Augustinus - Bekenntnisse 1022

Zehntes Buch - Zweiundzwanzigstes Kapitel

1022
Fern sei es, Herr, fern sei es von dem Herzen deines Knechtes, der dir bekennet, fern sei es, daß ich in jeder Freude, der ich mich freue, mich für glückselig halte. Denn es gibt eine Freude, die die Gottlosen nicht haben, sondern die empfangen sie, die dich verehren, ohne es sich verdienstlich anzurechnen, deren Freude du selbst bist. Darin besteht das selige Leben selbst, sich zu dir zu freuen, um deinetwillen, und außerdem gibt's kein anderes seliges Leben. Die aber glauben, daß es ein anderes gebe, trachten nach andrer Freude und nicht nach dem Wahren selbst. jedoch von irgendeiner Vorstellung von Freude wendet sich ihr Wille nicht ab.

Zehntes Buch - Dreiundzwanzigstes Kapitel

1023
Somit steht es also nicht fest, daß alle glücklich zu sein wünschen, denn die, weiche an dir nicht ihre Freude haben wollen, der du allein das selige Leben bist, wollen überhaupt das selige Leben nicht. Oder wollen es doch alle? Aber da das Fleisch gelüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch, also daß sie nicht tun, was sie wollen, so verfallen sie auf das, was sie vermögen, und begnügen sich damit, weil sie das, was sie nicht vermögen, nicht so innig verlangen als nötig, um vermögend zu werden. Denn ich frage alle, ob sie nicht lieber sich der Wahrheit als des Irrtums freuen wollen, und sie tragen so wenig Bedenken, sich auf Seite der Wahrheit zu stellen, als sie nicht anstehen zu sagen, daß sie selig werden wollen. Denn das selige Leben ist die Freude an der Wahrheit. Das nämlich ist die Freude an dir, der du die Wahrheit bist, Herr, mein Licht, meines Angesichts Hilfe, mein Gott. Dies selige Leben wollen alle, dies Leben, das allein selig ist, wollen alle, die Freude an der Wahrheit wollen alle. Ich lernte zwar viele kennen, die betrügen wollten, aber keinen, der betrogen werden wollte. Wo also lernten sie dies selige Leben kennen, wenn nicht dort, wo sie die Wahrheit kennenlernten? Denn sie lieben sie auch selbst, weil sie nicht betrogen werden wollen. Und indem sie das selige Leben lieben, so ist es nichts anderes als die Freude an der Wahrheit, überall heben sie auch die Wahrheit; und nicht würden sie dieselbe lieben, wenn es nicht irgendwelche Kunde davon in ihrem Gedächtnis gäbe. Warum also freuen sie sich ihrer nicht? Warum sind sie nicht selig? Weil sie stärker auf anderes versessen sind, was größere Macht hat, sie elend zu machen, als das sie zu beseligen vermag, dessen sie sich nur schwach erinnern. Bis jetzt nämlich ist noch ein schwaches Licht in den Menschen; sie mögen wandeln, wandeln, daß sie die Finsternis nicht überfalle.

Warum aber erzeugt die Wahrheit Haß, warum gilt ihnen der Mann als Feind, der ihnen die Wahrheit sagt, während doch das ewige Leben geliebt wird, das nichts anderes ist als Freude an der Wahrheit; weil nur so die Wahrheit geliebt wird, daß, wer etwas anderes liebt, daß das, was er liebt, die Wahrheit sei; und weil sie nicht getäuscht werden wollen, wollen sie sich nicht überführen lassen, daß sie betrogen sind. Daher hassen sie deshalb die Wahrheit, was sie als Wahrheit lieben. Sie lieben nur die aufklärende Wahrheit und hassen die strafende. Denn sie wollen nicht getäuscht werden und wollen doch täuschen, und darum lieben sie die Wahrheit, wenn sie sich offenbart, und hassen sie, wenn dieselbe sie selbst anzeigt. Darum wird sie ihnen vergelten, so daß sie die, welche sich nicht von ihr aufdecken lassen wollen, trotzdem aufdeckt und doch selbst dabei verborgen bleibt. So, auch so will der menschliche Geist blind und matt, schändlich und unanständig sich verbergen, will aber nicht, daß ihm etwas verborgen sei. Aber es wird ihm vergolten werden, daß er vor der Wahrheit nicht verborgen bleibe, sondern die Wahrheit vor ihm. Und doch, solange sie so elend ist, will sie lieber an dem Wahren sich freuen als an dem Falschen. Selig also wird der sein, der ohne beschwerliche Störung an der Wahrheit selbst, durch welche alles wahr ist, Freude findet.

Zehntes Buch - Vierundzwanzigstes Kapitel

1024
Siehe, wie ich den Raum des Gedächtnisses durchgegangen bin, dich suchend, Herr, und habe dich nicht gefunden außerhalb desselben. Und dabei habe ich nichts von dir gefunden, was nicht Erinnerung von der Zeit her wäre, da ich dich kennengelernt. Denn seitdem ich dich kennenlernte, habe ich deiner nicht vergessen. Denn wo ich die Wahrheit fand, da fand ich meinen Gott, die Wahrheit selbst, die ich, seitdem ich sie kennenlernte, nicht mehr vergessen habe. Seitdem ich dich daher kennengelernt habe, bleibst du in meinem Gedächtnis, und da finde ich dich, wenn ich mich an dich erinnere und in dir mein Ergötzen finde. Das sind meine heiligen Wonnen, die du mir geschenkt hast nach deinem Erbarmen meine Armut ansehend.

Zehntes Buch - Fünfundzwanzigstes Kapitel

1025
Aber wo bleibst du in meinem Gedächtnis, Herr, wo bleibst du da? Was für eine geheime Stätte hast du dir zubereitet? Was für ein Heiligtum hast du dir errichtet? Du hast mein Gedächtnis gewürdigt, in ihm zu wohnen, aber in welchem Teile desselben du dich aufhältst, das überlege ich. ich ging durch die Teile desselben, die auch die Tiere haben, als ich dein gedachte, da ich dich nicht daselbst fand unter den Bildern von körperlichen Dingen; und ich kam zu den Teilen desselben, wo sich die Gemütsbewegungen befinden, und fand dich auch da nicht. Da ging ich zu dem Sitz meiner Seele selbst, der in meinem Gedächtnis ist, da die Seele sich auch ihrer selbst erinnert, und auch da warst du nicht; denn du bist nicht das Bild eines Körperlichen noch das Gefühl eines Lebenden, wie es ist, wenn wir uns freuen, trauern, Verlangen tragen, Furcht haben, uns erinnern, vergessen und dergleichen; nicht bist du selbst eine Seele, weil du der Herr und Gott der Seele bist. Und das alles verändert sich, du aber bleibst unveränderlich über allem; und du hast mich gewürdigt, zu wohnen in meinem Gedächtnis, seit ich dich lerne. Und was frage ich, an welchem Orte des Gedächtnisses du wohnst, als wenn wirklich Räume daselbst wären? Du wohnst gewißlich in ihm, seitdem ich dich lerne, und in ihm finde ich dich, wenn ich mich deiner erinnere

Zehntes Buch - Sechsundzwanzigstes Kapitel

1026
Wo also fand ich dich, um dich zu lernen? Denn noch nicht warst du in meinem Gedächtnis, ehe ich dich lernte. Wo also fand ich dich, um dich zu lernen, wenn nicht in dir, über nur? Und nirgends ein Ort, wir mögen zurückgehen oder uns ihm nahen; und nirgends ein solcher Ort. Als die Wahrheit waltest du überall über denen, die dich angehen um Rat, und antwortest zugleich allen, die auch verschiedenes dich fragen. Klar antwortest du, aber nicht klar hören alle. Das ist dein bester Diener, der weniger darauf sieht, das von dir zu hören, vvas er will, als vielmehr das zu wollen, vas er von dir hört.

Zehntes Buch - Siebenundzwanzigstes Kapitel

1027
Spät habe ich dich geliebt, du Schönheit, so alt und doch so neu, spät habe ich dich geliebt! Und siehe, du watest im Innern, und ich war draußen und suchte dich dort; und ich, mißgestaltet, verlor mich leidenschaftlich in die schönen Gestalten, welche du geschaffen. Mit mir warst du und ich war nicht mit dir. Die Außenwelt hielt mich lange von dir fern, und wenn diese nicht in dir gewesen wäre, so wäre sie überhaupt nicht gewesen. Du riefest und schriest und brachst meine Taubheit. Du schillertest, glänztest und schlugst meine Blindheit in die Flucht. Du wehtest und ich schöpfte Atem und atme zu dir auf Ich kostete dich und hungre und dürste. Du berührtest mich und ich entbrannte in deinem Frieden.

Zehntes Buch - Achtundzwanzigstes Kapitel

1028
Wenn ich ganz an dir hangen werde, so werde ich keinen Schmerz mehr haben und keine Arbeit; und mein Leben wird lebendig sein, ganz erfüllt von dir. Nun aber, weil du den, welchen du erfüllst, erhebst, so bin ich, weil ich nicht von dir erfüllt, mir zur Last. Es kämpfen meine beweinenswerten Freuden mit meiner erfreulichen Trauer; auf welcher Seite der Sieg sein wird, weiß ich nicht. Wehe mir! Herr, erbarme dich meiner. Weh mir! Siehe, meine Wunden verberge ich nicht: du bist der Arzt, ich der Kranke; du bist barmherzig, ich erbarmenswürdig. Ist das menschliche Leben auf Erden nicht eine stete Versuchung? Wer wünschte sich Beschwerden und Mühseligkeiten? Zu ertragen heißest du sie, nicht zu lieben. Niemand liebt, was er trägt, wenn er auch zu tragen liebt. Denn obgleich er an dem Tragen Freude hat, so will er doch lieber, daß es nicht vorhanden sei, was er trägt. Günstiges ersehne ich bei Widerwärtigem und Widerwärtiges fürchte ich bei Günstigem. Wo ist zwischen diesen die Mitte, wo das menschliche Leben keine Versuchung ist? Wehe dem zeitlichen Glück, doppeltes Wehe um der Furcht vor Widerwärtigkeit und um der Freude willen, welche verdirbt! Wehe über die zeitlichen Widerwärtigkeiten, dreifaches Weh, weil der Unglückliche nach Glück verlangt, die Widerwärtigkeit selbst hart und Gefahr ist, daß sie die Geduld zerbricht! Ist nicht Versuchung das menschliche Leben auf Erden ohne irgendwelche Unterbrechung?

Zehntes Buch - Neunundzwanzigstes Kapitel

1029
Alle meine Hoffnung ruht nur in deinem übergroßen Erbarmen. Gib, was du befiehlst, und befiehl, was du willst. Du befiehlst uns Enthaltsamkeit. Da ich aber erfuhr, sagt einer, daß ich nicht anders könnte züchtig sein, es gäbe mir es denn Gott, so war dasselbige auch Klugheit, erkennen, wes solche Gnade ist. Durch die Enthaltsamkeit werden wir ja gesammelt und zu dein Einen zurückgebracht, von welchem weg wir in das Viele zerflossen sind. Weniger nämlich liebt dich, wer mit dir zugleich etwas liebt, was er nicht deinetwegen liebt. 0 Liebe, die du immer brennst und nimmer erlischest. Liebe, du mein Gott, entzünde mich. Enthaltsamkeit befiehlst du; gib, was du befiehlst, und befiehl, was du willst.

Zehntes Buch - Dreißigstes Kapitel

1030
Bestimmt befiehlst du, daß ich mich enthalte von Fleischeslust, Augenlust und hoffärtigem Wesen. Du warnst vor Beischlaf; betreffs der Elle selbst warnst du besser davor, als daß du ihr Zugeständnisse machst. Und da du mir das gewährtest, geschah es, ehe ich noch Verwalter deines Sakramentes war. Aber noch leben in meiner Erinnerung, darüber ich vieles geredet habe, die Bilder der Dinge, die dort die Gewohnheit festgeheftet hat; und sie begegnen mir im Wachen, der Kraft zwar entbehrend, im Schlafe aber steigern sie sich nicht nur bis zum Ergötzen, sondern bis zur höchsten Beistimmung. Und so viel vermag das Trugbild in meiner Seele und meinem Fleische, daß falsche Bilder der Schlafenden zu etwas verlocken, wozu mich, wenn ich wache, wahre nicht verlocken können. Bin ich dann nicht ich, Herr mein Gott? Und doch bin ich vom Augenblick, da ich vom wachen Zustande in den Schlaf übergehe, bis ich aus dem Schlaf zum Wachen zurückkehre, wie ein andrer Mensch. Wo ist die Vernunft, welche im Wachen solchen Einwirkungen widersteht? Wenn auch selbst sich lüstern, so bleibt sie doch unbewegt. Schließt sie sich mit den Augen zu? Wird sie eingeschläfert mit den Sinnen des Körpers? Und woher kommt es, daß wir ihnen auch im Schlaf widerstehen, unsres Vorsatzes eingedenk, und dabei ganz keusch beharrend, ohne solchen Verlockungen beizustimmen? Und doch ist ein Unterschied zwischen mir und mir, so daß, wenn das andere der Fall ist, sobald ich erwache, mein Gewissen sich beruhigt, und ich finde, eben wegen dieser Verschiedenheit von mir selbst, daß ich das nicht getan habe, wiewohl es mich schmerzt, daß es gewissermaßen in mir geschehen.

Aber bist du nicht mächtig, allmächtiger Gott, alle Schlafsucht meiner Seele zu heilen und mit noch reicherer Gnade die lüsternen Regungen auch meines Schlafes zu tilgen? - Du wirst, o Herr, mehr und mehr in mir deine Gaben mehren daß meine Seele mir folgt zu dir, frei vom Fleische der Begierde, so daß sie nicht mit sich selbst im Widerspruch und nie auch im Schlafe jene geilen Schändlichkeiten nicht nur durch tierische Bilder nicht ausübe bis zur Erschlaffung des Fleisches, sondern nicht einmal beistimme. Denn daß nichts dergleichen, auch nicht das geringste in mir aufsteigen darf, nicht so viel, als durch einen Wink unterdrückt werden könnte, selbst wenn sich mir im Schlafe unreine Gedanken regten nicht nur in diesem Leben, sondern auch in meinem jetzigen Lebensalter, das ist dir, dem Allmächtigen, ein Geringes, der du tun kannst über alles, was wir bitten und verstehen. Nun habe ich meinen jetzigen Zustand meines Übels dir genannt, mein guter Herr, mich freuend mit Zittern darüber, was du mir geschenkt hast, und trauernd darüber, darin ich noch nicht vollkommen bin, hoffend, daß du an mir dein Erbarmen vollenden werdest bis zum völligen Frieden, den mit dir haben wird mein innerer und äußerer Mensch, wenn der Tod verschlungen sein wird in den Sieg.

Zehntes Buch - Einunddreißigstes Kapitel

1031
Es gibt noch eine andere Plage des Tages, o böte er sonst keine. Dein Verfall des Leibes müssen wir täglich durch Essen und Trinken begegnen, bevor du die Speise und den Leib hinrichtest, wenn du getötet haben wirst meine Ungenügsamkeit durch deine wunderbare Sättigung und das Vergängliche wird angezogen haben das Unvergängliche auf ewig. Nun aber ist mir das Bedürfnis angenehm und ich kämpfe dagegen an, nicht von solcher Annehmlichkeit in Beschlag genommen zu werden; und ich kämpfe einen täglichen Krieg in Enthaltsamkeit, oft meinen Körper unterjochend; und meine Schmerzen werden durch Lust vertrieben.

Denn Hunger und Durst sind gewisse Schmerzen; sie brennen, und wie das Fieber töten sie, wenn nicht das Heilmittel der Nahrung zugeführt wird. Weil solch Heilmittel immer zu haben ist in deinen uns tröstenden Gaben, bei welchen unserer Schwachheit Erde und Wasser und Himmel dienen, so wird der Schmerz Ergötzen genannt.

Das hast du mich gelehrt, daß ich wie Heilmittel die Nahrung nehme. Aber während ich zur Ruhe des Sattseins von dem Beschwernis der Ungenügsamkeit übergehe, droht mir bei solchem Übergange der Fallstrick der Begehrlichkeit. Denn der Übergang selbst ist schon Ergötzen und es gibt keinen andern Übergang als den, dazu die Notwendigkeit zwingt. Und während der Grund des Essens und Trinkens der ist, daß es heilend wirken soll, so schließt sich doch daran gleichsam das auf dem Fuße folgende Ergötzen an; und erkühnt sich meistens voranzugehen, so daß es zum Grunde dafür wird, daß ich es um der Gesundheit willen zu tun sage oder will. jedoch gibt es nicht ein gleiches Maß für beides: denn was für die Gesundheit hinreichend ist, das ist für das Vergnügen zu wenig. Und oft ist es ungewiß, ob die notwendige Sorge für den Leib Hilfe verlangt oder täuschende Eßlust bedient sein will. Diese Ungewißheit erfreut die unglückliche Seele, auf sie fußend, ersinnt sie eine vorschützende Entschuldigung, indem sie sich freut, daß es ihr nicht klar sei, wie viel die maßhaltende Sorge für die Gesundheit verlange, um so das, was aus Leckerei geschieht, zu verstecken hinter dem Vor-wand, es geschehe nur zum Wohl. Diesen Versuchungen versuche ich täglich zu widerstehen, rufe deine Hand an und wälze all meine Glut auf dich, weil ich hierüber noch nicht sichern Rat weiß.

Da höre ich die gebietende Stimme meines Gottes: "Beschweret eure Herzen nicht mit Fressen und Saufen. « Trunkenheit ist feme von mir; erbarme du dich, daß sie mir nicht naher. Weinrausch hat noch nie deines Knechtes sich bemächtigt; erbarme du dich, daß er ferne von mir bleibe. Denn niemand kann züchtig sein, es gäbe ihm es denn Gott. Vieles gibst du uns, wenn wir bitten; und was Gutes wir, ehe wir baten, empfingen, haben wir von dir empfangen. Trunken war ich nie, kenne aber Trunkene, die du ernüchtert hast. Dir also ist es zu verdanken, daß sie das nicht wurden, was sie nie geworden, dem es zu verdanken ist, daß sie das nicht immer waren, was sie waren, dem es auch zu verdanken ist, daß beide wußten, wem es zu verdanken ist. Ich hörte auch ein ander Wort: "Folge nicht deinen bösen Lüsten, sondern brich deinen Willen." Ich hörte auch jenes Wort, das ich sehr liebe nach deiner Gnade: "Essen wir, so werden wir darum nicht besser sein; essen wir nicht, so werden wir darum nichts weniger sein. « Das heißt: Es wird mich weder jenes reich noch dieses elend machen. Ich hörte noch ein ander Wort: "Denn ich habe gelernet, bei welchen ich bin, mir genügen zu lassen. Ich kann beides: übrig haben und Mangel leiden. Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht." Siehe, so spricht der Streiter des himmlischen Heeres, nicht der Staub, der wir sind. Aber denke daran, Herr, daß wir Staub sind, und vom Staube hast du den Menschen gemacht; er war verloren und ist wiedergefunden. Auch der vermochte das nicht durch sich, weil er gleicherweise Staub war, den ich liebte, als er durch den Hauch deiner Eingebung folgendes sagte: "Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht." Stärke mich, daß ich das auch kann. Gib, was du befiehlst, und befiehl, was du willst. Paulus gesteht, es empfangen zu haben, und was er sich rühmt, das rühmt er sich in Gott. Ich hörte einen anderen, der darum bat, daß er es empfinge: "Wende von mir alle bösen Lüste". Daraus geht hervor, heiliger Gott, daß du gibst, wenn geschieht, was du befiehlst, daß es geschieht. ]Du lehrtest mich, guter Vater: "Es ist zwar alles rein; aber es ist nicht gut dem, der es isset nur einem Anstoß seines Gewissens." Und "alle Kreatur Gottes ist gut und nichts verwerflich, das mit Danksagung empfangen wird"; und: "die Speise fördert uns nicht vor Gott"; und: "so lasset nun niemand uns Gewissen machen über Speise oder über Trank"; und: "welcher isset, der verachte den nicht, der da nicht isset; und welcher nicht isset, der richte den nicht, der da isset." Ich lernte dies; Lob dir, Dank dir, meinem Gott, meinem Lehrer, der du mein Ohr getroffen, mein Herz erleuchtet: entreiße mich aller Versuchung. Nicht fürchte ich die Unreinigkeit der Speise, sondern die Unreinigkeit der Begierde. Ich weiß, daß dem Noah alles Fleisch, das zur Speise diente, zu essen erlaubt war; daß Elias durch Fleischspeise gekräftigt wurde; daß Johannes infolge seiner wunderbaren Enthaltsamkeit, durch Essen von Tieren, nämlich von Heuschrecken, nicht befleckt worden ist. Ich weiß aber auch, daß Esau durch sein Begeht nach Linsen betrogen wurde, daß David einst wegen seiner Sehnsucht nach Wasser sich selbst tadelt und daß unser König (des Himmels) nicht mit Fleisch, sondern mit Brot versucht ward. Daher erwarb sich das Volk in der Wüste Mißgunst, nicht weil es nach Fleisch trachtete, sondern weil es aus Eßgier wider Gott murrte.

In diese Versuchungen gestellt, kämpfe ich täglich gegen die Begier zu essen und zu trinken: denn nicht ist es möglich, daß ich es ein für allemal abschneiden kann und es nicht mehr zu berühren beschließe, so wie ich*s beim Beischlaf vermocht habe. Daher muß ich die Zügel meiner Kehle bald locker lassen, bald fester anziehen. Und wer ist, Herr, der sich nicht etwas über das Maß des Notwendigen hinreißen ließe? Wer es auch ist, er steht groß da; er erhöhe deinen Namen. Ich aber bin es nicht, denn ich bin ein sündiger Mensch. Aber auch ich preise deinen Namen; und es bittet vor dir für meine Sünden, der die Welt überwand, mich aufnehmend unter die schwachen Glieder seines Leibes, denn deine Augen sahen mich, da ich noch unbereitet war; und waren alle Tage auf dein Buch geschrieben, die noch werden sollten.

Zehntes Buch - Zweiunddreißigstes Kapitel

1032
Über die Versuchung der Wohlgerüche ängstige ich mich nicht zu sehr. Sind sie nicht da, so suche ich sie nicht; sind sie da, so verachte ich sie nicht, stets bereit, sie auch zu entbehren. So kommt es mir vor; vielleicht täusche ich mich darüber. In mir ist beklagenswerte Finsternis, welche mir es verbirgt, wozu ich fähig bin, so daß mein Geist, wenn er sich über seine Kräfte befragt, sich nicht so leicht Glauben schenkt, weil das Innere meist auch verborgen ist, wenn es nicht die Erfahrung an den Tag bringt. Und niemand soll in diesem ],eben sicher werden, denn muß nicht der Mensch immer im Streit sein auf Erden, ob er aus einem schlechteren ein besserer werde, damit er nicht aus einem besseren ein schlechterer werde? Eine Hoffnung, eines, darauf man trauen kann, eine sichere Verheißung ist dein Erbarmen.

Zehntes Buch - Dreiunddreißigstes Kapitel

1033
Die Vergnügungen der Ohren nahmen mich fester in Beschlag und unterjochten mich; aber du hast mich davon gelöst und befreit. jetzt bekenne ich, daß ich mich den von deinen Worten beseelten Tönen etwas hingebe, wenn sie mit lieblicher und künstlerischer Stimme gesungen werden, jedoch nicht so, daß ich mich nicht von ihnen trennen könnte, sondern daß ich aufstehen kann, wenn ich will. Aber um bei mir, vereint mit den sie belebenden Textworten, selbst zugelassen zu werden, verlangen die Töne auch einen einigermaßen würdigen Platz in meinem Herzen, und kaum weiß ich ihnen einen passenden anzuweisen. Manchmal glaube ich ihnen mehr Ehre anzutun, als ihnen gebührt, wenn ich merke, daß mein Gemüt durch die heiligen Worte in eine höhere religiöse Begeisterung gerät, wenn sie also gesungen werden, als wenn sie nicht gesungen würden, und daß alle Stimmungen des Geistes nach ihrer Verschiedenheit eigentümliche Weisen haben in der Stimme und im Gesang, durch deren mir unbekannte geheime Sympathie sie erregt wurden. Aber das Ergötzen meines Fleisches, dem das Gemüt nicht darf zur Entnervung preisgegeben werden, täuscht mich oft, während die Empfindung das Denken nicht so begleitet, daß es hintansteht, sondern weil sie des Denkens halber verdient hat, zugelassen zu werden, versucht, auch voranzueilen und die Führerschaft zu übernehmen Also fehle ich auch darin, ohne daß ich es merke; ich merke es vielmehr erst hinterher.

Zuweilen hüte ich mich jedoch vor solcher Selbsttäuschung allzusehr und irre aus allzu großer Strenge: und zuweilen wünsche ich, daß alle die lieblichen Sangesweisen, in denen Davids Psalter wiederholt gesungen wird, von meinen Ohren und selbst von der Kirche fernbleiben möchten; es scheint mir sicherer, was mir, wie ich mich erinnere, von dem Bischof von Alexandrien, Athanasius, oft gesagt worden ist, weicher den Vorleser die Psalmen nur mit wenigen Tönen psalmodieren ließ, so daß der Vortrag dem Sprechen ähnlicher war als dem Singen. Wiederum, wenn ich gedenke meiner Tränen, die ich vergoß bei den Gesängen deiner Kirche bei meiner Bekehrung und daß ich auch jetzt noch bewegt werde nicht durch den Gesang, sondern durch den Inhalt des Gesanges, daß er mit fließender und passendster Melodie gesungen wird, dann erkenne ich wiederum den großen Nutzen dieser Einrichtungen. So schwanke ich zwischen der Gefahr des Ergötzens und der Erfahrung von der Heilswirksamkeit, und so werde ich mehr und mehr dazu geführt, ohne dabei eine abgetane Meinung zum Vorschein zu bringen, die Gepflogenheit, in der Kirche zu singen, zu billigen, damit durch das Ergötzen der Ohren ein schwacher Geist sich zu einer frommen Stimmung emporheben könne. jedoch, wenn es mir widerfährt, daß mich mehr der Gesang als der Inhalt, der gesungen wird, bewegt, so Bestehe ich, daß ich sträflicherweise sündige und wollte dann lieber den Sänger nicht hören. So steht es mit mir -, weinet mit mir und weinet für mich, die ihr etwas Gutes im Herzen bewegt, aus welchem Taten hervorgehen. Die ihr aber nicht handelt, euch kann das nicht bewegen. Du aber, Herr mein Gott, erhöre, siehe mich an und siehe und erbarme dich meiner und heile mich, du, vor dessen Augen ich mir selbst zum Rätsel geworden bin und zur sittlichen Schwäche.

Zehntes Buch - Vierunddreißigstes Kapitel

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Noch sind in meinen Bekenntnissen, welche hören mögen die Ohren deines Tempels, die Ohren der Brüder und der Frommen, die fleischlichen Augenergötzungen zu erwähnen, um abzuschließen mit den Versuchungen der fleischlichen Lust, welche mich noch seufzen und verlangen machen nach unserer Behausung, die vom Himmel ist, daß wir damit überkleidet werden. Schöne und mannigfaltige Formen, glänzende und liebliche Farben lieben die Augen. Mögen sie nicht meine Seele fesseln; möge die Seele Gott fesseln, der dies gemacht hat, und zwar sehr gut; er selbst ist mein Gut, nicht sie. Sie berühren mich, wenn ich wache, den ganzen Tag, und es wird mir keine Ruhe vor ihnen gewährt wie vor der Stimme des Gesanges und zuweilen überhaupt vor allem, wenn ich in die Stille mich zurückziehe. Denn dies Licht ist die Königin der Farben, alles Sichtbare durchströmend, wo ich auch den Tag über bin, indem es mir auf vielfache Weise in die Augen fällt und mir, wem ich etwas anderes tue, schmeichelt, so daß ich es nicht von mir abwenden kann. Es schmeichelt sich aber so stark ein, daß es, wird es plötzlich entfernt, sehnlichst wieder verlangt wird: und, ist es lange fern, es den Geist traurig stimmt.

O Licht, das Tobias schaute, als er mit geschlossenen Augen dem Sohne den Weg des Lebens lehrte und ihm voranging in der Liebe, ohne zu irren. Oder du Licht, das Isaak sah mit altersmüden und schwachen Augen, als A ihm vergönnt wurde, seine Söhne zu segnen, nicht weil er sie erkannte, sondern durch sein Segnen erkannte er sie. Oder du Licht, das Jakob sah, als er selbst im hohen Alter des Augenlichts beraubt, aus lichtem Herzen ausstrahlte die in seinen Söhnen zum voraus bezeichneten Stämme des künftigen Volkes und seinen Enkeln, Josefs Söhnen die in wundersamer Weise übers Kreuz gelegten Hände auflegte, nicht wie es ihr Vater mit leiblichem Sinn forderte, sondern wie es ihm selbst sein Inneres hieß. Das ist das allein wahre Licht, und eins sind alle, die es sehen und lieben. Aber jenes körperliche Licht, von dem ich redete, würzt den innerlich blinden Liebhabern der Welt ihr Leben mit verlockender, gefährlicher Süßigkeit. Die aber über dasselbe dich zu loben wissen, "Gott, Schöpfer von allem", die nehmen das Licht in den Lobgesang auf dich auf und werden nicht von ihm hinweggenommen in ihrem Schlafe. So wünsche ich zu sein. Ich widerstehe den Verführungen der Augen, damit sie nicht umstricken meinen Fuß, mit welchem ich deinen Weg wandle; und ich erhebe zu dir die unsichtbaren Augen, damit du meinen Fuß aus dem Netze ziehest. Du befreist sie, denn sie werden sonst verstrickt. Du hörst nicht auf mit Befreien, ich aber hafte oft noch an dem überall gestellten Hinterhalt: denn siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht. Wie vieles Unzählige, in verschiedenen Kunstwerken, in Gewändern, Schuhwerk, Gefäßen und allerhand Gebilden, in Malereien und verschiedenen Bildern, und das den notwendigen Gebrauch in seiner Beschränktheit und die fromme Bedeutung weit überschreitend, fügten die Menschen hinzu zur Verführung der Augen, indem sie außen dem nachgehen, was sie schaffen, innerlich den verlassen, von welchem sie geschaffen sind, und das von sich verbannen, als was sie geschaffen sind. Aber ich, mein Gott und meine Zierde, singe auch hier dir meinen Lobgesang und opfere dem Lob, der sich für mich geopfert hat; weil das Schöne, durch die Seelen in künstlerische Hände hinübergeleitet, von der Schönheit stammt, welche über den Seelen ist, wonach meine Seele Tag und Nacht seufzt. Aber der äußeren Schönheit Künstler und Liebhaber stimmen dem Schönen nur bei, ohne es zu benutzen. Und da ist Gott da, und sie sehen ihn nicht, So daß sie sich noch weiter von ihm entfernen und ihre Stärke unter deinen Schutz stellen und sie nicht in wollüstigen Abschwächungen vergeuden. Ich aber, der ich dies sage und darüber urteile, hefte doch meinen Fuß an dies Schöne; aber du, Herr, befreie mich, befreie mich, denn deine Güte ist vor meinen Augen. Ich werde oft in bedauerlicher Weise befangen, du aber befreiest mich nach deiner Erbarmung, oft ohne daß ich es wußte, weil ich unüberlegt hineinfiel, oft mit Schmerz, weil ich schon darin befangen war.

Zehntes Buch - Fünfunddreißigstes Kapitel

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Dazu kommt noch eine andere vielfach gefährlichere Gestalt der Versuchung, denn außer der fleischlichen Lust, welche in der Ergötzung aller Sinne und ihrer Vergnügungen ist und die denen, welche ihr dienen und sich von dir entfernen, Untergang bringt, ist in der Seele vermittels derselben Sinne des Körpers noch eine andere, die sich zwar nicht fleischlich ergötzen will, sondern leerer Fürwitz, der sich mit dem Namen Erkenntnis und Wissenschaft beschönigt und das Fleisch zu seinem Werkzeuge macht. Das ist nämlich die Neugier und die Augen übernehmen dabei unter den Sinnen die Führerschaft; von deinem heiligen Wort ist sie Augenlust genannt worden. Es bezieht sich dies Wort auf das Sehen vermittels der Augen im eigentlichen Sinne. Wir wenden das Wort auch auf andre Sinne an, wenn wir sie dazu benutzen, daß sie etwas erkennen sollen. Wir sagen zwar nicht: Horch, was schimmert, oder rieche, wie es glänzt, oder schmeck, wie es leuchtet, oder greif, wie es strahlt - man sagt bei allem, es werde gesehen. Aber wir sagen nicht nur: Sieh, was leuchtet, was allein die Augen wahrnehmen können, sondern auch, sieh, was tönt, sieh, was riecht, sieh, was schmeckt, sieh, was hart ist. Und darum wird diese Hauptwahmehmung der Sinne, wie schon gesagt, Augenlust genannt; ,denn das Sehvermögen, bei welchem die Augen die erste Rolle spielen, eignen sich auch die übrigen Sinne nach der Analogie an, wenn sie einen wissenschaftlichen Gegenstand erforschen.

Daraus wird aber deutlich erkannt, was die Sinne zum Vergnügen und was sie aus Neugier treiben, denn Vergnügen bringt das Schöne, das Wohllautende, das Angenehme, Geschmackvolle und Weiche; die Neugier aber tut das dem Entgegengesetzte, um es zu versuchen, nicht um sich dadurch Mühe aufzubürden, sondern aus Lust, es zu erfahren und kennenzulemen. Was gibt es denn für ein Vergnügen, einen zerfleischten Leichnam zu sehen, vor dem man zurückschaudert; und doch laufen sie da, wo er liegt, zusammen, um ihn zu beklagen und sich zu fürchten. Sie fürchten, es im Schlafe zu sehen, gerade als hätte sie jemand gezwungen, es wachend zu sehen oder als hätte sie irgendein Ruf besonderer Schönheit dazu verführt. So ist's auch bei den übrigen Sinnen, was zu verfolgen zu weit führen würde. Infolge dieser krankhaften Begier werden im Theater wunderbare Effektstücke aufgeführt. Von da aus geht man weiter, die Geheimnisse der Natur, die außer uns liegt, zu ergründen, was zu wissen nichts nützt und nichts anderes ist als Neugier der Leute. Eher findet es sich aus, daß man etwas mit demselben Zwecke einer falsch angewendeten Wissenschaft durch magische Künste zu erreichen sucht. Da versucht man selbst in der Religion Gott, indem man Zeichen und Wunder fordert, die man nicht für sein Wohl begehrt, sondern lediglich, um einen Versuch damit zu machen. Wie viel würde ich in diesem so großen Walde, voll von Nachstellungen und Gefahren abgeschnitten und von meinem Herzen entfernt haben, wie du es mir geboten, Gott meines Heils; und doch, wann wage ich einmal es zu sagen, sobald so viel von Derartigem mein tägliches Leben umgibt, wann wage ich einmal es auszusprechen, mich in Zukunft von nichts Derartigem beeinflussen zu lassen und mich nicht solch eitler Sorge preiszugeben? Wohl kann mich das Theater nicht mehr hinreißen noch beschäftige ich mich mit der Gestirne Lauf, noch sucht meine Seele' eine Antwort bei den abgeschiedenen Geistern; alle gottlosen Gebräuche verwünsche ich. Und doch: mit wie vielen listigen Einflüsterungen versucht mich der Feind, von dir, Herr mein Gott, dem ich in Demut und Einfalt dienen soll, ein Zeichen erbitten zu sollen! Aber ich beschwöre dich bei unserm König, bei unsrer schlichten und keuschen Heimat, dem himmlischen Jerusalem, daß, wie diese Einwilligung dazu mir schon fern liegt, sie also mir immer ferner liegen möge. Wenn ich aber dich bitte für jemandes Heil, so ist das ein durchaus anderes Ziel meiner Bestrebung; und du gibst mir, daß ich tue, was du willst, und wirst geben, daß ich dir gern folge.

Und doch in wie viel höchst geringfügigen und verächtlichen Dingen wird unsre Neugier täglich auf die Probe gestellt; und wer kam zählen, wie oft wir fehlen? Wie oft dulden wir gewissermaßen anfangs nur fade Schwätzer, um ihnen in ihrer Schwäche nicht zu nahe zu treten, dann aber wenden wir ihnen uns gerne zu! Den Hund, der hinter dem Hasen herläuft, beachte ich schon nicht, wenn dies im Zirkus geschieht, aber auf dem Felde, wenn ich zufällig darüber hinweggehe, stört er mich vielleicht in einem wichtigen Gedanken und er lenkt den Gedanken an eine Jagd auf sich, nicht körperlich, aber doch im Geiste jage ich ihm nach. Und wenn du mich bei der bereits gezeigten Schwäche nicht schnell ermahnst, daß ich aus diesem Anschauen durch eine andere Betrachtung zu dir mich erhebe, oder es ganz verachte und darüber hinweggehe, so schaue ich gedankenlos hin. Wie, wenn meine Aufmerksamkeit, während ich zu Hause sitze, eine Eidechse in Anspruch nimmt, welche Fliegen fängt, oder eine Spinne, die sie umwickelt, wenn sie in ihr Netz geraten? Geht es mir da nicht ebenso, obwohl die Tiere klein sind? Gehe ich dann dazu über, dich, den wunderbaren Schöpfer und Ordner aller Dinge, zu loben? Nein, nicht dadurch werde ich getrieben, meine Aufmerksamkeit darauf zu richten. Ein anderes ist es dabei, sich schnell wieder zu fassen, ein anderes, dabei überhaupt nicht zu straucheln. Und von solchen Dingen ist mein Leben voll, und meine einzige Hoffnung ist dein sehr großes Erbarmen. Da unser Herz ein Magazin von Dingen der Art wird und Haufen reichlicher Eitelkeiten in sich trägt, so werden dadurch unsre Gebete unterbrochen und gestört, und vor deinem Angesicht, während wir mit der Stimme des Herzens vor dein Ohr dringen, wird eine so große Sache durch das Einschleichen jener nichtigen Gedanken abgeschnitten. Werden wir auch hier zwischen Verwerflichem scheiden, oder wird etwas anderes uns zu der Hoffnung zurückbringen, wenn nicht dein Erbarmen, nachdem du begonnen hast, uns zu wandeln.


Augustinus - Bekenntnisse 1022