ANSPRACHE 2006 151

AN DIE TEILNEHMER AM TREFFEN DER "CHRISTLICHEN WELTGEMEINSCHAFTEN"

Freitag, 27. Oktober 2006



Liebe Freunde!

»Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus« (Rm 1,7). Mit diesen Worten grüßte der Apostel Paulus die frühchristliche Gemeinde in Rom, und mit demselben Gebet heiße ich euch heute hier willkommen, in der Stadt, in der Petrus und Paulus dienten und ihr Blut für Christus vergossen.

Seit Jahrzehnten bietet die Konferenz der Sekretäre der Christlichen Weltgemeinschaften ein Forum für fruchtbringende Kontakte zwischen den verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften. Dadurch konnten ihre Vertreter jenes gegenseitige Vertrauen aufbauen, das notwendig ist, um sich ernsthaft dafür einzusetzen, daß der Reichtum verschiedener christlicher Traditionen in den Dienst der gemeinsamen Berufung zur Nachfolge gestellt wird. Ich freue mich, euch alle heute hier zu treffen und euch in eurer Arbeit zu bestärken. Jeder Schritt in Richtung auf die Einheit der Christen dient der Verkündigung des Evangeliums und wird durch die Gnade unseres Herrn Jesus Christus ermöglicht, der betete, daß seine Jünger eins sein sollen, »damit die Welt glaubt« (Jn 17,21).

152 Uns allen ist deutlich bewußt, daß die heutige Welt eine Neuevangelisierung braucht; die Christen müssen erneut Rede und Antwort stehen in bezug auf die Hoffnung, die sie erfüllt (vgl. 1P 3,15). Dennoch sind die, die Jesus Christus als ihren Herrn bekennen, auf tragische Weise untereinander gespalten und können nicht immer ein übereinstimmendes gemeinsames Zeugnis ablegen. Hierin liegt eine enorme Verantwortung für uns alle.

In diesem Lichte betrachtet, freue ich mich zu sehen, daß das Thema eures Treffens - »Visions of Christian Unity« - eine grundlegende ökumenische Frage in den Mittelpunkt stellt. Die von zahlreichen Christlichen Weltgemeinschaften geführten theologischen Gespräche sind vom Bemühen gekennzeichnet, jenseits des Trennenden auf jene Einheit in Christus zuzugehen, nach der wir streben. So schwer uns der Weg auch erscheinen mag, dürfen wir jedoch nie das endgültige Ziel aus den Augen verlieren: die volle und sichtbare Gemeinschaft in Christus und in der Kirche.

Wir mögen uns entmutigt fühlen, wenn nur langsam Fortschritte gemacht werden, aber es steht zuviel auf dem Spiel, um zurückzugehen. Im Gegenteil, es gibt gute Gründe um vorwärtszugehen, wie mein Vorgänger Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Ut unum sint über den Einsatz der katholischen Kirche für die Ökumene aufgezeigt hat, in der er von wiederentdeckter Brüderlichkeit und größerer Solidarität im Dienst an der Menschheit spricht (41ff.).

Die Konferenz der Sekretäre der Christlichen Weltgemeinschaften setzt sich auch weiterhin mit wichtigen Fragen zu ihrer Identität und ihrer spezifischen Rolle in der ökumenischen Bewegung auseinander. Beten wir dafür, daß diese Überlegungen zu neuen Einsichten führen im Hinblick auf die fortwährende ökumenische Frage der »Annahme« (vgl. ebd. 80f.) und daß sie zur Stärkung des heute so notwendigen gemeinsamen Zeugnisses beitragen mögen.

Gemäß der Zusicherung des Apostels »nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an« (Rm 8,26). Obwohl noch viele Hindernisse überwunden werden müssen, glauben wir dennoch fest daran, daß der Heilige Geist stets gegenwärtig ist und uns auf den rechten Weg führen wird. Laßt uns mit Geduld und Entschlossenheit unseren Weg weitergehen, während wir all unsere Bemühungen Gott darbringen. Ihm »sei Ehre durch Jesus Christus in alle Ewigkeit« (Rm 16,27).



AN DIE BISCHÖFE AUS IRLAND ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Samstag, 28. Oktober 2006



Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Mit den Worten eines traditionellen irischen Grußes heiße ich euch, die Bischöfe Irlands, zu eurem »Ad-limina«-Besuch »hunderttausendmal willkommen«. Während ihr die Gräber der Apostel Petrus und Paulus verehrt, mögt ihr euch anregen lassen vom Mut und vom Weitblick dieser beiden großen Heiligen, die der Kirche in ihrer Sendung, Christus der Welt zu verkünden, getreu vorangegangen sind. Heute seid ihr gekommen, um die Bande der Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri zu festigen, und gerne bringe ich meine Dankbarkeit für die freundlichen Worte zum Ausdruck, die der Präsident eurer Bischofskonferenz, Erzbischof Seán Brady, in eurem Namen an mich gerichtet hat. Das stete Zeugnis unzähliger Generationen des irischen Volkes für ihren Glauben an Christus und ihre Treue zum Heiligen Stuhl hat die Geschichte und die Kultur Irlands zutiefst geprägt. Wir alle sind uns jenes bedeutenden Beitrags bewußt, den Irland für das Leben der Kirche geleistet hat, und kennen den außerordentlichen Mut seiner Söhne und Töchter, die als Missionare die Botschaft des Evangeliums weit über die Küsten des Landes hinausgetragen haben. Unterdessen hat das Feuer des Glaubens in der Heimat mutig weitergebrannt, durch alle Prüfungen hindurch, die euer Volk im Laufe seiner Geschichte durchstehen mußte. Mit den Worten des Psalmisten »will ich ewig singen von den Taten deiner Huld, Herr, bis zum fernsten Geschlecht laut deine Treue verkünden« (vgl. Ps 89,2).

Die Gegenwart bietet zahlreiche neue Gelegenheiten, Christus zu bezeugen und stellt die Kirche Irlands vor neue Herausforderungen. Ihr habt von den Folgen gesprochen, die der zunehmende Wohlstand während der vergangenen 15 Jahre für die Gesellschaft hatte. Nach Jahrhunderten der Emigration, die für so viele Familien schmerzliche Trennung bedeutet hat, erlebt ihr nun erstmals eine Welle der Immigration. Die traditionelle irische Gastfreundschaft findet unerwartete neue Betätigungsfelder. Wie der weise Hausherr, der aus seinem reichen Vorrat »Neues und Altes hervorholt« (Mt 13,52), muß euer Volk die Veränderungen in der Gesellschaft mit Unterscheidungsvermögen beurteilen, und dafür erwartet es eure Führung. Helft ihm zu erkennen, daß die weltliche und materialistische Kultur unfähig ist, wahre Zufriedenheit und Freude hervorzubringen. Sprecht mutig von der Freude, die der Nachfolge Christi und dem Leben nach seinen Geboten entspringt. Erinnert sie daran, daß wir auf den Herrn hin geschaffen sind und unser Herz ruhelos ist, bis es in ihm ruht (vgl. Augustinus, Confessiones, 1,1).

Häufig wird das dem Trend der Kultur entgegengesetzte Zeugnis der Kirche in der heutigen Gesellschaft als etwas Rückständiges und Negatives mißverstanden. Daher ist es wichtig, die Frohe Botschaft, die lebensspendende und das Leben bis zu seiner ganzen Fülle vermehrende Botschaft des Evangeliums hervorzuheben (vgl. Jn 10,10). Obwohl es notwendig ist, nachdrücklich auf die uns bedrohenden Übel hinzuweisen, müssen wir dennoch die Auffassung, daß der Katholizismus lediglich eine »Sammlung von Verboten« ist, richtigstellen. Was wir hier brauchen, ist eine gute Katechese und sorgfältige »Formung des Herzens«, und in dieser Hinsicht seid ihr in Irland mit wirksamen Mitteln gesegnet durch euer Netz von katholischen Schulen und zahlreiche engagierte Ordensleute und Laien, die sich als Lehrer intensiv für die Erziehung der Jugend einsetzen. Bestärkt sie weiterhin in ihrer Aufgabe und sorgt dafür, daß ihre katechetischen Programme auf dem Katechismus der Katholischen Kirche und auch auf dem neuen Kompendium gründen. Jede oberflächliche Darstellung der katholischen Lehre muß vermieden werden, denn nur die Fülle des Glaubens kann die befreiende Kraft des Evangeliums vermitteln. Durch die aufmerksame Überprüfung der Qualität der Lehrprogramme und der verwendeten Lehrbücher und durch die Verkündung der kirchlichen Lehre in ihrer Ganzheit erfüllt ihr eure Aufgabe, das Wort zu verkünden, ob man es hören will oder nicht, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung (vgl. 2Tm 4,2).

Bei der Ausübung eures pastoralen Amtes mußtet ihr euch in den letzten Jahren mit zahlreichen erschütternden Fällen sexuellen Mißbrauchs an Minderjährigen befassen, die um so tragischer sind, wenn der Verantwortliche dem Klerus angehört. Die von solchen Taten verursachten Wunden sind tief, und es ist ein dringendes Anliegen, die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen überall dort wieder herzustellen, wo sie zerstört worden sind. In eurem unermüdlichen Bemühen, dieses Problem in wirksamer Weise anzugehen, ist es vor allem wichtig, die Wahrheit über das ans Licht zu bringen, was in der Vergangenheit geschehen ist, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit sich derartiges nicht mehr wiederholt, zu gewährleisten, daß die Prinzipien der Gerechtigkeit vollkommen geachtet werden und, vor allem, den Opfern und all jenen Heilung zu bringen, die von diesen ungeheuerlichen Verbrechen betroffen sind. Dadurch wird die Kirche in Irland gestärkt werden und mehr und mehr in der Lage sein, die erlösende Kraft des Kreuzes Christi zu bezeugen. Ich bete, daß durch die Gnade des Heiligen Geistes diese Zeit der Reinigung dem Volk Gottes in Irland ermögliche, »die Heiligung, die sie empfangen haben, mit Gottes Gnade im Leben [zu] bewahren und zur vollen Entfaltung [zu] bringen« (Lumen gentium LG 40).

153 Die hervorragende Arbeit und der selbstlose Einsatz der überwiegenden Mehrheit der irischen Priester und Ordensleute sollte durch die Vergehen einiger ihrer Brüder nicht beeinträchtigt werden. Zweifellos wissen die Menschen das und werden ihrem Klerus auch weiterhin Zuneigung und Achtung entgegenbringen. Ermutigt eure Priester, stets spirituelle Erneuerung zu suchen und jene Freude neu zu entdecken, ihren Dienst für ihre Herden in der großen Familie der Kirche zu tun. Einst war Irland mit einem solchen Reichtum von Priester- und Ordensberufungen gesegnet, daß ihr apostolisches Wirken einem großen Teil der Welt zugute kommen konnte. In letzter Zeit jedoch ist die Zahl der Berufungen stark zurückgegangen.

Wie dringend ist es daher, die Worte des Herrn zu beherzigen: »Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden« (
Mt 9,37-38). Mit Freude habe ich erfahren, daß zahlreiche eurer Diözesen die Praxis des stillen Gebets eingeführt haben, mit dem vor dem Allerheiligsten Sakrament um Berufungen gebetet wird; eine Initiative, die sehr gefördert werden sollte. Doch vor allem kommt es euch, den Bischöfen, und eurem Klerus zu, jungen Menschen eine begeisternde und anziehende Sichtweise des geweihten Priestertums zu vermitteln. Unser Gebet für die Berufungen geschieht darin, »daß aus Wort Tun wird, daß aus unserem betenden Herzen dann der Funke der Freude an Gott, der Freude am Evangelium, der Bereitschaft zum ›Ja-sagen‹ in die anderen Herzen überspringt« (Ansprache an die Priester und Ständigen Diakone, Freising, 14. September 2006; in O.R. dt., Nr. 38, 22.9.2006, S. 11). Auch wenn der christliche Einsatz in gewissen Kreisen als unmodern gilt, so ist dennoch bei den Jugendlichen Irlands ein echter spiritueller Hunger vorhanden sowie das hochherzige Verlangen, anderen zu dienen. Die Berufung zum Priestertum oder zum Ordensleben ist eine Möglichkeit, diesem Wunsch auf eine Art und Weise zu entsprechen, die tiefe Freude und persönliche Erfüllung mit sich bringt.

Erlaubt mir, eine Bemerkung hinzuzufügen, die mir sehr am Herzen liegt. Seit vielen Jahren haben Vertreter aller christlicher Religionen, führende Politiker und zahlreiche Männer und Frauen guten Willens nach Möglichkeiten gesucht, um Nordirland eine bessere Zukunft zu sichern. Trotz des beschwerlichen Wegs konnten in letzter Zeit große Fortschritte gemacht werden. Ich hoffe, daß der Einsatz aller Beteiligten zu einer Gesellschaft führen wird, die vom Geist der Versöhnung, gegenseitiger Achtung und bereitwilliger Kooperation zum Wohl aller geprägt ist.

Während ihr euch auf die Rückkehr in eure Diözesen vorbereitet, empfehle ich euer apostolisches Amt der Fürsprache aller Heiligen Irlands und versichere euch meiner tiefen Zuneigung und meines ständigen Gebets für euch und das irische Volk. Möge »Unsere Liebe Frau von Knock« über euch wachen und euch stets schützen. Euch allen und den Priestern, Ordensleuten und Laien eurer geliebten Insel erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen als Unterpfand des Friedens und der Freude im Herrn Jesus Christus.

AN DIE BISCHÖFE AUS GRIECHENLAND ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Montag, 30. Oktober 2006



Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Ihr kommt aus einem Land, das der Völkerapostel sehr liebte, und so möchte ich euch mit seinen Worten begrüßen: »Ich danke Gott jederzeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde, daß ihr an allem reich geworden seid in ihm, an aller Rede und aller Erkenntnis« (1Co 1,4-5). Ich freue mich, euch als Nachfolger Petri zu empfangen, des Apostels, dem Christus besondere Verantwortung übertragen hat für die Förderung der Einheit der Kirche, der Braut, für die er am Kreuz sein Blut vergossen hat. Dem »Ad-limina«-Besuch, den ihr zur Zeit durchführt, kommt für die Vertiefung der Gemeinschaft, die durch die Gnade Gottes zwischen uns besteht, besondere Bedeutung zu. Diese Gemeinschaft ist ein Geschenk Gottes, dessen wir uns bewußt sind und dessen eifrige Hüter wir sein wollen.

In den Begegnungen mit jedem einzelnen von euch konnte ich eure gemeinsame Besorgnis aufgrund der raschen Veränderungen in der Zusammensetzung eurer Gemeinden spüren. Die politischen und sozialen Ereignisse in dem Raum, in dem sich die euch anvertrauten Kirchen befinden, haben pastorale Probleme hervorgebracht, die schnelle Lösungen verlangen. Besonders die beachtliche Zuwanderung von Katholiken aus den umliegenden Nationen stellt euch und euren Klerus vor neue Anforderungen im pastoralen Dienst, die nicht leicht zu bewältigen sind. Ich verstehe daher eure apostolischen Sorgen angesichts einer Herde, die stark angewachsen ist und die durch die Anwesenheit von Gläubigen unterschiedlicher Sprachen und Riten eine große innere Vielfalt aufweist. Ich denke, daß die Entwicklung eines konstruktiven Gesprächs mit den anderen Episkopaten gerade im Lichte der neuen Situation äußerst angebracht ist. Aus diesem Austausch werden mit Sicherheit kluge Entscheidungen hervorgehen, die darauf ausgerichtet sind, die Priester zu finden, die für die Arbeit gebraucht werden, sowie Ressourcen, auf die man zählen kann. Natürlich müssen die jeweiligen Identitäten geachtet werden, ohne deshalb das Leben und die Pläne der Kirchen, die Christus euch anvertraut hat, zu opfern. Ihr seid die Hirten des Volkes Gottes auf griechischem Boden: Dabei handelt es sich nicht einfach um einen Ehrentitel, sondern um eine echte Verantwortung mit klar umrissenen Aufgaben.

In diesem Zusammenhang ermutige ich euch von Herzen, in euren Bemühungen zur Förderung der Berufungspastoral nicht nachzulassen: Einerseits ist es notwendig, die Keime der Berufung, die Gott auch in unserer Zeit weiterhin in die Herzen von Jungen und Mädchen legt, sorgfältig zu pflegen; andererseits müssen die christlichen Gemeinden eingeladen werden, inständiger zum »Herrn der Ernte« zu beten, damit er für die angemessene Durchführung der verschiedenen Aufgaben innerhalb des mystischen Leibes Christi neue Priester und geweihte Personen hervorbringe. Ich wünsche jedenfalls, daß man durch den großherzigen Einsatz aller auch in der gegenwärtigen Situation den geistlichen Nöten der vielen Immigranten entgegenkommen kann, die in eurem Land würdige und herzliche Aufnahme gefunden haben. Das ist die Wesensart, die eurem Volk zu eigen ist, das sich schon immer zu einer konstruktiven Begegnung mit den Nachbarvölkern zu öffnen vermocht hat. Auch dank dieses euch eigenen Vorzugs werdet ihr sicher den richtigen Ansatz finden können im Gespräch mit den anderen katholischen Episkopaten der verschiedenen Riten, um so in eurem Land geeignete pastorale Dienste zum fruchtbaren Zeugnis für das Evangelium ins Leben zu rufen.

Die Vorsehung hat euch in engen Kontakt mit unseren orthodoxen Brüdern gebracht, die zahlenmäßig die Mehrheit eurer Mitbürger bilden. Alle haben den großen Wunsch, gemeinsam an dem einen Tisch des Herrn teilzuhaben, auf dem unter dem Schleier des Sakraments das eine Opfer Christi dargebracht wird! Wir wollen noch inständiger dafür beten, daß möglichst bald der gesegnete Tag komme, an dem es uns gegeben sein wird, gemeinsam das Brot zu brechen und aus demselben Kelch zu trinken, welcher den Preis unseres Heils enthält. In diesem Zusammenhang wünsche ich, daß sich immer größere Perspektiven für einen konstruktiven Dialog zwischen der orthodoxen Kirche Griechenlands und der katholischen Kirche öffnen und es vermehrt gemeinsame Initiativen auf geistlicher, kultureller und praktischer Ebene geben möge. Ich freue mich auch, Seiner Seligkeit Christódoulos, Erzbischof von Athen und Primas von ganz Griechenland, meinen Gruß und meine besten Wünsche zukommen zu lassen und bitte den Herrn, seinen Weitblick und seine kluge Umsicht bei der Erfüllung des ihm vom Herrn anvertrauten anspruchsvollen Dienstes stets zu erhalten. Durch ihn grüße ich ganz herzlich den Heiligen Synod der orthodoxen Kirche Griechenlands und alle Gläubigen, denen diese mit apostolischer Hingabe liebevoll dient. Ich bin sicher, daß ihr, verehrte Mitbrüder, dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen und den Mitgliedern des Bischofskollegiums der orthodoxen Kirche Griechenlands eure wirksame Zusammenarbeit anbieten werdet, um weitere Fortschritte auf dem Weg zur ersehnten vollen Einheit zu unterstützen.

Den Gesprächen mit euch habe ich auch euren Wunsch entnommen, von staatlicher Seite das Recht definiert zu sehen, einen angemessenen und anerkannten rechtlichen Status zu haben. Über diese Frage werden - wie ihr sehr gut wißt - zur Zeit Gespräche geführt, an denen der Apostolische Stuhl nicht als Hauptgesprächspartner beteiligt ist. Es handelt sich nämlich um eine interne Angelegenheit, der der Heilige Stuhl jedoch große Aufmerksamkeit entgegenbringt, weil er eine angemessene Lösung der betreffenden Probleme wünscht, auf der Grundlage nicht nur der geltenden lokalen Gesetzgebung und der europäischen Richtlinien, sondern auch des internationalen Rechts und der inzwischen gefestigten Praxis herzlicher und fruchtbarer bilateraler Beziehungen. Neben dem Dialog bedarf es auf diesem Gebiet der Beharrlichkeit. Es ist nicht notwendig hinzuzufügen, daß die katholische Kirche keine Privilegien sucht, sondern nur die Anerkennung ihrer Identität und Sendung verlangt, um erfolgreich ihren Beitrag leisten zu können zum ganzheitlichen Wohlergehen des edlen griechischen Volkes, zu dem ihr gehört. Mit Geduld und unter Achtung der rechtmäßigen Vorgehensweisen wird es dank des Einsatzes aller möglich sein, die gewünschte Einigung zu erzielen.

154 Verehrte Mitbrüder, mit aufrichtiger Anteilnahme habe ich aus eurem Munde von den Schwierigkeiten erfahren, unter denen zahlreiche Gemeinden leiden aufgrund der Entfernungen, die die Gläubigen zurücklegen müssen. Viele von ihnen leben weit voneinander entfernt über das ganze Gebiet verteilt; die Folge davon ist, daß sie große Schwierigkeiten haben, mit den jeweiligen Hirten in Verbindung zu bleiben. Auch im Lichte dieser Tatsachen offenbart sich die ganze Bedeutung der herzlichen und wahren Einheit unter euch Bischöfen, durch eine immer wirksamere innere Koordination. Eine gemeinsame Untersuchung der gemeinsamen Probleme führt zu Lösungen, die die Zustimmung aller finden, und zu einem kirchlichen Weg, auf dem jeder einzelne aufgerufen ist, seinen Beitrag zum Ausgleich der Nöte der anderen zu leisten, um miteinander das Reich Gottes aufzubauen. Aufgabe des Dieners Gottes ist es nämlich, alles zu tun, was im Bereich seiner Möglichkeiten liegt, damit die Gaben, die Gott jedem einzelnen geschenkt hat, der Erbauung aller dienen und so der eine Herr gelobt wird.

Meine Lieben, der Geist Christi hat euch in der Kirche als Hirten und Lehrer eingesetzt. Fürchtet nicht die Schwierigkeiten, sondern dankt in allem Gott, indem ihr mit ihm für das Heil der Seelen zusammenarbeitet. Seid gewiß, daß die Vorsehung euch in euren Bemühungen nicht allein lassen wird. Überbringt bei der Rückkehr zu euren jeweiligen Bischofssitzen euren Priestern, Ordensleuten und allen Gläubigen meinen herzlichen Gruß und versichert sie meines inständigen Gebets und meiner fortdauernden Liebe. Während ich für jeden die himmlische Fürsprache Mariens, Königin der Apostel, anrufe, erteile ich euch und allen, die eurer pastoralen Sorge anvertraut sind, einen besonderen Segen als Unterpfand der reichen Tröstungen des Herrn.

November 2006



BESUCH DER PÄPSTLICHEN UNIVERSITÄT GREGORIANA

Freitag, 3. November 2006



Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Professoren und liebe Studenten!

Ich freue mich, heute mit euch zusammenzutreffen. Ein erster Gruß geht an euch Studenten, die ich so zahlreich in diesem vornehm-strengen Säuleninnenhof versammelt sehe, die aber, wie ich weiß, auch in verschiedenen Hörsälen über Bildschirme und Lautsprecher mit uns verbunden sind. Liebe junge Leute, ich danke euch für die durch euren Vertreter und von euch selbst zum Ausdruck gebrachten Empfindungen. In gewissem Sinn gehört diese Universität ja euch. Sie besteht seit dem weit zurückliegenden Jahr 1551 - als der hl. Ignatius von Loyola sie gegründet hat - für euch, für die Studenten. Alle Kräfte, die eure Professoren und Dozenten für Lehre und Forschung einsetzen, sind für euch bestimmt. Euch gilt die tägliche Sorge und Mühe des Rektors, der Vizerektoren, der Dekane und der Präsides. Ihr seid euch dessen bewußt, und ich bin sicher, daß ihr dafür auch dankbar seid.

Ein besonderer Gruß geht sodann an Kardinal Zenon Grocholewski. Als Präfekt der Kongregation für das katholische Bildungswesen ist er Großkanzler dieser Universität und vertritt in ihr den römischen Papst (vgl. Statuta Universitatis, Art. 6, § 2). Eben deshalb erklärte mein Vorgänger seligen Angedenkens, Pius XI., die Universität Gregoriana »plenissimo iure ac nomine« zur Päpstlichen Universität (vgl. Apostolisches Schreiben Gregorianam studiorum, in: AAS 24 [1932], S. 268). Die Geschichte des Collegium Romanum und der aus ihm hervorgegangenen Universität Gregoriana ist, wie Pater Rektor in seinem Grußwort an mich ausführte, die Grundlage dieses ganz besonderen Statuts. Ich begrüße den hochwürdigen P. Peter-Hans Kolvenbach SJ, der als Generaloberer der Gesellschaft Jesu Vize-Großkanzler der Universität ist und dem die unmittelbare Sorge für dieses Werk obliegt, das ich, ohne zu zögern, als einen der größten Dienste bezeichne, welche die Gesellschaft Jesu der Universalkirche leistet.

Ich begrüße die hier anwesenden Wohltäter: den »Freundeskreis der Gregoriana« aus Deutschland, die »Gregorian University Foundation« aus New York, die Stiftung »La Gregoriana« aus Rom und andere Gruppen von Wohltätern. Liebe Freunde, ich danke euch für alles, was ihr großherzig leistet, um dieses Werk zu unterstützen, das der Heilige Stuhl der Gesellschaft Jesu anvertraut hat und weiter anvertraut. Ich begrüße die Jesuitenpatres, die hier mit lobenswerter Opferbereitschaft, Disziplin und Einfachheit im Lebensstil ihr Lehramt ausüben; mit ihnen begrüße ich die übrigen Professoren und schließe auch die Patres und Brüder des Päpstlichen Bibelinstituts und des Päpstlichen Orientalischen Instituts ein, die mit der Gregoriana zusammen ein akademisches »Consortium« bilden (vgl. Pius XI., Motu proprio Quod maxime, 30. September 1928), das höchstes Ansehen genießt, nicht nur im Hinblick auf die Lehre, sondern auch wegen der Bücherschätze der drei Bibliotheken, die mit unvergleichlichen Fachbeständen ausgestattet sind. Schließlich grüße ich das Universitätspersonal, das nicht dem Lehrkörper angehört und das seine Stimme durch den Generalsekretär, dem ich danke, zu Gehör gebracht hat. Das Personal, das nicht dem Lehrkörper angehört, leistet tagtäglich einen Dienst im verborgenen, der aber für die Sendung sehr wichtig ist, zu deren Erfüllung die Gregoriana im Auftrag des Heiligen Stuhls berufen ist. Jedem von ihnen gilt meine herzliche Ermutigung.

Voll Freude finde ich mich hier in diesem Säuleninnenhof wieder, den ich zu verschiedenen Anlässen durchquert habe. Ich erinnere mich insbesondere an die Verteidigung der Dissertation von Pater Lohfink während des Konzils in Anwesenheit vieler Kardinäle und auch einfacher Sachverständiger wie mir. Gern erinnere ich mich besonders an die Zeit, in der ich als Ordinarius für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Regensburg im Jahr 1972 vom damaligen Rektor P. Hervé Carrier SJ eingeladen wurde, für die Studenten des II. Zyklus des Fachbereiches Dogmatische Theologie einen Vorlesungskurs zu halten. Thema meiner Vorlesungen war die heilige Eucharistie. Mit der Erfahrung von damals sage ich euch, liebe Professoren und Studenten, daß die Mühen des Studiums und der Lehre, um in bezug auf das Reich Gottes sinnvoll zu sein, von den theologischen Tugenden getragen sein müssen. Denn der unmittelbare Gegenstand der theologischen Wissenschaft in ihren verschiedenen Spezialfächern ist Gott selbst, der sich in Jesus Christus offenbart hat, der Gott mit einem menschlichen Antlitz. Auch dann, wenn - wie im Kirchenrecht und in der Kirchengeschichte - der unmittelbare Gegenstand das Volk Gottes in seiner sichtbaren und geschichtlichen Dimension ist, werden wir durch die vertiefte Analyse des Themas wieder dazu gedrängt, im Glauben das Geheimnis des auferstandenen Christus zu betrachten. Er ist es, der in seiner Kirche gegenwärtig ist und sie durch das zeitliche Geschehen zur eschatologischen Fülle führt, ein Ziel, auf das wir, von der Hoffnung getragen, zugehen. Es genügt jedoch nicht, Gott zu kennen; um ihm wirklich begegnen zu können, muß man ihn auch lieben. Die Kenntnis muß zur Liebe werden. Das Studium der Theologie, des Kirchenrechts und der Kirchengeschichte ist nicht nur Kenntnis der Glaubenssätze in ihrer historischen Ausformulierung und praktischen Anwendung, sondern es ist immer auch das Verständnis dieser Sätze im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Nur der Geist ergründet die Tiefen Gottes (vgl. 1Co 2,10); nur im Hören auf den Geist kann man daher die Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes ergründen (vgl. Rm 11,33). Der Geist ist im Gebet zu hören, wenn sich das Herz für die Betrachtung des Geheimnisses Gottes öffnet, das sich uns im Sohn Jesus Christus offenbart hat, dem Ebenbild des unsichtbaren Gottes (vgl. Col 1,15), eingesetzt als Haupt der Kirche und Herr aller Dinge (vgl. Ep 1,10 Col 1,18).

Die Universität Gregoriana hat sich seit ihren Anfängen als Collegium Romanum durch das Studium der Philosophie und Theologie ausgezeichnet. Es würde zu weit führen, die Namen der hervorragenden Philosophen und Theologen aufzuzählen, die auf den Lehrstühlen dieses akademischen Zentrums aufeinanderfolgten. Zu ihnen müßten wir auch jene berühmten Kanonisten und Kirchenhistoriker hinzufügen, die ihre Kräfte in diesen würdigen Mauern eingesetzt haben. Sie alle haben in hohem Maße zum Fortschritt der von ihnen betriebenen Wissenschaften beigetragen und somit dem Apostolischen Stuhl bei der Erfüllung seines Amtes in den drei Funktionen der Lehre, der Leitung und des Hirtendienstes einen wertvollen Dienst erwiesen. Mit dem Fortschreiten der Zeiten ändern sich notwendigerweise die Perspektiven. Heute kann man nicht umhin, der Auseinandersetzung mit der weltlichen Kultur Rechnung zu tragen, die in vielen Teilen der Welt immer mehr dazu tendiert, nicht nur jedes Zeichen der Gegenwart Gottes im Leben der Gesellschaft und des einzelnen zu leugnen, sondern versucht, seine Fähigkeit, auf Gott zu hören, zu zerstören - mit verschiedenen Mitteln, die das Gewissen des Menschen in die Irre führen und verfinstern. Ferner kann man nicht absehen von der Beziehung zu den anderen Religionen, die sich nur dann als konstruktiv erweist, wenn man jede Doppeldeutigkeit vermeidet, die den wesentlichen Inhalt des christlichen Glaubens an Christus, den einzigen Erlöser aller Menschen (vgl. Ac 4,12), und an die Kirche, das für die ganze Menschheit notwendige Heilssakrament (vgl. Erklärung Dominus Iesus, Nr. 13-15; 20-22, in O.R. dt., Nr. 36, 8.9.2000, S. 7-12), in irgendeiner Weise schwächen würde.

155 Ich kann in diesem Augenblick die anderen Humanwissenschaften nicht übergehen, die in Anknüpfung an die ruhmreiche akademische Tradition des Collegium Romanum an dieser angesehenen Universität gelehrt werden. Welch hohes Ansehen sich das Collegium Romanum auf dem Gebiet der Mathematik, der Physik und der Astronomie erworben hat, ist allen bekannt. Man braucht nur daran zu erinnern, daß der »Gregorianische« Kalender - er wird so genannt, weil er von meinem Vorgänger Gregor XIII. eingeführt wurde -, der heute in der ganzen Welt in Gebrauch ist, im Jahr 1582 von P. Cristoforo Clavio, Professor am Collegium Romanum, erarbeitet wurde. Es genügt auch, P. Matteo Ricci zu erwähnen, der mit seinem Glaubenszeugnis auch das Wissen, das er sich als Schüler von Pater Clavio erworben hatte, bis in das ferne China brachte. Heute werden diese Fächer an der Gregoriana nicht mehr gelehrt, aber an ihre Stelle sind andere Humanwissenschaften getreten, wie die Psychologie, die Sozialwissenschaften, die Kommunikationswissenschaft. Durch sie soll der Mensch tiefer verstanden werden, sowohl in seiner inneren persönlichen Dimension als auch in seiner äußeren Dimension als Baumeister der Gesellschaft in Gerechtigkeit und Frieden und als Übermittler der Wahrheit. Gerade weil diese Wissenschaften den Menschen betreffen, können sie nicht von der Beziehung zu Gott absehen. Der Mensch kann nämlich weder in seinem Inneren noch in seinem Äußeren voll begriffen werden, wenn er nicht als offen für die Transzendenz erkannt wird.

Ohne einen Gottesbezug kann der Mensch keine Antwort auf die grundlegenden Fragen geben, die sein Herz hinsichtlich des Ziels und damit des Sinns seiner Existenz bewegen und immer bewegen werden. Folglich ist es dann auch nicht möglich, jene ethischen Werte in der Gesellschaft einzuführen, die allein ein menschenwürdiges Zusammenleben gewährleisten können. Das Schicksal des Menschen ohne Gottesbezug kann nur die Trostlosigkeit der Angst sein, die zur Verzweiflung führt. Nur in der Beziehung zu Gott, der Liebe ist und der sich in Jesus Christus offenbart hat, kann der Mensch den Sinn seiner Existenz finden und in der Hoffnung leben, trotz der Erfahrung von Übeln, die seine persönliche Existenz und die Gesellschaft, in der er lebt, verletzen. Die Hoffnung bewirkt, daß sich der Mensch nicht in einem lähmenden und sterilen Nihilismus verschließt, sondern - um die Gesellschaft, in der er lebt, verbessern zu können - offen ist für den großherzigen Einsatz in ihr. Das ist die Aufgabe, die Gott dem Menschen anvertraut hat, als er ihn nach seinem Bild und Gleichnis erschuf, eine Aufgabe, die jeden Menschen mit größter Würde, aber auch mit einer unermeßlichen Verantwortung erfüllt.

Ihr, die Professoren und Dozenten der Gregoriana, seid dazu gerufen, die Studenten, die die Kirche euch anvertraut, mit dieser Perspektive auszubilden. Die umfassende Ausbildung der jungen Menschen ist eines der traditionellen Apostolate der Gesellschaft Jesu seit ihrer Gründung; deshalb hat sich das Collegium Romanum von Anfang an dieser Aufgabe angenommen. Die Tatsache, daß in Rom, beim Apostolischen Stuhl, das Collegium Germanicum, das Römische Seminar, das Ungarische Kolleg, das mit dem Germanikum verbunden ist, das Englische Kolleg, das Griechische Kolleg, das Schottische Kolleg und das Irische Kolleg der Gesellschaft Jesu übertragen wurden, hatte die Sicherstellung der Ausbildung des Klerus jener Nationen zum Ziel, wo die Einheit des Glaubens und die Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl zerbrochen war. Noch heute schicken diese Kollegien in Fortführung jener ursprünglichen Sendung ihre Alumnen fast ausschließlich oder doch in großer Zahl an die Universität Gregoriana. Zu diesen genannten Kollegien kamen im Laufe der Geschichte viele andere hinzu. Wie anspruchsvoll und verpflichtend ist die Aufgabe, die auf euren Schultern lastet, liebe Professoren und Dozenten! Zu Recht habt ihr deshalb nach eingehender Reflexion eine »Absichtserklärung« verfaßt, die für eine Institution wie die eure wesentlich ist, weil sie in zusammenfassender Form auf das Wesen und die Sendung der Universität hinweist. Auf ihrer Grundlage arbeitet ihr nun an der Fertigstellung der Erneuerung der Statuten der Universität und der allgemeinen Universitätsordnung sowie auch der Statuten und Ordnungen der verschiedenen Fakultäten, Institute und Zentren. Das wird dazu beitragen, die Identität der Gregoriana besser zu definieren, weil es die Erarbeitung von Studienprogrammen erlaubt, die für die Erfüllung ihrer Sendung angemessener sind. Eine Sendung, die leicht und zugleich schwierig ist. Leicht, weil die Identität und die Sendung der Gregoriana von deren ersten Anfängen an klar umrissen sind auf Grund der Anweisungen, die von so vielen römischen Päpsten - von denen 16 ehemalige Studenten dieser Universität waren - bestätigt wurden. Eine Sendung, die zugleich schwierig ist, weil sie, um ihre historischen Wurzeln nicht zu verlieren, ständige Treue zur eigenen Geschichte und Tradition und zugleich die Öffnung gegenüber der aktuellen Wirklichkeit voraussetzt, um nach sorgfältiger Unterscheidung mit schöpferischem Geist Antwort zu geben auf die Bedürfnisse der Kirche und der Welt von heute.

Als päpstliche kirchliche Universität ist dieses akademische Zentrum verpflichtet zum »sentire in Ecclesia et cum Ecclesia«. Das ist eine Verpflichtung, die der Liebe zur Kirche, unserer Mutter und Braut Christi, entspringt. Wir müssen sie lieben, wie Christus sie geliebt hat, indem wir die Leiden der Welt und der Kirche auf uns nehmen, um zu ergänzen, was an den Leiden Christi in unserem Leben noch fehlt (vgl.
Col 1,24). Auf diese Weise können die neuen Generationen von Priestern, Ordensleuten und engagierten Laien ausgebildet werden. Die Pflicht verlangt nämlich, sich die Frage zu stellen, zu was für einem Priester man die Studenten ausbilden will, zu was für einem Ordensmann oder was für einer Ordensfrau, zu was für einem Mann oder was für einer Frau im Laienstand. Ihr, liebe Professoren und Dozenten, habt gewiß die Absicht, gelehrte Priester heranzubilden, die aber zugleich bereit sind, ihr Leben einzusetzen, indem sie allen, die der Herr ihrem Dienst anvertrauen wird, mit ungeteiltem Herzen, in Demut und einem einfachen und disziplinierten Lebensstil dienen. Ebenso wollt ihr Ordensmännern und Ordensfrauen eine solide intellektuelle Ausbildung bieten, damit sie die Weihe, mit der Gott sie beschenkt hat, mit Freude leben und eschatologisches Zeichen jenes zukünftigen Lebens sein können, zu dem wir alle berufen sind. Gleichermaßen wollt ihr Laien, Männer und Frauen, darauf vorbereiten, daß sie mit Sachkenntnis Dienste und Ämter in der Kirche wahrnehmen und vor allem Sauerteig des Reiches Gottes im weltlichen Bereich sein können. Unter diesem Gesichtspunkt hat die Universität dieses Jahr mit einem interdisziplinären Studienprogramm begonnen, um Laien für ihre spezielle kirchliche Berufung zu einem ethischen Engagement im öffentlichen Bereich auszubilden.

Die Ausbildung liegt jedoch auch in eurer Verantwortung, liebe Studenten. Das Studium verlangt sicher beständige Askese und Entsagung. Aber gerade auf diesem Weg wird der Mensch zu Opfer und Pflichtgefühl erzogen. Denn was ihr heute lernt, ist das, was ihr morgen weitergeben werdet, wenn euch von der Kirche das Priesteramt oder andere Dienste und Ämter zum Wohl der Gemeinschaft anvertraut werden. Was in jedem Fall euer Herz erfreuen kann, ist das Bewußtsein, stets die Redlichkeit des Willens geübt zu haben, dank der man gewiß sein darf, allein den Willen Gottes gesucht und getan zu haben. Natürlich verlangt all das die Reinigung des Herzens und die Unterscheidung der Geister.

Liebe Söhne des hl. Ignatius, noch einmal vertraut euch der Papst diese Universität an, ein so wichtiges Werk für die Gesamtkirche und für viele Teilkirchen. Sie stellt seit jeher eine oberste Priorität unter den Apostolaten der Gesellschaft Jesu dar. Im Umfeld der Universität von Paris reifte im hl. Ignatius von Loyola und seinen ersten Gefährten das brennende Verlangen, den Seelen dadurch zu helfen, daß sie Gott lieben und in allem dienen zu seiner größeren Ehre. Von der Bewegung des Geistes innerlich getrieben, kam der hl. Ignatius nach Rom, das Zentrum der Christenheit und Sitz des Nachfolgers Petri, und gründete hier das Collegium Romanum, die erste Universität der Gesellschaft Jesu. Die Universität Gregoriana ist heute das universitäre Umfeld, in dem sich noch im Abstand von 456 Jahren das Verlangen des hl. Ignatius und seiner ersten Gefährten, den Seelen zu helfen, Gott zu lieben und in allem zu dienen zu seiner größeren Ehre, auf vollkommene und offensichtliche Weise verwirklicht. Ich würde sagen, daß hier, in diesen Mauern, all das verwirklicht wird, was Papst Julius III. am 21. Juli 1550 in der Formula Instituti mit der Bestimmung festlegte, daß jedes Mitglied der Gesellschaft Jesu gehalten ist, »sub crucis vexillo Deo militare, et soli Domino ac Ecclesiae Ipsius sponsae, sub Romano Pontifice, Christi in terris Vicario, servire [unter dem Banner des Kreuzes für Gott Kriegsdienst zu leisten und allein dem Herrn und der Kirche, seiner Braut, unter dem Papst, dem Stellvertreter Christi auf Erden, zu dienen]«, indem er sich »potissimum … ad fidei defensionem et propagationem, et profectum animarum in vita et doctrina christiana, per publicas praedicationes, lectiones et aliud quodcumque verbi Dei ministerium… [besonders um die Verteidigung und Verbreitung des Glaubens und den Fortschritt der Seelen in christlicher Lebensführung und Lehre durch öffentliche Predigten, Vorträge und jedweden anderen Dienst des Wortes Gottes]« bemüht (Apostolisches Schreiben Exposcit debitum, 1). Diese charismatische Besonderheit der Gesellschaft Jesu - institutionell zum Ausdruck gebracht im Vierten Gelübde des vollkommenen Gehorsams gegenüber dem Papst im Hinblick auf Sendungen, wohin und wozu auch immer er sie »ad profectum animarum et fidei propagationem [zum Fortschritt der Seelen und zur Vorbereitung des Glaubens]« (ebd., Nr. 3) anordnen mag - findet auch darin ihre Verwirklichung, daß der Generalobere der Gesellschaft Jesu aus der ganzen Welt die geeignetsten Jesuiten dazu beruft, den Lehrauftrag als Professoren an dieser Universität zu erfüllen. Die Kirche ist sich bewußt, daß dies den Verzicht auf andere - für die Erreichung der Ziele, die sich die Gesellschaft Jesu vornimmt, ebenfalls hilfreiche - Werke und Dienste mit sich bringen kann, und ist ihr dafür aufrichtig dankbar; sie wünscht, daß die Gregoriana den ignatianischen Geist bewahre, der sie beseelt und in ihrer pädagogischen Methode und in der Gestaltung der Studien zum Ausdruck kommt.

Liebe Freunde, mit väterlicher Liebe vertraue ich euch alle - Professoren und Dozenten, Studenten, das Personal außerhalb des Lehrkörpers, Wohltäter und Freunde, die ihr die lebendigen Bausteine der Universität Gregoriana seid - der Fürsprache des hl. Ignatius von Loyola, des hl. Robert Bellarmin und der allerseligsten Jungfrau Maria, Königin der Gesellschaft Jesu, an, die im Wappen der Universität den Titel »Sedes Sapientiae« trägt. Mit diesen Empfindungen erteile ich allen als Unterpfand reicher himmlischer Gnaden den Apostolischen Segen.


ANSPRACHE 2006 151