Augustinus - Bekenntnisse 710

Siebentes Buch - Zehntes Kapitel

710
Hierdurch gemahnt, zu mir selbst zurückzukehren, trat ich ein in mein Innerstes unter deiner Führung, und ich vermochte es, denn du standest mir helfend zur Seite. Ich trat ein und sah, so blöde auch das Auge meiner Seele noch war, ob diesem Auge meiner Seele, ob meinem Geiste das unwandelbare Licht, nicht dies gemeine und jedem Fleisch sichtbare, auch nicht, als wenn es größer wäre, jedoch von derselben Art und weit, weit heller noch erglänzend, alles mit seiner Größe erfüllt. Nein, nicht also, sondern anders, ganz anders und gewaltig von alledem unterschieden. Auch war es nicht also über meinem Geiste wie das Öl über dem Wasser, auch nicht wie der Himmel über der Erde, sondern weit erhabener, weil er mich selbst schuf, und ich weit tiefer, weil ich sein Geschöpf war. Wer die Wahrheit kennt, der kennt es, und wer es kennt, der kennt auch die Ewigkeit, die Liebe kennt er.O ewige Wahrheit und wahre Liebe und liebe Ewigkeit , du bist mein Gott und Tag und Nacht seufze ich zu dir. Und da ich dich erkannte, da nahmst du mich an, auf daß ich sähe, es sei wahrhaftig, was ich sehen könnte, ich aber sei noch nicht imstande zu sehen. Du machtest die Blendung meiner geschwächten Sehkraft zunichte, da du mächtig über mir strahltest, und ich bebte vor Liebe und Schauer, und ich fand, daß ich weit entfernt sei von dir im Abstand meiner Unähnlichkeit; da war mir's, als hörte ich deine Stimme aus der Höhe, die spräche: Ich bin eine Speise der Starken; wachse und du wirst mich genießen. Nicht wirst du mich in dich wandeln, gleich der Speise deines Fleisches, du wirst gewandelt werden in mich. Und ich erkannte, wie du den Menschen züchtigst um der Sünde und wie du gleich einem zerstörten Spinngewebe meine Seele verschrumpfen ließest, und ich sprach: Ist denn die Wahrheit nichts, weil sie weder durch den endlichen noch durch den unendlichen Raum verbreitet ist? Und du riefst mir aus der Ferne: ja, sie ist; ich bin, der ich bin. Da hörte ich, wie man hört im Herzen, und der Zweifel wich von mir gänzlich. Eher hätte ich daran gezweifelt, daß ich lebe als daß es Wahrheit gäbe, die man an der Schöpfung der Welt wahrnimmt.

Siebentes Buch - Elftes Kapitel

711
Nun betrachtete ich das, was unter mir steht, und ich sah, daß es weder durch uns ist noch durch uns nicht ist. Es ist zwar, weil es von dir ist, es ist aber nicht, weil es nicht das ist, was du bist. Denn nur das ist wirklich, was ohne Veränderung bleibt. Mein Gut ist, daß ich mich zu Gott halte, denn bliebe ich nicht in ihm, so könnte ich keine bleibende Stätte in mir selbst haben. Er aber bleibt, was er ist, und erneut alles. Und du bist mein Gott, der meines Gutes nicht bedarf.

Siebentes Buch - Zwölftes Kapitel

712
Dies wurde mir dadurch offenbar, weil es der Charakter der guten Dinge ist, Verschlechterung erleiden zu können, die, weder wenn sie die höchsten Güter wären noch wenn sie keine Güter wären, verderbt werden könnten; wären sie die höchsten Güter, so wären sie nicht verderblich, wären sie keine Güter, dann gäbe es nichts an ihnen, was verderbbar wäre. Denn das Verderben bringt Schaden; wenn es aber das Gute nicht verringerte, dann könnte es nicht schaden. Entweder also bringt die Verderbnis keinen schaden, was nicht möglich ist, oder nur das steht durchaus sicher da, alles, was dem Verderben unterliegt, wird eines Gutes beraubt. Wenn aber etwas alles Guten beraubt wird, dann wird es überhaupt nicht sein. Denn wären sie noch und könnten nicht mehr verdorben werden, " wären sie besser, denn sie würden unverderbbar bleiben. Was wäre aber ungeheuerlicher, als zu sagen, Dinge würden nach dein Verluste alles Guten besser? Werden sie also alles Guten beraubt, so sind sie überhaupt nicht; solange sie also sind, sind sie gut; alles, was da ist, ist also gut. Das Böse, nach dessen Ursprung ich forschte ist also keine Substanz, denn wäre es Substanz, dann wäre es gut. Denn entweder wäre es eine unverderbliche Substanz also ein hohes Gut, oder es wäre eine verderbliche Substanz, welche, wenn sie nicht gut wäre, nicht verderbt werden könnte. Daher sah ich und war es mir klar, daß alles, was du schufest, gut ist, und daß es keine Substanz gibt, die du nicht geschaffen. Obwohl du nicht alles gleich geschaffen hast, so ist doch alles, weil es als Einzelding gut ist, auch in seiner Gesamtheit gut, denn unser Gott schuf alles sehr gut.

Siebentes Buch - Dreizehntes Kapitel

713
An dir ist überhaupt nichts Böses, und nicht nur an dir, sondern auch an deiner gesamten Schöpfung; denn nichts ist außer ihr, was einbräche und die Ordnung, die du festgesetzt hast, zerstörte. Im einzelnen aber hält man das für böse, was mit anderem nicht übereinstimmt; aber dasselbe stimmt mit anderem überein und ist gut und darum auch in sich selbst gut. Und alles das, was nicht miteinander übereinstimmt, stimmt mit Niedererem überein, nämlich mit dem, was wir Erde nennen, die ihren entsprechenden wolkigen und stürmischen Himmel hat. Fern sei es von mir zu sprechen: "Wenn doch das Niedere gar nicht erst existierte; denn wenn ich es allein schaute, so würde ich sicherer suchen; aber auch für jenes allein müßte ich dich loben, weil verkündigen dein Lob die Drachen von Erde und alle Tiefen, Feuer und Hagel und Schnee und Eis und die Stürme der Wetter, welche dein Wort ausrichten, Berge und alle Hügel, fruchttragende Bäume und alle Zedern, Raubtiere und alle niederen Tiere, Gewürm und gefittigte Vögel, die Könige der Erde und alle Völker, die Fürsten und alle Richter der Erde, Jünglinge und Jungfrauen, Alte und junge loben deinen Namen. Da sie aber auch von dem Himmel dich loben, unser Gott in der Höhe, alle deine Engel, alles dein Heer, Sonne und Mond, alle Sterne und das Licht, die Himmel der Himmel und die Wasser, die über dem Himmel sind, deinen Namen loben, so sehnte ich mich nicht mehr nach Besserem, der ich aller Dinge gedachte, und ich erwog nach gesundem Urteil, daß das Erhabenere zwar besser sei als das Niederere, daß das Ganze aber doch besser sei als das Erhabenere allein.

Siebentes Buch - Vierzehntes Kapitel

714
Unvernünftig sind diejenigen, welchen etwas an deiner Schöpfung mißfällt, wie auch ich es war, solange mir so vieles, was du erschaffen hattest, mißfiel. Und weil sich meine Seele nicht so weit wagte, daß du mir, o mein Gott, mißfällig geworden wärest, so wollte sie das, was mir mißfiel, nicht für dein Werk halten. So kam sie zu der Ansicht von den zwei Substanzen, und ich ruhte nicht und sprach irre. Von da zurückgekommen, schuf sie sich einen Gott, der durch die Unendlichkeit des Raumes verbreitet sein sollte; den hielt sie für dich und stellte ihn in ihrem Herzen auf und ward wieder ein Tempel ihres Götzen, den du verabscheutest. Doch darauf bargst du, ohne daß ich es wußte, mein Haupt in deinem Schoß, schlossest meine Augen, daß sie nicht sähen die Nichtigkeit; ich bekam ein wenig Ruhe vor mir selbst und mein Wahnsinn schlief ein, und dann erwachte ich in dir und sah dich unendlich anders, doch dies Schauen war nicht vorn Fleisch.

Siebentes Buch - Fünfzehntes Kapitel

715
Und ich blickte zurück auf das andere und fand, daß sie dir ihr Dasein verdanken und daß alles in dir begrenzt sei, aber nicht gleichsam durch den Raum, sondern weil du in deiner Hand mit deiner Wahrheit alles umfassest, und alles ist wirklich, soweit als es ist; nichts ist Falschheit als das, was nicht ist, während es nach unserer Ansicht ist und nicht ist. Und ich sah, daß alles nach seiner Eigentümlichkeit nicht nur seinem Orte, sondern auch seiner Zeit entspreche, weil du, der allein Ewige, nicht erst nach unzählbaren Zeiträumen zu wirken begonnen, weil alle Zeiträume, die vergingen sowohl, als die vergehen werden, weder gingen noch kämen, wenn du nicht wirktest und bliebest.

Siebentes Buch - Sechzehntes Kapitel

716
Ich weiß es aus Erfahrung, daß man sich nicht wundern darf, wenn dem kranken Gaumen das Brot zur Pein wird, welches dem gesunden wohl schmeckt; ist doch auch dem kranken Auge das Licht zuwider, das dem klaren angenehm ist. So mißfällt deine Gerechtigkeit den Ungerechten, von der Natter und dem Wurme ganz zu schweigen, die du doch gut erschufst und die den niedersten Reihen deiner Schöpfung angehören; so ist es auch mit den Ungerechten, je unähnlicher sie dir sind; je ähnlicher sie dir aber sind, desto höheren Ordnungen gehören sie an. ich forschte, was die Ungerechtigkeit wäre, und fand in ihr keine Substanz, sondern nur eine Verkehrtheit des Willens, der sich von der höchsten Substanz, von dir, Gott, zu der niedrigsten Kreatur wendet, indem er sein Innerstes wegwirft und es eitel auf die Außenwelt richtet.

Siebentes Buch - Siebzehntes Kapitel

717
Ich wunderte mich, daß ich dich schon liebte und nicht ein bloßes Trugbild statt deiner. Doch beeiferte ich mich nicht, zum Genuß meines Gottes zu gelangen, sondern bald ward ich hingerissen zu dir durch deine Schöne, bald hinweg von dir durch meine Last und sank mit Seufzen zurück, und diese Last, es war meine Gewohnheit des Fleisches. Doch noch dachte ich deiner, nicht mehr zweifelte ich, daß der in Wahrheit sei, dem ich anhangen sollte, daß ich aber noch nicht so weit gefördert sei, um Gott anhangen zu können. Denn der sterbliche Leib beschwert die Seele, und unsere irdische Behausung beschwert den zerstreuten Sinn. Ich war gewiß, daß dein unsichtbares Wesen, deine Kraft und Gottheit wird ersehen, so man des wahrnimmt an den werken, nämlich an der Schöpfung der Welt. Denn als ich danach forschte, woher ich ein Urteil über die Schönheit der Körper entnähme, sowohl derer, die am Himmel, als auch derer, die auf Erden sind, und was ich mir vergegenwärtige, wenn ich unbedenklich über das Wandelbare ein Urteil fällte und sprach: Dies muß so sein, jenes nicht so, als ich forschte, woher ich so urteilte, fand ich eine unwandelbare und wahre Ewigkeit der Wahrheit über meinem wandelbaren Geiste. Und so stieg ich stufenweise auf von den Körpern zu der Seele, die mittels des Körpers empfindet, von dieser zu ihrer inneren Kraft, welcher die Sinne des Körpers von einer Außenwelt Kunde bringen, soweit reicht auch das Vermögen der Tiere, von dort wiederum zu der beurteilenden Kraft, welche die Sinneseindrücke zur Prüfung empfängt. Diese aber erkannte sich in mir selbst als veränderlich und erhob sich zur Erkenntnis seiner selbst, entzog sich der bisher gewohnten Denk-weise und machte sich frei von dem verworrenen, ihr widersprechenden Schwarm von Trugbildern, um das Licht zu finden, von dem sie erleuchtet würde, da sie ohne allen Zweifel behauptete, daß der Unwandelbare dem Wandelbaren vorzuziehen sei, und um zu erforschen, woher sie der Unwandelbare kenne, welches sie, ohne es irgendwie zu kennen, nimmermehr so sicher dem Wandelbaren vorziehen würde. Und sie gelangte zu dem wesentlichen Sein im Moment eines zagenden Aufblicks. Damals erkannte ich dein unsichtbares Wesen, das in deiner Schöpfung im Geiste wahrgenommen wird; aber ich vermochte nicht das Geistesauge darauf zu heften, und in meine Schwachheit zurückgeworfen und dem Gewohnten preisgegeben, behielt ich nichts mehr in mir als die liebende Erinnerung, die gleichsam nach dem Dufte der Speise verlangte, die zu genießen ich noch nicht befähigt war.

Siebentes Buch - Achtzehntes Kapitel

718
Ich suchte den Weg zu der beharrlichen Stärke, die da befähigt ist, dich zu genießen, doch ich fand ihn nicht, bis ich den Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Menschen Jesus Christus umfaßte, der da ist Gott über alles, hochgelobt in Ewigkeit, der da spricht: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; der die Speise, für die ich zu schwach war, mit dem Fleisch mischte, denn das Wort ward Fleisch, auf daß unserer Kindheit zu Milch werde deine Weisheit, durch die du alles geschaffen. Denn nicht erfaßte ich meinen Herrn Jesus, den Demütigen in Demut, noch erkannte ich, was seine Niedrigkeit uns lehren solle. Denn dein Wort, die ewige Wahrheit, erhaben über der ganzen Schöpfung, richtet auf zu sich, die sich unterwerfen; unter den Niedrigen aber hat er sich gebaut eine niedere Wohnung aus unserem staube, wodurch er alle, die er sich unterwerfen wollte, von ihrer Selbsterhebung herunterdrückte und zu sich überführte, vom stolz sie heilend, ihre Liebe nährend, damit sie nicht in Selbstvertrauen noch weiter wankten, sondern vielmehr zum Gefühl ihrer Schwäche kämen beim Anblick der Gottheit zu ihren Füßen, die sich herabließ zu unserer Schwachheit, angetan mit dem Gewande der Sterblichkeit, und ermattet sich zu ihr niederwürfen, diese aber sich erhöbe, um sie aufzuheben.

Siebentes Buch - Neunzehntes Kapitel

719
Ich aber war anderer Meinung und hielt nur so viel von meinem Herrn Jesu Christo, als ich von einem Manne von unvergleichbarer Weisheit gehalten hätte, dem niemand vergleichbar sei, zumal da er, wunderbar von einer Jungfrau geboren, um ein Beispiel zu geben, wie man zeitliche Güter verachten müsse, um die Unsterblichkeit zu erlangen, mir es verdient zu haben schien, daß sein Lehramt durch göttliche Fürsorge für uns ein solches Ansehen erlangte. Was für ein Gnadenmittel es sei, daß das Wort Fleisch geworden, konnte ich damals noch nicht einmal ahnen. Nur so viel erkannte ich aus den Schriften, die von ihm erzählen, weil er aß und trank, schlief, wandelte, sich freute, betrübt war und redete, so könne dein Wort mit dem Fleische nur vermittels menschlicher Seele und menschlichem Geiste zusammenhängen. Denn das weiß jeder, der die Unwandelbarkeit deines Wortes erkennt, die ich nun erkannte, soweit ich vermochte, ohne noch von der Seite daran zu zweifeln. Denn wenn sich die Glieder des Leibes nach Willkür jetzt bewegen, jetzt nicht, jetzt durch irgendwelchen Affekt erregt werden, dann wieder nicht, jetzt weise Gedanken ausgesprochen werden, jetzt wieder Stillschweigen eintritt - so sind das Eigenschaften, die der wandelbaren Seele und dem Geiste angehören. Wäre dies falsch von ihm erzählt worden, so liefe alles Gefahr, für Lüge zu gelten, und den Menschen bliebe kein Heil des Glaubens in jenen Schriften. Da nun das, was von ihm geschrieben steht, Wahrheit ist, so erkannte ich Christum als vollen Menschen nach Leib, Seele und Geist, nicht nur den Körper des Menschen oder die Seele und den Leib ohne den Geist, sondern den ganzen Menschen, wie er ist; ich vermeinte, daß Christus nicht als die Wahrheit in Person, sondern wegen der großen Vortrefflichkeit seiner menschlichen Natur und seines größeren Anteils halber an der Weisheit den übrigen vorgezogen werde. Alypius aber glaubte, es sei Glaube der Kirche, daß er Gott im Fleische sei, und zwar so, daß neben Gott und dem Fleische in Christo keine Seele sei, und glaubte nicht, daß ihm ein menschliches Wesen beigelegt werden dürfe. Da er nun überzeugt war, daß das, was uns von Christus erzählt ist, nur einem mir Seele und Geist begabten menschlichen Wesen möglich sei, so verhielt er sich lau gegen das Christentum. Später aber erkannte er, daß seine Ansichten mit den Irrlehren des Apollinaris übereinstimmten, und ist nun des Glaubens der Kirche froh und mit ihr verbunden worden. Ich aber bekenne, daß ich erst später zu der Erkenntnis gelangte, wie in dem Satze Das Wort ward Fleisch sich die kirchliche Wahrheit von der Irrlehre des Photinus unterscheidet. Denn die Mißbilligung der Irrlehrer bewirkt, daß die gesunde Lehre deiner Kirche den Sieg gewinnt. Es müssen Irrlehrer unter euch sein, auf daß die, so rechtschaffen sind, offenbar unter euch werden.

Siebentes Buch - Zwanzigstes Kapitel

720
Damals war ich durch das Lesen von Schriften der Platoniker angeregt, die übersinnliche Wahrheit zu erforschen; ich erkannte dein unsichtbares Wesen an den Werken der Schöpfung, und wieder zurückgedrängt, empfand ich, was auch die Verfinsterung meiner Seele früher nicht hatte erkennen lassen, und doch war ich gewiß, daß du seiest, seiest unendlich und werdest doch nicht durch endliche und unendliche Räume verbreitet; gewiß war ich, du seiest wahrhaft, der du immer derselbe seiest, du seiest ewig in dir unveränderlich, alles andere sei aus dir, aus keinem anderen Grunde, als weil es kein Sein außer dir gibt, als weil es ist; des war ich sicher, jedoch war ich zu schwach, um mich deiner zu freuen. Ich schwatzte wie ein Kenner und wäre doch, hätte ich nicht in Christo, dem Erlöser, deinen Weg gesucht, nicht erfahren, sondern in Gefahren des Verderbens. Schon wollte ich für einen Weisen gelten, und das Maß meiner Strafe war von, und dennoch weinte ich nicht, sondern erhob mich, und das Wissen blähte mich auf Wo war jene Liebe, die sich auf dem Grunde der Demut, weiche ist Jesus Christus, aufbaut? Wie hätten jene Bücher vermocht, sie mich zu lehren! Doch glaube ich, daß ich nach deinem Willen erst auf jene Bücher stieß, bevor ich deine heilige Schrift kennenlernte, um es meinem Gedächtnisse einzuprägen, welchen Eindruck die Schriften der Platoniker auf mich gemacht, und damit, wenn ich erst durch deine Schrift gezähmt wäre und durch deine pflegende Hand meine Wunden geheilt wären, ich erkennen lernte, welch ein Unterschied sei zwischen der hochmütigen Anmaßung der Philosophen und dem demütigen Bekennen der Gläubigen, zwischen denen, die da sehen, wohin zu gehen ist, und denen, die nicht sehen, auf welchem Wege und den Weg, der zum seligen Vaterland führt, nicht bloß zu schauen, sondern auch zu bewohnen. Denn wäre ich zuerst durch die heilige Schrift belehrt worden und ich hätte vertraut mit ihr deine Wonne geschmeckt und wäre dann erst auf jene Bücher gekommen, vielleicht hätten sie mich dem wahren Grunde der Frömmigkeit entrissen, oder wenn ich auch festgeblieben wäre an dem eingezogenem Heil, ich hätte geglaubt, auch aus jenen Büchern könne dasselbe geschöpft werden, auch wenn man sie allein läse.

Siebentes Buch - Einundzwanzigstes Kapitel

721
Mit höchster Begierde griff ich zu der ehrwürdigen Schrift deines Geistes und besonders dem Apostel Paulus. Und es schwanden alle jene Fragen, in denen er nur sich selbst zu widersprechen und wo der Inhalt jener Rede mir nicht ganz mit dem Gesetz und den Propheten übereinzustimmen schien. Ein einziger Charakter nur tat sich kund in den Reden, da lernte ich mich freuen mit Zittern. Ich fand, daß das, was in den Schriften der Platoniker Wahres gesagt wurde, auch hier, doch als Gnadengabe von dir gesagt werde, damit der, welcher sieht, sich nicht rühme, als hätte er es nicht empfangen, nicht nur das, was er sieht, sondern auch, daß er sieht, denn was hat er, was er nicht empfangen hätte? Und damit er nicht allein ermahnt wird, dich, der du immer derselbe bist, zu sehen, sondern auch gesundet, um dich festzuhalten, und daß der, welcher dich nicht von fern zu erschauen vermag, doch den Weg gehe, auf welchem er dahinkommen, dich schauen und festhalten kann.

Denn hat der Mensch auch Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen, was wird er tun nach dem andern Gesetze in seinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetze in seinem Gemüt und nimmt ihn gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in seinen Gliedern? Nur du bist gerecht, o Herr, wir aber haben gesündigt, Unrecht getan, sind gottlos gewesen, und deine Hand liegt schwer auf uns, und mit Recht sind wir dem alten Sünder, dem Fürsten des Todes hingegeben, denn er hat unsern Willen gebracht zu einem Ebenbild seines Wollens, mit dem er nicht bestanden ist in deiner Wahrheit. Was soll der Mensch des Elendes tun? wer wird ihn erlösen von dem Leibe dieses Todes, wenn nicht deine Gnade durch Jesum Christum unseren Herrn, den du dir ewig gleich zeugtest und schufest im Anfang deiner Wege, an dem der Fürst dieser Welt nichts des Todes Würdiges fand und ihn tötete, wodurch vertilgt ward die Handschrift, die wider uns zeugte. Das enthalten jene Bücher nicht. Auf ihrer Seite stehen nicht die Züge der Frömmigkeit, nicht die Tränen dieses Bekenntnisses, nichts vom Opfer eines reuigen Geistes, eines demütigen, zerknirschten Herzens, nichts von des Volkes Heil, von der Braut, der Stadt Gottes, nichts von des heiligen Geistes Unterpfand, nichts von dem Kelche unserer Erlösung. Dort singt keiner: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft; denn er ist mein Hort. meine Hilfe, mein Schutz, und ich werde nicht mehr wanken. Dort hört niemand die Stimme: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; sie verschmähen es, von ihm zu lernen, daß er sanftmütig ist und von Herzen demütig. Das hast du den Klugen und Weisen verborgen, aber geoffenbart den Unmündigen. Etwas anderes ist es, von waldigem Bergesgipfel das Land des Friedens zu sehen, doch den Weg zu ihm nicht finden zu können und umsonst auf Umwegen sich abzumühen, wo ringsum die Flüchtlinge und Überläufer mit ihrem Führer dem Löwen und Drachen lauern und nachstellen, und ein anderes, auf dem rechten Wege sicher dahinzuwandeln, der da geschirmt ist durch die Fürsorge des himmlischen Königs und wo die nicht rauben, welche verlassen haben die himmlische Kämpferschar, denn sie meiden ihn wie eine Qual. Dies drang mir wunderbar tief ins Herz, da ich den geringsten deiner Apostel las; ich betrachtete dein Wirken, und ein Schauer ergriff mich.

ACHTES BUCH



Erstes Kapitel

801
Mein Gott, laß mich dankend deiner Erbarmungen gedenken und sie dir bekennen! Mein Gebein, es ist durchdrungen von Liebe zu dir und spricht: Herr, wer ist dir gleich? Du zerrissest meine Fesseln, und ich will dir das Opfer meines Lobes bringen. Wie du sie zerrissest, will ich erzählen und alle, die dich anbeten, werden dann sagen, wenn sie es hören: Gepriesen sei der Herr im Himmel und auf Erden; groß und wunderbar ist sein Name. Es hafteten in meinem Herzen deine Worte, und ringsumher umgabest du mich. Gewiß war ich deines ewigen Lebens, obgleich ich dasselbe erst nur durch einen Spiegel und in einem dunkeln Wort sah; aller Zweifel an eine unvergängliche Substanz war mir entnommen und daß von dieser alle Substanzen ihr Dasein hätten, und mein Wunsch war es, nicht deiner gewisser, aber in dir fester zu sein. In meinem irdischen Leben war noch alles im Schwanken und mein Herz mußte von dem alten Sauerteige gereinigt werden. Der Heiland, der selbst der Weg ist, gefiel ihm; aber durch die enge Pforte zu wandeln scheute ich mich. Da legtest du mir es ans Herz, und es dünkte mir gut, soweit ich es beurteilen konnte, zum Simplicianus zu gehen, den ich kannte als deinen treuen Knecht, an dem deine Gnade offenbar geworden. Auch hatte ich gehört, daß er von Jugend auf ein dir geweihtes Leben geführt habe; damals war er schon Greis, und in den langen Jahren, in denen er mit löblichem Eifer in der Nachfolge deines Weges begriffen war, schien er mir vieles erfahren und vieles gelernt zu haben, und so war es wirklich. Ich wünschte, daß er mir, wenn ich mich mit ihm über meine Anfechtungen besprach, aus dem Schatze seiner Erfahrungen vortrüge, auf welche Weise ich bei meiner Gemütsstimmung am besten auf deinem Wege zu wandeln vermöchte.

Ich sah die Kirche gefüllt; aber der eine ging diesen Weg, der andere jenen. Mir aber mißfiel es, daß ich in weltlichen Verhältnissen lebte, und schwer lastete es auf mir, da mich nicht mehr die gewohnte Lust entflammte, um in Hoffnung auf Ehre und Reichtum solche schwere Sklavenketten zu tragen. Sie hatten ihren Reiz verloren vor deiner Süßigkeit und vor der Herrlichkeit deines Hauses, das ich lieben gelernt; noch aber war ich an ein Weib gebunden, auch verbot mir ja der Apostel nicht zu heiraten, obgleich er zum Bessern riet und so sehr wollte, daß alle Menschen wären, wie er war. Aber zu schwach, zog ich es vor, mich weicher zu betten, und um dieses Einen willen trieb ich mich matt in den übrigen Lebensverhältnissen herum, entkräftet durch Verbuhltheit, wie ich mich auch in andere Dinge, die ich nicht dulden wollte, um des ehelichen Lebens willen zu schicken genötigt war.

Ich hatte aus dem Munde der Wahrheit gehört, es, gäbe jungfräuliche Seelen, die für das Himmelreich ihre Jungfrauenschaften bewahrten; aber nur, wer es fassen könne, möge es fassen. Es sind zwar alle Menschen eitel, die von Gott nichts wissen und an den sichtbaren Gütern nicht erkennen den, der da ist. Ich aber war nicht mehr in solcher Eitelkeit, ich hatte sie überschritten, und durch das Zeugnis deiner gesamten Kreatur hatte ich dich, unsern Schöpfer, und dein Wort, das Gott ist in dir und Gott ist mit dir, durch welches du alles schufest, gefunden. Es gibt noch eine andere Art von Gottlosen, die Gott erkennen und ihn doch nicht als Gott ehren und ihm nicht danken. Unter diese war ich gefallen, deine Rechte hatte mich aufgefangen, zog mich hinweg und brachte mich an den Ort, wo ich genesen sollte, denn du sprachest zu dem Menschen: Siehe, Gottesfurcht ist Weisheit, und dünke dich nicht weise zu sein, denn da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden. Ich hatte die köstliche Perle gefunden; ich sollte nun verkaufen, was ich besaß, um sie zu erkaufen, und ich zweifelte.

Achtes Buch - Zweites Kapitel

802
So ging ich zu Simplicianus, dem geistlichen Vater des Bischofs Ambrosius, der ihn liebte, als sei er sein wirklicher Vater. Ich erzählte ihm die Irrfahrt meines Lebens. Als ich aber dabei erwähnte, ich hätte einige Schriften der Platoniker gelesen, die der ehemalige römische Rhetor Victorinus, der, wie ich gehört hätte, als Christ gestorben sei, ins Lateinische übertragen habe, da beglückwünschte er mich, weil ich nicht auf die Schriften anderer Philosophen verfallen sei, von loser Verführung und Täuschung nach der Welt Satzungen, während in diesen allenthalben auf Gott und sein Wort gedeutet werde. Hierauf, um mich zur demütigen Nachfolge Christi zu bewegen, die den Weisen verborgen und den Unmündigen geoffenbart ist, gedachte er des Victorinus selbst, mit welchem er zu Rom in vertrauter Freundschaft gelebt hatte; von ihm erzählte er mir einiges, was ich nicht verschweigen will. Denn hoch zu preisen hatte er deine Gnade; ein Hochgelehrter, erfahren in allen Wissenschaften, der so viele Schriften der Philosophen gelesen und beurteilt hatte, der Lehrer so vieler edler Senatoren, der, weil er im ansehnlichen Lehramte sich aus gezeichnet, eine Bildsäule auf dem römischen Forum verdient und erhalten hatte, was Weltleute als etwas Außerordentliches ansahen, der bis zu jener Zeit ein Verehrer der Götzenbilder, ein Teilnehmer an gottlosem Gottesdienst gewesen, von dem beinahe der ganze römische Adel angesteckt war, durch welchen das Volk die Ungeheuer aller Arten von Göttern überkam, so den Anubis mit dem Hundskopfe, die einst ihre Geschosse richtete "auf Neptun und gegen die Venus und gegen Minerva", vor welchen Rom, die Siegerin, das Knie beugte und die der Greis Victorinus so manches Jahr mit schrecklich lärmendem Munde verteidigt hatte, er errötete jetzt nicht, ein Kind deines Sohnes Jesu Christi zu sein und ein Säugling seines Gedankenquells zu werden, seinen Nacken zu beugen unter das Joch der Demut und gebändigt seine Stirn zu senken unter die Schmach des Kreuzes.

Herr, Herr, der du die Himmel erniedrigt hast und zu uns herabgefahren bist, der du die Berge berührtest, und sie rauchten, auf welche Weise bahntest du dir den Weg in dieses Herz? Er las, wie mir Simplicianus sagte, die heilige Schrift und durchforschte eifrigst die Bücher der Christen, und dann sprach er nicht öffentlich, sondern heimlich und im Vertrauen zu Simplicianus: Wisse, jetzt bin ich Christ! Der aber antwortete ihm: ich kann es nicht glauben, noch zähle ich dich nicht unter die Christen, es sei denn, daß ich dich in der Kirche Christi sehe. jener aber sprach lächelnd: So machen die Wände den Christen? Und oft wiederholte er seine Worte, er sei schon Christ; ebenso antwortete ihm Simplicianus, und oft spottete jener über die Wände. Denn er scheute sich, seine Freunde, stolze Götzendiener, anzugreifen, und glaubte, daß ihre Feindschaft würde sich von dem Gipfel ihrer babylonischen Erhabenheit wie von Libanons Zedern, die der Herr noch nicht zerbrochen hatte, schwer auf ihn herabstürzen. Als er aber immer und immer wieder las und begierig forschte, da gewann er Festigkeit und geriet in Furcht, von Christus vor den heiligen Engeln verleugnet zu werden, wenn er sich scheute, ihn vor den Menschen zu bekennen, glaubte schwere Schuld auf sich zu laden, wenn er sich des Geheimnisses der Demut deines Wortes schämte, dagegen nicht errötete über den lästerlichen Gottesdienst hoffärtiger Dämonen, denen er sich als ihres Stolzes Nachahmer ergeben. Er legte die falsche Scham ab und schämte sich vor der Wahrheit und sprach plötzlich unvermutet zu Simplicianus: Laß uns zur Kirche gehen, ich will ein Christ werden. Jener ging mit ihm, kaum sich vor Freude fassend. Bald nachdem er den ersten Unterricht empfangen hatte, wurde er getauft. Rom staunte, die Kirche jubelte. Die Gottlosen sahen es und es verdroß sie; ihre Zähne bissen sie zusammen und vergingen vor Wut; du aber, o Herr, bliebst die Hoffnung deines Dieners, und er wandte sich nicht zu den Hoffärtigen, die mit Lügen umgehen.

Ab nun die Stunde gekommen war, wo er sein Glaubensbekenntnis ablegen sollte - es geschah dies zu Rom von erhabener Stätte aus im Angesicht des gläubigen Volkes nach einer auswendig gelernten Formel, Von denen, die deiner Taufgnade nahen wollen -, da wurde dem Victorinus von den Presbytern das Zugeständnis gemacht, wie es bei sehr Schüchternen Sitte war, er möge es nur vor ihnen ablegen; Victorinus aber entgegnete, er wolle sich zu seinem Heile lieber vor der Gemeinde der Heiligen bekennen. Denn was er als Lehrer der Rhetorik vortrug, es war nicht das Heil, und trotz alledem hatte er es öffentlich verkündigt. Er durfte sich um so weniger vor deiner sanften Herde scheuen, zu deinem Worte sich bekennend, er, der sich nicht gescheut hatte, seine Vorträge vor dem Schwarm der Unsinnigen zu halten. Als er daher die erhöhte Stätte bestieg, um sein Bekenntnis abzulegen, da riefen sich alle, die ihn kannten, glückwünschend seinen Namen zu mit lautem Jubel. Und wer hätte ihn nicht gekannt? Und "Victorinus! Victorinus! <, schallte es einstimmig aus der Freudigen Munde. Plötzlich, wie sie ihn sahen, brach ihr Jubel aus; plötzlich schwiegen sie gespannt, ihn zu hören. Mit fester Zuversicht legte er das Bekenntnis des wahrhaftigen Glaubens ab und alle wollten ihn in ihr Herz hineinziehen, und ihre Liebe und ihre Freude waren die sie umschlingenden Arme.

Achtes Buch - Drittes Kapitel

803
Gütiger Gott, wie kommt es, daß sich der Mensch mehr über das Heil seiner Seele freut, wenn sie verzweifelte und aus großer Gefahr gerettet wurde, als wenn die Hoffnung nie fehlte oder die Gefahr eine geringere war? Auch du, o barmherziger Vater, freutest dich mehr über einen Sünder, der Buße tut, als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. Mit großer Freude hören wir, wie auf den Schultern der frohlockenden Hirten das Schaf, das verirrt war, zurückgetragen wird und wie der wiedergefundene Groschen unter der Mitfreude der Nachbarn von dem Weibe, das ihn gefunden, zu ihrem Schatz gelegt wurde. Tränen entlockt uns die Freudenfeier deines Hauses, wenn es in deinem Hause von dem jüngeren Sohne heißt: Denn er war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden. Du freust dich in uns und in deinen Engeln, die da geheiligt sind durch heilige Liebe. Denn du bist immer derselbe, weil du alles, was nicht immer, noch auf dieselbe Weise ist, immer auf dieselbe Weise kennst.

Wie kommt es also, daß die Seele mehr erfreut ist über das, was sie liebt, wenn sie es wiederfindet, als wenn sie es immer besessen? Daß dem so ist, beweist auch anderes; ja, überall stoßen wir auf Zeugnisse, die da rufen: So ist es! Der siegreiche Feldherr triumphiert, und er hätte nicht gesiegt, wenn er nicht gekämpft hätte, und je größer die Gefahr in der Schlacht war, desto größer ist die Freude des Triumphes. Der Sturmwind wirft die Schiffer umher und es droht der Schiffbruch, alle erblassen angesichts des kommenden Todes; Himmel und Meer beruhigt sich und ihre Freude ist ohne maß, weil sie sich allzusehr fürchteten. Ein Freund ist krank und seine Pulsader kündet Übles; alle, die ihm Genesung wünschen, kranken mit ihm zugleich im Geiste; er erholt sich, noch wandelt er nicht in seiner alten

Kraft und schon wird die Freude so groß, wie sie früher nicht war, da er gesund und frisch umherging. Selbst die Vergnügungen erwerben sich die Menschen nicht durch Beschwerden, die unvermutet und wider ihren Willen hereinbrechen, sondern durch absichtliche und freiwillige. Es gibt keine Lust beim Essen und Trinken, wenn nicht die Beschwerde des Hungerns und Durstens vorangeht. Die Trinker genießen Gesalzenes, wodurch ein brennender Reiz entsteht, und darin besteht der Genuß, diesen durch Trinken zu tilgen. Sitte ist es, daß sich die verlobten Bräute nicht sogleich dem Manne ergeben, damit er sie nicht geringachte, wenn er nicht zuvor als Bräutigam nach der Zögernden seufzte

Dasselbe finden wir bei häßlicher und verabscheuungswürdiger Freude, dasselbe aber auch bei erlaubter und gestatteter Lust, ja bei der reinsten Liebe der Freundschaft; dasselbe findet sich bei dem, der tot war und wieder lebendig wurde, der verloren war und wiedergefunden wurde. Überall geht größeres Leid, größere Freude voran. Wie kommt dies, mein Gott, da du dir selbst die ewige Freude bist und da es Geister gibt in deiner seligen Nähe, die sich über dich und in deiner Umgebung stetig freuen? Warum wechselt bei diesem Teil der Schöpfung Ab- und Zunahme, Freundschaft und Versöhnung? Oder ist das ihre Weise? Ist das die Bedingung ihres Lebens, die du ihr mitgabst, als du von der Höhe des Himmels bis zum Untersten der Erde, vom Anbeginn bis zum Ende der Zeiten, vom Engel bis zum Gewürm, von der ersten Regung bis zur letzten alle Arten der Güter, alle deine gerechten Werke, jedes an seiner Stelle, ordnetest und jedes zu seiner Zeit hinstelltest? 0 wie erhaben bist du im Erhabenen und wie tief in der Tiefe! Nirgends hin entfernst du dich, und dennoch kehren wir kaum zur dir zurück.


Augustinus - Bekenntnisse 710