ANSPRACHE 2007 Januar 2007 14

14 Unsere jeweiligen religiösen Traditionen betonen alle den heilig5en Charakter des Lebens und die Würde des Menschen. Wir glauben, daß Gott unsere Vorhaben segnen wird, wenn sie zum Wohl aller seiner Kinder beitragen und es ihnen ermöglichen, einander zu achten in einer weltumspannenden Brüderlichkeit. Zusammen mit allen Menschen guten Willens sehnen wir uns nach Frieden. Daher wiederhole ich mit Nachdruck: interkulturelle und interreligiöse Forschung und Dialog sind keine Option, sondern eine lebenswichtige Notwendigkeit unserer Zeit.

Der Allmächtige segne Ihre Tätigkeit und gewähre Ihnen und Ihren Angehörigen seinen reichen Segen!



AN DIE GEMISCHTE INTERNATIONALE KOMMISSION FÜR DEN THEOLOGISCHEN DIALOG ZWISCHEN DER KATHOLISCHEN KIRCHE UND DEN ORIENTALISCH-ORTHODOXEN KIRCHEN

Donnerstag, 1. Februar 2007



Liebe Brüder in Christus!

Mit großer Freude begrüße ich euch, die Mitglieder der Gemischten Internationalen Kommission für den Theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orientalischorthodoxen Kirchen, zu eurer IV. Vollversammlung.

Herzliche brüderliche Grüße übermittle ich durch euch auch meinen ehrwürdigen Brüdern, den Oberhäuptern der orientalischen orthodoxen Kirchen: Seiner Heiligkeit Papst Shenouda III., Seiner Heiligkeit Patriarch Zakka I. Iwas, Seiner Heiligkeit Katholikos Karekin II., Seiner Heiligkeit Katholikos Aram I., Seiner Heiligkeit Patriarch Paulus, Seiner Heiligkeit Patriarch Antonios I. und Seiner Heiligkeit Baselios Marthoma Didymus I.

Euer Treffen zum Thema »Die Verfassung und die Sendung der Kirche« ist für unseren gemeinsamen Weg zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft von großer Bedeutung. Die katholische Kirche und die orientalischen orthodoxen Kirchen teilen ein kirchliches Erbe, das in die apostolische Zeit und die ersten Jahrhunderte des Christentums zurückreicht. Dieses »Erbe der Erfahrung« sollte unsere Zukunft gestalten und »unseren Weg zur Wiederfindung der vollen Gemeinschaft leiten« (vgl. Ut unum sint UUS 56).

»Geht in die ganze Welt hinaus und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen« (Mc 16,15), das ist der Auftrag, den der Herr Jesus uns anvertraut hat. Viele Menschen warten auch heute noch darauf, daß ihnen die Wahrheit des Evangeliums gebracht wird.

Möge ihr Durst nach der Frohen Botschaft uns bestärken, intensiv für jene Einheit zu arbeiten und zu beten, die die Kirche braucht, um ihre Sendung in der Welt dem Gebet Jesu entsprechend zu erfüllen: »So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich« (Jn 17,23).

Viele von euch kommen aus Ländern des Nahen Ostens. Die schwierige Situation, die die einzelnen Menschen und die christlichen Gemeinschaften in der Region leben, ist für uns alle ein Grund zu tiefer Sorge. Christliche Minderheiten haben große Schwierigkeiten, in einem so unbeständigen geopolitischen Panorama zu überleben und sind oft versucht, auszuwandern. Unter diesen Umständen wird von den Christen aller Traditionen und Gemeinschaften des Nahen Ostens verlangt, in der Kraft des Geistes Christi mutig und entschlossen zu sein (vgl. Weihnachtsbotschaft an die Katholiken des Nahen Ostens, 21. Dezember 2006). Möge die Fürsprache und das Vorbild der zahlreichen Märtyrer und Heiligen, die in jenen Ländern ein mutiges Zeugnis für Christus gegeben haben, die christlichen Gemeinschaften in ihrem Glauben stützen und festigen! Vielen Dank für eure Anwesenheit heute und für euren unermüdlichen Einsatz auf dem Weg des Dialogs und der Einheit. Möge der Heilige Geist eure Beratungen begleiten. Euch allen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.

FEST DER DARSTELLUNG DES HERRN XI. TAG DES GEWEIHTEN LEBENS


Petersdom

15

Freitag, 2. Februar 2007



Liebe Brüder und Schwestern!

Gern komme ich zu der Begegnung mit euch am Ende der Eucharistiefeier, die euch auch dieses Jahr aus einem für euch so bedeutsamen Anlaß in dieser Basilika zusammengeführt hat. Denn ihr, Angehörige von Kongregationen, Instituten, Gesellschaften des Apostolischen Lebens und neuen Formen des geweihten Lebens, bildet einen besonders wichtigen Bestandteil des Mystischen Leibes Christi. Die Liturgie des heutigen Tages erinnert an die Darstellung des Herrn im Tempel, ein Fest, das von meinem verehrten Vorgänger Johannes Paul II. als »Tag des geweihten Lebens« ausgewählt wurde. Mit lebhafter Freude richte ich an jeden einzelnen von euch meinen herzlichen Gruß, angefangen bei Herrn Kardinal Franc Rodé, dem Präfekten eures Dikasteriums, dem ich für die herzlichen Worte danke, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich grüße sodann den Sekretär und alle Mitglieder der Kongregation, die ihre Aufmerksamkeit einem lebenswichtigen Bereich der Kirche widmet. Der heutige Feiertag eignet sich bestens dazu, gemeinsam den Herrn um das Geschenk einer immer stärkeren und wirksameren Präsenz der Ordensmänner und Ordensfrauen und der geweihten Personen in der Kirche zu bitten, die auf den Straßen der Welt unterwegs ist.

Liebe Brüder und Schwestern, das Fest, das wir heute feiern, erinnert uns daran, daß euer Zeugnis für das Evangelium, um tatsächlich wirksam zu sein, aus einer vorbehaltlosen Antwort auf die Initiative Gottes entspringen muß, der euch durch einen besonderen Akt der Liebe für sich geweiht hat. Wie die greisen Simeon und Hanna inständig vor ihrem Tod den Messias zu sehen begehrten und von ihm »zu allen sprachen, die auf Erlösung Jerusalems warteten« (Lc 2,26 Lc 2,38), so ist auch in unserer Zeit besonders unter den Jugendlichen der Wunsch verbreitet, Gott zu begegnen. Diejenigen, die von Gott für das geweihte Leben auserwählt wurden, machen sich dieses tiefe geistliche Verlangen endgültig zu eigen. In ihnen wohnt in der Tat nur eine Erwartung: die Erwartung des Reiches Gottes: daß Gott in unserem Willen, in unseren Herzen, in der Welt herrsche; in ihnen brennt ein einziger Durst nach Liebe, den allein der Ewige zu stillen vermag. Durch ihr Beispiel verkünden sie einer oft orientierungslosen Welt, die aber in Wirklichkeit immer mehr auf der Suche nach einem Sinn ist, daß Gott der Herr des Daseins ist, daß seine »Huld besser ist als das Leben« (Ps 63,4). Dadurch, daß sie den Gehorsam, die Armut und die Keuschheit wählen, zeigen sie, daß alle Verbundenheit und Liebe zu den Dingen und zu den Menschen nicht imstande ist, das Herz endgültig zu befriedigen; daß das irdische Dasein ein mehr oder weniger langes Warten auf die Begegnung mit dem göttlichen Bräutigam »von Angesicht zu Angesicht« ist, ein Warten, das mit stets wachsamem Herzen gelebt werden muß, um bereit zu sein, ihn zu erkennen und zu empfangen, wenn er kommen wird.

Das geweihte Leben stellt also seiner Natur nach eine totale und endgültige, bedingungslose und leidenschaftliche Antwort an Gott dar (vgl. Vita consecrata VC 17). Und wenn die geweihte Person auf alles verzichtet, um Christus nachzufolgen, wenn sie das hingibt, was ihr am teuersten ist, und jedes Opfer auf sich nimmt, dann wird auch sie, so wie es beim göttlichen Meister geschehen ist, dessen Spuren sie folgt, notwendigerweise zum »Zeichen des Widerspruchs«, weil ihre Art zu denken und zu leben häufig im Gegensatz zur Logik der Welt steht, wie sie sich in den Medien präsentiert ? fast immer. Die geweihte Person wählt Christus, ja sie läßt sich von ihm vorbehaltlos »erobern«. Angesichts eines solchen Mutes sind viele Menschen, die nach Wahrheit dürsten, betroffen und angezogen von dem, der nicht zögert, das Leben, das eigene Leben für das hinzugeben, woran er glaubt. Ist das etwa nicht die radikale Treue gemäß dem Evangelium, zu der auch in unserer Zeit jede geweihte Person berufen ist? Wir danken dem Herrn dafür, daß so viele Ordensmänner und Ordensfrauen, so viele geweihte Personen in jedem Winkel der Welt weiterhin Gott und den Brüdern ein höchstes und treues Zeugnis der Liebe geben, ein Zeugnis, das sich nicht selten mit dem Blut des Martyriums färbt. Wir danken Gott auch dafür, daß diese Vorbilder weiterhin im Herzen vieler junger Menschen das Verlangen wecken, Christus für immer auf engste und totale Weise zu folgen.

Liebe Brüder und Schwestern, vergeßt niemals, daß das geweihte Leben ein Gottesgeschenk ist und daß es an erster Stelle der Herr ist, der es seinen Plänen entsprechend zu einem glücklichen Ende führt. Diese Gewißheit, daß uns der Herr trotz unserer Schwächen zu einem glücklichen Ende führt, diese Gewißheit soll euch Trost sein, indem sie euch angesichts der unvermeidlichen Schwierigkeiten des Lebens und der vielfältigen Herausforderungen der heutigen Zeit vor der Versuchung der Entmutigung bewahrt. In der Tat, in der schweren Zeit, in der wir leben, können nicht wenige Institute ein Gefühl von Verwirrung verspüren angesichts der Schwächen, die sie in ihrem Inneren finden, und wegen der vielen Hindernisse, denen sie bei der Erfüllung ihrer Sendung begegnen. Jenes Jesuskind, das heute im Tempel dargestellt wird, ist heute unter uns lebendig und hilft uns auf unsichtbare Weise, auf daß wir getreu mit ihm am Werk des Heils mitarbeiten; und es läßt uns nicht im Stich.

Die heutige Liturgie ist besonders eindrucksvoll, weil sie vom Symbol des Lichtes gekennzeichnet ist. Die feierliche Lichterprozession, die ihr zu Beginn der Eucharistiefeier durchgeführt habt, verweist auf Christus, das wahre Licht der Welt, das in der Nacht der Geschichte erstrahlt und jeden erleuchtet, der die Wahrheit sucht. Liebe Männer und Frauen des geweihten Lebens, laßt euch von dieser Flamme erfassen und sie durch euer Leben erstrahlen, damit überall ein Teil des von Jesus ausgestrahlten Glanzes, des Glanzes der Wahrheit, leuchte. Indem ihr euch ausschließlich ihm weiht (vgl. Vita consecrata VC 15), gebt ihr Zeugnis von der Faszination der Wahrheit Christi und der Freude, die aus der Liebe zu ihm entspringt. In der Kontemplation und im Handeln, in der Einsamkeit und in der Brüderlichkeit, im Dienst an den Armen und Geringsten, in der persönlichen Begleitung und in den modernen Areopagen sollt ihr bereit sein zu verkünden und zu bezeugen, daß Gott Liebe ist, daß es schön ist, ihn zu lieben. Maria, die »Tota pulchra«, lehre euch, diese Faszination Gottes, die aus euren Worten und euren Handlungen durchscheinen soll, an die Männer und Frauen von heute weiterzugeben. Mit meiner dankbaren Wertschätzung für den Dienst, den ihr der Kirche leistet, versichere ich euch meines ständigen Gedenkens im Gebet und segne euch alle von Herzen.

AN DIE TEILNEHMER DER WELTKONFERENZ DER SÄKULARINSTITUTE


Clementina-Saal

Samstag, 3. Februar 2007



Liebe Brüder und Schwestern!

Ich bin glücklich, heute unter euch zu sein, Mitglieder der Säkularinstitute, mit denen ich zum ersten Mal seit meiner Wahl auf den Stuhl des Apostels Petrus zusammentreffe. Ich begrüße euch alle herzlich. Ich begrüße Herrn Kardinal Franc Rodé, Präfekt der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, und danke ihm für die Worte der Zuneigung und geistigen Nähe, die er auch in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich begrüße Kardinal Cottier und den Sekretär eurer Kongregation. Mein Gruß gilt auch der Präsidentin der Weltkonferenz der Säkularinstitute, die sich zum Sprachrohr der Gefühle und Erwartungen von euch allen gemacht hat, die ihr aus verschiedenen Ländern, aus allen Kontinenten hier zusammengekommen seid, um ein internationales Symposion über die Apostolische Konstitution Provida Mater Ecclesia abzuhalten.

16 Wie bereits gesagt wurde, sind 60 Jahre seit jenem 2. Februar 1947 vergangen, als mein Vorgänger Pius XII. diese Apostolische Konstitution promulgierte und so einer in den vorangegangenen Jahrzehnten vorbereiteten Erfahrung eine theologisch-rechtliche Gestalt gab und in den Säkularinstituten eine der unzähligen Gaben anerkannte, mit denen der Heilige Geist den Weg der Kirche begleitet und sie zu allen Zeiten erneuert. Jener Rechtsakt bildete nicht etwa den Zielpunkt als vielmehr den Ausgangspunkt eines Weges, der zu einer neuen Form der Weihe führen sollte: der Weihe gläubiger Laien und Diözesanpriester, die dazu berufen sind, gerade jene »Weltlichkeit«, in die sie durch ihren Lebensstand oder den pastoralen Dienst eingebunden sind, mit einer dem Evangelium entsprechenden Radikalität zu leben. Ihr seid heute hier, um jenen vor 60 Jahren begonnenen Weg weiter zu umreißen, der euch in Christus Jesus als immer leidenschaftlichere Träger des Sinnes der Welt und der Geschichte erkennbar macht. Eure Leidenschaft entsteht daraus, daß ihr die Schönheit Christi entdeckt habt, die Schönheit seiner einmaligen Art, das Leben zu lieben, ihm zu begegnen, es zu heilen, es zu erfreuen, ihm Trost zu spenden. Und euer Leben will diese Schönheit besingen, damit euer Sein in der Welt Zeichen eures Seins in Christus sei.

Eure Eingliederung in die menschlichen Angelegenheiten zu einem theologischen Ort zu machen ist in der Tat das Geheimnis der Menschwerdung (»Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab«:
Jn 3,16). Das Heilswerk erfüllt sich nicht im Gegensatz zur Geschichte der Menschen, sondern in ihr und durch sie. Diesbezüglich stellt der Brief an die Hebräer fest: »Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn« (1,1-2a). Die erlösende Heilstat ist im Rahmen der Zeit und der Geschichte geschehen und wurde als Gehorsam gegenüber dem Plan Gottes erfahren, der in das aus seinen Händen hervorgegangene Werk eingeschrieben ist. Und noch einmal ist es der Text des Hebräerbriefes, der das herausstellt: »Zunächst sagt er: ›Schlacht- und Speiseopfer, Brand- und Sündopfer forderst du nicht, du hast daran kein Gefallen‹, obgleich sie doch nach dem Gesetz dargebracht werden; dann aber hat er gesagt: ›Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun‹« (10,8-9a). Diese Psalmworte, die der Brief an die Hebräer in dem innertrinitarischen Dialog ausgedrückt sieht, sind Worte des Sohnes, der zum Vater sagt: »Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun.« Und so verwirklicht sich die Menschwerdung: »Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun.« Der Herr bezieht uns in seine Worte ein, so daß sie zu unseren Worten werden: Ja, ich komme mit dem Herrn, mit dem Sohn, um deinen Willen zu tun.

So zeichnet sich mit aller Klarheit der Weg eurer Heiligung ab: die selbstlose Treue zu dem im offenbarten Wort zum Ausdruck gebrachten Heilsplan, die Solidarität mit der Geschichte, das Suchen nach dem Willen des Herrn, der in das von seiner Vorsehung gelenkte menschliche Geschehen eingeschrieben ist. Und gleichzeitig sind die Kennzeichen des Sendungsauftrages in der Welt festzustellen: das Zeugnis der menschlichen Tugenden wie »Gerechtigkeit, Friede und Freude« (Rm 14,17), das »rechtschaffene Leben«, von dem Petrus in seinem Ersten Brief (2,12) spricht und damit das Wort des Meisters anklingen läßt: »So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen« (Mt 5,16). Zum weltlichen Sendungsauftrag gehört außerdem der Einsatz für den Aufbau einer Gesellschaft, die in den verschiedenen Bereichen die Würde der menschlichen Person und die für ihre volle Verwirklichung unverzichtbaren Werte anerkennen soll: von der Politik bis zur Wirtschaft, von der Erziehung bis zum Einsatz im Gesundheitswesen, von der Verwaltung der Dienstleistungen bis hin zur wissenschaftlichen Forschung. Jede vom Christen gelebte eigene und spezifische Wirklichkeit, die eigene Arbeit und die eigenen konkreten Interessen finden, auch wenn sie ihre relative Beschaffenheit bewahren, ihre Endabsicht darin, daß sie sich demselben Ziel anschließen, für das der Sohn Gottes in die Welt gekommen ist. Fühlt euch daher von jedem Schmerz, von jeder Ungerechtigkeit ebenso auf den Plan gerufen wie von jeder Suche nach Wahrheit, nach Schönheit und nach Güte, nicht weil ihr die Lösung für alle Probleme hättet, sondern weil jede Bedingung, in der ein Mensch lebt oder stirbt, für euch eine Gelegenheit darstellt, das Heilswerk Gottes zu bezeugen. Das ist euer Sendungsauftrag. Eure Weihe hebt einerseits die besondere Gnade hervor, die euch für die Verwirklichung der Berufung vom Heiligen Geist zuteil wird, und verpflichtet euch andererseits zu einer totalen Fügsamkeit des Geistes, des Herzens und des Willens gegenüber dem Plan Gottes des Vaters, offenbart in Christus Jesus, zu dessen radikaler Nachfolge ihr berufen worden seid.

Jede Begegnung mit Christus verlangt einen tiefen Gesinnungswandel, aber für manche ist - so wie es bei euch der Fall war - die Forderung des Herrn besonders anspruchsvoll: alles verlassen, weil in eurem Leben Gott alles ist und alles sein wird. Es geht nicht einfach um eine andere Art, mit Christus in Beziehung zu treten und eure Treue zu ihm auszudrücken, sondern um eine Entscheidung für Gott, der von euch ein absolut totales Vertrauen in ihn fordert. Das eigene Leben dem Leben Christi anzugleichen, indem man in seine Worte eindringt, das eigene Leben durch die Übung der evangelischen Räte dem Leben Christi anzugleichen, ist ein grundlegendes und verbindliches Merkmal, das in seiner Besonderheit von »Alpinisten des Geistes«, wie der verehrte Papst Paul VI. euch nannte (vgl. Ansprache an die Teilnehmer am I. Internationalen Kongreß der Säkularinstitute: Insegnamenti, VIII, 1970, S. 939), konkrete Einsätze und Gesten fordert.

Der weltliche Charakter eurer Weihe hebt einerseits die Mittel hervor, mit denen ihr euch um ihre Verwirklichung bemüht, das heißt jene Mittel, die jedem Mann und jeder Frau eigen sind, die in gewöhnlichen Verhältnissen in der Welt leben, und andererseits die Form ihrer Entfaltung als einer tiefen Beziehung zu den Zeichen der Zeit, zu deren Unterscheidung im Licht des Evangeliums ihr persönlich und gemeinsam aufgerufen seid. Schon oft ist gerade bei dieser Unterscheidung maßgeblich euer Charisma festgestellt worden, so daß ihr gleichsam Laboratorien für den Dialog mit der Welt sein könnt, jene »Versuchslaboratorien, in denen die Kirche die konkreten Möglichkeiten ihrer Beziehungen zur Welt einer Probe unterzieht« (Paul VI., Ansprache an die Teilnehmer an der Weltkonferenz der Säkularinstitute, 25.8.1976, in O.R. Dt 36,3 Dt 36,9 Dt 36, Dt 2). Genau hier entsteht die anhaltende Aktualität eures Charismas, weil diese Unterscheidung nicht von außerhalb der Wirklichkeit, sondern aus ihrem Inneren, durch ein volles Involviertsein in sie, erfolgen soll. Das geschieht durch die Alltagsbeziehungen, die ihr in den familiären und gesellschaftlichen Verbindungen, in der beruflichen Tätigkeit, im Gefüge des Gemeinwesens und der kirchlichen Gemeinschaft knüpft. Die Begegnung mit Christus, das Sich- Hineinstellen in seine Nachfolge macht uns offen und drängt uns zur Begegnung mit jedermann, denn wenn sich Gott nur in der trinitarischen Gemeinschaft verwirklicht, wird auch der Mensch nur in der Gemeinschaft seine Erfülltheit finden.

Von euch wird nicht verlangt, besondere Lebensformen, besondere Formen apostolischer Verpflichtung oder sozialer Einsätze einzurichten, außer jenen, die in den persönlichen Beziehungen, die Quellen prophetischen Reichtums sind, entstehen können. Euer Leben sei wie der Sauerteig, der das ganze Mehl durchsäuert und aufgehen läßt (vgl. Mt 13,33): manchmal still und verborgen, aber immer konstruktiv und ermutigend und fähig, Hoffnung hervorzubringen. Der Ort eures Apostolats ist daher alles Menschliche. Dies betrifft nicht nur das Leben innerhalb der christlichen Gemeinschaft, wo die Beziehung gestärkt wird durch das Hören des Wortes und das sakramentale Leben, aus dem ihr schöpft, um eure aus der Taufe rührende Identität zu stützen. Der Ort eures Apostolats ist, wie gesagt, alles Menschliche sowohl innerhalb der christlichen Gemeinschaft als auch in der Zivilgesellschaft. In letzterer verwirklicht sich die Beziehung in der Suche nach dem Gemeinwohl, im Dialog mit allen, die berufen sind, Zeugnis zu geben von jener christlichen Anthropologie, die in einer vom multikulturellen und multireligiösen Klima desorientierten und verwirrten Gesellschaft ein Sinnangebot darstellt.

Ihr kommt aus verschiedenen Ländern; verschieden sind die kulturellen, politischen und auch religiösen Verhältnisse, in denen ihr lebt, arbeitet, alt werdet. In allen Situationen sucht ihr die Wahrheit, die menschliche Offenbarung Gottes im Leben. Wir wissen, es ist ein langer Weg, dessen Gegenwart unruhig, dessen Ausgang aber sicher ist. Verkündet die Schönheit Gottes und seiner Schöpfung. Seid nach dem Vorbild Christi der Liebe gehorsam, sanftmütige und barmherzige Männer und Frauen, fähig, die Wege der Welt zurückzulegen, indem ihr nur Gutes tut. Euer Leben soll in den Mittelpunkt die Seligpreisungen stellen und so der menschlichen Logik widersprechen, um ein bedingungsloses Vertrauen in Gott zum Ausdruck zu bringen, der will, daß der Mensch glücklich ist. Die Kirche braucht auch euch, um ihre Sendung zu vollenden. Seid Samen der Heiligkeit, der mit vollen Händen in die Ackerfurchen der Geschichte ausgesät wird. Da ihr in dem unentgeltlichen und wirksamen Handeln verwurzelt seid, durch das der Geist des Herrn die menschlichen Geschicke lenkt, könnt ihr Früchte echten Glaubens erbringen, indem ihr durch euer Leben und euer Zeugnis Gleichnisse für Hoffnung schreibt, und zwar durch die Werke, die von der »Phantasie der Liebe« angeregt wurden (vgl. Johannes Paul II. Apostol. Schreiben Novo millennio ineunte NM 50).

Mit diesen Wünschen versichere ich euch meines beständigen Gebetes und erteile euch zur Unterstützung eurer Initiativen im Apostolat und in der Nächstenliebe einen besonderen Apostolischen Segen.



AN DIE BISCHÖFE, DIE DER FOKOLARBEWEGUNG UND DER GEMEINSCHAFT "SANT'EGIDIO" NAHESTEHEN

Clementina-Saal - Donnerstag, 8. Februar 2007

17

Verehrte Brüder im Bischofsamt!

Ich freue mich, euch zu dieser Sonderaudienz zu empfangen, und begrüße euch, die ihr aus verschiedenen Ländern der Welt kommt, alle herzlich. Dabei denke ich besonders auch an diejenigen, die hier bei uns sind und anderen Kirchen angehören. Einige von euch nehmen an dem jährlichen Treffen der Bischöfe teil, die der Fokolar-Bewegung nahestehen; das Thema der diesjährigen Tagung lautet: »Der gekreuzigte und verlassene Christus, Licht in der kulturellen Nacht«. Gern ergreife ich diese Gelegenheit, um an Chiara Lubich meine Glückwünsche und meinen Segen zu übermitteln, den ich auf alle Mitglieder der von ihr gegründeten Bewegung ausweite. Andere nehmen am 9. Treffen von Bischöfen teil, die der Gemeinschaft Sant’Egidio nahestehen; auf dem Programm steht die Auseinandersetzung mit einem höchst aktuellen Thema: »Die Globalisierung der Liebe«. Ich begrüße Msgr. Vincenzo Paglia und mit ihm Prof. Andrea Riccardi und die ganze Gemeinschaft, die sich am Jahrestag ihrer Gründung heute Abend zu einer festlichen Eucharistiefeier in der Lateranbasilika versammeln wird. Es liegen mir hier nicht alle Namen vor, aber ich grüße natürlich von Herzen euch alle, liebe Brüder, Bischöfe, Kardinäle und alle lieben Mitbrüder der orthodoxen Kirche.

Liebe Brüder im Bischofsamt, ich möchte euch vor allem sagen, daß eure Nähe zu den beiden Bewegungen, die die Vitalität dieser neuen Zusammenschlüsse von Gläubigen hervorhebt, darüber hinaus jener Gemeinschaft unter den Charismen Ausdruck verleiht, die ein typisches »Zeichen der Zeit« ist. Mir scheint, daß diese Begegnungen der Charismen der kirchlichen Einheit in der Verschiedenheit der Gaben ein sehr ermutigendes und wichtiges Zeichen sind. Das nachsynodale Apostolische Schreiben Pastores gregis stellt fest, daß »die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Bischöfen … weit über den institutionellen Rahmen hinausgehen« (). Das geschieht auch bei Treffen wie den eurigen, wo nicht nur Kollegialität, sondern eine bischöfliche Brüderlichkeit erfahrbar wird, die sich aus dem Teilhaben an den von den Bewegungen geförderten Idealen dazu angespornt fühlt, die Gemeinschaft der Herzen zu vertiefen, den gegenseitigen Beistand stärker und jenes Bemühen gemeinschaftlicher zu machen, die Kirche als Ort des Gebets und der Liebe, als Haus der Barmherzigkeit und des Friedens, sichtbar werden zu lassen. Mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. bezeichnete die in diesen Jahren entstandenen Bewegungen und Neuen Gemeinschaften als ein von der Vorsehung bestimmtes Geschenk des Heiligen Geistes an die Kirche, um wirksam auf die Herausforderungen unserer Zeit zu antworten. Ihr wißt, daß auch ich dieser Überzeugung bin. Als ich noch Professor und dann Kardinal war, hatte ich Gelegenheit, diese meine Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, daß die Bewegungen wirklich ein Geschenk des Heiligen Geistes an die Kirche sind. Und gerade in der Begegnung der Charismen zeigen sie den Reichtum der Gaben sowie der Einheit im Glauben.

Wie könnte man zum Beispiel die außergewöhnliche Pfingstvigil des vergangenen Jahres vergessen, die die einstimmige Teilnahme vieler kirchlicher Bewegungen und Gemeinschaften verzeichnen konnte? In mir ist noch immer die Ergriffenheit lebendig, die ich bei der Teilnahme an einer derart intensiven spirituellen Erfahrung auf dem Petersplatz empfunden habe. Ich wiederhole euch, was ich damals zu den aus allen Teilen der Welt zusammengeströmten Gläubigen gesagt habe, daß nämlich die Vielgestaltigkeit und die Einheit der Charismen und Dienstämter im Leben der Kirche untrennbar zusammengehören. Der Heilige Geist will die Vielgestaltigkeit der Bewegungen im Dienst des einen Leibes, der eben die Kirche ist. Und er verwirklicht das durch das Dienstamt derjenigen, die er zur Leitung der Kirche Gottes eingesetzt hat: die Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri. Diese Einheit und Vielfalt, die im Volk Gottes besteht, wird in gewisser Weise gerade auch am heutigen Tag offenkundig, wo viele Bischöfe, die zwei verschiedenen, durch eine starke missionarische Dimension gekennzeichneten kirchlichen Bewegungen nahestehen, hier mit dem Papst vereint sind. In der reichen westlichen Welt, wo trotz des Vorhandenseins einer relativistischen Kultur dennoch zugleich eine verbreitete Sehnsucht nach Spiritualität nicht fehlt, geben eure Bewegungen Zeugnis von der Freude am Glauben und der Schönheit des Christseins in großer ökumenischer Offenheit. In den ausgedehnten rückständigen Gebieten der Erde vermitteln sie die Botschaft der Solidarität und machen sich zu Nächsten der Armen und Schwachen durch jene menschliche und göttliche Liebe, die ich in der Enzyklika Deus caritas est wieder in die Aufmerksamkeit aller rücken wollte. Aus der Gemeinschaft zwischen Bischöfen und Bewegungen kann daher ein gesunder Impuls für ein neues Engagement der Kirche in der Verkündigung und im Zeugnis des Evangeliums der Hoffnung und der Liebe in allen Teilen der Welt entspringen.

Von der Herzmitte ihrer Spiritualität, das heißt vom gekreuzigten und verlassenen Christus her, hebt die Fokolar-Bewegung das Charisma und den Dienst der Einheit hervor, der sich in den verschiedenen sozialen und kulturellen Bereichen verwirklicht, wie zum Beispiel im ökonomischen Bereich mit der »Wirtschaft der Gemeinschaft«, und durch die Wege des Ökumenismus und des interreligiösen Dialogs. Die Gemeinschaft Sant’Egidio stellt das Gebet und die Liturgie in den Mittelpunkt ihrer Existenz, um denen, die problematische Situationen und soziale Ausgrenzung erleben, nahezustehen. Gemeinsam »einer des anderen Last tragen« Für den Christen ist der Mensch, auch wenn er fernsteht, niemals ein Fremder. Gemeinsam ist es möglich, sich mit stärkerem Engagement den Herausforderungen zu stellen, die uns am Beginn des dritten Jahrtausends nachdrücklich auf den Plan rufen: Ich denke in erster Linie an die Suche nach Gerechtigkeit und Frieden und an die Dringlichkeit, eine brüderlichere und solidarischere Welt aufzubauen, angefangen bei den Ländern, aus denen einige von euch kommen und die von blutigen Konflikten heimgesucht werden. Ich beziehe mich besonders auf Afrika, den Kontinent, der mir sehr am Herzen liegt und von dem ich hoffe, daß er endlich eine Zeit stabilen Friedens und echter Entwicklung erleben möge. Die bevorstehende Synode der afrikanischen Bischöfe wird sicherlich eine günstige Gelegenheit sein, um die große Liebe offenbar zu machen, die Gott den geliebten afrikanischen Völkern zuteil werden läßt.

Liebe Freunde, die echte Brüderlichkeit, die zwischen euch und den Bewegungen, denen ihr nahesteht, besteht, drängt euch dazu, gemeinsam »einer des anderen Last« zu tragen (
Ga 6,2), wie der Apostel empfiehlt, vor allem was die Evangelisierung, die Liebe zu den Armen und das Anliegen des Friedens betrifft. Der Herr möge eure geistlichen und apostolischen Initiativen immer fruchtbar machen. Ich begleite euch mit meinem Gebet und erteile euch, die ihr hier anwesend seid, der Fokolar-Bewegung und der Gemeinschaft Sant’Egidio und den eurer pastoralen Sorge anvertrauten Gläubigen gern den Apostolischen Segen.

AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER VON KOLUMBIEN BEIM HL. STUHL, HERRN JUAN GÓMEZ MARTÍNEZ

Freitag, 9. Februar 2007



Herr Botschafter!

1. Gern nehme ich aus Ihren Händen das Schreiben entgegen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Kolumbien beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich heiße Sie sehr herzlich zu dieser Begegnung willkommen, mit der Sie Ihre Mission antreten, und ich danke Ihnen für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben, sowie für den ehrerbietigen Gruß, den der Herr Präsident, Dr. Álvaro Uribe Vélez, mir durch Sie übermitteln ließ, als Ausdruck der geistigen Nähe des kolumbianischen Volkes zum Papst.

Exzellenz, Sie vertreten von nun an eine Nation beim Heiligen Stuhl, die sich in ihrer Geschichte durch ihre katholische Identität ausgezeichnet hat. Ihre Worte erinnern mich an die lebhafte Zuneigung und kindliche Verbundenheit der Kolumbianer gegenüber dem Nachfolger Petri, Frucht eines tiefverwurzelten christlichen Glaubenserlebnisses; und sie lassen mich einmal mehr feststellen, daß dies darüber hinaus in der Wertschätzung der Gläubigen gegenüber den Bischöfen und ihren Mitarbeitern sichtbar wird, wenn es um die Erhaltung der von den Vorfahren ererbten Traditionen und Tugenden geht.

2. Die bemerkenswerten Anstrengungen, die Ihr Land für die Suche nach Frieden und Wiederversöhnung unternommen hat und die mit dem Bemühen einhergehen, den Fortschritt und solidere demokratische Einrichtungen zu fördern, sind vor der Welt nicht unbeachtet geblieben. Lobenswert sind die Ziele, die für eine größere Sicherheit und gesellschaftliche Stabilität sowie in der Bekämpfung der Armut erreicht worden sind. Hervorzuheben ist auch die ständige Sorge im Erziehungsbereich, wodurch der Zugang aller Bürger zu den Lehrangeboten der Schulen und Universitäten gefördert wird; denn die Erziehung ist das Fundament einer menschlicheren und solidarischeren Gesellschaft. Dennoch bestehen in Ihrem Land, wie Sie erwähnt haben, weiterhin komplexe Verhältnisse auf politischem und sozialem Gebiet.

Ich weiß um die Herausforderungen, die das Vorantreiben eines Friedensdialogs mit sich bringt, der notwendig ist, um die vielfältig lauernden Gefahren abzuwägen, die auf diesem Weg immer wieder auftauchen. Außerdem bestehen nach wie vor weitere Probleme in der Gesellschaft, die gegen die Würde der Menschen, die Einheit der Familien, eine gerechte wirtschaftliche Entwicklung und eine annehmbare Lebensqualität verstoßen. Mit den Erfolgen ebenso wie mit den Schwierigkeiten vor Augen ermutige ich alle Kolumbianer, ihre Anstrengungen fortzusetzen, um die Eintracht und das harmonische Wachstum der Nation zu erreichen. Diese Bestrebungen lassen sich nur dann voll verwirklichen, wenn Gott als der Mittelpunkt des Lebens und der menschlichen Geschichte betrachtet wird.

18 3. Ich weiß es daher zu schätzen, daß Eure Exzellenz die wichtige Arbeit der katholischen Kirche für die nationale Wiederversöhnung unterstrichen hat. Außer der direkten Beteiligung einiger Bischöfe, Priester und Ordensleute an den Aktionen, die zum Aufbau des Friedens in die Wege geleitet wurden, erhob in der Tat die Kirche ihre Stimme auch in den für das Leben Kolumbiens entscheidenden Momenten, indem sie an die unersetzbaren Grundlagen des wahren menschlichen Fortschritts und des friedlichen Zusammenlebens erinnerte und die Katholiken und die Menschen guten Willens aufforderte, den Weg der Vergebung und der gemeinsamen Verantwortung für die Wiederherstellung der Gerechtigkeit zu befolgen.

4. Als Hirt der universalen Kirche kann ich es nicht versäumen, Eurer Exzellenz gegenüber meine Besorgnis wegen einiger Gesetze zum Ausdruck zu bringen, die sehr delikate Fragen betreffen, wie die Weitergabe und Verteidigung des Lebens, Krankheit und Alter, die Identität der Familie und die Achtung der Ehe. Bezüglich dieser Themen wird die katholische Kirche sowohl im Licht der natürlichen Vernunft wie der aus dem Evangelium stammenden moralischen und geistlichen Prinzipien weiterhin unaufhörlich die unveräußerliche Hoheit der Würde des Menschen verkünden. Es ist notwendig, auch an die Verantwortung der in den Gesetzgebungsorganen, in der Regierung und in der Verwaltung der Justiz vertretenen Laien zu appellieren, damit die Gesetze immer Ausdruck der Prinzipien und Werte sind, die im Einklang mit dem Naturrecht stehen und das echte Gemeinwohl fördern.

5. Der Beginn Ihrer Mission beim Heiligen Stuhl bietet mir die Gelegenheit, an das zu erinnern, was ich schon im vergangenen Monat in meiner Ansprache an das Diplomatische Korps beim Heiligen Stuhl gesagt habe. Als ich über verschiedene Länder sprach, bezog ich mich auch auf »Kolumbien, wo der lange interne Konflikt eine humanitäre Krise ausgelöst hat, von der vor allem die Flüchtlinge betroffen sind. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um das Land zu befrieden, den Familien ihre entführten Angehörigen zurückzugeben, Millionen Menschen wieder Sicherheit und ein normales Leben zu gewähren. Solche Signale werden allen Vertrauen schenken, einschließlich denen, die in den bewaffneten Kampf verwickelt waren« (8.1.2007; in O.R. dt., Nr. 3, 19.1.2007, S. 8).

Es ist mein brennender Wunsch, daß in Ihrem Land dieser grausamen Geißel der Entführungen, die die Würde und die Rechte der Menschen in so schwerwiegender Weise verletzen, ein Ende gesetzt werden möge. Ich begleite jene, die sich zu Unrecht ihrer Freiheit beraubt sehen, mit meinem Gebet und drücke ihren Familien meine Nähe aus im festen Vertrauen auf ihre rasche Befreiung.

Diesbezüglich sind die zahlreichen dem Dienst der Nächstenliebe gewidmeten Einrichtungen, unter Befolgung der Pastoralpläne der Bischofskonferenz und der Diözesen, dazu aufgerufen, den Notleidenden, insbesondere den in Kolumbien so zahlreichen Vertriebenen sowie den Opfern der Gewalt humanitäre Hilfe zu leisten. Auf diese Weise geben sie auch Zeugnis vom Bemühen der Kirche, die immer im Rahmen ihrer eigenen Sendung und in den Lebensverhältnissen der Nation Urheberin von Gemeinschaft und Hoffnung ist.

6. Zum Abschluß dieser Begegnung möchte ich Ihnen nochmals meinen inständigen Wunsch bekunden, daß sich in Ihrer Heimat der so sehr ersehnte Friede und die Wiederversöhnung festigen mögen. Ich bitte Gottvater, daß er alle zu diesem Zweck unternommenen Anstrengungen fruchtbar werden lasse. Ich rufe auch die Fürsprache Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz von Chiquinquirá auf das geliebte kolumbianische Volk, auf den Herrn Präsidenten und alle übrigen Regierungsverantwortlichen und besonders auf Eure Exzellenz und Ihre verehrte Familie herab, während ich Ihnen allen Erfolg bei der Erfüllung der hohen Mission wünsche, mit der Sie betraut worden sind.


ANSPRACHE 2007 Januar 2007 14