ANSPRACHE 2005 117

AN DIE NEUEN BOTSCHAFTER BEIM HL. STUHL ANLÄSSLICH DER ÜBERGABE DER BEGLAUBIGUNGSSCHREIBEN

Donnerstag, 1. Dezember 2005



Exzellenzen!

Mit großer Freude empfange ich Sie zur Überreichung der Schreiben, die sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter Ihrer jeweiligen Länder akkreditieren: Tansania, Nepal, Finnland, Saint-Lucia, El Salvador, Dänemark, Südafrika, Algerien, Eritrea, Togo und Andorra. Ich danke Ihnen dafür, mir die zuvorkommenden Worte Ihrer Staatschefs übermittelt zu haben, und bitte Sie nun meinerseits, ihnen meine respektvollen Wünsche für sie selbst und ihr hohes Amt im Dienst ihrer Länder auszusprechen. Außerdem bietet mir Ihre Gegenwart die Gelegenheit, die verschiedenen weltlichen und religiösen Verantwortlichen Ihrer Heimatländer sowie alle Ihre Mitbürger zu grüßen, mit einem besonderen Gedanken an die katholischen Gemeinschaften.

Aus allen Teilen der Welt erreichen uns Nachrichten über Konflikte. Heute morgen möchte ich erneut dazu aufrufen, daß die Verantwortlichen der Nationen und alle Menschen guten Willens einander die Hände reichen, um der Gewalt ein Ende zu bereiten, die unsere Menschheit entstellt und das Wachstum der Völker wie auch die Hoffnung vieler Bevölkerungsgruppen mit einer schweren Hypothek belastet. Ohne den Einsatz aller zum Aufbau des Friedens, zur Schaffung einer Atmosphäre der Befriedung und eines Geistes der Versöhnung auf allen Ebenen des Soziallebens, angefangen bei der Familie, wird man auf dem Weg einer befriedeten Gesellschaft nicht vorankommen.

In dieser Hinsicht ist es für eine immer harmonischere Entwicklung der Völker wichtig, der Jugend besondere Aufmerksamkeit zu widmen, indem den Familien und den unterschiedlichen Erziehungseinrichtungen die nötigen Mittel gegeben werden, um die jungen Menschen auszubilden und zu erziehen, um ihnen die wesentlichen geistigen, sittlichen und sozialen Werte weiterzugeben und sie dadurch vorzubereiten auf eine bessere Zukunft und eine echte Bewußtmachung ihrer Rolle in der Gesellschaft wie auch der Einstellung, die sie pflegen müssen, um dem Gemeinwohl zu dienen und Interesse gegenüber allen Mitmenschen zu zeigen. Dies ist einer der wichtigsten Ansätze, damit die Welt längerfristig aus der Spirale der Gewalt herausfindet.

Die auf allen Erdteilen vertretene katholische Kirche leistet ihrerseits unermüdlich einen Beitrag dazu, indem sie zahlreiche erzieherische Werke unterhält und den religiösen Sinn der Personen entwickelt, der in jedem und jeder unweigerlich den Sinn für Brüderlichkeit und Solidarität wachsen läßt.

118 Ich kenne das Interesse, das Sie dieser Frage im Rahmen Ihres diplomatischen Auftrags entgegenbringen. Eine der Hauptaufgaben dieses Auftrags ist die Förderung des Dialogs und der Verhandlungen wie auch des Wohlergehens der Bevölkerung. Ich spreche ebenfalls den Wunsch aus, daß alle Menschen unserer Zeit sich für Frieden und Versöhnung auf allen Kontinenten einsetzen mögen, denn es reicht nicht aus, den Frieden zu beschließen, um ihn auch tatsächlich zu erreichen: Damit er sich durchsetzen kann, müssen auf allen Ebenen der Gesellschaft konkrete Maßnahmen ergriffen werden.

Zum Abschluß unseres Treffens entbiete ich Ihnen meine besten Wünsche für Ihr neues Amt, und ich rufe auf Sie, auf Ihre Familien und Mitarbeiter und auf alle Ihre Länder die Fülle der Segnungen Gottes herab.

AN DIE MITGLIEDER DER INTERNATIONALEN THEOLOGENKOMMISSION


Donnerstag, 1. Dezember 2005



Sehr verehrter Herr Vorsitzender,
Exzellenzen, geehrte Professoren,
liebe Mitarbeiter!

Ich freue mich, euch zu dieser Begegnung in vertrauter Atmosphäre zu empfangen, die in mir die Erinnerung an eine lange Zeit intensiver Zusammenarbeit mit nicht wenigen von euch weckt. Ich wurde 1969 zum Mitglied der Internationalen Theologenkommission ernannt und war ab 1982 ihr Vorsitzender. Zunächst möchte ich Erzbischof Levada, der zum ersten Mal bei einer Tagung der Internationalen Theologenkommission den Vorsitz hat, meinen aufrichtigen Dank für sein Grußwort aussprechen. Ich versichere ihn meiner Gebete, auf daß das Licht und die Kraft des Heiligen Geistes ihn bei der Ausführung der ihm anvertrauten Aufgabe begleiten mögen.

Die in diesen Tagen stattfindende Vollversammlung setzt die Arbeiten des siebten Quinquenniums der Kommission fort, die im letzten Jahr noch unter meinem Vorsitz begonnen wurden. Ich nehme gern die Gelegenheit wahr, jeden von euch zur Weiterführung der Reflexion über die für die nächsten Jahre gewählten Studienthemen zu ermutigen. Der verstorbene Papst Johannes Paul II. hatte beim Empfang der Mitglieder am 7. Oktober vergangenen Jahres zwei Themen, die derzeit Studienobjekte sind, als besonders wichtig hervorgehoben: Ein Themenbereich ist das Schicksal der ohne Taufe verstorbenen Kinder im Kontext des universalen Heilsplans Gottes, der einzigen Mittlerschaft Jesu Christi und der Sakramentalität der Kirche; das andere Thema ist das natürliche Sittengesetz. Letzteres ist besonders wichtig für das Verständnis der Grundlage der in der Natur der Person verwurzelten Rechte, die als solche vom Willen Gottes, des Schöpfers, ausgehen. Da sie jedem positiven staatlichen Gesetz vorausgehen, sind sie universal, unantastbar und unveräußerlich und müssen somit von allen Menschen als solche anerkannt werden, besonders von den staatlichen Autoritäten, die dazu aufgerufen sind, ihre Respektierung zu fördern und zu gewährleisten. Obgleich in der heutigen Kultur das Konzept der »menschlichen Natur« verlorengegangen zu sein scheint, bleibt dennoch die Tatsache, daß die Menschenrechte nur dann verständlich sind, wenn man davon ausgeht, daß der Mensch in seinem ureigensten Wesen Träger von Werten und Normen ist, die es wiederzuentdecken und zu bekräftigen gilt, und nicht zu erfinden oder ihm auf subjektive und willkürliche Weise aufzuzwingen. In diesem Punkt ist der Dialog mit der säkularen Gesellschaft von großer Bedeutung: Es muß deutlich zutage treten, daß die Negierung einer ontologischen Basis der Grundwerte des menschlichen Lebens unvermeidlich im Positivismus endet und das Recht abhängig macht von den in der jeweiligen Gesellschaft vorherrschenden Denkrichtungen, wobei man es als Machtinstrument mißbraucht, anstatt die Macht dem Recht unterzuordnen.

Von nicht geringerer Bedeutung ist das dritte Thema, das im Verlauf der Vollversammlung des vergangenen Jahres festgelegt wurde: das Statut und die Methode der katholischen Theologie. Die Theologie kann nur aus dem Gehorsam gegenüber dem Impuls der Wahrheit und Liebe entstehen, der den Geliebten, in diesem Fall Gott selbst, dessen Güte wir im Glaubensakt erkannt haben, immer besser kennenlernen möchte (vgl. Donum veritatis, 7). Wir kennen Gott, weil er sich uns in seiner unendlichen Güte zu erkennen gegeben hat, und zwar in der Schöpfung, vor allem aber in seinem eingeborenen Sohn, der für uns und unsere Erlösung Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist.

Die Offenbarung Christi ist folglich das maßgebende Basisprinzip für die Theologie. Diese wird immer in der Kirche und für die Kirche praktiziert, für den Leib Christi, der eins ist mit Christus, und auf diese Weise auch in Treue zur apostolischen Überlieferung. Die Arbeit des Theologen muß daher in Gemeinschaft mit der lebendigen Stimme der Kirche, also mit dem lebendigen Lehramt der Kirche und unter seiner Autorität geschehen. Die Theologie als Privatangelegenheit des Theologen zu betrachten bedeutet, ihre wahre Natur zu verkennen. Nur innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft, vereint mit den legitimen Hirten der Kirche, hat die theologische Arbeit einen Sinn. Sie erfordert selbstverständlich wissenschaftliche Kompetenz, aber auch und in nicht geringerem Maße den Geist des Glaubens und die Demut dessen, der weiß, daß der lebendige und wahre Gott, das Objekt seiner Reflexion, alle menschlichen Fähigkeiten unendlich übersteigt. Nur durch das Gebet und die Kontemplation kann man einen Sinn für Gott und die Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist erlangen, die die theologische Forschung fruchtbar werden lassen zum Wohl der ganzen Kirche und, ich würde sagen, der ganzen Menschheit. Man könnte hier einwenden: Ist denn eine so definierte Theologie noch Wissenschaft, und ist sie noch vereinbar mit unserer Vernunft und ihrer Freiheit? Ja, denn Rationalität, Wissenschaftlichkeit und Denken in Gemeinschaft mit der Kirche schließen einander nicht nur nicht aus, sondern sie gehören zusammen. Der Heilige Geist führt die Kirche in die ganze Wahrheit (vgl. Jn 16,13), die Kirche steht im Dienst der Wahrheit und ihre führende Hand ist Erziehung zur Wahrheit.

Ich wünsche euch, daß eure Studientage beseelt seien von der brüderlichen und gemeinschaftlichen Suche nach der Wahrheit, die die Kirche allen Menschen verkünden will, und ich bitte die allerseligste Jungfrau Maria, Sitz der Weisheit, eure Schritte in christlicher Freude und Hoffnung zu lenken. Mit diesen Empfindungen spreche ich euch erneut meine Wertschätzung und mein Vertrauen aus und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen.

AN DIE ZWEITE GRUPPE POLNISCHER BISCHÖFE ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES


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Samstag, 3. Dezember 2005

Liebe Brüder im Bischofsamt!

Ich heiße euch alle herzlich willkommen. Es ist mir eine Freude, die zweite Gruppe polnischer Bischöfe, die zu ihrem »Ad-limina«-Besuch hierhergekommen sind, zu Gast zu haben.

1. Die Neuevangelisierung

Bei seiner ersten Pilgerreise nach Polen sagte Johannes Paul II.: »Vom Kreuz in Nowa Huta nahm eine neue Mission des Evangeliums ihren Ausgang: die Evangelisierung des zweiten Milleniums. Ihr Zeuge und Zeichen ist auch diese Kirche. Sie ist aus lebendigem, bewußtem und verantwortlichem Glauben hervorgewachsen - und muß ihm weiter dienen. Die Mission des Evangeliums für das neue Jahrtausend muß an der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils anknüpfen. Sie muß, wie das Konzil lehrt, ein gemeinsames Werk von Bischöfen und Priestern, von Ordensleuten und Laien sein: ein Werk der Eltern und der Jugend« (9. Juni 1979; O.R. dt., Nr. 26, 29.6.1979, S. 8).

Das war damals, wenn auch nicht der erste, so doch einer der ersten Beiträge meines großen Vorgängers zum Thema Neuevangelisierung. Er sprach vom zweiten Jahrtausend, aber es besteht kein Zweifel, daß er bereits an das dritte dachte. Unter seiner Führung sind wir in dieses neue Jahrtausend des Christentums eingetreten, während wir uns die ständige Aktualität seiner Aufforderung zu einer Neuevangelisierung bewußt machen. Das Ziel legte er mit den kurzen Worten fest: Weckung eines »lebendigen, bewußten und verantwortlichen Glaubens«. In der Folge betonte er immer wieder, daß dies das gemeinsame Werk der Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien sein müsse.

Diesem Thema möchte ich mich heute zusammen mit euch, liebe Brüder, widmen. Wir wissen sehr wohl, daß der Hauptverantwortliche für die Glaubensverkündigung der Bischof ist, dem »tria munera« auf die Schultern gelegt sind: die Aufgabe des Propheten, des Priesters und des Hirten. In seinem Buch Auf, laßt uns gehen! - besonders in den Kapiteln »Hirt«, »Ich kenne meine Schafe« und »Die Ausspendung der Sakramente« - hat Johannes Paul II. in Erinnerung an seine eigene Erfahrung die Zielsetzung des Weges des Bischofsamtes umrissen, damit es gute Früchte bringe. Es ist nicht notwendig, jetzt die einzelnen Schritte seiner Überlegungen wiederzugeben. Wir können alle auf das Erbe zurückgreifen, das er uns hinterlassen hat, und reichlich aus seinem Zeugnis schöpfen. Sein Verantwortungsbewußtsein für die Kirche und für die der Sorge des Bischofs anvertrauten Gläubigen sei für uns Vorbild und Ansporn.

2. Die Diözesanpriester

Die ersten Mitarbeiter des Bischofs bei der Erfüllung seiner Aufgaben sind die Priester; ihnen sollte daher noch vor allen anderen die Sorge des Bischofs gelten. Johannes Paul II. schrieb: »Mit seinem eigenen Lebensstil zeigt der Bischof, daß ›das Vorbild Christus‹ nicht überholt ist; auch unter den gegenwärtigen Bedingungen bleibt es stets aktuell. Man kann sagen, daß eine Diözese die Seinsweise ihres Bischofs widerspiegelt. Seine Tugend - seine Keuschheit, die Verwirklichung der Armut, der Geist des Gebetes, die Einfachheit, das feine Gewissen - schreiben sich in gewissem Sinne in die Herzen der Priester ein, die dann ihrerseits diese Werte auf die ihnen anvertrauten Gläubigen übertragen: Auf diese Weise werden die Jugendlichen angezogen, auf den Ruf Christi eine großherzige Antwort zu geben« (Auf, laßt uns gehen!, S. 136).

Das Vorbild des Bischofs ist äußerst wichtig: Dabei geht es nicht allein um einen einwandfreien Lebensstil, sondern auch um die aufmerksame Sorge, damit die christlichen Tugenden, von denen Johannes Paul II. schrieb, tief in die Seele der Priester seiner Diözese eindringen. Deshalb sollte der Bischof auf die Qualität der Ausbildung im Priesterseminar sein besonderes Augenmerk richten. Dabei gilt es nicht nur die intellektuelle Vorbereitung der künftigen Priester auf ihre späteren Aufgaben zu berücksichtigen, sondern auch ihre spirituelle und emotionale Formung. Bei der Synode im Jahr 1991 baten die Bischöfe um eine größere Anzahl von Spiritualen in den Seminaren, die gut auf die anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet sein sollten, den Geist der Seminaristen zu formen und ihre affektive Eignung für die Übernahme der priesterlichen Aufgaben zu prüfen. Es ist der Mühe wert, auf dieses bischöfliche Ersuchen zurückzukommen. Kürzlich ist das Dokument der Kongregation für das katholische Bildungswesen über die Zulassung der Kandidaten zu den heiligen Weihen veröffentlicht worden. Ich bitte euch, liebe Brüder, alles darin Gesagte umzusetzen.

Wichtig ist, daß der intellektuelle und geistliche Ausbildungsprozeß nicht mit dem Seminar endet. Eine ständige priesterliche Weiterbildung ist unbedingt notwendig. Ich weiß, daß man diesem Umstand in den polnischen Diözesen große Bedeutung beimißt. Es werden Kurse, Einkehrtage, Exerzitien und andere Begegnungen organisiert, wo sich die Priester über ihre Probleme und ihre pastoralen Erfolge miteinander austauschen und sich gegenseitig im Glauben und in der Begeisterung für die Seelsorge bestärken können. Ich bitte euch, diese Praxis fortzusetzen.

120 Der Bischof als Hirt ist seinerseits gerufen, seine Priester mit väterlicher Sorge zu umgeben. Er sollte seine Verpflichtungen so regeln, daß er Zeit für die Priester hat, um ihnen aufmerksam zuzuhören und ihnen bei Schwierigkeiten zu helfen. Im Fall einer Berufungskrise, für die die Priester anfällig sein können, sollte der Bischof alles ihm Mögliche tun, um ihnen beizustehen und ihnen ihren ursprünglichen Elan und die Liebe zu Christus und zur Kirche wiederzugeben. Selbst wenn mahnende Worte notwendig sind, darf die väterliche Liebe nicht fehlen.

Ich danke Gott dafür, daß er Polen nach wie vor die Gnade zahlreicher Berufungen schenkt. Besonders die Region im Süden des Landes, die ihr, liebe Brüder, repräsentiert, ist in dieser Hinsicht reich. Während ich die enormen Bedürfnisse der Universalkirche vor Augen habe, bitte ich euch: Ermutigt eure Priester dazu, den missionarischen Dienst zu ergreifen oder in Ländern, in denen Priestermangel herrscht, die Seelsorgearbeit zu übernehmen. Das scheint heute nämlich eine besondere Aufgabe, ja in gewissem Sinn sogar eine Pflicht der Kirche in Polen zu sein. Wenn ihr die Priester allerdings ins Ausland, besonders in die Missionen, schickt, vergeßt nicht, die geistliche Unterstützung und eine ausreichende materielle Hilfe für sie sicherzustellen.

3. Die Ordensgemeinschaften

Johannes Paul II. schrieb: »Die Orden haben mir nie das Leben schwer gemacht. Zu allen hatte ich gute Beziehungen und erkannte in ihnen eine große Hilfe für die Sendung des Bischofs. Ich denke auch an jene großen Reserven an geistlicher Energie, die die kontemplativen Orden darstellen« (ebd., S. 128).

Die Vielfalt der Charismen und Dienste, die die Ordensmänner und Ordensfrauen oder die Mitglieder der Laieninstitute für das geweihte Leben erfüllen, ist ein großer Reichtum der Kirche. Der Bischof kann und soll sie ermutigen, sich in das Evangelisierungsprogramm der Diözese einzubringen und in Zusammenarbeit mit den Priestern und mit den Laiengemeinschaften ihrem Charisma entsprechend pastorale Aufgaben zu übernehmen. Die Ordensgemeinschaften und die einzelnen Ordensleute unterstehen von Rechts wegen zwar den eigenen Oberen, aber »in dem, was die Seelsorge, die öffentliche Abhaltung des Gottesdienstes und andere Apostolatswerke betrifft, unterstehen sie der Gewalt der Bischöfe«, wie es der Codex des kanonischen Rechtes formuliert (CIC 678 §1). Außerdem fordert der Codex die Diözesanbischöfe und die Ordensoberen auf, »bei der Regelung der Apostolatswerke der Ordensleute […] im gegenseitigen Meinungsaustausch vorzugehen« (can. 678, § 3).

Ich ermutige euch sehr, liebe Brüder, die weiblichen Ordensgemeinschaften in eurer Diözese mit eurer Sorge zu umgeben. Die Schwestern, die verschiedene Dienste in der Kirche wahrnehmen, verdienen Hochachtung, und ihre Arbeit soll anerkannt und entsprechend geschätzt werden. Sie dürfen nicht ohne angemessene geistliche Unterstützung und ohne Möglichkeit zu intellektueller Entfaltung und Wachstum im Glauben bleiben.

Besonders lege ich euch das Schicksal der kontemplativen Orden ans Herz. Mögen ihre Anwesenheit in der Diözese, ihr Gebet und ihr Verzicht stets Stütze und Hilfe für euch sein. Versucht eurerseits, ihren Bedürfnissen, auch den materiellen, entgegenzukommen.

In den letzten Jahren ist leider ein Rückgang von Ordensberufungen, besonders bei Frauen, zu beobachten. Man wird also zusammen mit den verantwortlichen Ordensoberen über die Ursachen dieses Umstandes nachdenken und sich überlegen müssen, wie man neue Berufungen von Frauen wecken und tatkräftig unterstützen könnte.

4. Die Laien

In die Betrachtung über die Rolle der Laien in der Evangelisierungsarbeit sollen uns die Worte meines großen Vorgängers einführen: »Die Laien können die eigene Berufung in der Welt verwirklichen und zur Heiligkeit gelangen, nicht nur, indem sie sich aktiv zugunsten der Armen und Notleidenden einsetzen, sondern auch, indem sie durch die Erfüllung ihrer beruflichen Pflichten und das Zeugnis eines beispielhaften Familienlebens die Gesellschaft mit christlichem Geist beleben « (ebd., S. 123).

In Zeiten, in denen - wie Johannes Paul II. schrieb - »die europäische Kultur den Eindruck einer ›schweigenden Apostasie‹ seitens des satten Menschen erweckt, der lebt, als ob es Gott nicht gäbe« (Ecclesia in Europa, Nr. 9), hört die Kirche nicht auf, der Welt zu verkünden, daß Jesus Christus die Hoffnung ist. In diesem Tun ist die Rolle der Laien unersetzlich. Ihr Glaubenszeugnis ist besonders vielsagend und wirksam, weil es in der Alltagswirklichkeit und in den Bereichen abgelegt wird, zu denen ein Priester kaum Zugang hat.

121 Eines der Hauptziele der Tätigkeit der Laien ist die moralische Erneuerung der Gesellschaft. Sie darf nicht oberflächlich, bruchstückhaft und vorläufig sein. Sie sollte sich durch eine tiefgreifende Wandlung im Ethos der Menschen auszeichnen, das heißt durch die Annahme einer konstruktiven Hierarchie der Werte, nach der sich das Verhalten herausbildet.

Die besondere Aufgabe der Laien ist die Teilnahme am öffentlichen und politischen Leben. In dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Christifideles laici erwähnte Johannes Paul II., daß »alle und jeder einzelne das Recht und die Pflicht haben, sich an der Politik zu beteiligen« (
CL 42). Die Kirche identifiziert sich mit keiner Partei, mit keiner politischen Gemeinschaft und mit keinem politischen System. Sie erinnert hingegen immer daran, daß die im politischen Leben engagierten Laien ein mutiges und deutliches Zeugnis von den christlichen Werten ablegen sollen, die im Fall ihrer Bedrohung bekräftigt und verteidigt werden müssen. Das sollen sie in der Öffentlichkeit tun, sowohl in den politischen Debatten wie in den Massenmedien. Eine der wichtigen Aufgaben, die aus dem europäischen Integrationsprozeß herrühren, ist das mutige und eifrige Bemühen um die Bewahrung der katholischen und nationalen Identität der Polen. Der von den katholischen Laien geführte Dialog über politische Fragen wird sich als wirksam erweisen und dem Gemeinwohl dienen, wenn ihm die Liebe zur Wahrheit, der Geist des Dienens und die Solidarität im Einsatz für das Gemeinwohl zugrunde liegen. Ich ermuntere euch, liebe Brüder, diesen Dienst der Laien in der Achtung für eine richtig verstandene politische Autonomie zu unterstützen.

Ich habe nur einige Formen des Engagements der Laien in der Evangelisierungsarbeit genannt. Die anderen, wie die Familienpastoral, die Jugendpastoral oder die karitative Arbeit, werden Thema einer weiteren Betrachtung bei der Begegnung mit der dritten Gruppe der polnischen Bischöfe sein. Nun wünsche ich euch, daß eine harmonische Zusammenarbeit der Angehörigen aller Lebensstände in der Kirche unter eurer erleuchteten Führung Früchte der Veränderung der Welt im Geist des Evangeliums Christi hervorbringe.

Während ich euren bischöflichen Dienst der Muttergottes anvertraue, segne ich euch alle herzlich. Gelobt sei Jesus Christus!



AN DIE VORSITZENDEN DER LATEINAMERIKANISCHEN BISCHÖFLICHEN KOMMISSIONEN FÜR FAMILIE UND LEBEN

Samstag, 3. Dezember 2005


Liebe Brüder im Bischofsamt!

1. Ich freue mich, euch anläßlich des dritten Treffens der Vorsitzenden der lateinamerikanischen bischöflichen Kommissionen für Familie und Leben zu empfangen. Meinen Dank aussprechen möchte ich für die Worte, die Herr Kardinal Alfonso López Trujillo, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, an mich gerichtet hat. Gemeinsam mit der ganzen Kirche bin ich Zeuge der Sorge, mit der sich Papst Johannes Paul II. diesem so wichtigen Thema gewidmet hat. Ich teile meinerseits diese Sorge, die in hohem Maße die Zukunft der Kirche und der Völker bestimmt, denn »die Zukunft der Menschheit geht« - wie mein Vorgänger in dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio ausführte - »über die Familie!« Es ist darum unerläßlich und dringend, daß jeder Mensch guten Willens sich dafür einsetzt, die Werte und die Aufgaben der Familie zu erhalten und zu fördern. Die Söhne und Töchter der Kirche meine ich, zu einem besonderen Einsatz in dieser Richtung auffordern zu müssen. Sie, die im Glauben den wunderbaren Plan Gottes in seiner Tiefe kennen, haben ja einen Grund mehr, sich mit ganzem Herzen der Wirklichkeit der Familie in dieser Zeit der Prüfung und Gnade anzunehmen«. Und er fügte hinzu: »Den Christen kommt es auch zu, die Frohe Botschaft von der Familie mit Freude und Überzeugung zu verkünden; denn es ist für die Familie unbedingt notwendig, jene authentischen Worte immer wieder neu zu hören und immer tiefer zu verstehen, die ihr die eigene Identität, ihre inneren Kraftquellen und die Bedeutung ihrer Sendung in der Stadt der Menschen und der Stadt Gottes gültig offenbaren« (86). Dieses Apostolische Schreiben sowie der Brief Gratissimam sane an die Familien und die Enzyklika Evangelium vitae bilden ein leuchtendes Triptychon, das euer Hirtenamt inspirieren soll.

2. Danken möchte ich euch besonders für eure pastorale Sorge, die sich den Schutz der Grundwerte von Ehe und Familie zum Ziel setzt; sie sind bedroht vom gegenwärtigen Phänomen der Säkularisierung, die das soziale Gewissen daran hindert, sich der Identität und des Auftrags der Institution Familie richtig bewußt zu werden, und stehen in letzter Zeit unter dem Druck unrechter Gesetze, die sich über ihre Grundrechte hinwegsetzen.

Angesichts dieser Situation beobachte ich mit Freude, wie die Arbeit der Teilkirchen zugunsten dieser menschlichen Institution wächst und sich festigt, die ihre Wurzeln im liebevollen Plan Gottes hat und das unersetzliche Modell für das Gemeinwohl der Menschheit darstellt. Zahlreich sind die Familien, die in ihrem häuslichen Bereich dem Herrn eine großherzige Antwort geben, und darüber hinaus gibt es in reichem Maße pastorale Erfahrungen, Zeichen einer neuen Lebenskraft, wo durch eine bessere Ehevorbereitung die Identität der Familie gestärkt wird.

3. Eure Aufgabe als Bischöfe besteht darin, den außerordentlichen Wert der Ehe, die als naturgegebene Institution ein »Erbe der Menschheit « ist, in ihrem ganzen Reichtum aufzuzeigen. Auf der anderen Seite muß ihre Erhebung zur höchsten, sakramentalen Würde mit Dankbarkeit und Staunen gesehen werden, wie ich es unlängst formuliert habe: »Der sakramentale Charakter, den die Ehe in Christus annimmt, bedeutet also, daß das Geschenk der Schöpfung zur Gnade der Erlösung erhoben worden ist. Die Gnade Christi ist keine äußerliche Hinzufügung zur Natur des Menschen, sie tut ihr keine Gewalt an, sondern befreit sie und stellt sie gerade dadurch wieder her, daß sie sie über ihre eigenen Grenzen erhebt« (Ansprache bei der Eröffnung der Pastoraltagung der Diözese Rom zum Thema Familie, 6. Juni 2005).

4. Die Liebe und die vollkommene Selbsthingabe der Eheleute, mit ihren besonderen Merkmalen der Ausschließlichkeit, Treue, Dauerhaftigkeit und Offenheit für das Leben, bildet die Grundlage dieser Gemeinschaft der Liebe und des Lebens, die die Ehe ist (vgl. Gaudium et spes GS 48). Heute gilt es, mit neuem Enthusiasmus und mit der Gewißheit, daß der Herr mit seiner Gnade immer gegenwärtig ist, zu verkünden, daß das Evangelium von der Familie ein Weg menschlicher und geistlicher Verwirklichung ist. Diese Botschaft wird häufig von falschen Konzepten von Ehe und Familie entstellt, die den ursprünglichen Plan Gottes mißachten. In diesem Sinne ist man so weit gegangen, neue Formen von Ehe vorzuschlagen, von denen einige in den Kulturen der Völker völlig unbekannt sind; damit erfährt bei ihnen das spezifische Wesen der Ehe eine Veränderung.

122 Auch im Bereich des Lebens entstehen neue Ansätze, die dieses Grundrecht in Frage stellen. Die Folge ist, daß die Vernichtung des Embryos oder seine willkürliche Verwendung im Namen des Fortschritts der Wissenschaft zunehmend erleichtert wird. Wenn die Wissenschaft ihre Grenzen nicht anerkennt und die Annahme sämtlicher moralischer Grundsätze zum Schutz der Würde der Person verweigert, wird sie zu einer Bedrohung für den Menschen selbst, der dann zu einem bloßen Objekt oder Instrument erniedrigt wird. Wird tatsächlich eine solche Stufe erreicht, leidet die Gesellschaft darunter, und ihre Grundfesten werden erschüttert, was mit Gefahren jeder Art einhergeht.

5. In Lateinamerika, wie an jedem anderen Ort, haben die Kinder das Recht, in einer auf die Ehe gegründeten Familie geboren zu werden und aufzuwachsen, wo die Eltern die ersten Glaubenserzieher für ihre Kinder sein sollen und diese zu ihrer vollen menschlichen und geistlichen Reife gelangen können. Kinder sind wirklich der größte Schatz und das wertvollste Gut der Familie. Deshalb muß man allen Menschen helfen, sich des Übels bewußt zu werden, das dem Verbrechen der Abtreibung innewohnt, die dadurch, daß sie das menschliche Leben in seinen Anfängen gefährdet, auch ein Angriff auf die ganze Gesellschaft ist. Politiker und Gesetzgeber haben als Diener am Gemeinwohl daher die Pflicht, das grundlegende Recht auf Leben, das Frucht der Liebe Gottes ist, zu schützen.

6. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß für die pastorale Arbeit in einem so heiklen und komplexen Bereich, an dem verschiedene Disziplinen beteiligt sind und grundlegende Probleme einander gegenüberstehen, eine sorgfältige Vorbereitung der in der Seelsorge tätigen Personen notwendig ist. Deshalb sollen die Priester als unmittelbare Mitarbeiter der Bischöfe eine solide Ausbildung in diesem Bereich erhalten können, die es ihnen ermöglicht, an die Probleme, die in ihrer pastoralen Tätigkeit auftreten, mit Konsequenz und Überzeugung heranzugehen. Was die Laien betrifft, vor allem jene, die ihre Kräfte für diesen Dienst an den Familien einsetzen, so brauchen auch sie eine ordentliche und profunde Ausbildung, die ihnen hilft, die Großartigkeit und den bleibenden Wert der Ehe in der heutigen Gesellschaft zu bezeugen.

7. Liebe Brüder, wie ihr wohl wißt, stehen wir kurz vor dem V. Welttreffen der Familien, das unter dem Thema »Die Weitergabe des Glaubens in der Familie« im spanischen Valencia stattfinden wird. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Erzbischof jener Stadt, Msgr. Agustín García- Gasco, der an diesem Treffen teilnimmt und sich zusammen mit dem Päpstlichen Rat für die Familie um seine Vorbereitung kümmert, meinen herzlichen Gruß zukommen lassen. Ich ermutige euch alle dazu, daß zahlreiche Delegationen der Bischofskonferenzen, Diözesen und Bewegungen Lateinamerikas an diesem wichtigen kirchlichen Ereignis teilnehmen können. Ich meinerseits unterstütze entschieden die Veranstaltung dieses Treffens und stelle es unter den liebevollen Schutz der Heiligen Familie.

Euch, liebe Bischöfe, und allen Familien in Lateinamerika, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.

EHRUNG DER MARIENSÄULE AUF DEM SPANISCHEN PLATZ

GEBET VON BENEDIKT XVI.

Donnerstag, 8. Dezember 2005

An diesem Tag, der Maria geweiht ist, bin ich zum ersten Mal als Nachfolger Petri zur Statue der Immaculata hierher auf den Spanischen Platz gekommen und nehme in Gedanken die Pilgerschaft wieder auf, die von meinen Vorgängern so viele Male unternommen worden ist. Ich spüre, daß mich die Ergebenheit und Liebe der Kirche begleitet, die in dieser Stadt Rom und auf der ganzen Welt lebt. Ich bringe die Ängste und Hoffnungen der Menschheit unserer Zeit mit, um sie der himmlischen Mutter des Erlösers zu Füßen zu legen.


An diesem einzigartigen Tag, der uns an den Abschluß des II. Vatikanischen Konzils vor 40 Jahren erinnert, kehre ich in Gedanken zum 8. Dezember 1965 zurück, als der Diener Gottes Paul VI. am Ende seiner Homilie bei der Eucharistiefeier auf dem Petersplatz seine Gedanken auf die Gottesmutter richtete, »die Mutter Gottes und unsere geistliche Mutter …, das Wesen, in dem sich das Abbild Gottes mit absoluter Reinheit spiegelt, ohne Makel, wie er sonst bei jedem Menschengeschöpf auftritt«. Der Papst fragte sich dann: »Richtet sich unser Blick etwa nicht auf diese demütige Frau, unsere Schwester und zugleich unsere himmlische Mutter und Königin, klarer und heiliger Spiegel der unendlichen Schönheit, die unsere nachkonziliare Arbeit beginnen kann? Wird diese Schönheit der ohne Erbsünde empfangenen Maria für uns etwa nicht zu einem inspirierenden Vorbild? Zu einer trostreichen Hoffnung?« Und er schloß seine Predigt mit den Worten: »Wir denken das für uns und für euch; und das ist unser erhabenster und, so Gott will, wirksamster Gruß!« (Insegnamenti di Paolo VI, III, 1965, S. 746). Paul VI. verkündete Maria als »Mutter der Kirche« und vertraute ihr für die Zukunft die fruchtbare Umsetzung der Konzilsbeschlüsse an.

Wie könnten wir, eingedenk der vielen Ereignisse, die die vergangenen 40 Jahre geprägt haben, heute nicht die verschiedenen Momente wieder lebendig werden lassen, die den Weg der Kirche in diesem Zeitabschnitt gekennzeichnet haben? Die Mutter Gottes ist während dieser vier Jahrzehnte den Hirten der Kirche und insbesondere den Nachfolgern des Petrus in ihrem anspruchsvollen Amt im Dienst des Evangeliums zur Seite gestanden; sie hat die Kirche zum treuen Verständnis und zur Umsetzung der Konzilsdokumente geführt. Indem ich mich zur Stimme der ganzen Kirchengemeinschaft mache, möchte ich dafür der allerseligsten Jungfrau danken und mich mit denselben Gefühlen ihr zuwenden, von denen die Konzilsväter beseelt waren, als sie das letzte Kapitel der dogmatischen Konstitution Lumen gentium Maria widmeten und so das unlösbare Band der Beziehung zwischen der Jungfrau und der Kirche hervorhoben.

Ja, wir wollen dir, jungfräuliche Gottesmutter und unsere geliebte Mutter, danken für deine Fürbitte für die Kirche. Du, die du durch das vorbehaltlose Bekenntnis zum göttlichen Willen dich mit deiner ganzen Kraft der Person und dem Wirken deines Sohnes gewidmet hast, lehre uns, die Geheimnisse des Lebens Christi im Herzen zu bewahren und still zu betrachten, wie du es getan hast.

Du, die du bis Golgota gegangen bist, stets in tiefer Verbundenheit mit deinem Sohn, der dich am Kreuz dem Jünger Johannes als Mutter anvertraut hat, laß auch uns immer, in jedem Augenblick des Lebens, vor allem in den Momenten der Finsternis und Prüfung, deine Nähe spüren.


ANSPRACHE 2005 117