Augustinus - Bekenntnisse 1331

Dreizehntes Buch - Einunddreißigstes Kapitel

1331
Was aber die betrifft, die durch deinen Geist erkennen, so erkennst du in ihnen. Wenn sie also sehen, daß sie gut sind, so siehst du, daß sie gut sind; und was immer ihnen um deinetwillen gefällt: du gefällst in demselben; und was durch deinen heiligen Geist uns gefällt: dir gefällt es in uns. Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, ohne den Geist des Menschen, der in ihm ist? Also auch weiß niemand, was in Gott ist, ohne den Geist Gottes. Wir aber, sagt er, haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott gegeben ist. Ich fühle mich gedrungen, zu sagen: "Gewiß, niemand weiß, was in Gott ist, ohne den Geist Gottes. Wie wissen wir also selbst, was uns von Gott verliehen worden ist?" Man antwortet mir, was wir durch seinen Geist wissen, weiß so niemand ohne den Geist Gottes. Denn wie mit Recht denen, die im Geiste Gottes reden, gesagt werden kann, ihr seid es nicht, die da reden, so wird mit Recht zu denen, die im Geiste Gottes wissen, gesagt: "Ihr seid nicht, die da wissen." Dessenungeachtet wird mit Recht zu denen gesagt, die in Gottes Geist sehen: "Ihr seid es nicht, die da sehen." Was immer sie also im Geiste Gottes sehen, daß es gut ist, das sehen sie nicht selbst, sondern Gott sieht, daß alles gut ist. Etwas anderes ist es, wenn irgend jemand meint, etwas sei böse, was gut ist, wie die oben Gemeinten; anders ist es, wenn ein Mensch das, was gut ist, als gut erkennt; - wie vielen deine Schöpfung wohlgefällt, weil sie gut ist, denen du aber in ihr nicht gefällst, weshalb sie auch mehr diese als dich genießen wollen; - anders ist es aber, wenn der Mensch etwas sieht, daß es gut ist, und Gott in ihm sieht, daß es gut ist, auf daß er selbst nämlich in dem, was er gemacht hat, geliebt wird, der nur durch den heiligen Geist, den er verlieh, geliebt werden kann, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen -in unser Herz durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist, durch den wir sehen, daß gut ist, was irgendwie ist; denn von ihm ist alles, der nicht auf irgendeine Weise ist, sondern der das Wesen selbst ist.

Dreizehntes Buch - Zweiunddreißigstes Kapitel

1332
Dank sei dir, Herr. Wir sehen den Himmel und die Erde, entweder den sinnlichen oberen oder unteren Teil oder die geistige sinnliche Schöpfung; und in der wunderbaren Ordnung dieser Teile, aus denen das ganze Weltgebäude oder überhaupt das Ganze der Schöpfung besteht, sehen wir das Licht, das du geschaffen, von der Finsternis geschieden. Wir sehen die Veste des Himmels, jenen ersten Körper des Weltgebäudes, die zwischen den geistig höheren und den sinnlich niederen Gewässern begründet ist, oder auch jenen Luftraum, da auch er Himmel genannt wird, durch den die Vögel fliegen, zwischen den Wassern, die als Dünste über jenen schweben und die bei heiteren Nächten tauen, und den Wassern, die schwerer auf der Erde dahinfließen. Wir sehen die Schönheit der in den weiten Räumen des Meeres versammelten Wasser und die trockne Erde, nackt oder gebildet, damit sie sichtbar und geordnet wäre, auch den Stoff der Kräuter und Bäume. Wir sehen die Lichter darüber glänzen, die Sonne dem Tage genügen, den Mond und die Sterne die Nacht trösten und durch dieses alles die Zeiten bezeichnet und ausgedrückt. Wir sehen eine überall befruchtete Natur, fruchtbar an Fischen, Tieren und Vögeln, weil die dichte Luft, die den Flug der Vögel trägt, durch die Ausdünstung der Gewässer sich verdichtet. Wir sehen, wie die Oberfläche der Erde mit Tieren geschmückt ist und wie der Mensch, nach deinem Bilde und Gleichnisse geschaffen, allen vernunftlosen Tieren durch dein Ebenbild und Gleichnis, d. h. kraft der Vernunft und des Verstandes, vorgesetzt ist. Und wie in seiner Seele etwas ist, das durch Urteil und Überlegung herrscht, ein anderes, das sich unterwirft, um zu gehorchen, so sehen wir auch in der sinnlichen Welt das Weib dem Manne unterworfen, das zwar geistlich dieselbe Beschaffenheit der vernünftigen Erkenntnis besäße, aber durch das leibliche Geschlecht dem männlichen Geschlechte in derselben Weise unterworfen sein sollte, wie der Trieb zum Handeln sich unterwirft, um von der Vernunft des Geistes die Erkenntnis des richtigen Handelns zu empfangen. Wir sehen dieses und sehen, daß jedes Einzelne gut ist und daß das Ganze sehr gut ist.

Dreizehntes Buch - Dreiunddreißigstes Kapitel

1333
Deine Werke mögen dich preisen, damit wir dich heben; und wir wollen dich lieben, auf daß deine Werke dich preisen, ihren Anfang und ihr Ende, ihren Aufgang und ihren Untergang, ihre Zunahme und Abnahme ihre Schönheit und ihren Mangel in der Zeit haben. Denn aus Nichts sind sie von dir, aber nicht aus dir gemacht, nicht aus irgendeiner Materie, die nicht dein war oder die schon vorher war, sondern aus einer mitgeschaffenen, d. h. von dir zugleich geschaffenen Materie, da du ihre Gestaltlosigkeit ohne irgendeinen Zwischenraum der Zeit gestaltetest. Denn wenn ein Unterschied ist zwischen der Materie des Himmels und der Erde, zwischen der Schönheit dieser und der Schönheit jenes, so hast du zwar den Stoff aus nichts, die Gestalt der Erde aber aus einer gestaltlosen Materie, beides jedoch zugleich gemacht, so daß mit der Schönheit des Stoffs auch ohne allen Zwischenraum die Schöpfung der Gestalt zugleich stattfand.

Dreizehntes Buch - Vierunddreißigstes Kapitel

1334
Wir haben auch untersucht, was du uns vorbilden wolltest, als du dies in solcher Ordnung werden und in solcher Ordnung aufzeichnen ließest, und wir sahen, daß jedes einzelne gut war und alles zusammen sehr gut war, und alles zusammen sehr gut in deine. Worte, in deinem Eingeborenen; Himmel und Erde, das Haupt und der Leib der Kirche, in der Vorherbestimmung vor allen Zeiten, ohne Morgen und Abend. Als du aber begannest, in der Zeit zu erfüllen, was du vor aller Zeit verordnet hattest, daß du das Verborgene offenbartest und unser Untergeordnetes ordnetest; weil unsere Sünde auf uns lag und wir fern von dir in den finsteren Abgrund geraten waren; da schwebte dein Geist über uns, um uns zur gelegenen Zeit zu helfen; da rechtfertigtest du die Gottlosen und schiedest sie von den Ungerechten; da gründetest du das Ansehen deines Wortes bei den Leitern, die von dir belehrt werden, und den Untergebenen, die ihnen folgen sollten; da versammeltest du die Menge der Ungläubigen zu einer Verschwörung, damit der Eifer der Gläubigen an den Tag trete und Werke der Barmherzigkeit hervorbrächte, indem sie auch den Dürftigen ihr irdisches Vermögen darreichten, um einen Schatz im Himmel zu erwerben. Und dann zündetest du gewisse Lichter an der Veste des Himmels an, deine Heiligen, die das Wort des Lebens haben und mit geistlichen Gaben begnadigt in erhabenem Ansehen glänzen; und um die ungläubigen Völker zu dir zu führen, hast du dann Sakramente und sichtbare Wunder und verkündigende Stimmen des Wortes nach dem Firmamente des Wortes, durch die auch über die Gläubigen deine Segnungen ausgegossen wurden, aus einer körperlichen Materie gebildet; und endlich hast du der Gläubigen lebendige Seele durch die von der Kraft der Enthaltsamkeit geheiligten Regungen des Herzens gebildet; und dann erneuertest du nach deinem Bilde und Gleichnisse den Geist, der, nur dir allein ergeben, keines menschlichen Ansehens zur Nachahmung bedürfte, der du der bewährten Erkenntnis die Handlungen der Vernunft unterwarfest, wie das Weib dem Manne; und du wolltest, daß allen deinen Dienern, die du zur Förderung der Gläubigen in diesem Leben bestellt hast, von allen diesen deinen Kindern zu ihrem zeitlichen Bedürfnisse Werke dargereicht werden, die Früchte für die Ewigkeit. Dieses alles sehen wir, und es ist sehr gut, weil du es in uns siehst, der du uns den Geist verliehen hast, um es durch ihn zu sehen, und in ihnen dich zu lieben.

Dreizehntes Buch - Fünfunddreißigstes Kapitel

1335
Mein Herr und Gott, verleihe uns den Frieden - du gabest uns ja alles -; den Frieden der Ruhe, den Frieden des Sabbats, der keinen Abend hat. Alle diese wunderbare Ordnung der Dinge, die du sehr gut fandest, wird, wenn sie ihre Zeit gedauert, vergehen; sie werden einen Abend haben, wie sie einen Morgen hatten.

Dreizehntes Buch - Sechsunddreißigstes Kapitel

1336
Der siebente Tag aber hat keinen Abend und kein Ende, weil du ihn geheiligt hast, damit er immerdar bleibe; wenn du nach der Erschaffung deiner Werke, die du sehr gut fandest, am siebenten Tage, obgleich du, ohne aus der Ruhe zu kommen, schufest, ruhtest, so verkündet uns die Stimme deines Wortes, daß auch wir, wenn unsere Werke vollendet sind, die nur gut sind, weil du sie uns verliehest, am Sabbat des ewigen Lebens ruhen sollen in dir.

Dreizehntes Buch - Siebenunddreißigstes Kapitel

1337
Dann wirst auch du in uns ruhen, wie du jetzt in uns wirkest; und so wird jene deine Ruhe in uns sein, wie unsere Werke hienieden deine Werke in uns sind. Du, Herr, wirkst immerdar, du ruhest immerdar. Du siehst nicht in der Zeit, du bewegst dich nicht in der Zeit und du ruhest nicht in der Zeit; und doch schaffst du das Sehen in der Zeit, ja die Zeit selbst und die Ruhe von der Zeit.

Dreizehntes Buch - Achtunddreißigstes Kapitel

1338
Wir sehen daher alle Dinge, die du gemacht hast, weil sie sind; aber weil du sie siehest, sind sie. Und weil sie sind, sehen wir sie äußerlich, und weil sie gut sind, innerlich; du aber sahest sie dort als bereits gemacht, als sie noch nicht waren und gemacht werden sollten. Zu anderer Zeit waren wir geneigt, das Gute zu tun, nachdem es dein Geist in unsern Herzen erzeugt hatte; aber es war eine Zeit, wo wir dich flohen und nur zum Bösen geneigt waren. Du aber, einziger und gütiger Gott, hörtest nie auf, Gutes zu tun. Und wenn einige unserer Werke durch die Gabe deiner Gnade gut sind, sie sind doch nicht ewig; sie lassen uns hoffen, einst in deiner unaussprechlichen Heiligung zu ruhen. Du aber, du Gut, das keines Gutes bedarf, ruhest immer, weil deine Ruhe du selbst bist. Welcher Mensch aber wird dem Geiste des Menschen das Verständnis dieser Wahrheit geben, welcher Engel sie dem Engel offenbaren, welcher Engel dem Menschen? Von dir muß sie erbeten sein, bei dir will gesucht sein, bei dir muß man anklopfen - so, so werden wir empfangen, so werden wir finden, so wird uns aufgetan. Amen.



Augustinus - Bekenntnisse 1331