ANSPRACHE 2006 134

AN DIE BISCHÖFE, DIE AN EINEM VON DER KONGREGATION FÜR DIE EVANGELISIERUNG DER VÖLKER ORGANISIERTEN FORTBILDUNGSKURS TEILGENOMMEN HABEN

Castelgandolfo

Samstag, 23. September 2006


Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Ich freue mich, euch aus Anlaß des von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker veranstalteten Fortbildungskurses zu begegnen und heiße jeden von euch ganz herzlich willkommen. Ich grüße zunächst Herrn Kardinal Ivan Dias, der erst seit einigen Monaten Präfekt der Missionskongregation ist, und danke ihm für die liebenswürdigen Worte, die er auch in eurem Namen an mich gerichtet hat. Dann gelten mein Gruß und mein Dank all denen, die zum Gelingen dieses Fortbildungskurses beigetragen haben. In meinen herzlichen Gruß schließe ich auch eure Diözesangemeinschaften ein, die jung und voller Begeisterung sind und wo es vielversprechende Anzeichen für die Entwicklung der Evangelisierung gibt, obgleich das Umfeld bisweilen hart und schwierig ist. Diese Tage des Lebens in brüderlicher Gemeinschaft sind gewiß von Nutzen für die Hirtensendung, die euch vor kurzem im Dienst eurer Diözesangemeinschaften vom Herrn anvertraut wurde.

Ihr seid berufen, Hirten zu sein unter Menschen, die zu einem großen Teil Jesus Christus noch nicht kennen. Als Hauptverantwortliche für die Verkündigung des Evangeliums müßt ihr nicht geringe Anstrengungen unternehmen, damit alle die Möglichkeit erhalten, das Evangelium anzunehmen. Ihr spürt immer stärker die Notwendigkeit, das Evangelium zu inkulturieren, die Kulturen zu evangelisieren und einen aufrichtigen und offenen Dialog mit allen Menschen zu pflegen, um gemeinsam eine brüderlichere und solidarischere Menschheit aufzubauen. Nur von der Liebe Christi gedrängt, ist es möglich, diese mühevolle apostolische Arbeit durchzuführen, die den furchtlosen Eifer desjenigen verlangt, der für den Herrn nicht einmal Verfolgung und Tod fürchtet. Wie sollte man nicht an die zahlreichen Priester, Ordensleute und Laien denken, die sowohl in den vergangenen Jahrhunderten als auch in unserer Zeit in den Missionsgebieten ihre Treue zu Christus und zur Kirche mit ihrem Blut besiegelt haben? In den vergangenen Tagen ist zu diesen heroischen Zeugen des Evangeliums das Opfer von Schwester Leonella Sgorbati aus der Kongregation der »Missionarie della Consolata« hinzugekommen, die in Mogadischu in Somalia barbarisch ermordet wurde. Dieses Martyrologium schmückt die Kirchengeschichte der Vergangenheit und der Gegenwart, und hält, wenn auch in Besorgnis und Leid, in unserem Herzen das Vertrauen auf eine ruhmreiche Blüte des christlichen Glaubens lebendig, denn, wie Tertullian sagt, »das Blut der Märtyrer ist ein Same für neue Christen«.

Euch, den Hirten der Herde Gottes, ist die Sendung anvertraut, den Glauben an Christus zu behüten und weiterzugeben, der uns in der lebendigen Tradition der Kirche übergeben wird und für den viele ihr Leben hingegeben haben. Um diese Aufgabe zu erfüllen, ist es wesentlich, daß ihr als erste »ein Beispiel durch gute Werke« gebt und »die Wahrheit unverfälscht und mit Würde, mit gesunden, unanfechtbaren Worten« lehrt (Tt 2,7-8). »Der heutige Mensch«, so schrieb mein Vorgänger seligen Angedenkens, der Diener Gottes Papst Paul VI., »hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind« (Evangelii nuntiandi EN 41). Daher ist es eure Pflicht, in eurem Bischofsdienst dem Gebet und dem ständigen Streben nach Heiligkeit wesentliche Bedeutung zuzumessen. Es ist wichtig, daß ihr Sorge tragt für eine gute Ausbildung der Seminaristen und für die ständige Fortbildung der Priester und der Katecheten. In der Vielfalt seiner kulturellen Ausdrucksformen die Einheit des Glaubens zu bewahren ist ein weiterer wertvoller Dienst, der von euch gefordert ist, liebe Mitbrüder im Bischofsamt. Das setzt voraus, daß ihr mit der Herde vereint seid, nach dem Vorbild Christi, des Guten Hirten, und daß die Herde stets vereint mit euch geht. Verhindert als Wächter über das Volk Gottes mit Entschlossenheit und Mut alle Spaltungen, besonders dann, wenn sie auf ethnische und sozio-kulturelle Motive zurückzuführen sind. Sie gefährden nämlich die Einheit des Glaubens und schwächen die Verkündigung und das Zeugnis des Evangeliums Christi, der in die Welt gekommen ist, um aus der ganzen Menschheit ein heiliges Volk zu machen und eine einzige Familie, wo Gott der Vater aller ist.

Es ist ein Grund der Freude und des Trostes festzustellen, daß man in vielen eurer Kirchen einer fortdauernde Blüte der Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben beobachten kann, ein wunderbares Geschenk Gottes, das mit Dankbarkeit und Eifer angenommen und gefördert werden muß. Sorgt dafür, daß es in den Seminaren eine ausreichende Anzahl von Ausbildern gibt, die sorgfältig ausgewählt und vorbereitet werden und die den Seminaristen vor allem Vorbild und Beispiel sein sollen. Das Seminar, das wißt ihr gut, ist das Herz der Diözese, und daher trägt der Bischof persönlich dafür Sorge. Von der Ausbildung der zukünftigen Priester und aller anderen Mitarbeiter in der Pastoral, insbesondere von den Katecheten, hängt die Zukunft eurer Gemeinschaften ebenso wie die Gemeinschaft der Universalkirche ab.

Verehrte und liebe Mitbrüder, in einigen Tagen werdet ihr, bereichert von eurem der Weiterbildung gewidmeten Aufenthalt in Rom, in eure Diözesen zurückkehren. Ich werde mich weiterhin geistlich mit euch verbunden fühlen und bitte euch, meine Zuneigung und meine Nähe im Gebet auch euren Gemeinschaften zuzusichern, auf die ich den mütterlichen Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria, Stern der Evangelisierung, sowie die Fürbitte des hl. Pio von Pietrelcina herabrufe, dessen liturgischen Gedenktag wir heute begehen. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch allen meinen Segen und schließe gerne all diejenigen ein, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, besonders die Kinder, die Jugendlichen und die alten Menschen, die Armen und die Leidenden.



AN DIE BOTSCHAFTER MUSLIMISCHER LÄNDER UND VERTRETER VON MUSLIMISCHEN GEMEINDEN IN ITALIEN

135
Saal der Schweizer, Castelgandolfo

Montag, 25. September 2006


Herr Kardinal,
meine Damen und Herren Botschafter,
liebe muslimische Freunde!

Ich freue mich, Sie zu dieser Begegnung zu empfangen, die ich gewünscht habe, um die Bande der Freundschaft und Solidarität zwischen dem Heiligen Stuhl und den muslimischen Gemeinschaften der Welt zu stärken. Ich danke Herrn Kardinal Paul Poupard, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, für die Worte, die er soeben an mich gerichtet hat, sowie Ihnen allen, die Sie meiner Einladung gefolgt sind.

Die Umstände, die unsere Begegnung veranlaßt haben, sind bekannt. Ich hatte bereits im Laufe der vergangenen Woche Gelegenheit, näher darauf einzugehen. Heute möchte ich in diesem besonderen Rahmen noch einmal meiner ganzen Hochachtung und meinem tiefen Respekt für die muslimischen Gläubigen Ausdruck verleihen und dabei an die Worte des II. Vatikanischen Konzils erinnern, die für die katholische Kirche die »Magna Charta« des islamisch-christlichen Dialogs darstellen: »Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslim, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft« (Erklärung Nostra aetate NAE 3). Mit Entschiedenheit dieser Perspektive folgend, hatte ich von Beginn meines Pontifikats an Gelegenheit, meinen Wunsch zum Ausdruck zu bringen, weiterhin Brücken der Freundschaft zu den Angehörigen aller Religionen zu bauen, wobei ich besonders meine Wertschätzung für die Entfaltung des Dialogs zwischen Muslimen und Christen bekundete (vgl. Ansprache an die Vertreter verschiedener Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften sowie anderer religiöser Traditionen, 25. April 2005; in O.R. dt., Nr. 20, 20.5.2005, S. 8). Wie ich im vergangenen Jahr in Köln unterstrichen habe, darf »der interreligiöse und interkulturelle Dialog zwischen Christen und Muslimen nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden. Tatsächlich ist er eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt« (Ansprache an die Vertreter muslimischer Gemeinden, 20. August 2005; in O.R. dt., Nr. 35, 2.9.2005, S. 11). In einer Welt, die vom Relativismus geprägt ist und allzu oft die Transzendenz aus der Universalität der Vernunft ausschließt, bedürfen wir dringend eines echten Dialogs zwischen den Religionen und zwischen den Kulturen, der uns helfen kann, alle Spannungen in einem Geist fruchtbarer Zusammenarbeit gemeinsam zu überwinden. Das von meinem Vorgänger Papst Johannes Paul II. begonnene Werk fortsetzend, wünsche ich daher zutiefst, daß die vertrauensvollen Beziehungen, die sich seit vielen Jahren zwischen Christen und Muslimen entwickelt haben, nicht nur fortbestehen, sondern sich in einem Geist des aufrichtigen und respektvollen Dialogs weiterentwickeln; eines Dialogs, der auf eine immer wahrheitsgemäßere gegenseitige Kenntnis gründen muß, die mit Freude unsere gemeinsamen religiösen Werte anerkennt und die Unterschiede in loyaler Haltung respektiert.

Der interreligiöse und interkulturelle Dialog ist notwendig, um gemeinsam die von allen Menschen guten Willens so sehr ersehnte Welt des Friedens und der Brüderlichkeit zu erbauen. Diesbezüglich erwarten unsere Zeitgenossen von uns ein beredtes Zeugnis, um allen den Wert der religiösen Dimension des Daseins zu zeigen. Auch müssen Christen und Muslime in Treue zu den Lehren ihrer je eigenen religiösen Traditionen lernen zusammenzuarbeiten, wie das bereits in verschiedenen gemeinsamen Erfahrungen geschieht; das ist notwendig, um sich vor jeder Form von Intoleranz zu schützen und jeder Manifestation von Gewalt entgegenzutreten. Und wir, die religiösen Autoritäten und politisch Verantwortlichen, müssen sie in diesem Sinne leiten und ermutigen. Denn selbst wenn es »im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslim kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen« (Erklärung Nostra aetate NAE 3). Die Lehren der Vergangenheit sollen uns daher helfen, nach Wegen der Versöhnung zu suchen, um im Hinblick auf eine fruchtbare Zusammenarbeit im Dienst der ganzen Menschheit in der Achtung vor der Identität und Freiheit eines jeden zu leben. Wie Papst Johannes Paul II. in seiner denkwürdigen Ansprache an die Jugend in Casablanca in Marokko erklärte, »Achtung und Dialog verlangen Gegenseitigkeit in allen Bereichen, vor allem in Fragen der Grundfreiheiten, und hier im besonderen der Religionsfreiheit. Sie begünstigen den Frieden und die Verständigung der Völker« (Ansprache an die muslimische Jugend, 20. August 1985, Nr. 5; in O.R. dt., Nr. 40, 4.10.1985, S. 13).

Liebe Freunde, ich bin zutiefst davon überzeugt, daß es in der Situation, in der sich die Welt heute befindet, unerläßlich ist, daß sich Christen und Muslime gemeinsam einsetzen, um den zahlreichen Herausforderungen entgegenzutreten, vor denen die Menschheit steht, insbesondere was die Verteidigung und Förderung der Würde des Menschen sowie der sich aus ihr ableitenden Rechte betrifft. Während die gegen den Menschen und gegen den Frieden gerichteten Bedrohungen zunehmen, bekunden Christen und Muslime dadurch, daß sie die zentrale Bedeutung der menschlichen Person anerkennen und sich beharrlich dafür einsetzen, daß deren Leben stets geachtet wird, ihren Gehorsam gegenüber dem Schöpfer, der will, daß alle in der Würde leben, die er ihnen geschenkt hat.

Liebe Freunde, ich wünsche von ganzem Herzen, daß der barmherzige Gott unsere Schritte leite auf den Wegen eines immer aufrichtigeren gegenseitigen Verständnisses. Zu diesem Zeitpunkt, wo für die Muslime der geistliche Weg des Fastenmonats Ramadan beginnt, richte ich an alle meine herzlichen Wünsche, verbunden mit dem Wunsch, daß der Allmächtige ihnen ein ruhiges und friedliches Leben gewähre. Der Gott des Friedens erfülle Sie sowie die Gemeinschaften, die Sie vertreten, mit dem Reichtum seines Segens!




AN DEN BOTSCHAFTER DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, HERR HANS-HENNING HORSTMANN, ANLÄSSLICH DER ÜBERREICHUNG DES BEGLAUBIGUNGSSCHREIBENS

Donnerstag, 28. September 2006

136 Sehr geehrter Herr Botschafter!

Die Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie heute als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl feierlich akkreditiert werden, nehme ich sehr gerne zum Anlaß, um Sie hier willkommen zu heißen und um Ihnen mit meiner Gratulation zu Ihrer Ernennung meine besten Wünsche für Ihre neue hohe Mission auszusprechen. Gleichzeitig danke ich Ihnen für die freundlichen Worte, die Sie auch im Namen des Herrn Bundespräsidenten Dr. Horst Köhler und der Deutschen Bundesregierung an mich gerichtet haben. Mit Freude sende ich meinerseits dem Staatsoberhaupt, den Mitgliedern der Bundesregierung und dem ganzen deutschen Volk meine Segensgrüße. Mögen die guten Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, meiner geliebten Heimat, und dem Heiligen Stuhl auch in den kommenden Jahren eine weitere fruchtbare Vertiefung zum Wohle der Menschen erfahren!

In den vergangenen Tagen konnte ich dankbar Rückschau auf meinen Pastoralbesuch in Bayern halten, der unter dem Motto „Wer glaubt, ist nie allein“ stand. Mit der Erinnerung an die Menschen und Orte, denen ich mich lebensgeschichtlich verbunden weiß, wollte ich Begegnungen in der Gemeinschaft des Glaubens verbinden. Dabei konnte ich den vielen Menschen, die an den gottesdienstlichen Feiern teilgenommen haben, die Botschaft von der erlösenden und befreienden Liebe Gottes verkünden. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nochmals den staatlichen Behörden des Bundes und des Freistaates Bayern sowie den zahlreichen freiwilligen Helfern für die großzügige und maßgebliche Unterstützung danken, mit der sie zu dem guten und so reibungslosen Verlauf meiner Apostolischen Reise beigetragen haben. Die unzähligen Zuschriften, die ich in den letzen Tagen von Teilnehmern an den Gottesdiensten in Bayern und auch von Fernsehzuschauern sowohl aus Deutschland als auch aus anderen Ländern erhalten habe, zeigen, daß in diesen Tagen wahre Gemeinschaft erlebt wurde. All dies, so meine ich, entbehrt gewiß nicht der gesellschaftlichen Relevanz: Wo Gemeinschaft wächst und Menschen durch die Botschaft des Glaubens stark im Guten werden, kommt dies auch dem menschlichen Zusammenleben in der Gesellschaft zugute und bestärkt die Bürger in ihrer Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung im Sinne des Gemeinwohls.

Sehr geehrter Herr Botschafter! Die Mission des Heiligen Stuhls ist universal; die Aufmerksamkeit und Sorge des Papstes und seiner Mitarbeiter an der Römischen Kurie gelten, soweit möglich, allen Menschen und Völkern. Zwar bemüht sich der Heilige Stuhl naturgemäß zunächst um die Christen in den verschiedenen Ländern der Erde, doch mißt er dem umfassenden Wohl aller Menschen unabhängig von ihrer Kultur, Sprache und Religionszugehörigkeit hohe Bedeutung zu. Daher sucht der Heilige Stuhl, mit allen Menschen guten Willens zusammenzuarbeiten, wenn es darum geht, dem Menschen, seiner Würde, seiner Integrität und seiner Freiheit zu dienen. Sein ganzheitliches Heil liegt der Katholischen Kirche am Herzen; darum stehen der Einzelne wie die Gemeinschaften, denen er angehört bzw. in denen er lebt, im Mittelpunkt der Aktivitäten des Apostolischen Stuhles. Dessen Wirken auf der internationalen Bühne zeigt, daß die Kirche auf der Seite der Menschen steht, hier in Europa und in allen Teilen der Welt. In der Tat teilt die Kirche die „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten jeder Art“ (Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes
GS 1). Da es der Kirche aus ihrem Glauben heraus um „die Rettung der menschlichen Person und um den rechten Aufbau der menschlichen Gesellschaft“ geht, steht der Mensch „mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen“ (ebd., 3) im Zentrum ihrer pastoralen Sorge. Aber die Kirche drängt sich nicht auf. Sie nötigt niemanden, die Botschaft des Evangeliums anzunehmen. Denn der Glaube an Jesus Christus, den die Kirche verkündet, kann nur in Freiheit geschehen. Daher müssen Toleranz und kulturelle Offenheit die Begegnung mit den anderen prägen. Toleranz darf freilich niemals mit Indifferentismus verwechselt werden. Denn jede Form von Gleichgültigkeit ist dem tiefen christlichen Interesse am Menschen und an seinem Heil radikal entgegengesetzt. Wahre Toleranz setzt immer auch den Respekt vor dem anderen voraus, vor dem Menschen, der Geschöpf Gottes ist und dessen Existenz Gott bejaht hat. Die Toleranz, die unsere Welt braucht, - ich habe dies erst kürzlich im München ausgeführt - „schließt die Ehrfurcht vor Gott ein - die Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist. Diese Ehrfurcht vor dem Heiligen der anderen setzt aber wiederum voraus, daß wir selbst die Ehrfurcht vor Gott wieder lernen. Diese Ehrfurcht kann in der westlichen Welt nur dann regeneriert werden, wenn der Glaube an Gott wieder wächst“ (Homilie am Am 10 Am 2006 in München).

Herr Botschafter! Sie haben in Ihrer Rede ganz zu Recht das ausgezeichnete Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Heiligen Stuhl und die erfreuliche Kooperation beider in einigen Bereichen hervorgehoben. In diesen guten Beziehungen spiegelt sich gewiß auch das solide Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Deutschland selbst wieder. Bei früheren Gelegenheiten ist wiederholt auf die gute Zusammenarbeit beider Institutionen auf verschiedenen Feldern zum Nutzen und Wohl der Menschen in unserer Heimat hingewiesen worden. Es bleibt zu hoffen, daß das bewährte Zusammenwirken von Kirche und Staat in Deutschland auch bei sich verändernden politischen Prämissen auf der europäischen Ebene fortgesetzt und ausgebaut werden kann.

Wie in jeder Nation, so steht auch in Deutschland das Staat-Kirche-Verhältnis in einer engen Beziehung zur Gesetzgebung. Daher verfolgt der Heilige Stuhl die diesbezüglichen Entwicklungen und Tendenzen in Bund und Ländern mit regem Interesse. In dieser Ansprache kann ich nur einige Bereiche streifen, die aus der Sicht der Katholischen Kirche, der es - wie oben dargelegt - immer zuerst um den Menschen und sein umfassendes Heil geht, von Bedeutung sind. Ich nenne an erster Stelle den im Grundgesetz verbrieften Schutz von Ehe und Familie, der auf Grund eines sich verändernden Verständnisses ehelicher Gemeinschaft in der politischen Öffentlichkeit einerseits und neuer vom Gesetzgeber vorgesehener Formen, die sich von der natürlichen Familie entfernen, andererseits von der Aushöhlung bedroht ist. Die durch nichts zu rechtfertigende Abtreibung, die nach wie vor vielen unschuldigen ungeborenen Kindern das Leben kostet, bleibt eine schmerzlich empfundene Sorge des Heiligen Stuhls und der ganzen Kirche. Vielleicht kann die aktuelle Diskussion um die Spätabtreibungen bei den politisch Verantwortlichen das Bewußtsein dafür schärfen, daß die absehbare Behinderung eines Kindes kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch sein darf, weil auch das behinderte Leben ebenso wertvoll und von Gott bejaht ist und weil es auf dieser Erde niemals und für niemanden eine Garantie auf ein Leben ohne körperliche, seelische oder geistige Einschränkungen geben kann. Des weiteren wird der Heilige Stuhl nicht müde, bei den betreffenden europäischen Institutionen und den einzelnen Nationen auf die ethischen Probleme im Kontext der embryonalen Stammzellenforschung und der sogenannten „neuartigen Therapien“ hinzuweisen.

Sehr geehrter Herr Botschafter, Deutschland hat vielen Menschen, die in ihren Herkunftsländern von Verfolgung aus politischen oder religiösen Motiven bedroht sind, sowie anderen Flüchtlingen Zuflucht und eine neue Heimat gegeben. Das Netz der Hilfe und Solidarität, das auch bedürftige Fremde mitträgt, steht in der Tat für eine humane Gesellschaftsordnung. Die Tragkraft dieses Netzes hängt von den Beiträgen aller ab. Daher ist es erforderlich, daß Asyl entsprechend der Intention des Gesetzgebers, in Konformität mit den rechtlichen Vorgaben und nach dem Prinzip der Gerechtigkeit gewährt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, daß für eine Reihe von Flüchtlingen die Zuflucht in Deutschland geradezu lebenswichtig ist. In diesem Zusammenhang bittet der Heilige Stuhl die zuständigen staatlichen Instanzen, ausländische Christen, deren Leben und Wohlergehen auf Grund ihres Glaubens in der Heimat bedroht ist, nicht abzuschieben und ihnen die Integration in der Bundesrepublik zu erleichtern.

Deutschland kann zu Recht stolz sein auf seine große Bildungstradition. Die Vermittlung von Bildung an die kommenden Generationen gehört zu den zentralen Aufgaben, denen sich der Staat zu stellen hat. Wissen muß zusammen mit Werten vermittelt werden, damit Formung stattfinden kann. In den meisten deutschen Bundesländern teilt der Staat diese große Herausforderung mit der Kirche, die durch den Religionsunterricht, der als „ordentliches Lehrfach“ erteilt wird, in den Schulen präsent ist. Vielerorts wird den Schülern und Schülerinnen, die keiner Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören, „religionsneutraler“ Ethikunterricht erteilt. Dieser Ethikunterricht kann und darf aber keinesfalls „werteneutral“ sein. Er sollte den Schülern ermöglichen, auch mit der großen Tradition des abendländischen Geistes vertraut zu werden, der die Geschichte und Kultur Europas geprägt hat und diese weiterhin inspiriert. Hierbei erscheint es der Kirche wichtig, daß der Ethikunterricht neben dem konfessionellen Religionsunterricht erteilt wird, ohne diesen in irgendeiner Form zu verdrängen.

Sehr geehrter Herr Botschafter! Deutschland ist ein weltzugewandtes Land. Unser Heimatland hat heute seinen festen und anerkannten Platz in der europäischen Staaten- und Völkergemeinschaft. Und über die Fragen nationalen Interesses hinaus vergißt Deutschland nicht die Probleme vieler armer Länder in anderen Teilen der Welt. Auch die internationalen kirchlichen Hilfswerke der Katholischen Kirche, die auf deutschem Boden ihren Sitz haben, dürfen auf die treue Spendenbereitschaft der Bevölkerung zählen. In vielen internationalen, humanitären und Menschenrechtsfragen kann der Apostolische Stuhl mit der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Deutschen Bundesregierung rechnen. Für all dies bin ich und ist die Kirche aufrichtig dankbar. Mit Ihrer langen diplomatischen Erfahrung im Dienst der Bundesrepublik Deutschland werden Sie, Herr Botschafter, dazu beitragen können, daß diese Zusammenarbeit stets fest und für die Menschen gewinnbringend ist. Von Herzen erbitte ich Ihnen, Ihrer werten Familie und allen Botschaftsangehörigen Gottes beständigen Schutz und Seinen reichen Segen.

AN HERRN RROK LOGU, NEUER BOTSCHAFTER VON ALBANIEN BEIM HL. STUHL

Apostolischer Palast in Castelgandolfo

Freitag, 29. September 2006



Herr Botschafter!

137 Zu Ihrem Amtsantritt heiße ich Sie herzlich willkommen und danke Ihnen für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet, sowie für die Empfindungen der Hochachtung, die Sie gegenüber dem Heiligen Stuhl zum Ausdruck gebracht haben. Ich bitte Sie, den Herrn Präsidenten der Republik wissen zu lassen, daß ich seine Grüße herzlich erwidere, während ich meinen Gruß auf das ganze albanische Volk ausweite, dessen Streben nach Wahrheit und Freiheit, wie Sie zu Recht gesagt haben, auch durch die lange und harte kommunistische Diktatur nicht ausgelöscht wurde, von der es erst seit wenigen Jahren befreit ist. Damit eine Atmosphäre echter Freiheit wachsen kann, bedarf es eines angemessenen ethischspirituellen Umfeldes, das in seiner Auffassung das Wesen und die Berufung des Menschen und der Welt widerspiegelt. Europa war gewiß mit seinem überaus reichen geistigen und institutionellen Erbe im Verlauf dieser beiden Jahrtausende ein vorrangiges »Laboratorium« der Zivilisation, wenn auch unter großen und vielfältigen Mühsalen. Wie viele Kriege! Bis hin zu jenen des vergangenen Jahrhunderts, die das Ausmaß von Weltkriegen angenommen haben. Albanien strebt danach, sich auch institutionell in die europäischen Nationen zu integrieren, da es sich mit ihnen nicht nur aus geographischen, sondern auch und vor allem aus historisch-kulturellen Gründen bereits verbunden weiß. Ich kann nur wünschen, daß jenes Streben eine wirksame und vollkommene Umsetzung finden möge und zu einem harmonischen Prozeß der Einigung Europas auf besondere Weise beitragen kann.

Herr Botschafter, ich habe mich sehr gefreut, daß Sie im Hinblick sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Gegenwart hervorgehoben haben, wie wichtig die Anwesenheit und das Wirken der katholischen Kirche in Albanien ist - für die Förderung des Glaubens und der geistlichen Werte sowie für die Hilfe, die die Kirche in Notsituationen vieler Art leistet. In diesem Zusammenhang möchte ich an Mutter Teresa erinnern, die im Jahre 2003 durch meinen verehrten Vorgänger Johannes Paul II. seliggesprochen wurde. Mit dem Zeugnis eines Lebens aus dem Geist des Evangeliums und mit dem entwaffnenden Mut ihrer Taten, ihrer Worte und ihrer Schriften hat diese auserwählte Tochter Albaniens allen verkündet, daß Gott Liebe ist und daß er jeden Menschen liebt, besonders die Armen und Verlassenen. In der Tat ist die Liebe die wahre revolutionäre Kraft, die die Welt verändert und sie zu ihrer Erfüllung fortschreiten läßt; von dieser Liebe möchte die Kirche Zeugnis geben durch ihre Erziehungsarbeit und ihre Hilfswerke, die nicht nur den Katholiken offenstehen, sondern allen Menschen. Das ist der Stil, den Jesus Christus gelehrt hat: Das Gute muß um seiner selbst willen getan werden und nicht mit anderen Zielen. Indem ich diesen Einsatz der Kirche für die Umsetzung der dem Evangelium entsprechenden Liebe unterstreiche, möchte ich daran erinnern, daß eine wichtige Form der Nächstenliebe die Tätigkeit im Bereich der Politik ist, wenn sie als Dienst an der »polis«, an der »öffentlichen Sache« gelebt wird, unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls. Diesen Dienst auszuüben, fühlen sich die Katholiken berufen, besonders die Laien, unter Achtung der rechtmäßigen Autonomie der Politik und in Zusammenarbeit mit allen Bürgern für den Aufbau einer blühenden, brüderlichen und solidarischen Nation. In diesem Augenblick steht Albanien vielen Herausforderungen gegenüber. Ich möchte daraus das Problem der Auswanderung vieler seiner Söhne und Töchter herausgreifen. Wenn es einerseits notwendig ist, die Ursachen dieses Phänomens zu bekämpfen, so müssen jedoch auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß diejenigen, die es wünschen, in ihre Heimat zurückkehren können. Und ich möchte hier meine Wertschätzung den Albanern aussprechen, die den besten Werten ihrer Tradition treu sind und in Italien, in Europa und anderen Ländern der Erde hochgeachtet werden.

Was darüber hinaus die offiziellen Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Staat betrifft, so heiße ich die von Ihnen erwähnte Vereinbarung gut, die mit dem Ziel getroffen wurde, das Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Albanien aus dem Jahr 2002 zur Anwendung zu bringen. Ich wünsche, daß entsprechende Vereinbarungen folgen mögen, um auch die wirtschaftlichen Aspekte zu regeln, die eine nicht geringe Bedeutung besitzen. Der Heilige Stuhl will auf diese Weise zur Konsolidierung des Rechtsstaates in Albanien und zur Schaffung der notwendigen juridischen Rahmenbedingungen für die wirkliche Ausübung der Bürgerrechte im religiösen Bereich beitragen. Das wird darüber hinaus das Zusammenleben der verschiedenen religiösen Bekenntnisse unterstützen, die es in Ihrem Land gibt und die bisher ein Musterbeispiel gegenseitiger Achtung und Zusammenarbeit gegeben haben, das es zu bewahren und zu fördern gilt.

Herr Botschafter, ich bringe Ihnen meine besten Wünsche zum Ausdruck für eine friedvolle und gewinnbringende Sendung und versichere Sie der herzlichen Mitarbeit derer, die in den verschiedenen Dikasterien des Apostolischen Stuhls tätig sind. Am Ende dieser Reflexionen möchte ich gerne noch einmal den hoffnungsvollen Wunsch wiederholen, den der Diener Gottes Johannes Paul II. während des historischen Besuchs am 25. April 1993 an das geliebte albanische Volk richtete, das heißt »vereint und entschlossen den Weg weiterzugehen, der … zur vollen Freiheit in Achtung vor allen führt, wenn ihr den euch vertrauten Fußstapfen des friedlichen Zusammenlebens sowie der offenen Zusammenarbeit und Absprache unter den verschiedenen ethnischen, kulturellen und geistigen Gruppen folgt« (Ansprache bei der Ankunft auf dem Flugplatz Rinas/Tirana; in O.R. dt., Nr. 18, 7.5.1993, S. 9). Auf diesem Weg wird Albanien auf die Unterstützung durch die katholische Kirche und insbesondere durch den Heiligen Stuhl zählen können. Dessen versichere ich Sie ebenso wie meines Gebetsgedenkens, während ich den himmlischen Segen auf Sie und Ihre Familie, auf den Präsidenten der Republik und auf das ganze albanische Volk herabrufe.


AN DIE BISCHÖFE AUS MALAWI ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Freitag, 29. September 2006

138

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Mit Freude begrüße ich euch, die Bischöfe aus Malawi, zu eurem Besuch »ad limina Apostolorum« und danke euch für die freundlichen Worte, die der Vorsitzende eurer Bischofskonferenz, Erzbischof Tarcisius Ziyaye, in eurem Namen an mich gerichtet hat. Euer Besuch bringt die tiefen Bande der Gemeinschaft und der Zuneigung zum Ausdruck, die eure Ortskirchen in Ostafrika mit dem Sitz von Rom verbinden.

Simon Petrus war berufen, seine Brüder zu stärken (vgl.
Lc 22,32) und die Schafe des Herrn zu weiden (vgl. Jn 21,17), und auch ihr seid als Leiter und Hirten eures Volkes eingesetzt, um es im Namen des Herrn zu lehren, zu heiligen und zu leiten. Mögt ihr auf die Fürsprache der Apostel Petrus und Paulus, deren Gräber ihr hier verehrt, in eurem Dienstamt unter den Menschen in Malawi gefestigt und gestärkt werden, um weiterhin mutig das Evangelium Jesu Christi zu verkünden, der gekommen ist, »damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« (Jn 10,10).

In aller Welt ist bekannt, mit welch überschwenglicher Begeisterung die afrikanischen Völker Gott in ihren liturgischen Feiern preisen, und die Kirche in Malawi bildet keine Ausnahme. Ihre freudige Feier bringt die große Lebenskraft eurer christlichen Gemeinschaften zum Ausdruck und spiegelt die Tatsache wider, daß der größte Teil der Bevölkerung aus jungen Menschen besteht. Führt sie auch weiterhin mit wahrhaft väterlicher Sorge zur tieferen Kenntnis ihres gekreuzigten und auferstandenen Herrn, und stellt sicher, daß sie stets eine gute Katechese im Glauben erhalten. Um das zu erreichen, ist es wichtig, daß Lehrer und Katecheten auf ihre wichtige Aufgabe gut vorbereitet werden, da sie, wie ihr wißt, eine wesentliche Rolle spielen, um den Bischof zu unterstützen in seiner Verantwortung als derjenige, der mit der Autorität Christi lehrt. Daher sollten sie eine gute Unterweisung im Glauben erhalten und in der Lage sein, die Freude ebenso wie die Herausforderung der Nachfolge Christi zu vermitteln. Ich vertraue darauf, daß es der jüngst eröffneten Katholischen Universität von Malawi gelingen wird, einen wesentlichen Beitrag auf diesem Gebiet zu leisten, und ermutige euch, alles in eurer Macht Stehende zu tun, um ihr ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen und stets eine Lehrtätigkeit auf hohem Niveau und in der Treue zum kirchlichen Lehramt aufrechtzuerhalten.

In einer von diesseitigen und materialistischen Werten beherrschten Welt kann es schwerfallen, jene der vorherrschenden Kultur entgegengesetzte Lebensweise einzuhalten, die für das Priestertum und das Ordensleben so notwendig ist. Der Klerus in eurem Land befindet sich ebenso wie jene, denen er dient, manchmal in Notsituationen, da ihm die notwendigen Mittel fehlen »für den angemessenen Unterhalt … und für die apostolischen und caritativen Werke« (Presbyterorum ordinis PO 17). Ich bin mir sicher, daß ihr das Äußerste tun werdet, um für die rechtmäßigen Bedürfnisse eurer Mitarbeiter zu sorgen und sie gleichzeitig vor übermäßiger Sorge um materielle Güter zu warnen. Helft euren Priestern, nicht in die Falle zu geraten, das Priestertum als Mittel zum sozialen Aufstieg zu betrachten, und ermahnt sie: »Der einzig rechtmäßige Aufstieg zum Hirtenamt in der Kirche ist das Kreuz« (Predigt bei der Priesterweihe in der Peterskirche am Vierten Sonntag der Osterzeit; in O.R. dt., Nr. 20, 19.5.2006, S. 7). Die Ausbilder in den Seminarien müssen die Studenten lehren, daß ein Priester berufen ist, für andere und nicht für sich selbst zu leben, gleichgestaltet mit Christus, denn dieser ist »nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele« (Mc 10,45). Vor allem aber kann der Bischof durch das Vorbild seines wahrhaft auf Christus hingeordneten Dienstes seinen Priestern Orientierung bieten.

Meine lieben Mitbrüder im Bischofsamt, lebt als wahre Jünger Christi, und laßt eure Nachfolge die Grundlage der von euch ausgeübten Autorität sein. Ich bete dafür, daß ihr auf diese Weise in der Lage sein werdet, die Bande brüderlicher Liebe innerhalb des Presbyteriums jeder eurer Ortskirchen zu festigen.

Mit Freude stelle ich fest, daß ihr bei der Ausübung eures Lehramts weiterhin auch zu sozialen Fragen Stellung nehmt. Euer Pastoralbrief zum Pfingstfest »Unser Leben und unsere Gesellschaft durch die Kraft des Heiligen Geistes erneuern«, den ihr im Frühjahr veröffentlicht habt, hat die Aufmerksamkeit auf einige der sozialen und moralischen Übel gelenkt, die eure Nation plagen. Die Nahrungssicherheit ist nicht nur durch Trockenheit gefährdet, sondern auch durch eine leistungsschwache und ungerechte Verwaltung der Landwirtschaft; die Verbreitung von Aids nimmt zu durch fehlende Treue gegenüber dem einen Ehepartner oder durch fehlende Enthaltsamkeit; die Rechte von Frauen, Kindern und Ungeborenen werden durch Menschenhandel, häusliche Gewalt und die Befürworter der Abtreibung auf zynische Weise verletzt. Hört nie auf, die Wahrheit zu verkünden, beharrt auf ihr, »ob man es hören will oder nicht« (2Tm 4,2), denn »die Wahrheit wird euch befreien« (Jn 8,32). Der Gute Hirt, der seine Herde nie allein läßt, wacht über seine Schafe und schützt sie allezeit. Haltet nach seinem Beispiel euer Volk auch weiterhin von den Gefahren fern, die es bedrohen, und führt es auf sichere Weiden. Ich bete dafür, daß die Menschen eurem Rat folgen mögen, damit das Antlitz der Erde erneuert werde (vgl. Ps 104,30) und der Geist Gottes wahrhaft die Einheit eurer Nation wahren möge durch den Frieden, der euch zusammenhält (vgl. Ep 4,3).

Indem ich nun zum Abschluß meiner heutigen Ansprache an euch komme, möchte ich euch das Bild der Apostel in Erinnerung rufen, die im Abendmahlssaal mit Maria, der Mutter des Herrn, versammelt sind und um das Kommen des Heiligen Geistes beten - die gleiche Szene, die ihr im letzten Abschnitt eures bereits erwähnten Pastoralbriefes so schön beschreibt. In jenem Dokument habt ihr euer Volk ermutigt, zum Gebet in den Familien und in kleinen christlichen Gemeinschaften zusammenzukommen. Ich weiß, daß auch ihr weiterhin gemeinsam und in Gemeinschaft mit dem Klerus und den Laien die Gaben des Geistes für die Kirche in eurem Land erbitten werdet. Der Geist ist »eine Kraft, die das Herz der kirchlichen Gemeinschaft verwandelt, damit sie in der Welt eine Zeugin für die Liebe des Vaters ist, der die Menschheit in seinem Sohn zu einer einzigen Familie machen will« (Deus caritas est ).

Auch ich bete darum, daß der Geist in Fülle über euch alle ausgegossen werde, und vertraue euch und eure Priester, Ordensleute und Laien der Fürsprache Marias, Mutter der Kirche, an und erteile von Herzen meinen Apostolischen Segen als Unterpfand der Gnade und Kraft in unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus.


ANSPRACHE 2006 134