ANSPRACHE 2006 83

ANLÄSSLICH DER VERLEIHUNG DER EHRENBÜRGERSCHAFT DURCH DIE STADT ALTÖTTING


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Mittwoch, 7. Juni 2006

Verehrter Herr Bürgermeister,
verehrte Damen und Herren Stadträte,
Ehrenbürger,
verehrte Damen und Herren!

Ich kann in diesem Augenblick nur von ganzem Herzen Dank oder auf bayerisch »Vergelt’s Gott« sagen. Diese Auszeichnung, Ehrenbürger der Stadt Altötting zu sein, berührt wirklich mein Herz. Und ich muß einfach sagen: Ich freue mich darüber. Sie, Herr Bürgermeister, haben es ja schon gesagt, daß Altötting in meine frühesten Kindheitserinnerungen hineinverwoben ist und daß es einfach zum ganzen Gefüge meiner Lebenserinnerungen gehört, von diesen frühen Anfängen an - die erste bewußte, die ich aufzählen könnte, ist die Heiligsprechung von Bruder Konrad - bis dann durch alle Phasen meines Lebensweges hindurch. Vielleicht erwähne ich gerade auch, daß, als mein Bruder und ich vom Krieg heil heimgekommen waren, unser Vater, der immerhin schon 68 Jahre alt war, zu Fuß den weiten Weg von Traunstein nach Altötting gegangen ist, um der Gottesmutter zu danken, daß seine beiden Buben wieder heimgekommen waren, deren Schutz er sie anvertraut hatte.

Und so geht das Geflecht der Erinnerungen weiter, dann hin zum Papstbesuch 1980 - unvergeßlich -, wo ich Johannes Paul II. durch die Gnadenkapelle und auch den Umgang geleiten durfte und er das katholische Herz Bayerns spürte, und er spürte, da ist wirklicher Glaube zu Hause, da ist die Muttergottes, und die Menschen lieben sie und kommen zu ihr.

Ich habe dann, vor wenigen Jahren, eine Regensburger Fußpilgerschaft im letzten Stück begleiten können. Und da ist mir so wirklich ins Herz gedrungen, was eine derartige Pilgerschaft bedeutet, daß es nicht ein Gehen mit den Füßen, sondern ein Gehen mit dem Herzen ist - nicht ein äußerer, sondern ein innerer Weg, daß das uns oft so unzugängliche Bußsakrament wie eine Gnade sich plötzlich öffnet, wie ein Geschenk, in dem so vieles von einem abfällt und wieder ein neuer Beginn da ist. Daß inmitten der Anstrengungen und der wirklichen Mühsal dieses Gehens dann doch am Schluß die große Freude steht, bei der Mutter der Gnaden angekommen zu sein und in dem stillen Heiligtum ihr zu begegnen, wie auch dann in dem großen Gottesdienst in der Basilika und auf dem Platz in der Freude, die dann sich aussprechen kann im Miteinander- Essen, Miteinander-Plaudern und Singen. Der Erfolg, der Grund der Freude ist, daß ein neuer Anfang aus dieser wunderbaren Begegnung sich ergeben hat.

Ich bin dankbar, daß Altötting dieses jahrhundertealte Erbe hütet, daß es in ihm lebendig bleibt, daß es immer wieder und immer neu der gleiche und doch der immer neue Ort der Begegnung mit der Mutter des Herrn und so der Erneuerung unseres Lebens ist.

Ich danke dem Stadtrat von Herzen für dieses Vertrauen, das Sie mir geschenkt haben und möchte besonders auch für das schöne Geschenk danken. Eine wunderbare Idee, die mich nun begleiten wird: die Falten der Muschel mit den Falten des schützenden Mantels der Gottesmutter zusammenzudenken und mein Wappen und so mein eigenes Wirken hineingelegt in diese Muschel und in diesen Mantel.

Durch diese Ehrenbürgerschaft gehöre ich nun ja auf eine ganz besondere Weise zu Altötting. Die bayerischen Kurfürsten haben ihr Herz dort hinterlegen lassen nach ihrem Tod. Ich weiß, daß auf diese Weise noch deutlicher mein Herz bei der Muttergottes ist und daß sie auf mich herunterschauen und mir auf meinem Pilgerweg helfen wird.

Ihnen allen ganz herzlichen Dank, und ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete und frohe Zeit in Rom und vor allen Dingen Dank auch für die Vorbereitungen für den Herbst. So kann ich nur sagen: Auf frohes Wiedersehen in Altötting im September!



AN DIE MITGLIEDER DER BRUDERSCHAFT DER HLL. PETRUS UND PAULUS

Benediktionsaula - Samstag, 17. Juni 2006

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Liebe Freunde!

Es ist mir eine Freude, euch und euren Familien kurz vor dem Hochfest der heiligen Apostel Petrus und Paulus zu begegnen. Euer heutiger Besuch erlaubt mir, euch erneut für den Dienst zu danken, den ihr dem Nachfolger Petri seit vielen Jahren erweist. Herzlich grüße ich euch alle und danke eurem Präsidenten dafür, daß er eure gemeinsamen Empfindungen im Namen aller zum Ausdruck gebracht hat.

Eure Bruderschaft der hll. Petrus und Paulus, die 1970 das Erbe der Palatin-Garde angetreten hat, erweist dem Heiligen Stuhl mit Hingabe einen ehrenamtlichen Dienst. Die drei Abteilungen, in die sie zur Durchführung ihrer Tätigkeiten untergliedert ist - ich beziehe mich auf die liturgische, die karitative und die kulturelle Abteilung -, spiegeln drei einander ergänzende Aspekte des Lebens und der Tätigkeit der kirchlichen Gemeinschaft wider. In erster Linie ist für euch die Pflege der Liturgie wichtig, denn nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils »baut die Liturgie täglich die, welche drinnen sind, zum heiligen Tempel im Herrn auf … bis zum Maße des Vollalters Christi. Zugleich stärkt sie wunderbar deren Kräfte, daß sie Christus verkünden« (vgl. Konstitution Sacrosanctum Concilium
SC 2). Möge ein intensives Gebetsleben und die eifrige Teilnahme an der Liturgie auch weiterhin eure vorrangige Aufgabe als einzelne und als Bruderschaft sein.

Liebe Freunde, nur wenn wir uns stets durch das Hören des Wortes Gottes formen lassen und mit dem Leib und Blut Christi nähren, können wir den anderen Menschen die Liebe Gottes vermitteln, die Gabe des Heiligen Geistes ist. In meiner Enzyklika Deus caritas est habe ich daran erinnern wollen, daß die in der Gottesliebe verankerte Nächstenliebe zunächst ein Auftrag an jeden einzelnen Gläubigen, aber ebenfalls ein Auftrag an die gesamte kirchliche Gemeinschaft ist, und dies auf all ihren Ebenen (vgl. ). In der Mensa zur Armenspeisung der »Casa Dono di Maria« und in der pädiatrischen Versorgungsstelle von »Santa Marta« wie auch durch soziale Initiativen in euren Pfarrgemeinden setzt ihr euch dafür ein, Zeugen dieser Liebe für die Armen zu sein. Möge die Liebe all euer Tun beseelen. Macht euch die Ermahnung des Apostels Paulus an die Kolosser zur Lebensregel: »Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht« (Col 3,14).

Nicht minder wichtig ist auch die Aufmerksamkeit, die ihr einer angemessenen kulturellen Bildung schenkt, um im Glauben reifen zu können. Die Evangelisierungstätigkeit erfordert heute eine verantwortungsbewußte Kenntnis der modernen kulturellen Anforderungen und ein ständiges Vertiefen der gesunden katholischen Lehre. Ihr tut also gut daran, liebe Freunde, auch diesen Aspekt nicht zu vernachlässigen, und ich ermutige euch, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen, der bereits Früchte trägt. Eure Bruderschaft wurde ins Leben gerufen, um im Dienst des Nachfolgers Petri tätig zu sein, und ich danke euch für die Hochherzigkeit, mit der ihr diese Aufgabe erfüllt. Möge der Herr sie stets fruchtbarer werden lassen und euch, in der Kraft des Geistes, zu seinen wahren Jüngern machen. Stets schütze und begleite euch die Jungfrau Maria, »Virgo fidelis«, deren Bildnis ihr in eurer Kapelle verehrt. Ich versichere euch meines Gebets und erteile euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen, in den ich gerne auch eure Familien und die euch nahestehenden Personen einschließe.

ANLÄSSLICH DER VERLEIHUNG DER EHRENBÜRGERSCHAFT DURCH DIE STADT REGENSBURG

Mittwoch, 21. Juni 2006

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Verehrter, lieber Herr Oberbürgermeister,
Exzellenz, lieber Bischof,
sehr verehrter Herr Regionalbischof,
verehrte Herren Bürgermeister,
verehrte Stadträte und Stadträtinnen,
meine Damen und Herren!

Für mich ist in diesem Augenblick schwer, Worte zu finden. Alles, was ich sagen möchte, ist in dem Wort »Danke« zusammengefaßt. Ich danke zuallererst Ihnen, lieber Herr Oberbürgermeister, für die herzlichen und bewegenden Worte, die ich noch kosten und nachmeditieren werde. Ich danke vor allen Dingen dem ganzen Stadtrat für die große Ehre, die Sie mir erwiesen haben, mich zum Ehrenbürger dieser großen und bedeutenden Stadt zu machen. Wie Sie erwähnt haben, darf ich ja schon Honorarprofessor von Regensburg sein und insofern schon eingeschrieben sein in diese Stadt. Aber nun gehöre ich auch zu ihren Bürgern ehrenhalber und bin dadurch, wie Sie sagen, auf Lebenszeit und über das Leben hinaus dieser besonderen Stadt zugehörig. Sie reicht ja bis Marc Aurel zurück und über ihre keltischen Wurzeln noch viel weiter und gehört so mit Augsburg, Trier, Köln zu den ältesten Städten Deutschlands - eine alte und doch eine ganz junge Stadt voll junger Menschen und voll junger Dynamik und Lebenskraft.

Ich habe dieses Miteinander, das Regensburg - wie mir scheint - auszeichnet, von tiefen Wurzeln in der Geschichte und von lebendiger Dynamik in die Zukunft hinein zuerst in der besonderen Weise erfahren, die mir dadurch gegeben wurde, daß ich seit ’64 immer wieder Gast bei meinem Bruder, bei den Domspatzen sein durfte, ein Chor, der der älteste durchgehend bestehende Knabenchor der Welt ist und der doch immer wieder neu aus ganz jungen Menschen besteht, der davon lebt, daß er seine Kontinuität nicht verliert und daß er doch immer wieder neu beginnt, mit jungen Menschen sich neu inspiriert und neue Wege findet.

Es gab ja in der karolingischen Zeit viele Knabenchöre, Schulen für Knaben an den verschiedenen Kathedralen. Aber offenbar hat sich nur der Regensburgische durch die Jahrhunderte, durch Höhen und Tiefen hindurch gehalten. Dieses Ineinander von Beharrlichkeit und Mut zur Zukunft, diese Fähigkeit, auch in dunklen Zeiten und in Tiefpunkten durchzuhalten und weiterzugehen, scheint mir doch das besonders Auszeichnende dieser Stadt zu sein.

Dann ist natürlich meine Beziehung neu und noch unmittelbarer geworden, als ich selbst 1969 nach Regensburg übersiedelte. Ich hatte zunächst einmal den Vorschlag, an die neue Universität zu gehen, in deren berufungskonstituierendem Ausschuß ich gewesen war, abgelehnt, schon weil ich nicht meine eigene Funktion in der Konstitution mit einer Annahme eines Rufes verwechseln wollte, aber auch, weil natürlich es etwas Schönes war, an einer so großen alten Universität wie Tübingen zu dozieren. Aber dann waren zwei Dinge, die mich doch veranlaßt haben, den Sprung zu wagen - oder eigentlich drei Dinge.

Zum einen war der ideologische Wirbel in einer so kleinen Stadt wie Tübingen, wo man sagt, daß die Universität zugleich das Stadttheater ersetze, besonders wuchtig und der Harmonie, der inneren Harmonie, die man für die Arbeit braucht, nicht besonders zuträglich. Aber ein rein negativer Grund wegzugehen, hätte nicht genügt. Es hat mich auch fasziniert, am Werden einer jungen Universität teilzunehmen, nachdem ich an drei großen alten Universitäten: Bonn, Münster, Tübingen, gelehrt hatte, mitzutun, eine neue Universität aufzubauen. Und dann kam natürlich dazu, daß mein Bruder in Regensburg wohnte und es mir insofern schon ein Daheim geworden war.

Es war dann in der Tat etwas Schönes und mitunter Aufregendes - Sie waren ja selbst im Senat, Herr Oberbürgermeister -, diese Universität, in der es ja auch die ideologischen Wirrnisse, die ganzen Situationen besonderer Art des Umbruchs nach ’68 gab, allmählich aufzubauen. Wir fingen mit einem Sammelgebäude an, und allmählich wuchs dann der Universitätscampus. Am Anfang stand die Universität nicht nur als ein verlorener Betonbau äußerlich etwas in der Peripherie der Stadt, auch für die Stadt selber war die Universität noch etwas Fremdes, obgleich sie sich über Jahrhunderte hin nach einer Universität ausgestreckt und nach dem Krieg bewundernswerte Anstrengungen unternommen hatte, um eine Universität einzurichten - schon fast eine Medizinische Fakultät, auch literarische Fächer aufgebaut hatte, dann wieder alles verloren hatte.

Dann kam die Universität und war zunächst doch etwas Ungewohntes. Sie wuchs, und inzwischen sind Stadt und Universität wirklich zueinander gewachsen und befruchten sich gegenseitig. Die Universität hat eine neue Dynamik, Jugendlichkeit, Ideen, Mut zu gewagtem Aufbruch in Neues hinein in die Stadt gebracht, und umgekehrt tut es der Universität, den Professoren wie den Studenten wohl, in einer Stadt zu leben, in der große Geschichte spürbar wird und in der sichtbar wird, daß die Denunzierungen der Geschichte, als sei dies alles nur dunkel gewesen, nicht wahr sind.

86 Wer den Dom in seiner ganzen Größe sieht, den lächelnden Engel, die Muttergottes, die Gestalten, und wer all die anderen großen Kirchen und Bauten dieser Stadt sieht, der sieht, daß wie immer - auch in den vergangenen Zeiten - Dunkles und Großes miteinander verbunden waren, daß die Geschichte auch heute uns zu belehren hat, daß wir Geschichte nicht verlieren dürfen, sie verlieren würden, wenn wir sie vergessen, sie verlieren würden, wenn wir stagnieren wollten.

So scheint mir diese Durchdringung des jungen Lebens der Universität und vieler anderer natürlich wirtschaftlicher junger Unternehmungen in der Stadt mit ihrer großen Geschichte eine besondere Begabung zu sein, die dieser Sadt ihren Schwung und zugleich ihre Gemütlichkeit - wenn ich es so ausdrücken darf -, ihr Flair von Heimat und von Zuhause gibt.

Regensburg ist außerdem auch eine ökumenische Stadt. Als Reichsstadt war Regensburg protestantisch, aber paradoxerweise war doch die Mehrzahl der Einwohner - nicht der Bürger, aber der Einwohner - katholisch. Und was in den Territorialstaaten mit ihrem »cuius regio, eius religio« nicht möglich war, war hier möglich und nötig, daß Katholiken und Protestanten friedvoll miteinander wohnten, sich kennen und verstehen lernten, und so ohne große ökumenische Gespräche, die es freilich im 16. Jahrhundert gegeben hatte, doch im Miteinander auch Verstehen wuchs, wie dann auch die jüdische Gemeinde in Regensburg, auch bei allen Um- und Abbrüchen, beim Tragischen, Negativen, doch immer wieder in Regensburg zu Hause war und mit zu dieser Stadt gehört hat.

Bischof Graber hat dann noch entsprechend auch der inneren Ausrichtung, die für die Universität gedacht war, die Beziehung nach Osten aufgenommen. Er hat dieses Institut geschaffen, in dem eine ganz große Zahl von Theologen aus den Ostländern, sowohl aus Griechenland wie aus den slawischen Ländern, aus Rumänien, studiert hat, Deutschland kennengelernt hat, die katholische Kirche kennengelernt hat, Dialog erlernt hat und eine Liebe zu Regensburg und zu dieser Stadt mit nach Hause getragen hat.

Kürzlich war bei einer bulgarischen Regierungsdelegation, die mich besucht hat, auch ein bulgarischer Bischof dabei, der mich deutsch - in perfektem könnte ich fast sagen - ansprach und sagte: »Ich habe in Regensburg studiert und werde auch zu Ihrem Besuch kommen, Heiliger Vater, und freue mich schon darauf.« Da habe ich ihm nur sagen können: »Ich freue mich auch, auf Wiedersehen in Regensburg.«

Und mit diesen Worten möchte ich auch jetzt meine Rede schließen. Herzlichen Dank für alles. Ich freue mich auf Regensburg. Auf Wiedersehen in der Stadt an der Donau!





AN DIE TEILNEHMER DER JAHRESVERSAMMLUNG DER UNION DER HILFSWERKE FÜR DIE ORIENTALISCHEN KIRCHEN (R.O.A.C.O.)

Clementina-Saal - Donnerstag, 22. Juni 2006

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Seligkeit,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Mitglieder und Freunde der ROACO!

Mit Freude empfange ich euch und heiße euch herzlich willkommen. Ich danke von Herzen dem Präfekten der Kongregation für die orientalischen Kirchen, Kardinal Ignace Moussa Daoud, der euren Empfindungen Ausdruck verliehen hat. Mein Gruß gilt auch dem Sekretär, Erzbischof Antonio Maria Vegliò, und den Mitarbeitern des Dikasteriums sowie den anderen Prälaten aus den geliebten Kirchen im Heiligen Land und den anderen Gebieten des Nahen Ostens und den Leitern und Freunden aller hier vertretenen Stellen. Ich danke euch, liebe Freunde der ROACO, für den Dienst, den ihr seit 1968 leistet, indem ihr den Kirchen der orientalischen Traditionen und den lateinischen Kirchen der Gebiete, die der Zuständigkeit der Kongregation für die orientalischen Kirchen anvertraut sind, eure Stimme verleiht und ihre Tätigkeit in der Seelsorge, der Bildung und im karitativen Bereich unterstützt und ihren Nöten abzuhelfen sucht. Ihr habt euch immer vom Evangelium inspirieren und von einer tiefen kirchlichen Gesinnung leiten lassen, die aus eurer Verbindung mit dem Nachfolger Petri erwächst. Die heutige Begegnung bietet mir die willkommene Gelegenheit, Gott, dem fürsorglichen und barmherzigen Vater, für die apostolische Tätigkeit zu danken, die die Jünger Christi in diesen Jahren im Nahen Osten trotz vieler Schwierigkeiten leisten, um das Evangelium des Friedens und der Liebe mit brüderlichem Eifer zu bezeugen.

Ich danke euch außerdem für die Bemühungen, die ihr unermüdlich unternehmt, um das spezifische Profil der kirchlichen karitativen Tätigkeit zu wahren. Pflegt in den Ausbildern und Helfern im Liebesdienst, die ihr unterstützt, auch weiterhin vor allem die »Herzensbildung«, damit sie, wie ich in der Enzyklika Deus caritas est gesagt habe, »zu jener Begegnung mit Gott in Christus geführt werden, die in ihnen die Liebe weckt und ihnen das Herz für den Nächsten öffnet, so daß Nächstenliebe für sie nicht mehr ein sozusagen von außen auferlegtes Gebot ist, sondern Folge ihres Glaubens, der in der Liebe wirksam wird« ().

Mein liebevolles Gedenken gilt den altehrwürdigen katholischen orientalischen Gemeinden und in erster Linie den Gemeinden im Heiligen Land, für die ihr beständig Sorge tragt. Es ist der Wunsch aller Christen, in dem Land, in dem unser Erlöser geboren wurde, stets eine lebendige christliche Gemeinde antreffen zu können. Die großen Schwierigkeiten, unter denen sie aufgrund der belastenden Unsicherheit, des Arbeitsmangels sowie unzähliger Einschränkungen und der daraus folgenden wachsenden Armut lebt, sind für uns alle ein Grund tiefen Schmerzes. Es ist eine Situation, die im Bereich der Bildung, des Berufs und der Familien die Zukunft der jungen Generationen unsicher macht, so daß die jungen Menschen leider oft versucht sind, die so sehr geliebte Heimat für immer zu verlassen. Das geschieht auch in anderen Ländern des Nahen Ostens, wie im Irak und Iran, denen euer hochherziges Wohlwollen zugute kommt.

Wie kann man diese ernsten Probleme bewältigen? Es ist und bleibt unsere erste und grundlegende Pflicht, im vertrauensvollen Gebet zum Herrn zu verweilen, der seine Kinder auch in der Zeit der Prüfung nie verläßt. Hinzu kommt eine tätige brüderliche Sorge, die immer neue, manchmal unverhoffte Wege zu finden vermag, um den Nöten dieser Völker entgegenzukommen. Ich lade die Priester und Gläubigen und alle Verantwortungsträger in den zivilen Gemeinschaften ein, durch die Förderung der gegenseitigen Achtung zwischen den Kulturen und Religionen möglichst bald im ganzen Nahen Osten die Bedingungen für ein ruhiges und friedliches Zusammenleben zu schaffen. Dazu verspreche ich ein tägliches Gebetsgedenken vor dem Herrn, und ich erbitte den Schutz der Gottesmutter Maria für jeden von euch, liebe Freunde der ROACO, für alle, die euch nahestehen, und für die verdienstvollen Einrichtungen, die ihr vertretet. Gott mache eure Arbeit fruchtbar. Diese Empfindungen begleite ich mit einem besonderen Apostolischen Segen, den ich gerne euch, die ihr hier anwesend seid, und allen euren Lieben erteile.

AN DIE BISCHÖFE AUS DEN BALTISCHEN STAATEN ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Freitag, 23. Juni 2006

Meine Herren Kardinäle,

verehrte Mitbrüder im Bischofsamt!

Ich danke euch für diesen Besuch, über den ich mich sehr freue. Aus den friedlichen Ländern des Baltikums seid ihr »ad limina Apostolorum« gekommen, um eure Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri zu bekräftigen und ihm die herzlichen Grüße derjenigen zu überbringen, die eurer pastoralen Sorge anvertraut sind. Mein dankbarer Gruß richtet sich an jeden von euch, vor allem an den Erzbischof von Riga, Kardinal Janis Pujats, und an den Metropolitan-Erzbischof von Kaunas, Sigitas Tamkevicius. Sie haben in eurem Namen und im Namen eurer Diözesangemeinschaften, die ich meines Gebetsgedenkens versichere, Empfindungen aufrichtiger Treue zum Bischof von Rom und seinem Amt zum Ausdruck gebracht. In den vergangenen Tagen habe ich den persönlichen Ausführungen eines jeden von euch aufmerksam zugehört. Diese Ausführungen betrafen die Entwicklungen in der eigenen Diözese, den hochherzigen Einsatz der Priester, die Hoffnungen der Laien und die Ausrichtungen der Zivilgesellschaften. Ich danke euch für das offene Vertrauen, das ihr mir im Geiste kollegialer Mitverantwortung für das Volk Gottes entgegengebracht habt, und ich ermutige euch, die Keime des Guten zu erkennen, die Gott in euren Gemeinschaften entstehen ließ, und so immer überzeugtere, mutigere und unermüdlichere missionarische Arbeit zu leisten.

Es gibt zahlreiche Themen, die ich mit euch behandeln möchte, verweile aber heute beim Thema der Familie, das auch in euren Ländern sehr aktuell ist. Neben vorbildlichen Familien gibt es häufig auch andere, die leider gekennzeichnet sind von der Zerbrechlichkeit des Ehebundes, vom Übel der Abtreibung und von der demographischen Krise, von geringer Aufmerksamkeit gegenüber der Vermittlung wahrer Werte an die Kinder, von unsicheren Arbeitsplätzen, von der sozialen Mobilität, die die Bindung der Generationen aneinander schwächt, und von einem zunehmenden Gefühl innerer Orientierungslosigkeit unter den Jugendlichen. Eine Modernität, die nicht in wahren menschlichen Werten wurzelt, ist dazu verurteilt, von der Tyrannei der Instabilität und der Orientierungslosigkeit beherrscht zu werden. Daher ist jede kirchliche Gemeinschaft aufgerufen, im Reichtum des eigenen Glaubens und gestützt von der Gnade Gottes, Bezugspunkt zu sein und mit der Gesellschaft, in die sie eingefügt ist, Dialog zu führen. Als Lehrerin des Lebens schöpft die Kirche aus dem Naturgesetz und dem Wort Gottes jene Prinzipien, die die Grundlagen aufzeigen, die unverzichtbar sind, um die Familie nach dem Plan des Schöpfers aufzubauen. Liebe und verehrte Brüder, werdet nicht müde, stets mutige Verteidiger des Lebens und der Familie zu sein; bemüht euch auch weiterhin um die menschliche und religiöse Bildung der Verlobten und der jungen Familien. Diese äußerst verdienstvolle Aufgabe wird, so hoffe ich, auch von den Einrichtungen der Zivilgesellschaft anerkannt und unterstützt.

Euch ist als Hirten die Aufgabe anvertraut, das Volk Gottes zu führen, zu schützen, zu verteidigen und es in der Wahrheit und der Liebe zu unterweisen. Christus, der Hohepriester, ist sein wahres Haupt und ist, wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, in den Bischöfen, denen die Priester zur Seite stehen, inmitten der Gläubigen anwesend (vgl. Lumen gentium LG 21). Das Konzil ruft in Erinnerung: »Wie nach der Verfügung des Herrn der hl. Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in entsprechender Weise der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden« (ebd. 22). »Die Bischöfe, die den Teilkirchen vorstehen, üben als einzelne ihr Hirtenamt über den ihnen anvertrauten Anteil des Gottesvolkes, nicht über andere Kirchen und nicht über die Gesamtkirche aus« (ebd. 23). Wichtig ist daher, daß bei vollständiger Achtung des Amtes jedes einzelnen zwischen dem Nachfolger Petri und allen Hirten eine echte und herzliche Kollegialität gefestigt wird. So kann das Volk Gottes als wohlgefügter und harmonischer Leib in Heiligkeit und missionarischer Lebendigkeit durch den Beitrag jedes seiner Glieder wachsen. Verehrte Brüder, nährt unermüdlich die Gemeinschaft untereinander und innerhalb jeder eurer Diözesen und schenkt dabei dem Beitrag aller Beachtung. Liebt die Priester, eure wichtigsten Mitarbeiter und Mitverantwortlichen in der Pastoral, unterstützt sie geistlich und, wo dies nötig sein sollte, auch materiell. Je mehr ihnen angemessene Lebensbedingungen gewährleistet werden, was unerläßlich ist, desto besser können sie sich mit innerer Ruhe und Sicherheit dem ihnen anvertrauten pastoralen Dienst widmen. Sorgt für ihre ständige Weiterbildung auch durch Fortbildungskurse, die ihnen helfen können, die Lehren des Zweiten Ökumenischen Vatikanischen Konzils zu vertiefen und den Reichtum hochzuschätzen, der in den liturgischen Texten und in den kirchlichen Dokumenten enthalten ist, die in eure jeweiligen Sprachen übersetzt sind. Fördert ihren missionarischen Eifer, damit sie mit Freude und Begeisterung die Frohe Botschaft verkünden und bezeugen. Der Bischof behüte jeden Priester »wie seinen Augapfel« und begleite ihn stets mit väterlicher Zuneigung und Achtung. Wenn die Priester von Vertrauen und vom wahren Geist des Evangeliums beseelt sind, werden sie in der Lage sein, das vielversprechende Wiedererwachen der Laien, die in euren Kirchenbezirken bereits aktiv tätig sind, wirksam zu begleiten.

Verehrte Brüder, ich weiß, daß ihr die Fürsorge für die Priester zu Recht mit einem anderen wichtigen Anliegen verbindet, nämlich mit den Berufungen und der Ausbildung der Seminaristen und Kandidaten für das geweihte Leben. Auch in euren Gemeinschaften nimmt das Hereinbrechen einer säkularisierten Mentalität den jungen Menschen leider immer mehr den Mut, auf die Einladung Christi zu einer engeren Nachfolge eine positive Antwort zu geben, und deshalb ist es notwendig, eine aufmerksame Jugend- und Berufungspastoral zu fördern. Zögert nicht, der Jugend das Ideal des Evangeliums, die Schönheit der »sequela Christi sine glossa« - der kompromißlosen Nachfolge Christi - deutlich vorzulegen. Helft denen, die den Weg des Priestertums und des geweihten Lebens eingeschlagen haben, hochherzig dem Herrn Jesus zu folgen, der stets liebevoll auf seine Kirche und auf die Menschheit blickt. Was die Seminare betrifft, so sollt ihr die Anwesenheit von Ausbildern gewährleisten, die menschlich gefestigt und von tiefer Frömmigkeit sind, die offen sind für den Dialog und die Zusammenarbeit, Dozenten, die dem kirchlichen Lehramt treu und glaubhafte Zeugen des Evangeliums sind.

88 Verehrte Brüder, der Herr hat euch dazu auserwählt, in seinem Weinberg zu arbeiten, in einer Gesellschaft, die vor kurzem erst die traurige, kalte und dunkle Zeit der Verfolgung hinter sich gelassen hat. Während die Wunden, die der Kommunismus in eurer Bevölkerung hervorgerufen hat, noch nicht ganz verheilt sind, wächst der Einfluß eines Säkularismus, der die Illusionen des Konsumdenkens verherrlicht und den Menschen zum Maß seiner selbst macht. All das macht eure pastorale Arbeit noch schwieriger, aber ihr sollt, ohne das Vertrauen zu verlieren, weiterhin unermüdlich das Evangelium Christi, das heilbringende Wort für die Menschen jeder Zeit und jeder Kultur, verkünden. Das Evangelium beeinträchtigt die Freiheit des Menschen und den wahren sozialen Fortschritt nicht; es hilft im Gegenteil dem Menschen, sich vollkommen zu verwirklichen, und es erneuert die Gesellschaft durch das schöne und anspruchsvolle Gebot der Liebe. Die machtvolle Fürsprache Mariens, unserer himmlischen Mutter, unterstütze euch in eurer Sendung, und es ermutige euch das Vorbild jener Märtyrer, die in den furchtbaren Verfolgungen der Vergangenheit Christus treu geblieben sind. Ich versichere euch meiner brüderlichen Nähe im Gebet, während ich euch, die Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen sowie alle eurer pastoralen Sorge anvertrauten Laien von Herzen segne.

KONZERT DER STIFTUNG "DOMENICO BARTOLUCCI"

ZU EHREN VON PAPST BENEDIKT XVI.

Sixtinische Kapelle

Samstag, 24. Juni 2006



Meine Herren Kardinäle,
verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
Brüder und Schwestern im Herrn!

Am Ende dieses stimmungsvollen Konzertes - stimmungsvoll sowohl aufgrund des Ortes, an dem wir uns befinden, der Sixtinischen Kapelle, als auch aufgrund der geistlichen Intensität der vorgetragenen Kompositionen - verspürt die Seele spontan das Bedürfnis zu loben, zu preisen und Dank zu sagen. Dieses Empfinden ist in erster Linie an den Herrn gerichtet, die höchste Schönheit und Harmonie, der dem Menschen die Fähigkeit geschenkt hat, sich in der Sprache der Musik und des Gesangs auszudrücken. »Ad Te levavi animam meam«, hieß es soeben im Offertorium von Giovanni Pierluigi da Palestrina in Anlehnung an einen Psalm (25,1). Wir haben unsere Seelen wirklich zu Gott erhoben, und deshalb möchte ich Maestro Domenico Bartolucci und der nach ihm benannten Stiftung, die diese Veranstaltung geplant und durchgeführt hat, meinen Dank aussprechen. Lieber Maestro, Sie haben mir und uns allen ein besonderes Geschenk dargebracht durch die Ausarbeitung eines Programms, in dem Sie eine Auswahl von Meisterwerken des »Fürsten« der polyphonen Kirchenmusik neben einige der von Ihnen selbst komponierten Werke gestellt haben. Besonders danke ich Ihnen dafür, daß Sie das Konzert persönlich dirigiert haben, sowie für die Motette »Oremus pro Pontifice«, die Sie gleich nach meiner Wahl auf den Stuhl Petri schrieben. Ich bin Ihnen auch dankbar für die freundlichen Worte, die Sie soeben an mich gerichtet und in denen Sie Ihre Liebe zur Kunst der Musik und Ihr Engagement für das Wohl der Kirche bezeugt haben. Ich spreche auch dem Chor der Stiftung meine herzlichen Glückwünsche aus und schließe in mein »Dankeschön« all jene ein, die auf verschiedene Weise mitgearbeitet haben. Einen herzlichen Gruß richte ich schließlich an diejenigen, die diese Begegnung mit ihrer Anwesenheit beehrt haben.

Alle Stücke, die wir gehört haben, und vor allem ihre Zusammenstellung, in der eine Parallele gezogen wird zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert, bekräftigen gemeinsam die Überzeugung, daß die polyphone Kirchenmusik - vor allem die der sogenannten »römischen Schule« - ein Erbe darstellt, das sorgfältig bewahrt, am Leben erhalten und bekannt gemacht werden muß: nicht nur zum Nutzen der Fachleute und derer, die sich für ihre Pflege einsetzen, sondern der ganzen kirchlichen Gemeinschaft, für die sie einen unschätzbaren geistlichen, künstlerischen und kulturellen Reichtum darstellt. Die »Fondazione Bartolucci« hat den Erhalt und die Verbreitung der klassischen und zeitgenössischen Tradition dieser berühmten Schule der Polyphonie zum Ziel. Kennzeichnend für diese Schule war stets die Ausrichtung auf den reinen Gesang, ohne Instrumentalbegleitung. Ein echtes »Aggiornamento« der Kirchenmusik kann nur auf den Spuren der großen Tradition der Vergangenheit, des Gregorianischen Gesangs und der polyphonen Kirchenmusik stattfinden. Aus diesem Grund hat die kirchliche Gemeinschaft - sowohl im Bereich der Musik als auch in den anderen Kunstformen - stets diejenigen gefördert und unterstützt, die neue Wege des künstlerischen Ausdrucks suchen, ohne dabei der Vergangenheit, der Geschichte des menschlichen Geistes, die auch die Geschichte seines Dialogs mit Gott ist, eine Absage zu erteilen.

Sie, verehrter Maestro, versuchen seit jeher, den Kirchengesang aufzuwerten, auch als Mittel der Evangelisierung. Durch unzählige Konzerte in Italien und im Ausland hat die von Ihnen geleitete Päpstliche »Cappella Musicale« in der weltweit verständlichen Sprache der Musik an der Sendung der Päpste, der Verbreitung der christlichen Botschaft in der Welt, mitgewirkt. Und dieses Werk führt sie heute unter der achtsamen Führung von Maestro Giuseppe Liberto weiter.

Liebe Brüder und Schwestern, zum Abschluß dieser schönen und erhebenden musikalischen Darbietung richten wir unseren Blick auf die Jungfrau Maria, die in Michelangelos »Jüngstem Gericht« zur Rechten Christi, des Herrn, dargestellt ist. Ihrem mütterlichen Schutz vertrauen wir besonders all jene an, die sich für die Pflege des Kirchengesangs einsetzen, damit sie, stets von wahrem Glauben und aufrichtiger Liebe zur Kirche beseelt, ihren wertvollen Beitrag zum liturgischen Gebet leisten und sich wirkungsvoll an der Verkündigung des Evangeliums beteiligen. Maestro Domenico Bartolucci, den Mitgliedern der Stiftung und euch allen hier Anwesenden erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.

AN DIE MITGLIEDER DER DELEGATION DES ÖKUMENISCHEN PATRIARCHATS VON KONSTANTINOPEL

Donnerstag, 29. Juni 2006

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ANSPRACHE 2006 83