ANSPRACHE 2006 167

167 Ich danke Ihnen aufrichtig für den Besuch, mit dem Sie mich heute beehren. Ich begrüße Sie herzlich, und durch Sie grüße ich das ganze italienische Volk, dessen Vertreter Sie im Mai dieses Jahres berufen haben, das höchste Amt im Staat zu bekleiden. Ich möchte Ihnen bei diesem feierlichen Anlaß noch einmal persönlich meine aufrichtigen guten Wünsche für dieses Ihnen anvertraute hohe Amt aussprechen. Mein Gruß gilt auch den verehrten Mitgliedern der Delegation, die Sie begleitet. Zugleich möchte ich erneut allen Italienern jene Dankbarkeit bekunden, die ich bereits während meines Besuches im Quirinal am 24. Juni 2005 zum Ausdruck gebracht habe. Denn seit meiner Wahl bezeigen sie mir fast täglich mit Wärme und Begeisterung ihre herzliche Aufnahme, ihre Aufmerksamkeit und ihre geistliche Unterstützung bei der Erfüllung meiner Sendung. In dieser tief empfundenen Nähe zum Papst findet das besondere Band des Glaubens und der Geschichte seinen bedeutenden Ausdruck, das Italien seit Jahrhunderten mit dem Nachfolger des Apostels Petrus verknüpft, der in diesem Land, nicht ohne die Fügung der göttlichen Vorsehung, seinen Sitz hat. Errichtung des Staates der Vatikanstadt Um dem Heiligen Stuhl »völlige und sichtbare Unabhängigkeit« zuzusichern und ihm »auch auf internationalem Gebiet eine unstreitige Souveränität zu verbürgen«, wurde der Staat der Vatikanstadt durch den Lateranvertrag errichtet. Kraft dieses Vertrags leistet die italienische Republik auf verschiedenen Ebenen und unter verschiedenen Voraussetzungen einen wertvollen und ständigen Beitrag zur Durchführung meiner Sendung als Hirt der universalen Kirche. Der Besuch des italienischen Staatsoberhauptes im Vatikan ist deshalb für mich ein willkommener Anlaß, um allen staatlichen Instanzen meinen ehrerbietigen Gruß zukommen zu lassen und ihnen für ihre tatkräftige Zusammenarbeit zugunsten des Petrusamtes und des Wirkens des Heiligen Stuhls zu danken.

Ihr heutiger Besuch, Herr Präsident, ist nicht nur die glückliche Bestätigung einer bereits Jahrzehnte andauernden Tradition wechselseitiger Besuche, die der Nachfolger Petri und der höchste Amtsträger des italienischen Staates einander abstatten, sondern er ist von großer Bedeutung, weil er eine besondere Gelegenheit zum Nachdenken über die tieferen Gründe der Begegnungen bietet, die zwischen den Vertretern der Kirche und denen des Staates stattfinden. Sie scheinen mir vom II. Vatikanischen Konzil deutlich dargelegt worden zu sein, das in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes sagt: »Die politische Gemeinschaft und die Kirche sind auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom. Beide aber dienen, wenn auch in verschiedener Begründung, der persönlichen und gesellschaftlichen Berufung der gleichen Menschen. Diesen Dienst können beide zum Wohl aller um so wirksamer leisten, je mehr und besser sie rechtes Zusammenwirken miteinander pflegen; dabei sind jeweils die Umstände von Ort und Zeit zu berücksichtigen« (
GS 76).

Es handelt sich um eine Sichtweise, die auch vom italienischen Staat geteilt wird, der in seiner Verfassung zunächst bekräftigt: »Der Staat und die katholische Kirche sind, jeder im eigenen Bereich, unabhängig und souverän«, und dann betont: »Ihre Beziehungen sind in den Lateranverträgen geregelt« (Art. 7). Diese Auffassung von den Beziehungen zwischen der Kirche und dem Staat lag auch einer Vereinbarung zugrunde, durch die Veränderungen am Laterankonkordat vorgenommen wurden und die vom Heiligen Stuhl und von Italien am 18. Februar 1984 unterzeichnet wurde. In ihr wurden sowohl die Unabhängigkeit und Souveränität des Staates und der Kirche als auch die beiderseitige Zusammenarbeit »zur Förderung des Menschen und zum Wohl des Landes« (Art. 1) erneut hervorgehoben. Ich schließe mich gern dem Wunsch an, den Sie, Herr Präsident, zu Beginn Ihrer Amtszeit ausgesprochen haben, daß diese Zusammenarbeit sich weiterhin konkret entfalten möge. Ja, Kirche und Staat sind, obwohl vollkommen getrennt, beide berufen - ihrer jeweiligen Sendung entsprechend und mit ihren jeweils eigenen Zielen und Mitteln -, dem Menschen zu dienen, der Empfänger der Heilssendung der Kirche ist und an ihr teilhat und der zugleich Staatsbürger ist. Im Menschen begegnen diese beiden Gemeinschaften einander, und hier arbeiten sie zusammen, um sein ganzheitliches Wohl besser zu fördern.

Diese Sorge der zivilen Gemeinschaft um das Wohl der Bürger darf sich nicht auf einige Dimensionen des Menschen beschränken, wie die körperliche Gesundheit, den wirtschaftlichen Wohlstand, die geistige Bildung oder die sozialen Beziehungen. Der Mensch tritt dem Staat auch mit seiner religiösen Dimension gegenüber, und diese besteht »vor allem in inneren, willentlichen und freien Akten, durch die sich der Mensch unmittelbar auf Gott hinordnet« (Dignitatis humana, 3). Solche Akte können »weder befohlen noch verhindert werden« von einer rein menschlichen Gewalt, die im Gegenteil verpflichtet ist, diese Dimension zu achten und zu fördern: Wie das II. Vatikanische Konzil bezüglich des Rechtes auf Religionsfreiheit maßgebend gelehrt hat, darf niemand gezwungen werden, »gegen sein Gewissen zu handeln. Er darf aber auch nicht daran gehindert werden, gemäß seinem Gewissen zu handeln, besonders im Bereiche der Religion« (ebd.). Es wäre jedoch eine Unterschätzung, wenn man annehmen würde, daß das Recht auf Religionsfreiheit ausreichend gewährleistet sei, wenn keine Gewalt angewandt werde oder es keine Einwirkung gäbe auf die persönlichen Überzeugungen, oder wenn man sich darauf beschränkt, die Bekundung des Glaubens zu achten, die innerhalb eines für den Kult bestimmten Raumes stattfindet. Denn man darf nicht vergessen, daß »die Sozialnatur des Menschen erfordert, daß der Mensch innere Akte der Religion nach außen zum Ausdruck bringt, mit anderen in religiösen Dingen in Gemeinschaft steht und seine Religion gemeinschaftlich bekennt « (ebd.). Die Religionsfreiheit ist deshalb nicht nur ein Recht des einzelnen, sondern ebenso der Familie, der religiösen Gemeinschaften und der Kirche selbst (vgl. ebd., 4-5.13), und die Ausübung dieses Rechts beeinflußt die vielen Bereiche und Situationen, in denen der Gläubige sich befindet und handelt. Eine angemessene Achtung des Rechtes auf Religionsfreiheit schließt also die Pflicht der staatlichen Gewalt ein, »für die Förderung des religiösen Lebens günstige Bedingungen zu schaffen, damit die Bürger auch wirklich in der Lage sind, ihre religiösen Rechte auszuüben und die religiösen Pflichten zu erfüllen, und damit der Gesellschaft selber die Werte der Gerechtigkeit und des Friedens zugute kommen, die aus der Treue der Menschen gegenüber Gott und seinem heiligen Willen hervorgehen« (ebd., 6).

Diese hohen Prinzipien, die vom II. Vatikanischen Konzil verkündet wurden, sind im übrigen Erbe vieler ziviler Gesellschaften, einschließlich Italiens. Denn sie sind in der italienischen Verfassungsurkunde festgeschrieben, ebenso wie in den vielen internationalen Dokumenten, die eine Erklärung der Menschenrechte enthalten. Und auch Sie, Herr Präsident, haben es nicht versäumt, zu Recht auf die Notwendigkeit der Anerkennung hinzuweisen, die man der gesellschaftlichen und öffentlichen Dimension des Religiösen gewähren muß. Das Konzil selbst erinnert daran, daß der Gesellschaft, wenn sie die religiöse Dimension ihrer Glieder achtet und fördert, im Gegenzug »die Werte der Gerechtigkeit und des Friedens zugute kommen, die aus der Treue der Menschen gegenüber Gott und seinem heiligen Willen hervorgehen« (ebd.). Die Freiheit, die die Kirche und die Christen geltend machen, beeinträchtigt die Interessen des Staates oder anderer Gesellschaftsgruppen nicht und zielt nicht auf eine autoritäre Vorherrschaft über sie ab, sondern sie ist vielmehr die Bedingung dafür, daß - wie ich kürzlich beim nationalen Kirchentreffen in Verona sagte - jener wertvolle Dienst geleistet werden kann, den die Kirche Italien und jedem Land, in dem sie präsent ist, anbietet. Dieser Dienst an der Gesellschaft, der hauptsächlich darin besteht, »positive und überzeugende Antworten zu geben auf die Erwartungen und Fragen unserer Landsleute« (vgl. Ansprache von Papst Benedikt XVI. auf dem 4. Nationalen Kongreß der katholischen Kirche in Italien; in O.R. dt., Nr. 43, 27.10.2006, S.7) und ihrem Leben das Licht des Glaubens, die Kraft der Hoffnung und die Wärme der Liebe zu schenken, kommt auch im zivilen und politischen Bereich zum Ausdruck. Denn wenn es wahr ist, daß die Kirche ihrem Wesen und ihrer Sendung nach »kein politischer Handlungsträger« ist und »dies auch nicht sein« will, »ist sie jedoch sehr interessiert am Wohl der politischen Gemeinschaft« (ebd., S. 9). Handeln zum Wohl der ganzen Gesellschaft

Dieser besondere Beitrag wird hauptsächlich von den gläubigen Laien geleistet, die sich zusammen mit den übrigen Gliedern der Gesellschaft um den »Aufbau einer gerechten Gesellschaftsordnung « (ebd.) bemühen, indem sie in voller Verantwortlichkeit handeln und das Recht der Teilnahme am öffentlichen Leben wahrnehmen. In ihrem Handeln stützen sie sich dabei auf die »in der Natur des Menschen verwurzelten anthropologischen und ethischen Werte und Prinzipien« (ebd.), die auch durch den rechten Gebrauch der Vernunft erkennbar sind. Wenn sie durch Worte und Taten bemüht sind, sich den großen Herausforderungen der heutigen Zeit zu stellen - zu ihnen gehören Kriege, Terrorismus, Hunger und Durst, die äußerste Armut so vieler Menschen, einige gefährliche Epidemien, aber auch der Schutz des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen, von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod, sowie die Förderung der Familie, die auf der Ehe gründet und die die Hauptverantwortung in der Erziehung trägt -, dann handeln sie nicht in ihrem eigenen Interesse oder im Namen von Prinzipien, die nur von demjenigen wahrgenommen werden, der sich zu einem bestimmten religiösen Credo bekennt: Sie tun es vielmehr im Kontext und gemäß den Regeln des demokratischen Zusammenlebens, zum Wohl der ganzen Gesellschaft und im Namen von Werten, die von jeder Person redlicher Gesinnung geteilt werden können. Ein Beweis dafür ist die Tatsache, daß der Großteil der von mir genannten Werte von der italienischen Verfassung verkündet wird, die vor nunmehr 60 Jahren von Personen unterschiedlicher Geisteshaltung ausgearbeitet wurde.

Herr Präsident, ich möchte diese Überlegungen mit dem herzlichen Wunsch beenden, daß die italienische Nation es verstehe, auf dem Weg des wahren Fortschritts weiterzugehen und daß sie der internationalen Gemeinschaft einen wertvollen Beitrag leisten kann, indem sie stets jene menschlichen und christlichen Werte fördert, die ihre Geschichte und ihre Kultur sowie ihr geistiges, rechtliches und künstlerisches Erbe wesentlich gestalten und immer noch dem Leben und dem Einsatz ihrer Bürger zugrunde liegen. Sicher wird bei diesem Bemühen der loyale und großmütige Beitrag nicht fehlen, den die katholische Kirche durch die Lehre ihrer Bischöfe, die ich in Kürze im Rahmen ihres Besuchs »ad limina Apostolorum« treffen werde, und durch das Wirken aller Gläubigen leistet.

Diesen Wunsch spreche ich auch im Gebet aus, mit dem ich vom allmächtigen Gott einen besonderen Segen erbitte für dieses edle Land, seine Bewohner und insbesondere für diejenigen, die seine Geschicke lenken.

GEMEINSAME ERKLÄRUNG VON PAPST BENEDIKT XVI. UND DEM ERZBISCHOF VON CANTERBURY ROWAN WILLIAMS



Vor 40 Jahren trafen unsere Vorgänger Papst Paul VI. und Erzbischof Michael Ramsey in dieser durch den Dienst und das Blut der Apostel Petrus und Paulus geheiligten Stadt zusammen. Sie traten einen neuen, auf die Evangelien und die alten gemeinsamen Traditionen gegründeten Weg der Versöhnung an. Jahrhunderte der Entfremdung zwischen Anglikanern und Katholiken wurden abgelöst von einem neuen Wunsch nach Partnerschaft und Zusammenarbeit, als die wahre, aber unvollständige Gemeinschaft zwischen uns wiederentdeckt und bestätigt wurde. Damals leiteten Papst Paul VI. und Erzbischof Ramsey einen Dialog ein, der aus einer neuen Sichtweise mit Wahrheit und Liebe auf Themen eingehen sollte, die in der Vergangenheit zu Spaltungen geführt hatten.

Seit jenem Treffen haben die römisch-katholische Kirche und die anglikanische Gemeinschaft einen Prozeß des fruchtbaren Dialogs begonnen, der gekennzeichnet ist durch die Entdeckung bedeutender Elemente des gemeinsamen Glaubens und den Wunsch, durch gemeinsames Gebet und Zeugnis sowie durch den gemeinsamen Dienst das zum Ausdruck zu bringen, was wir teilen. Innerhalb von 35 Jahren hat die Internationale Anglikanisch/Römisch-Katholische Kommission (ARCIC) eine Reihe wichtiger Dokumente hervorgebracht, die versuchen, den Glauben, den wir teilen, klar zum Ausdruck zu bringen.

In den zehn Jahren nach der Unterzeichnung der jüngsten Gemeinsamen Erklärung durch den Papst und den Erzbischof von Canterbury hat die zweite Phase der ARCIC ihren Auftrag erfüllt mit der Veröffentlichung der Dokumente »The Gift of Authority« (1999) und »Mary: Grace and Hope in Christ« (2005). Unsere Dankbarkeit gilt den Theologen, die bei der Abfassung dieser Texte, die nun weiterer Untersuchung und Reflexion bedürfen, zusammen gebetet und gearbeitet haben.

168 Wahrer Ökumenismus geht über den theologischen Dialog hinaus; er berührt unser geistliches Leben und unser gemeinsames Zeugnis. Im Laufe der Entwicklung unseres Dialogs haben zahlreiche Katholiken und Anglikaner jeweils im anderen jene Liebe zu Christus entdeckt, die uns zu praktischer Zusammenarbeit und konkretem Dienst auffordert. Diese Verbundenheit im Dienst Christi, die viele unserer Gemeinschaften in aller Welt erfahren haben, verleiht unserer Beziehung weiteren Antrieb. Die Internationale Anglikanisch/Römisch-Katholische Kommission für Einheit und Mission (IARCCUM) hat nach geeigneten Mitteln und Wegen gesucht, durch die unser gemeinsamer Auftrag, der Welt das neue Leben in Christus zu verkünden, gefördert und genährt werden kann. Ihr Bericht, der eine Zusammenfassung der wesentlichen von der ARCIC erbrachten Ergebnisse enthält und Vorschläge macht für gemeinsame Fortschritte in der Mission und im Zeugnis, ist unlängst fertiggestellt und dem »Anglican Communion Office« und dem »Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen« zur Prüfung vorgelegt worden, und wir danken ihnen für ihre Arbeit.

Mit diesem brüderlichen Besuch feiern wir das Gute, das aus diesen vier Jahrzehnten des Dialogs hervorgegangen ist. Wir danken Gott für die Gnadengaben, von denen sie begleitet wurden. Gleichzeitig erfordert unser langer gemeinsamer Weg, daß wir die Herausforderung öffentlich anerkennen, welche die neuen Entwicklungen darstellen, die - abgesehen davon, daß sie zu Uneinigkeiten unter den Anglikanern führen - auch ernsthafte Hindernisse für unseren ökumenischen Fortschritt bilden. Es ist daher ein dringendes Anliegen, daß wir bei der Erneuerung unserer Verpflichtung, den Weg zu voller sichtbarer Einheit in der Wahrheit und der Liebe Christi weiterzugehen, uns in unserem fortgesetzten Dialog auch dazu verpflichten, auf wichtige Fragen einzugehen, die im Zusammenhang stehen mit den sich ergebenden ekklesiologischen und ethischen Faktoren, die diesen Weg schwieriger und beschwerlicher machen.

Als christliche Verantwortungsträger, die den Herausforderungen des neuen Jahrtausends gegenüberstehen, bekräftigen wir erneut unsere allgemeine Verpflichtung gegenüber der Offenbarung des göttlichen Lebens, das allein von Gott ausgeht in der Gottheit und Menschheit unseres Herrn Jesus Christus. Wir glauben, daß durch Christus und die in ihm gegebenen Mittel zum Heil uns und der Welt Heilung und Versöhnung geschenkt wird.

Es gibt viele Bereiche des Zeugnisses und des Dienstes, in denen wir Seite an Seite wirken können und die in der Tat engere Zusammenarbeit zwischen uns erfordern: das Streben nach Frieden im Heiligen Land und in anderen Teilen der Welt, die von Konflikten und der Bedrohung des Terrorismus heimgesucht sind; die Förderung der Achtung vor dem Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod; der Schutz der Heiligkeit der Ehe und des Wohlergehens der Kinder im Kontext eines gesunden Familienlebens; die Unterstützung der Armen, der Unterdrückten und der Schwächsten, vor allem derer, die aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden; das Vorgehen gegen die negativen Auswirkungen des Materialismus; die Bewahrung der Schöpfung und unserer Umwelt. Auch verpflichten wir uns zum interreligiösen Dialog, durch den wir gemeinsam unsere nichtchristlichen Brüder und Schwestern erreichen können. Eingedenk unseres seit 40 Jahren bestehenden Dialogs sowie des Zeugnisses jener heiligen Männer und Frauen, die unseren Traditionen gemeinsam sind, - darunter Maria, die »Theotókos«, die Heiligen Petrus und Paulus, Benedikt, Gregor der Große und Augustinus von Canterbury - verpflichten wir uns zu intensiverem Gebet und einem hingebungsvolleren Bemühen, jene Wahrheit aufzunehmen und zu leben, in die der Geist des Herrn seine Jünger führen will (vgl.
Jn 16,13). Im Vertrauen auf die apostolische Hoffnung, »daß er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird« (vgl. Ph 1,6), glauben wir, daß, wenn wir gemeinsam als Gottes Werkzeuge alle Christen zu tieferem Gehorsam gegenüber unserem Herrn aufrufen können, wir auch einander näherkommen und in seinem Willen die Fülle der Einheit und des gemeinsamen Lebens finden werden, zu der er uns einlädt.

Aus dem Vatikan, am 23. November 2006


Benedictus PP. XVI


Seine Gnaden Rowan Williams



AN DEN ERZBISCHOF VON CANTERBURY, SEINE GNADEN ROWAN WILLIAMS

Donnerstag, 23. November 2006

Euer Gnaden,

liebe Freunde!

Gnade und Friede sei mit Ihnen im Herrn Jesus Christus! Ihr heutiger Besuch bringt jenen wichtigen Brauch ins Bewußtsein, den unsere Vorgänger in den letzten Jahrzehnten eingeführt haben. Er erinnert uns auch an die sehr viel längere Geschichte der Beziehungen zwischen dem Bischofssitz von Rom und dem Bischofssitz von Canterbury, die vor über 1400 Jahren begannen, als Papst Gregor der Große den hl. Augustinus in das Land der Angelsachsen entsandte. Mit Freude heiße ich heute Sie und die Sie begleitende hochrangige Delegation willkommen. Dies ist nicht unser erstes Treffen. Ich war dankbar für Ihre Anwesenheit sowie für die Anwesenheit der anderen Vertreter der anglikanischen Gemeinschaft beim Begräbnis von Papst Johannes Paul II. und wiederum bei meiner Amtseinführung vor anderthalb Jahren.

169 Ihr Besuch beim Heiligen Stuhl fällt mit dem 40. Jahrestag des Besuchs des damaligen Erzbischofs von Canterbury, Dr. Michael Ramsey, bei Papst Paul VI. zusammen. Große Hoffnungen waren mit jenem Besuch verbunden, denn die anglikanische Gemeinschaft und die katholische Kirche unternahmen damals Schritte im Hinblick auf die Einleitung eines Dialogs über die Fragen, die bei der Suche nach der vollen und sichtbaren Einheit erörtert werden mußten.

Für vieles in unseren Beziehungen in den letzten 40 Jahren müssen wir Dank sagen. Die Arbeit der Kommission für den theologischen Dialog war eine Quelle der Ermutigung, da Fragen der Lehre, die uns in der Vergangenheit voneinander trennten, erörtert wurden. Die Freundschaft und die guten Beziehungen, die vielerorts zwischen Anglikanern und Katholiken bestehen, haben dazu beigetragen, einen neuen Kontext zu schaffen, in dem unser gemeinsames Zeugnis für das Evangelium Jesu Christi gehegt und gefördert wurde. Die Besuche der Erzbischöfe von Canterbury beim Heiligen Stuhl dienten zur Festigung dieser Beziehungen und spielten eine wesentliche Rolle bei der Erörterung der uns trennenden Hindernisse. Diese Tradition trug dazu bei, daß es im Mai 2000 zu einem konstruktiven Treffen anglikanischer und katholischer Bischöfe in Mississauga in Kanada kam, auf dem vereinbart wurde, eine gemeinsame Bischofskommission zu gründen, um geeignete Wege zu finden, im kirchlichen Leben die bereits erreichten Fortschritte zum Ausdruck zu bringen. Für all das danken wir Gott!

Im gegenwärtigen Kontext jedoch, und vor allem in der säkularisierten westlichen Welt, gibt es zahlreiche negative Einflüsse und Belastungen, denen die Christen und die christlichen Gemeinschaften ausgesetzt sind. Während der vergangenen drei Jahre haben Sie offen über die Spannungen und Schwierigkeiten gesprochen, die die anglikanische Gemeinschaft bedrängen, und infolgedessen auch über die ungewisse Zukunft der Gemeinschaft selbst. Jüngste Entwicklungen, besonders in bezug auf das Weiheamt und auf gewisse Aspekte der Morallehre, haben sich nicht nur auf die Beziehungen innerhalb der anglikanischen Gemeinschaft ausgewirkt, sondern auch auf die Beziehungen zwischen der anglikanischen Gemeinschaft und der katholischen Kirche. Wir meinen, daß diese Angelegenheiten, die zur Zeit innerhalb der anglikanischen Gemeinschaft erörtert werden, von entscheidender Bedeutung sind für eine unverkürzte Verkündigung des Evangeliums und daß Ihre gegenwärtigen Debatten die Zukunft unserer Beziehungen prägen werden. Es ist zu hoffen, daß die Arbeit des theologischen Dialogs, der durchaus kein geringes Maß an Übereinstimmung in diesen und anderen wichtigen theologischen Fragen erzielt hatte, bei Ihrer Entscheidungsfindung auch weiterhin ernsthaft beachtet wird. Bei diesen Überlegungen und Beratungen begleiten wir Sie mit aufrichtigem Gebet. Von ganzem Herzen hoffen wir, daß die anglikanische Gemeinschaft weiterhin auf die Evangelien und die apostolische Tradition gegründet bleiben möge, die unser gemeinsames Erbe sind und die Grundlage unseres gemeinsamen Strebens bilden, für die volle sichtbare Einheit zu wirken.

Die Welt braucht unser Zeugnis und die Kraft, die einer ungeteilten Verkündigung des Evangeliums entspringt. Die unermeßlichen Leiden der Menschheitsfamilie und die Formen der Ungerechtigkeit, die das Leben so vieler Menschen negativ beeinflussen, sind ein dringender Aufruf zu unserem gemeinsamen Zeugnis und Dienst. Gerade aus diesem Grund, und auch inmitten der gegenwärtigen Schwierigkeiten, ist es wichtig, daß wir unseren theologischen Dialog fortführen. Ich hoffe, daß Ihr Besuch dazu beitragen wird, in der gegenwärtigen Lage konstruktive und zukunftsweisende Wege zu finden.

Möge der Herr Sie und Ihre Familie weiterhin segnen und Sie in Ihrem Dienst an der anglikanischen Gemeinschaft stärken!

AN DIE MITARBEITER DER VATIKANISCHEN MUSEEN

Donnerstag, 23. November 2006



Liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude empfange ich euch und heiße einen jeden von euch herzlich willkommen. An erster Stelle begrüße ich Erzbischof Giovanni Lajolo, den Präsidenten des Governatorats, und danke ihm für die Worte, mit denen er eurer Zuneigung Ausdruck verliehen und auch die besondere Aufmerksamkeit der Päpste für die Vatikanischen Museen, die in diesem Jahr ihr 500jähriges Bestehen feiern, hervorgehoben hat. Ich begrüße weiterhin den Generalsekretär, Bischof Renato Boccardo, und den Direktor der Museen, Dr. Francesco Buranelli. Die Begegnung mit euch, die ihr zahlenmäßig die größte Gruppe von Angestellten der Vatikanstadt bildet, gehörte natürlich zu meinen Vorhaben, und ich freue mich, daß sie während dieser Jubiläumsfeierlichkeiten stattfindet. Außerdem möchte ich die anwesenden Familienangehörigen begrüßen und in meinen Gruß all eure Familien einschließen.

Jeden Tag besuchen Tausende von Menschen die Vatikanischen Museen. Im Jahr 2005 wurden über 3.800.000 Besucher gezählt und im laufenden Jahr 2006 übersteigt die Zahl bereits vier Millionen. Das regt zum Nachdenken an! Wer sind denn diese Besucher? Sie bieten ein Bild der Menschheit, das sich aus unterschiedlichsten Personen zusammensetzt. Viele von ihnen sind nicht katholisch, sehr viele sind keine Christen und vielleicht nicht einmal gläubig. Ein großer Teil von ihnen begibt sich auch in die Petersbasilika, viele besuchen allerdings vom Vatikan nur die Museen. Das alles läßt uns über die außerordentliche Verantwortung nachdenken, mit der diese Einrichtung unter dem Gesichtspunkt der christlichen Botschaft betraut ist. Man denkt an die Inschrift, die Papst Benedikt XIV. Mitte des 18. Jahrhunderts über dem Eingang des »Christlichen Museums« anbringen ließ, um dessen Zweck zu erläutern: »Ad augendum Urbis splendorem / et asserendam Religionis veritatem - den Glanz der Stadt Rom zu mehren und die Wahrheit der christlichen Religion zu bezeugen«. Die durch die künstlerische und historisch-kulturelle Aussagekraft vermittelte Annäherung an die christliche Wahrheit besitzt eine zusätzliche Chance, die Intelligenz und die Sensibilität von Menschen anzusprechen, die nicht zur katholischen Kirche gehören und mitunter möglicherweise Vorurteile und Mißtrauen gegen sie hegen. Die Besucher der Vatikanischen Museen haben Gelegenheit, in eine konzentrierte »Theologie in Bildern einzutauchen«, wenn sie in diesem »Heiligtum « der Kunst und des Glaubens verweilen. Ich weiß, welchen Einsatz der Schutz, die Instandhaltung und die Beaufsichtigung dieser Räumlichkeiten tagtäglich verlangt, und danke euch für alle Mühe und Kraft, die ihr aufwendet, damit sie auf bestmögliche Weise alle ansprechen. Es ist eine Arbeit, in die ihr, liebe Freunde, alle einbezogen und bei der ihr alle wichtig seid: Denn das gute Funktionieren des Museums hängt, wie ihr sehr wohl wißt, vom Beitrag jedes einzelnen ab.

Laßt mich nun eine Wahrheit unterstreichen, die in den »genetischen Code« der Vatikanischen Museen eingeschrieben ist: daß nämlich die große Kultur der klassischen Antike und die jüdisch-christliche Kultur nicht im Widerspruch zueinander stehen, sondern in dem einen Plan Gottes zusammenfinden. Das beweist die Tatsache, daß der weit zurückliegende Ursprung dieser Einrichtung auf ein Werk zurückgeht, das wir sicher als »profan« bezeichnen können - die berühmte Skulptur der Laokoongruppe -, das aber in Wirklichkeit durch die Einfügung in den vatikanischen Rahmen seinen vollen und wahren Glanz gewinnt. Es ist der Glanz des von Gott geformten menschlichen Geschöpfes, der Glanz der Freiheit im Drama seiner Erlösung in der Spannung zwischen Erde und Himmel, zwischen Fleisch und Geist. Es ist der Glanz einer Schönheit, die vom Inneren des Kunstwerkes ausstrahlt und den Geist veranlaßt, sich dem Erhabenen zu öffnen, dort wo der Schöpfer dem nach seinem Bild und Gleichnis geschaffenen Geschöpf begegnet. Das alles können wir an einem Meisterwerk wie eben dem Laokoon ablesen, aber es handelt sich dabei um eine Logik, die dem ganzen Museum eigen ist. Aus dieser Sicht erscheint das Museum in der komplexen Gliederung seiner Abteilungen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, tatsächlich als ein einheitliches Ganzes. Die Synthese von Evangelium und Kultur wird in einigen Abteilungen noch offensichtlicher und hat in manchen Werken gewissermaßen »Gestalt angenommen«: Ich denke an die Sarkophage des »Museo Pio-Cristiano« oder an die Gräber der Nekropole an der Via Triumphalis, deren zu besichtigende Fläche sich in diesem Jahr verdoppelt hat, oder auch an die außergewöhnliche ethnologische Sammlung mit Objekten aus den Missionsländern. Das Museum zeigt tatsächlich eine beständige Verflechtung von Christentum und Kultur, von Glaube und Kunst, von Göttlichem und Menschlichem. Die Sixtinische Kapelle stellt diesbezüglich einen unübertrefflichen Höhepunkt dar.

Kehren wir nun zu euch zurück, liebe Freunde. Die Vatikanischen Museen sind der Ort eurer täglichen Arbeit. Viele von euch kommen in direkten Kontakt mit den Besuchern: Wie wichtig ist daher eure Haltung und euer Beispiel, um allen ein einfaches, aber einprägsames Glaubenszeugnis zu geben! Eine ehrwürdige Stätte der Kunst und Kultur wie die Vatikanischen Museen verlangt, daß die Schönheit der Werke mit jener der dort arbeitenden Personen einhergeht: Einer geistigen Schönheit, die das Museum dadurch, daß sie es mit christlichem Geist erfüllt, zu einem tatsächlich kirchlichen Raum macht. Im Vatikan zu arbeiten stellt daher eine zusätzliche Verpflichtung dar, den eigenen Glauben und das christliche Zeugnis zu pflegen. Eine nützliche Hilfe bieten euch dazu - außer der aktiven Teilnahme am Leben eurer Pfarrgemeinden - auch die von euren geistlichen Assistenten gestalteten Gottesdienste und Momente der geistlichen Bildung; den geistlichen Assistenten danke ich für ihre Hingabe. Vor allem lade ich euch ein, dafür zu sorgen, daß jede eurer Familien eine »Kirche im Kleinen« wird, in der sich im Wechsel froher und trauriger Ereignisse Glaube und Leben täglich miteinander verflechten. Eben darum freue ich mich, daß eine so ansehnliche Gruppe eurer Angehörigen heute hier anwesend ist. Die Jungfrau Maria und der hl. Josef mögen euch helfen, in steter Danksagung die einfachen Freuden jedes Tages zu kosten und eure guten Werke zu vervielfachen. Ich versichere euch meines Gebetes für einen jeden von euch, besonders für die Alten, die Kinder und die Kranken, und während ich euch für euren willkommenen Besuch danke, segne ich euch von Herzen zusammen mit allen, die euch nahestehen. AN DIE TEILNEHMER DES VOM PÄPSTLICHEN RAT IM

FÜR DIE PASTORAL IM KRANKENDIENST VERANSTALTETEN XXI. INTERNATIONALEN KONGRESSES


Clementina-Saal

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Freitag, 24. November 2006

Liebe Brüder und Schwestern!


Es ist mir eine Freude, euch anläßlich des Internationalen Kongresses, der vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst veranstaltet wurde, zu begegnen. Ich begrüße jeden einzelnen von euch, zunächst Kardinal Javier Lozano Barragán, dem ich für die freundlichen Worte danke. Die Wahl des Themas - »Die pastoralen Aspekte der Behandlung von Infektionskrankheiten« - bietet Gelegenheit, unter verschiedenen Gesichtspunkten über die Infektionskrankheiten nachzudenken, die es auf dem Weg der Menschheit schon immer gegeben hat. Es ist erschreckend, in wie großer Anzahl und Vielfalt sie auch in unserer Zeit eine oft tödliche Bedrohung für das menschliche Leben darstellen. Worte wie Lepra, Pest, Tuberkulose, AIDS und Ebola führen dramatische Szenen des Schmerzes und der Angst vor Augen: Schmerz um die Opfer und ihre Angehörigen, die oft von einem Gefühl der Machtlosigkeit angesichts der unerbittlichen Härte der Krankheit überwältigt werden, Angst um die Bevölkerung im allgemeinen und um diejenigen, die aus beruflichen Gründen oder aus eigener Entscheidung mit diesen Kranken in Berührung kommen.

Das Weiterbestehen der Infektionskrankheiten, die immer noch viele Opfer fordern - trotz der positiven Auswirkungen der Vorbeugung, die auf der Grundlage des wissenschaftlichen Fortschritts, der medizinischen Technologie und der Sozialpolitik verwirklicht wurde -, macht die unausweichlichen Grenzen der menschlichen Existenz deutlich. Aber der Mensch darf nie aufgeben in seinem Bemühen, nach wirksameren Mitteln und Bedingungen für ein Eingreifen zur Bekämpfung dieser Krankheiten und zur Verringerung des Leids der Erkrankten zu suchen. Unzählige Männer und Frauen haben in der Vergangenheit ihr berufliches Können und ihre Großherzigkeit in den Dienst von Kranken mit abstoßenden Pathologien gestellt. Im Bereich der christlichen Gemeinschaft haben viele Personen des geweihten Lebens »im Laufe der Jahrhunderte ihr Leben im Dienst an den Opfern ansteckender Krankheiten geopfert und damit gezeigt, daß die Hingabe bis zum Heroismus zur prophetischen Natur des geweihten Lebens gehört« (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata VC 83). Solch lobenswerten Initiativen und so hochherzigen Gesten der Liebe stehen jedoch nicht wenige Ungerechtigkeiten entgegen. Wie könnte man die vielen Menschen vergessen, die unter Infektionskrankheiten leiden und die gezwungen sind, abgesondert zu leben, und die manchmal durch die Krankheit entstellt sind und dadurch gedemütigt werden? Solche verwerflichen Situationen werden durch die Ungleichheit der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen zwischen dem Norden und dem Süden der Welt zusätzlich belastet. Es ist wichtig, auf sie zu antworten durch konkrete Eingriffe, die die Nähe zum Kranken begünstigen, die Evangelisierung der Kultur unterstützen und den wirtschaftlichen und politischen Plänen der Regierungen Anregungen bieten.

An erster Stelle steht die Nähe zum Kranken, der von einer Infektionskrankheit betroffen ist: Das ist ein Ziel, das die kirchliche Gemeinschaft immer anstreben muß. Das Vorbild Christi, der mit den Vorschriften seiner Zeit brach und die Leprakranken nicht nur in seine Nähe kommen ließ, sondern sie gesundheitlich und in ihrer Würde als Personen wiederherstellte, hat im Laufe der mehr als 2000jährigen Geschichte der Christenheit viele seiner Jünger »angesteckt«. Der Kuß, den Franz von Assisi dem Leprakranken gab, fand Nachahmer nicht nur in heroischen Persönlichkeiten wie dem sel. Damian De Veuster, der auf der Insel Molokai starb, während er die Leprakranken pflegte, oder in der sel. Teresa von Kalkutta oder den italienischen Ordensfrauen, die vor einigen Jahren am Ebola-Virus starben, sondern auch in vielen Menschen, die Initiativen zugunsten der an Infektionen Erkrankten fördern, vor allem in den Entwicklungsländern. Diese reiche Tradition der katholischen Kirche muß aufrechterhalten werden, damit durch die Übung der Nächstenliebe am Leidenden die Werte sichtbar gemacht werden, die sich an wahrer Menschlichkeit und am Evangelium orientieren: die Würde des Menschen, die Barmherzigkeit, die Identifizierung Christi mit dem Kranken. Jedes Eingreifen bleibt ungenügend, wenn in ihm nicht die Liebe zum Menschen spürbar wird, eine Liebe, die sich von der Begegnung mit Christus nährt.

Die unersetzliche Nähe zum Kranken muß mit der Evangelisierung des kulturellen Umfeldes, in dem wir leben, verbunden werden. Zu den Vorurteilen, die einer wirksamen Hilfe für die Opfer von Infektionskrankheiten im Wege stehen oder sie einschränken, gehört eine Haltung der Gleichgültigkeit oder sogar der Ausgrenzung und der Ablehnung ihnen gegenüber, die manchmal in der Wohlstandsgesellschaft sichtbar wird. Diese Haltung wird auch gefördert durch das über die Medien verbreitete Bild des Mannes und der Frau, die hauptsächlich um körperliche Schönheit, Gesundheit und biologische Lebenskraft besorgt sind. Dies ist eine gefährliche Tendenz innerhalb der Kultur; sie führt dahin, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, sich in seiner eigenen kleinen Welt zu verschließen und sich nicht im Dienst am Notleidenden einzusetzen. Mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. bringt im Apostolischen Schreiben Salvifici doloris dagegen den Wunsch zum Ausdruck, daß das Leiden dazu dienen möge, »im Menschen die Liebe zu wecken, eben jene uneigennützige Hingabe des eigenen ›Ich‹ zugunsten der anderen, der leidenden Menschen«. Und er fügt hinzu: »Die Welt des menschlichen Leidens erfordert sozusagen unaufhörlich eine andere Welt: die Welt der menschlichen Liebe; und jene uneigennützige Liebe, die in seinem Herzen und in seinem Handeln erwacht, verdankt der Mensch in gewissem Sinne dem Leiden« (Nr. 29). Es bedarf also einer Pastoral, die imstande ist, die Kranken bei der Bewältigung des Leidens zu stützen, indem sie ihnen hilft, durch ihre persönliche Teilnahme am Geheimnis Christi den eigenen Zustand in einen Moment der Gnade für sich selbst und für andere zu verwandeln.

Zum Schluß möchte ich noch einmal betonen, wie wichtig die Zusammenarbeit mit den verschiedenen öffentlichen Instanzen ist, damit in einem so heiklen Sektor wie der Behandlung und Pflege von Menschen mit Infektionskrankheiten soziale Gerechtigkeit angewandt wird. Ich möchte zum Beispiel auf die gerechte Verteilung der Mittel für Forschung und Therapie hinweisen sowie auf die Förderung von Lebensbedingungen, die das Entstehen und die Verbreitung der Infektionskrankheiten eindämmen. In diesem wie in anderen Bereichen kommt der Kirche die »mittelbare Aufgabe« zu, »zur Reinigung der Vernunft und zur Weckung der sittlichen Kräfte beizutragen, ohne die rechte Strukturen weder gebaut werden noch auf Dauer wirksam sein können. Die unmittelbare Aufgabe, für eine gerechte Ordnung in der Gesellschaft zu wirken, kommt dagegen eigens den gläubigen Laien zu«, die berufen sind, »persönlich am öffentlichen Leben teilzunehmen« (Enzyklika Deus caritas est ).

Danke, liebe Freunde, für den Einsatz, den ihr in den Dienst einer Sache stellt, in der das heilende und heilbringende Werk Jesu, des göttlichen Samariters der Seele und des Leibes, seine Verwirklichung findet. Indem ich euch einen erfolgreichen Abschluß eurer Arbeiten wünsche, erteile ich euch und euren Angehörigen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.

AN DIE TEILNEHMER DER TAGUNG DES ITALIENISCHEN VERBANDES KATHOLISCHER WOCHENZEITSCHRIFTEN


Clementina-Saal

Samstag, 25. November 2006

Liebe Brüder und Schwestern!



ANSPRACHE 2006 167