Veste des Himmels, damit die Himmel Seine Ehre erzählen, und unterscheiden das Licht der Vollkommenen, die jedoch noch nicht den Engeln gleich sind, von der Finsternis der Kleinen, doch deshalb nicht Verachteten; leuchtet über die ganze Erde hin; und der Tag, leuchtend vom Glanze der Sonne, rufe dem Tage das Wort der Weisheit zu, und die Nacht, erhellt von dem Lichte des Mondes, verkündige der Nacht das Wort des Erkennens. Mond und Sterne leuchten der Nacht; aber die Nacht verdunkelt sie nicht; sie erhellen sie nicht; sie erhellen dieselbe nach ihrem Maße. Siehe, gleichsam als spräche Gott: Es werden Lichter an der Veste des Himmels, geschah schnell ein Brausen vom Himmel als eines gewaltigen Windes, und man sah an ihnen die Zungen zerteilet, als wären sie feurig; und er setzte sich auf einen jeglichen unter ihnen; und sie wurden Lichter an der Veste des Himmels, die das Wort des Lebens haben. Geht über die ganze Erde hin, heilige Flammen, herrliche Flammen! Denn ihr seid das Licht der Welt, bleibet nicht hinter dem Scheffel! Der ist erhöhet, dem ihr anhinget, und Er hat euch erhöhet. Gebet hin und werdet kund allen Völkern!

Dreizehntes Buch - Zwanzigstes Kapitel

1320
Auch das Meer empfange und gebäre eure Werke und es errege sich das Wasser mit webenden, lebendigen Tieren. Denn ihr unterscheidet Kostbares von Gemeinem und seid der Mund Gottes geworden, durch die er sprach. Es errege sich das Wasser nicht mit der lebendigen Seele, welche die Erde hervorbringt, sondern mit webenden, lebendigen Tieren und mit Gevögel, die auf Erden unter der Veste des Himmels fliegen. Denn deine Geheimnisse, mein Gott, gehen durch die Werke deiner Heiligen mitten unter den Fluten der Versuchungen der Welt hindurch, um die Völker in deinem Namen, in deiner Taufe zu weihen. Und es geschehen wunderbare Taten, wie große Ungeheuer, und die Stimme deiner Boten flog über die Erde unter der Veste deines Wortes, das ihnen zum höchsten Ansehen gesetzt war, unter dem sie hineilten, wohin sie immer gingen. Denn es ist keine Sprache noch Rede, da man nicht ihre Stimme höre, als ihr Ruf in alle Länder ausging und ihre Rede an der Welt Ende; denn du, Herr, hast dies segnend vermehrt.

Irre ich etwa und vermenge und unterscheide ich nicht die helle Erkenntnis dieser Dinge an der Veste des Himmels von den körperlichen Werken im flutenden Meere und unter dem Firmamente des Himmels? Die Erkenntnis der Dinge ist klar und gewiß und begrenzt ohne Zuwachs von Geschlecht zu Geschlecht, gleich den Lichtern der Weisheit und der Erkenntnis; die körperlichen Wirkungen derselben Dinge sind viel und mannigfaltig und werden unaufhörlich vermehrt, indem eins aus dem andern erwächst unter deinem Segen, mein Gott, der du den Überdruß der sterblichen Sinne dadurch tröstest, daß in der Erkenntnis des Geistes eine Sache sich in der körperlichen Bewegung auf vielfache Weise darstellt und offenbart. Die Wasser haben dies erzeugt, aber in deinem Worte. Die Bedürfnisse der der Ewigkeit deiner Wahrheit entfremdeten Völker haben dies hervorgebracht, aber in deinem Evangelium; denn die Wasser selbst werfen dasjenige aus, deren Bitterkeit und Erschlaffung die Ursache war, daß in deinem Worte solches hervorging.

Alles ist schön, wenn du es machst, du aber, der du alles gemacht hast, bist unaussprechlich schöner; wäre Adam nicht gefallen, so hätte sich nicht aus seinem Schoße das salzige Meer ergossen, das übermäßig vorwitzige, stürmisch schwülstige und unstät wogende Menschengeschlecht; und ebenso wäre es nicht nötig gewesen, daß mitten in diesen unermeßlichen Gewässern aller Völker die gläubigen Werkzeuge deines Willens so viele sinnliche und körperliche Zeichen anwendeten und zu so vielen geheimnisvollen Worten und Handlungen ihre Zuflucht nahmen. So traten mir nun die kriechenden Tiere und die Vögel entgegen, in deren vorbildliche Bedeutung eingeweiht, die Menschen, sinnlichen Symbolen unterworfen,

nicht weiter gelangt sein würden, wenn nicht geistig die Seele auf einer anderen Stufe lebte und nach dem Worte des Anfanges auf die Vollendung blickte.

Dreizehntes Buch - Einundzwanzigstes Kapitel

1321
Deshalb bringt in deinem Worte nicht des Meeres Tiefe, sondern die von der Bitterkeit des Gewässers gesonderte Erde nicht belebte kriechende Tiere, sondern eine lebendige Seele hervor. Denn sie bedarf nicht mehr der Taufe, welche die Heiden nötig haben, so wie sie ihrer bedurfte, als sie noch von den Wassern bedeckt wurde. Denn man kann nicht anders in das Reich Gottes kommen, seitdem du angeordnet hast, daß man nur so hineinkomme. Sie verlangt auch nicht mehr wunderbare Taten, um Glauben zu erwecken; denn nicht mehr glaubt sie nicht, wenn sie nicht Zeichen und Wunder sieht, da die gläubige Erde schon von den durch ihren Unglauben bitteren Gewässern des Meeres geschieden ist; und die Zungen sind zum Zeichen nicht den Gläubigen, sondern den Ungläubigen. jener Art Gevögel, welche das Meer auf dein Wort hervorbrachte, bedarf die Erde, die du über den Wassern gründetest, nicht mehr. Sende auf sie durch deine Boten dein Wort herab. Denn wir erzählen ihre Werke, aber du bist es, der in ihnen wirkt, daß sie eine lebendige Seele hervorbringen. Die Erde bringt sie hervor, weil die Erde die Ursache ist, daß sie dies auf ihr wirken; wie das Meer die Ursache war, daß sie belebte, kriechende Tiere und Gevögel unter dem Firmamente hervorbrächten, deren die Erde nicht mehr bedarf; obgleich sie sich mit dem aus der Tiefe emporgehobenen Fische nährt an dem Tische, den du im Angesicht der Gläubigen bereitet hast; denn deshalb wurde er aus der Tiefe emporgehoben, daß diese Speise die Erde nähre. Und die Vögel, obwohl aus dem Meere geboren, mehren sich auf der Erde. Denn die Ursache der ersten Verkündigung des Evangeliums war der Unglaube des Menschen: aber auch die Gläubigen empfangen von ihnen vielfältig Ermahnung und Segen immer wieder. Aber die lebendige Seele hat von der Erde ihren Ursprung, daß es jetzt nur den Gläubigen nützt, sich der Liebe dieser Welt zu enthalten, daß ihre Seele dir lebt, die tot war, als sie noch in Wollüsten, in todbringenden Wollüsten, Herr, lebte; denn du bist die Lebenswonne des reinen Herzens.

Laß daher jetzt deine Diener auf Erden wirken, nicht wie in den Wassern des Unglaubens durch Verkündigung in Wundern, Geheimnissen und mystischen Worten, auf welche die Unwissenheit, die Mutter der Bewunderung, in der Furcht vor verborgenen Zeichen gerichtet ist. Denn das ist der Weg, der die Kinder Adams zum Glauben führt, die deiner vergessen haben, sich vor deinem Angesichte verbergen und ein Abgrund werden. Laß sie vielmehr wirken wie auf trockener Erde, die gesondert ist von den Fluten des Abgrundes, und laß deine Gläubigen in ihrem Wandel ihnen ein Vorbild zur Nachahmung sein. Denn so vernehmen sie nicht bloß zum Hören, sondern auch zum Befolgen: Suchet den Herrn und eure Seele wird das Leben haben, daß das Land eine lebendige Seele hervorbringe. Stellet euch nicht dieser Welt gleich; enthaltet euch derselben. Wenn die Seele sie fliehet, lebt sie; wenn sie dieselbe sucht, stirbt sie. Enthaltet euch der unmenschlichen Roheit des Stolzes, der Weichlichkeit der Wollust und des Truges der Erkenntnis, damit die wilden Tiere zahm, die Haustiere sanft und die Schlangen unschädlich sind. Denn das sind sinnbildlich die leidenschaftlichen Regungen der Seele; aber der Hochmut des Stolzes, der Genuß der Sinnenlust und das Gift des Vorwitzes sind Regungen einer toten Seele, die zwar tot ist, aber nicht so, daß sie aller Regung entbehre, indem sie insofern stirbt, daß sie sich von der Quelle des Lebens entfernt und so von der vorübergehenden Welt hingenommen und ihr gleich wird.

Dein Wort aber, mein Gott, ist die Quelle des ewigen Lebens und vergeht nicht; deshalb wird in deinem Worte diese Entfremdung untersagt, wenn zu uns gesprochen wird: Stellet euch nicht dieser Welt gleich; damit das Land des Herzens durch die Quelle des Lebens eine lebendige Seele in uns erzeuge, in deinem Worte durch dessen Verkündiger eine keusche Seele, durch die Nachahmung der Nachfolger deines Gesalbten. Dies ist ein jedes in seiner Art; weil der Mann gerne das Vorbild des Freundes nachahmt. Seid doch wie ich, sagt er; denn ich bin wie ihr. So werden in der lebendigen Seele durch die Sanftmut ihres Wandels gute Tiere wohnen. Das hast du befohlen, wenn du sprichst: Vollbringe deine Werke mit Sanftmut, so wirst du von allen gelebt werden; auch die Haustiere werden gut sein, und wenn sie essen, keinen Überfluß haben, noch Mangel, wenn sie nicht essen. Und die Schlangen werden gut sein, nicht mehr schädlich zum Verderben, sondern klug zur Vorsicht; und sie erforschen nur insoweit die zeitliche Schöpfung, als es genügt, daß an der Schöpfung der Welt die ewige Kraft erkannt und ersehen wird. Denn auch diese Tiere dienen der Vernunft, wenn sie von der todbringenden Entfremdung von Gott zurückgehalten leben und gut sind.

Dreizehntes Buch - Zweiundzwanzigstes Kapitel

1322
Siehe, unser Herr und Gott, unser Schöpfer, wenn unsere Neigungen von der Liebe zur Welt abgewandt sind, worin wir durch ein gutes Leben lebendig zu werden beginnen und dein Wort erfüllt sein wird, stellet euch nicht dieser Welt gleich, dann wird auch erfüllt, was du durch deinen Apostel gesagt hast, sondern verwandelt euch durch die Verneuerung eures Sinnes, nicht mehr je nach seiner Art, indem wir dem Beispiele des Nächsten folgen und unser Leben nach dem Vorbilde eines besseren Menschen gestalten. Denn du hast nicht gesagt, "es werde der Mensch nach seiner Art", sondern laßt uns Menschen machen, in unserem Bilde, nach unserem Gleichnis, auf daß wir prüfen mögen, was dein Wille sei. Deshalb spricht jeder Spender deines Wortes, damit die Kinder, die er durch das Evangelium zeugt, nicht immer Kinder bleiben, die er mit Milch nährt und wie eine Amme pflegen muß, verwandelt euch durch die Erneuerung eures Sinnes, auf daß ihr prüfen möget, welches da sei der gute, der wohlgefällige und der vollkommene Gotteswille. Daher sagst du auch nicht, es werde der Mensch, sondern, laßt uns Menschen machen. Du sagest nicht, nach seiner Art, sondern, in unserem Bilde nach unserem Gleichnis. Nämlich, der im Geiste erneuert, die Wahrheit weiß und keines Menschen mehr bedarf zur Unterweisung, um seiner Art nachzuahmen; sondern durch deine Erleuchtung möge er selbst prüfen, welches da sei der gute, der wohlgefällige und der vollkommene Gotteswille; und du lehrst ihn, der dessen fähig ist, die Dreieinigkeit in der Einheit und die Einheit in der Dreieinigkeit erkennen. Deshalb fügst du deinen Worten in der Mehrzahl, laßt uns den Menschen machen, in der Einzahl hinzu, und Gott schuf den Menschen; und den Worten in der Mehrzahl, nach unserem Bilde, in der Einzahl hinzu, nach dem Bilde Gottes. So wird der Mensch erneuert zur Erkenntnis nach dem Ebenbilde dessen, der ihn geschaffen hat, und geistlich geworden richtet er alles, was überhaupt gerichtet werden kann; er selbst aber wird von niemand gerichtet.

Dreizehntes Buch - Dreiundzwanzigstes Kapitel

1323
Daß er aber alles richtet, das heißt, er hat macht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle zahmen und wilden Tiere und über die ganze Erde und über alle kriechenden Tiere, die sich auf der Erde bewegen. Dies lehrt ihn die Erkenntnis des Geistes, durch den er vernimmt, was des Geistes Gottes ist. Ohne diesen erkennt der Mensch, der sich in solcher Würde befindet, nicht; sondern ist gleich dem Vieh, das vertilget wird. Daher gibt es, unser Gott, in deiner Kirche kraft der Gnade, die du ihr verliehen hast und weil wir dein Werk sind, geschaffen zu guten Werken, nicht bloß als solche, die nach deinem Geiste vorstehen, sondern auch die nach deinem Geiste denen untergeordnet sind, die da vorstehen. Denn du schufest den Menschen als Mann und Weib in derselben Weise in deiner geistlichen Gnade, wo nach dem leiblichen Geschlechte kein Mann noch Weib, kein Jude noch Grieche, kein Knecht noch Freier ist. Geistlich gesinnt also, urteilen sie geistlich, seien sie übergeordnet oder untergeordnet; nicht aber über die geistigen Kenntnisse, die am Firmamente leuchten, - denn es ist nicht nötig, über so erhabene Dinge urteilen zu wollen; - ebenso auch nicht über deine Schrift selbst, wenn auch dort etwas dunkel wäre; denn wir unterwerfen ihr unsern Verstand und haben die Gewißheit, daß auch das, was unserem Auge darin verschlossen ist, recht und wahr gesagt ist. So muß der Mensch, obgleich geistlich und erneuert in der Erkenntnis Gottes, nach dem Bilde dessen, der ihn geschaffen hat, doch muß er ein Täter des Gesetzes sein, nicht ein Richter. Er urteilt auch nicht über jene Unterscheidung der geistlichen und fleischlichen Menschen, die deinem Auge, unser Gott, bekannt sind, uns aber noch durch keine Werke bekannt geworden sind, daß wir sie an ihren Früchten erkennen könnten, aber du, Herr, kennst sie bereits, hast sie abgesondert und im verborgenen berufen, noch ehe du das Firmament schufest. Ebensowenig urteilt er, obgleich geistlich, über die unruhigen Völker dieser Welt. Denn was gehen ihn die draußen an, sie zu richten, da er nicht weiß, wer von ihnen zur Süßigkeit der Gnade gelangen wird und wer dagegen in steter Bitterkeit der Gottlosen beharren wird?

Daher empfing der Mensch, den du nach deinem Bilde geschaffen hast, nicht die Macht über die Lichter des Himmels noch über den verborgenen Himmel selbst noch über Tag und Nacht, die du vor der Schöpfung des Himmels beriefest noch über die Sammlung der Wasser, die das Meer sind; wohl aber wurde ihm die Macht gegeben über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über alle Tiere, über die ganze Erde und über alle kriechenden Tiere, die auf Erden sind. Er urteilt und billigt; er mißbilligt und verwirft; sowohl in der Feier der Geheimnisse. worin diejenigen eingeweihet worden, die dein Erbarmen aus den vielen Wassern hervorzieht, als auch in der Feier, wo jener Fisch, der aus der Tiefe emporgehoben, der gläubigen Erde als Speise dargereicht wird, wie auch über die Worte und Reden, die dem Ansehen deiner Schrift unterworfen sind und die gleichsam unter dem Firmamente umherfliegen, durch Erklärung, Auslegung, Erörterung, Untersuchung, Segnung und Anrufung deiner aus dem Munde hervorbrechen und erschallen, daß das Volk antwortete: Amen. Die Ursache, daß alle diese Worte in solcher Weise gesprochen werden mußten, ist der Abgrund der Welt, die Blindheit des Fleisches, die unser Auge für die Erkenntnis des Gedachten verdunkelt, so daß es der Stimme für das Ohr bedarf; so sehr sich also das Gevögel auf der Erde vermehrt, so hat es doch seinen Ursprung in Wassern. Auch urteilt und billigt der geistliche Mensch, was er für recht hält, und mißbilligt, was er als unrecht erkennt an den Werken und Sitten der Gläubigen, an den Almosen, die gleichsam die Früchte der fruchtbaren Erde sind, und über die lebendige Seele, deren Regungen in Keuschheit, in Fasten und frommen Betrachtungen gezähmt sind, über alles das, was mit den leiblichen Sinnen wahrgenommen wird. Wir dürfen urteilen über das, worin wir die Macht haben, zu bessern.

Dreizehntes Buch - Vierundzwanzigstes Kapitel

1324
Aber was ist dies und welch ein Geheimnis ist es? Siehe, Herr, du segnest die Menschen, daß sie fruchtbar sind und sich mehren und die Erde füllen. Gibst du uns hier nicht eine Andeutung, um etwas anderes zu erkennen? Warum segnetest du nicht die Veste des Himmels noch die Lichter noch die Gestirne noch die Erde noch das Meer? Ich würde sagen, unser Herr und Gott, der du uns nach deinem Bilde geschaffen hast, ich würde sagen, du hättest diese Gaben des Segens dem Menschen eigentümlich schenken wollen, wenn du nicht in derselben Weise die Fische und Walfische gesegnet hättest, daß sie wüchsen und sich mehrten und die Wasser des Meeres füllten, und die Vögel, daß sie sich mehrten auf Erden. Ebenso würde ich sagen, diese Segnung erstrecke sich über alle Dinge, die sich durch Fortpflanzung aus sich selbst vermehren; wenn ich dieselbe auch bei den Bäumen, Pflanzen und Tieren der Erde fände. Nun ist aber weder zu Kräutern noch zu Bäumen noch zu den Tieren und Schlangen gesagt worden, wachset und mehret euch, obgleich auch alles dieses, wie die Fische, Vögel und Menschen, durch Fortpflanzung sich vermehrt und seine Art erhält.

Was soll ich also sagen, mein Licht und meine Wahrheit? "Etwa, es habe keinen Sinn, es sei ohne Absicht gesagt?" Gewiß nicht, Vater der Gottlosigkeit, fern sei es, daß dieses der Diener deines Wortes sage. Wenn ich auch nicht bekenne, was du mit diesem Worte bezeichnen willst, so werden es Bessere, das heißt Erleuchtetere, als ich bin, besser verstehen, je nach dem Maße der Weisheit, die du, mein Gott, jedem verliehen hast. Möge dir aber mein Bekenntnis vor deinem Angesichte gefallen, worin ich dir, Herr, bekenne, daß ich glaube, du hast nicht ohne Grund so gesprochen, und ich will dir nicht verschweigen, welcher Gedanke beim Lesen deines Wortes in mir aufstieg. Es ist wahr und ich sehe nicht ein, was mich abhalten sollte, die bildliche Sprache deiner Schrift so zu verstehen. ich weiß, daß auf vielfache Weise sinnlich ausgedrückt wird, was geistig einfach ist; und daß dagegen der Geist auf vielfache Weise erkennt, was sinnlich einfach ausgedrückt wird. Wie einfach ist die Liebe Gottes und des Nächsten, und durch wie viele Bilder und unzählige Sprachen und durch. wie unzählige Ausdrücke in jeder Sprache wird sie sinnlich dargestellt? Also wachsen und mehren sich die Geburten der Wasser. Beachte jeder, wer dies liest: siehe, was die Schrift nur auf eine Weise vorbringt und die Stimme zu uns spricht: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, wird das nicht vielfach verstanden, nicht durch Täuschung des Irrtums, sondern durch die mögliche Mannigfaltigkeit mehrerer wahrer Ansichten? So wachsen und mehren sich die Geburten der Menschen.

Wenn wir uns die Natur der Dinge nicht bildlich, sondern eigentlich denken, so passen die Worte, wachset und mehret euch, auf alles, was aus Samen gezeugt wird. Nehmen wir sie dagegen bildlich, wie es mir die Schrift vielmehr zu wollen scheint, die gewiß nicht ohne Absicht jenen Segen auf die Wassertiere und Menschen beschränkt; so finden wir freilich mannigfaltige Verschiedenheiten bei den geistigen und sinnlichen Geschöpfen, wie im Himmel und auf Erden, bei den gerechten und ungerechten Seelen, wie bei dem Licht und der Finsternis; bei den heiligen Schriftstellern, durch die uns dein Gesetz gegeben ist, wie bei der Veste des Himmels, die zwischen den Wassern gegründet wurde; in der Gesellschaft der verbitterten Völker, wie im Meere, bei den Neigungen heiliger Seelen, wie bei dem Trockenen; und bei Werken der Barmherzigkeit im gegenwärtigen Leben, wie bei den sonnenreichen Pflanzen und fruchttragenden Bäumen; bei den zum Nutzen gespendeten Geistesgaben, wie bei den großen Lichtern des Himmels; bei den Regungen des Gemütes zur Mäßigkeit, wie bei der lebendigen Seele, bei allem diesem finden wir Vielheiten, Fruchtbarkeit und Wachstum; aber daß dieses Wachsen und Sich-Vermehren von der Art ist, daß ein und dieselbe Sache sich auf verschiedene Weise ausdrücken lasse und daß ein einziger Ausdruck in verschiedener Weise verstanden werden kann, das finden wir nur bei den sinnlich ausgedrückten Bildern und bei den mit dem Verstande ausgelegten Dingen. Unter sinnlichen Bildern verstehen wir die Erzeugungen, die aus den Gewässern hervorgingen, da die Tiefe des fleischlichen Abgrundes sie notwendig machte; unter den mit dem Verstande ausgedachten Dingen die menschlichen Erzeugungen, weil sie die Früchte der Fruchtbarkeit der Vernunft sind. Deshalb ist nach unserer Meinung zu jeder dieser beiden Arten von dir, Herr, gesagt worden, wachset und mehret euch. Durch diesen Segensspruch nehme ich an, daß du uns die Macht und die Kraft verliehen hast, sowohl auf verschiedene Weise auszudrücken, was wir auf eine Weise verständen, als auch auf verschiedene Weise zu verstehen, was wir dunkel finden, obgleich es nur auf eine Weise ausgedrückt ist. So füllen sich die Wasser des Meeres unserer Gedanken, die nur durch die verschiedenen Bedeutungen bewegt werden; und so füllt sich auch die Erde mit menschlichen Geburten, deren Trockene im Forschen nach Wahrheit zutage tritt und welche die Vernunft beherrscht.

Dreizehntes Buch - Fünfndzwanzigstes Kapitel

1325
Ich will auch aussprechen, Herr mein Gott, woran mich die folgenden Worte deiner Schrift mahnen; ich will es ohne Furcht sagen. Denn ich werde nur Wahres sagen, wenn du mir eingibst, was ich nach deinem Willen über diese Worte sagen sollte. Denn ich glaube, daß ich nur Wahres reden kann, wenn du es mir eingibst, da du die Wahrheit bist und alle Menschen falsch sind. Wer daher die Lügen redet, der redet von seinem Eigenen. Damit ich also Wahrheit rede, will ich von dem Deinen reden. Siehe, du gabest uns allerlei Kraut, das sich besamet, auf der ganzen Erde, und allerlei Bäume, daran Baumfrüchte sind, die sich besamen zur Speise. Und nicht bloß uns hast du sie gegeben, sondern auch allen Vögeln des Himmels und allem Tier der Erde und allem, was auf der Erde kreucht; den Fischen aber und den großen Ungeheuern hast du es nicht gegeben. Wir sagten bereits, daß durch die Früchte der Erde bildlich die Werke der Barmherzigkeit bezeichnet werden, die in den Nöten des Lebens von der fruchtbaren Erde dargeboten werden. Ein solches Land war der fromme Onesiphorus, dessen Hause du Barmherzigkeit gabest; denn er hat deinen Apostel oft erquickt und er hat sich seiner Ketten nicht geschämt. Dies taten auch die Brüder und brachten solche Früchte hervor, die aus Macedonien kamen und seinen Mangel erstatteten. Wie schmerzlich beklagt er aber Bäume, die ihm die schuldige Frucht verweigerten, wenn er sagt. In meiner ersten Verantwortung stand niemand bei mir, sondern sie verließen mich alle. Es sei ihnen nicht zugerechnet. Sind wir dies nicht denjenigen schuldig, die uns die vernünftige Lehre durch das Verständnis der göttlichen Geheimnisse verkündigen? Wir sind es ihnen schuldig, weil sie Menschen sind. Wir sind es ihnen aber auch schuldig, weil sie lebendige Seelen sind, die uns als Vorbilder in der Enthaltsamkeit vorangehen. Ebenso sind wir es ihnen als Vögel des Himmels schuldig, wegen der Segnungen, die sich über die Erde verbreiten, weil ihre Stimme ausgehet in alle Lande.

Dreizehntes Buch - Sechsundzwanzigstes Kapitel

1326
Genährt werden aber nur diejenigen von diesen Früchten, die Freude daran haben; aber es freuen sich ihrer nicht die, deren Gott der Bauch ist. Denn auch bei denen, die solches geben, ist das, was sie geben, nicht die Frucht, sondern der Geist ist es, mit dem sie geben. Daher erkenne ich ganz klar, weshalb sich jener, der Gott diente und nicht seinem Bauche, freuet; ich erkenne es und wünsche ihm Glück. Er hatte empfangen, was ihm die Philipper durch Epaphroditus geschickt hatten; aber ich erkenne den Grund, weshalb er sich freuet. Aber worüber er sich freuet, daran nährt er sich, indem er Wahrheit spricht, ich bin höchlich erfreut in dem Herrn, daß ihr wieder wacker geworden seid für mich und sorget; wiewohl ihr allewege gesorgt habt, aber die Zeit hat es nicht wollen leiden. jene waren also durch langwierige Bedrängnis kraftlos geworden und gleichsam dürre Zweige geworden, die nicht mehr die Früchte der guten Werke tragen; er freuet sich aber über sie, weil sie wieder wacker geworden sind, nicht weil sie seinem Mangel abgeholfen haben. Deshalb fügt er hinzu: Nicht sage ich das des Mangels halber; denn ich habe gelernt, bei welchen ich bin, mir genügen zu lassen. Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; ich bin in allen Dingen und bei allen geschickt, beides, satt sein und hungern, beides, übrig haben und Mangel leiden. Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.

Worüber freust du dich, großer Mann? Worüber freust du dich, wovon nährst du dich, du Mann, der erneuert ist zu der Erkenntnis nach dem Ebenbilde dessen, der dich geschaffen hat, und eine lebendige Seele von so großer Enthaltsamkeit, und eine geflügelte Zunge, welche die Geheimnisse verkündigt? Solchen Wesen gebührt diese Speise. Was ist es, was dich nährt? Die Freude. Hören wir, was folgt: Doch ihr habt wohlgetan, daß ihr euch meiner Trübsal angenommen habt. Darüber freut er sich, damit nährt er sich, daß sie wohlgetan haben, nicht, daß dessen Trübsal erleichtert wird, der zu dir spricht, in meiner Angst hast du mich getröstet. Den Mangel weiß er ebensogut zu ertragen wie den Überfluß. Ihr aber von Philippi wisset, daß von Anfang das Evangelium, da ich auszog aus Macedonien, keine Gemeinde mit mir geteilet hat nach der Rechnung der Ausgabe und Einnahme, denn ihr allein. Denn gen Thessalonich sandtet ihr zu meiner Notdurft einmal und darnach aber einmal. Er freut sich nun, daß sie zu diesen guten Werken zurückgekehrt sind, und ist erfreut, daß sie wieder wacker geworden sind wie ein Land, dessen Fruchtbarkeit immer wieder aufgrünt.

Ist es etwa wegen seiner Notdurft, weil er einmal sagte, ihr sandtet einmal zu meiner Notdurft? Freut er sich etwa darüber? Gewiß nicht. Und woher wissen wir dies? Weil er also fortfährt, nicht daß ich das Geschenk suche, sondern ich suche die Frucht. Von dir, mein Gott, hat er gelernt, das Geschenk von der Frucht zu unterscheiden. Das Geschenk ist die Sache selbst, dir gibt, welcher die Bedürfnisse darreicht, wie Geld, Speise, Trank, Kleidung, Obdach oder irgendeine Hilfe. Die Frucht aber ist der gute und rechte Wille des Gebers. Denn nicht sagt bloß der gute Meister, wer einen Propheten aufnimmt, sondern er fügt hinzu, in eines Propheten Namen; nicht sagt er nur, wer einen Gerechten aufnimmt, sondern fügt hinzu, in eines Gerechten Namen. Der wird nämlich eines Propheten Lohn empfangen, der wird eines Gerechten Lohn empfangen. Nicht bloß sagt er, wer dieser Geringsten einen nur mit einem Becher kalten Wassers tränket, sondern er fügt hinzu, in eines Jüngers Namen, wahrlich, ich sage euch, es wird ihm nicht unbelohnt bleiben. Das Geschenk ist, einen Propheten aufnehmen, einen Gerechten aufnehmen, mit einem Becher kalten Wassers einen jünger; die Frucht aber, in eines Propheten Namen, in eines Gerechten Namen, in eines Jüngers Namen dieses tun. Mit solcher Frucht nährte die Witwe den Elias, die ihn als einen Mann Gottes kannte und ihn deshalb nährte. Von dem Raben wurde er durch das Geschenk ernährt. Elias wurde nicht dem innern Menschen nach, sondern dem äußeren nach genährt, wie denn auch bloß dieser äußere Mensch hätte aus Mangel an Speise verderben können.



Dreizehntes Buch - Siebenundzwanzigstes Kapitel

1327
Ich will also, was vor dir wahr ist, Herr, aussprechen: Wenn unwissende und ungläubige Menschen, die nur durch die ersten Geheimnisse und große Wundertaten, die wir unter dem Namen der Fische und Walfische bezeichnet glauben, gewonnen und eingeführt werden können, deine Diener aufnehmen, um sie leiblich zu erquicken, oder um deine Kinder in irgendeinem Bedürfnisse des gegenwärtigen Lebens zu unterstützen, ohne zu wissen, weshalb sie dies tun sollen: so nähren sie dieselben nicht noch empfangen jene von ihnen Nahrung, weil weder jene dieses mit einem rechten und heiligen Willen verrichten noch auch erfreuen sie sich über die Gaben derselben, weil sie noch keine Frucht sahen. Denn die Seele nährt sich mit dem, worüber sie sich freuet. Deshalb nähren sich die Fische und Walfische nicht von den Speisen, die nur auf der bereits von den Meeresfluten befreiten und gereinigten Erde gedeihen.

Dreizehntes Buch - Achtundzwanzigstes Kapitel

1328
Und du, mein Gott, sahest alles, was du schufest, und siehe da, es war sehr gut. Auch wir sehen es, und siehe, alles ist sehr gut. Nachdem du die einzelnen Arten der Dinge hattest entstehen lassen und ins Leben gerufen, sahest du dieses und jenes, daß es gut ist. Siebenmal lese ich in deiner Schrift, daß du sagst, daß es gut ist, was du gemacht hast; und das erstemal sahest du alles, was du gemacht hast, und siehe, es war nicht bloß gut, sondern sehr gut war alles zugleich. Das einzelne war nur gut; zusammen aber war alles gut, und zwar sehr gut. Dies zeigt auch jeder schöne Körper; denn der Körper ist weit schöner, der aus lauter schönen Gliedern besteht, als die einzelnen Glieder insbesondere, durch deren vollkommenes Ebenmaß das Ganze in sich übereinstimmt, obgleich auch die Glieder einzeln schön sind.

Dreizehntes Buch - Neunundzwanzigstes Kapitel

1329
und ich forschte, daß ich fände, ob du sieben- oder achtmal gefunden hast, daß deine Werke gut sind, da sie dir wohl gefielen; und ich fand in deinem Sehen keine Zeitabschnitte, worin ich hätte erkennen können, daß du so oft gesehen, als du schufest, und ich sprach: "O Herr, ist nicht diese deine Schrift wahr, da du sie eingegeben hast, du der Wahrhaftige und die Wahrheit selber? Warum also sagst du mir, in deinem Sehen seien keine Zeitabschnitte; und diese deine Schrift sagt mir doch, bei allem, was du schufest, habest du Tag für Tag gesehen, daß es gut sei? Und wenn ich es zählte fand ich, wie oft." Hierauf antwortetest du mir, mein Gott, und sagtest mit mächtiger Stimme deinem Knechte in das innere Ohr meiner Seele, zerreißest die Taubheit meines Ohres und rufst: "O Mensch, was meine Schrift dir sagt, das sage ich dir. " Sie sagt es dir freilich in der Zeit, bei meinem Worte aber gibt es keine Zeit, da es mit mir in gleicher Ewigkeit besteht. So sehe ich auch die Dinge, die ihr durch meinen Geist sehet. Und wenn er sie in der Zeit sicher, sehe ich sie nicht in der Zeit, wie auch ich nicht das in der Zeit rede, was ihr in der Zeit redet.

Dreizehntes Buch - Dreißigstes Kapitel

1330
Ich hörte, mein Gott und Herr, und genoß aus deiner Wahrheit den Tau der Wonne, der sich über meine Seele ergoß, und erkannte, daß es Menschen gibt, denen deine Werke mißfallen und die da sagen, vieles hättest du gezwungen geschaffen, wie den Bau des Himmels und die Ordnung der Gestirne; du hättest sie nicht aus einer von dir geschaffenen Materie gebildet, sondern sie seien bereits anderswo und anderswoher geschaffen, die du nur sammeltest, ordnetest und verbandest, als du nach Besiegung der Feinde das Gebäude der Welt erbauetest, damit sie, durch diesen Bau gezwungen, sich nicht wieder gegen dich empören könnten. Andere Dinge hättest du gar nicht gemacht und sogar nicht einmal zusammengefügt wie alles Fleisch und die Tiere der niedrigsten Art und alles, was mit Wurzeln im Boden haftet; sondern ein feindlicher Geist und ein anderes Wesen, das nicht von dir geschaffen und mit dir im Kampfe sei, erzeuge und bilde dieses in den unteren Teilen der Welt. Unsinnige sprechen dieses, weil sie deine Werke nicht durch deinen Geist sehen und dich in ihnen nicht erkennen.


Augustinus - Bekenntnisse 1319