Kommentar zum Evangelium Mt 40

Vierzigste Homilie. Kap. XII, V.9-24.

40 Mt 12,9-24
1.

V.9: "Und er ging weg von dort und kam in ihre Synagoge.

   V.10: Und siehe, es war da ein Mann, der eine verdorrte Hand hatte." 

   Wieder heilte der Herr am Sabbat und rechtfertigte so, was seine Jünger getan. Die anderen Evangelisten erzählen da, er habe den Mann in die Mitte gestellt und die Juden gefragt, ob es erlaubt sei, am Sabbat Gutes zu tun (Mc 3,4 Lc 6,9).Da sieh das Erbarmen des Herrn! Er stellte ihn in die Mitte, um sie durch dessen Anblick zu rühren; damit sie durch solch ein Schauspiel überwunden von ihrer Bosheit ab ließen und aus Scheu vor dem Manne ihre Wildheit besänftigten. Aber diese von unbändigem Haß erfüllten Menschen wollten lieber die Ehre Christi schädigen, als diesen Mann geheilt sehen. So zeigten sie auf zweifache Weise ihre Schlechtigkeit, einmal dadurch, dass sie sich überhaupt Christus widersetzten, dann aber auch dadurch, dass sie es mit solcher Hartnäckigkeit tun, dass sie sogar die Wohltaten, die anderen erwiesen wurden, zu hintertreiben suchen. Die anderen Evangelisten berichten da, der Herr selbst habe die Frage gestellt; Matthäus hingegen schreibt, er sei gefragt worden."Und sie fragten ihn und sagten: Ist es erlaubt am Sabbat zu heilen? Damit sie ihn verklagen könnten." Wahrscheinlich ist aber beides geschehen. Gottlos wie sie waren, und wohl wissend, dass er nur kam, um zu heilen, suchten sie ihm durch ihre Frage zuvorzukommen, in der Erwartung, dadurch die Sache verhindern zu können. Deshalb fragten sie auch: Ist es erlaubt, am Sabbat zu heilen? nicht um etwas zu erfahren, sondern "um ihn anklagen zu können". Und doch hätte ja die Tat selbst genügt, wenn sie ihn anklagen wollten. Aber sie wollten auch durch seine eigenen Worte eine Handhabe gewinnen, damit sie um so reichlicheren Stoff hätten. Christus in seiner Liebe geht auch darauf ein, er antwortet, hält ihnen damit die eigene Sanftmut als Beispiel vor Augen, wendet die ganze Sache gegen sie und zeigt, wie unmenschlich sie sind. 

   So stellt er also den Mann in die Mitte; er fürchtet sich nicht vor den Juden, sondern bemüht sich, ihnen zu nützen und sie zum Mitleid zu bewegen. Wie er aber auch damit sie nicht zu rühren vermochte, sa ward er betrübt und erzürnt über sie ob ihrer Hartherzigkeit (Mc 3,5) und sprach:

   V.11: "Wo ist unter euch ein Mensch, der ein Schaf besitzt, und wenn dieses am Sabbat in eine Grube fällt, es nicht anfaßt und herauszieht?

   V.12: Wie groß ist aber der Unterschied zwischen einem Menschen und einem Schafe? Es ist also erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun." 

   Dieses Beispiel führt der Herr gegen sie an, damit sie keinen An laß hätten, ihre Böswilligkeit zu zeigen und ihm nicht wieder Gesetzesübertretungen vorwerfen zu können. Du aber beachte, auf wie vielfältige und verschiedene Weise er überall seine Rechtfertigungsgründe für die Übertretung des Sabbats vorbringt. Als er den Blinden heilte, da verteidigte er sich bei ihnen nicht darüber, dass er den Kot anmachte, obwohl sie ihm auch daraus einen Vorwurf machten; es genügt eben diese Art Schöpfung, um zu zeigen, dass er der Herr des Gesetzes sei. Als aber der Gichtbrüchige sein Bett wegtrug und die Juden ihm daraus einen Vorwurf machten, so verteidigte er sich sowohl als Gott, wie als Mensch; als Mensch, indem er sagte: "Wenn der Mensch am Sabbat die Beschneidung erhält, damit das Gesetz nicht übertreten werde[387] , warum zürnt ihr mir dann, weil ich den ganzen Menschen gesund gemacht habe?" (Jn 7,23) Als Gott verteidigte er sich durch die Worte: "Mein Vater wirkt bis jetzt und auch ich wirke" (Jn 5,17). Und als man ihm wegen seiner Jünger Vorwürfe machte, sagte er: "Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als er hungerte, er und seine Begleiter; wie er in das Haus Gottes hineinging und Schaubrote aß?" (Mt 12,34). Auch auf die Priester beruft er sich. Und wiederum sagt er da: "Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes oder Schlechtes zu tun? (Mc 3,5). Wer von euch hat ein Schaf usw.? Er kannte aber ihre Habsucht und wußte, dass diese Leidenschaft ihre Liebe zu den Menschen weit übersteige. 

   Indes sagt der andere Evangelist, der Herr habe bei diese Frage auch um sich geblickt (Jn 7,23), als ob er die Juden auch mit den Blicken an sich ziehen wollte. Aber trotzdem besserten sie sich nicht. Außerdem begnügt sich aber der Herr in unserem Falle mit dem bloßen Reden, sonst aber heilte er oft auch durch Händeauflegung. Allein nichts von all dem stimmt sie milde. Der Mann wurde zwar geheilt, die anderen dagegen wurden durch seine Heilung noch schlechter. Der Herr wollte allerdings die Pharisäer noch vor diesem heilen und versuchte tausend Arten und Heilmittel, sowohl durch seine vorausgehenden Handlungen, als auch durch seine Worte; da aber nunmehr ihre Krankheit unheilbar war, so ging er ohne weiteres ans Werk.

   V.13: "Da sagte er zu dem Manne: Strecke deine Hand aus! Und er streckte sie aus und sie erwies sich so gesund wie die andere." 

   Was tun darauf die Pharisäer?

   V.14: "Sie gehen hinaus und beratschlagen, wie sie ihn töten könnten." 

   Ohne dass ihnen ein Unrecht geschehen wäre, versuchten sie ihn zu töten.



2.

Ein so großes Übel ist der Neid. Er steht nicht bloß mit den fremden, sondern auch mit den eigenen Hausgenossen in ewigem Krieg. Markus sagt hier, die Pharisäer hätten diese Beratung mit den Herodianern abgehalten. Was tut nun der Herr in seiner Milde und Sanftmut? Er ging fort, als er dies erfuhr.

   V.15: "Jesus aber erkannte ihre Ratschläge und zog sich darum von dort zurück." 

   Wo sind nun diejenigen, die da sagen, es sollten[388] Wunder geschehen? Durch diesen Vorfall hat ja der Herr gezeigt, dass ein böswilliges Gemüt sich auch dadurch nicht überzeugen läßt, und hat zugleich zu erkennen gegeben, dass auch die Vorwürfe gegen seine Jünger unberechtigt waren. Indes verdient auch die Tatsache Beachtung, dass die Pharisäer am allermeisten ob der Wohltaten ergrimmten, die der Herr anderen erwies; sobald sie einen sahen, der von Krankheiten oder Sünden befreit ward, so ergingen sie sich in Anklagen und wilden Schmähungen. Als er das hurerische Weib retten wollte, da verleumdeten sie ihn; ebenso als er mit Zöllnern aß; und jetzt wieder, da sie die geheilte Hand sahen. Du aber erwäge, wie der Herr keineswegs von der Sorge für Kranke abläßt und doch zugleich den Neid der anderen zu besänftigen sucht. 

   "Und es folgten ihm große Scharen Volkes und er heilte sie alle."

   V.16: "Und er drohte den Geheilten, dass sie ihn niemand offenbaren sollten." 

   Die Menge des Volkes hat dem Herrn überall ihre Bewunderung gezollt und ist ihm nachgefolgt; nur Pharisäer ließen von ihrer Bosheit nicht ab. Damit du aber bei solchen Vorkommnissen nicht in Verwirrung geratest ob der sinnlosen Wut der Pharisäer, so erwähnt der Herr auch den Propheten, der all dies vorausgesagt hat. So bis ins Kleinste genau waren eben die Propheten, dass sie auch diese Dinge nicht übergingen; sie verkündeten sogar seine Gänge und Wanderungen vorher, sowie die Absicht, mit der er all dies tat. Du sollst eben daraus erkennen, dass sie alles im Hl. Geiste geschrieben. Denn wenn es schon unmöglich ist, die geheimen Gedanken der Menschen zu erkennen, dann war es noch viel unmöglicher, die Absichten Christi zu erkennen, ohne dass der Hl. Geist sie offenbarte. Was sagt aber der Prophet? Der Herr fuhr fort:

   V.17: "Auf dass erfüllt würde das Wort des Propheten Isaias, der da sprach:

   V.18: Siehe, mein Sohn, den ich auserwählt habe, mein Geliebter, an dem ich mein Wohlgefallen fand. Ich werde ihm meinen Geist verleihen und er wird den Völkern das Urteil verkünden.

   V.19: Er wird keinen Streit erregen, er wird keinen Lärm machen und niemand wird seine Stimme auf den Straßen hören.

   V.20: Das gekrümmte Rohr wird er nichts vollends zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis dass er seinem Gericht den Sieg verschafft (Is 42,13).

   V.21: Und auf seinen Namen werden die Völker ihre Hoffnung setzen." 

   Mit diesen Worten preist der Prophet die Milde und unaussprechliche Macht Christi und eröffnet zugleich für die Heiden ein Eingangstor, groß und weit, verkündet auch den Juden das Unheil, das über sie kommen sollte und bezeugt endlich die Übereinstimmung des Herrn mit seinem Vater. "Denn", heißt es, "sieh da meinen Sohn, den ich auserwählt, mein Geliebter, an dem ich mein Wohlgefallen fand." Wenn aber der Vater ihn auserwählt hat, so wird er auch nicht im Gegensatz zu ihm das Gesetz aufheben und sich nicht als Feind des Gesetzgebers zeigen, sondern in Gedanken und Werken mit ihm übereinstimmen. Sodann preis der Prophet seine Sanftmut und sagt: "Er wird keinen Streit erregen, er wird keinen Lärm machen." Er selbst hatte ja die Absicht, unter den Juden zu heilen; nachdem sie ihn aber zurückgewiesen, so setzt er auch dem keinen Widerstand entgegen. Um sodann des Herrn Macht und der anderen Schwäche zu zeigen, heißt es weiter: "Ein gekrümmtes Rohr wird er nicht zerbrechen." Ihm wäre es ja ein Leichtes gewesen, alle seine Feinde wie ein Rohr zu zerbrechen; ja, sie waren schon kein unversehrtes Rohr mehr, sondern bereits gekrümmt."Und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen." Hier stellt uns der Prophet einerseits den flammenden Zorn der Pharisäer vor Augen, andererseits die Macht des Herrn, die genügt hätte, um ihren Zorn zunichte zu machen und mit Leichtigkeit auszulöschen. Darin liegt ein Beweis für seine große Sanftmut. Wie aber? Wird dies immer so sein? Wird er bis ans Ende diese Menschen ertragen, die ihm nachstellen und wider ihn rasen? Keineswegs; sondern wenn erst einmal seine Aufgabe erfüllt ist, dann wird auch das andere geschehen. Das hat er ja mit den Worten kundgetan; "Bis dass sein Gericht den Sieg erlangt." "Und auf seinen Namen werden die Völker ihre Hoffnung setzen." So sagt auch der hl. Paulus: "Seid bereit, jeden Ungehorsam zu strafen, nachdem euer eigener Gehorsam vollkommen geworden" (2Co 10,6). 

   Was bedeutet aber das Wort: "Bis sein Gericht den Sieg erlangt"? Das heißt, wenn er alles erfüllt haben wird, was an ihm liegt, dann wird er auch mit dem Gerichte kommen, und zwar mit gründlichem Gericht. Dann wird es jenen schlimm ergehen, wenn sein Siegeszeichen in strahlendem Glanz vor ihnen steht und seine Urteilssprüche zu Recht bestehen werden und jenen keine Ausflucht und keine anmaßende Widerrede mehr bleibt. Der Herr wußte eben, dass mit dem Ausdruck "Gericht" die Gerechtigkeit bezeichnet wurde. Doch beschränkt sich seine Tätigkeit nicht bloß darauf, die Untreuen zu bestrafen, er wird auch den ganzen Erdkreis an sich ziehen: "Und auf seinen Namen werden die Völker ihr Hoffen setzen."Und damit du dann wissest, dass auch dies der Absicht des Vaters entsprach, so hat der Prophet schon zu Beginn dies zugleich mit dem Vorausgehenden verheißen und sagte:"Mein Geliebter, an dem ich mein Wohlgefallen fand." Es ist ja klar, dass der Geliebte hierin nach der Absicht des Geliebten handelt (Is 42,14).

   V.22: "Damals brachten sie einen Besessenen zu ihm, der blind und stumm war, und er heilte ihn, so dass der, der vorher blind und stumm war, reden und sehen konnte."



3.

O dieser böse Dämon! Er hat beide Zugänge versperrt, durch die der Glaube zu dem Manne gelangen konnte, die Augen und die Ohren. Aber trotzdem hat Christus beide geöffnet. V.23: "Und es staunte die Menge und sagte: Ist etwa dieser der Sohn Davids?

   V.24: Die Pharisäer dagegen sagten: Der treibt die Dämonen nur aus im Namen des Beelzebub, des obersten der Dämonen." 

   Ja, was hatten denn die Leute Außergewöhnliches gesagt? Aber nicht einmal das konnten die Pharisäer ertragen; sie haben, wie ich schon erwähnt, sich immer über das Gute geärgert, das anderen erwiesen wurde, und nichts tat ihnen so weh, als das Heil der Menschen. Und doch gab der Herr nach und ließ der Leidenschaft Zeit, sich abzukühlen. Doch das Übel entzündete sich von neuem: denn abermals tat der Herr Gutes. Und die Pharisäer wurden noch wütender als der Dämon. Denn der fuhr wenigstens aus dem Leibe des Besessenen aus, ging davon und ergriff die Flucht, ohne etwas zu sagen. Diese dagegen versuchten den Herrn bald zu töten, bald zu verleumden. Da ihnen das erste nicht glückte, so wollten sie wenigstens seinen guten Ruf schädigen. 

   So ist eben der Neid, der wohl das größte Übel ist, das es gibt. Der Ehebrecher genießt doch wenigstens eine gewisse Lust und vollzieht seine Sünde in kurzer Zeit. Der Neidische dagegen straft und züchtigt sich selbst noch früher als den, auf den er neidisch ist, und läßt nie ab von seiner Sünde, sondern verharrt unablässig in ihr. Denn wie das Schwein an seinem Schmutz und der Teufel an unserem Schaden seine Freude hat, so erfreut sich der Neidische am Unglück des Nächsten; und wenn dem anderen etwas Widerwärtiges geschieht, dann labt er sich daran und atmet auf und hält den fremden Schaden für sein eigenes Glück und das eigene Unglück für des Nächsten Glück. Er achtet dabei nicht so sehr auf das Angenehme, das er vielleicht empfindet, als auf das Böse, das dem anderen widerfährt. Verdienten nicht solche Menschen, dass man sie steinigte und totschlüge wie räudige Hunde, wie fluchbeladene Dämonen, wie die leibhaftigen Erinnyen? Wie gewisse Käfer sich vom Miste nähren, so nähren sich diese vom Unglück des Nächsten; sie sind die geschworenen Feinde und Widepsacher der menschlichen Natur. Andere werden beim Anblick eines geschlachteten Tieres zum Mitleid bewegt; wenn du aber einen Menschen siehst, dem etwas Gutes widerfahren ist, gerätst du in wilden Zorn, zitterst und wirst bleich. Gäbe es wohl etwas Schlimmeres als eine solche Manie? Darum konnten auch Unkeusche und Zöllner ins Reich eingehen, während die Neidischen, die schon drinnen waren, desselben verlustig gingen. Denn "die Kinder des Reiches", heißt es, "werden hinausgeworfen werden" (Mt 8,12). Die anderen ließen ab von der Schlechtigkeit, die ihnen anhaftete und erlangten Dinge, die sie nie gehofft hätten; diese verloren auch das Gute, das sie besaßen. Und ganz mit Recht. Dieses Laster macht ja den Menschen zum Teufel; das macht ihn zum wilden Dämon. Ob dieses Lasters geschah der erste Mord; seinetwegen ward die Menschennatur mißachtet, ward die Erde befleckt, die sich später öffnete und den Dathan, Kore und Abiron mit ihrem Anhang und all jenem Volk lebendig aufnahm und verschlang. 

   Doch könnte da einer sagen, es ist leicht, über den Neid zu schelten; wichtiger wäre es zu wissen, wie man von dieser Krankheit frei werden kann. Wie können wir also von diesem Übel befreit werden? Durch den Gedanken, dass es nicht bloß dem Unzüchtigen nicht erlaubt sein sollte, die Kirche zu betreten, sondern ebensowenig dem Neidischen; ja diesem noch viel weniger als dem anderen. Jetzt erscheint es allerdings manchen sogar als etwas Gleichgültiges; darum wird es auch nicht genügend beachtet. Sobald wir aber klar erkennen, dass es etwas Böses ist, werden wir auch leicht davon abstehen. Darum weine und seufze, trauere und flehe zu Gott! Lerne dich einer schweren Sünde schuldig fühlen und bereuen. Wenn du so gesinnt bist, dann wirst du schnell von der Krankheit befreit werden. Und wer wüßte nicht, sagst du, dass der Neid etwas Böses ist? Es ist keiner, der es nicht wüßte, und doch halten sie diese Leidenschaft nicht für so sündhaft wie Unzüchtigkeit und Ehebruch. Wer hat es sich denn je zur Schuld angerechnet, wenn er bitteren Neid gehegt? Wer hat jemals Gott gebeten, er möchte ob dieses Fehlers Erbarmen mit ihm haben? Niemals auch nur ein einziger! Im Gegenteil, wenn er fastet und einem Armen eine kleine Münze gibt, dann mag er tausendmal neidisch sein, er wird gar nicht glauben, etwas Böses getan zu haben, obgleich ihn die schlimmste aller Leidenschaften im Besitz hat. Warum ist doch Kain so schlecht geworden? Warum Esau? Warum die Kinder des Laban? die Söhne Jakobs? Warum Kore, Dathan und Abiron mit ihren Anhängern? Warum Maria und Aaron, ja der Teufel selbst?



4.

Erwäge aber außerdem auch noch dies: du fügst nicht demjenigen Schaden zu, gegen den du Neid hegst, nein, du kehrst das Schwert wider dich selbst. Oder, was hat Kain dem Abel geschadet? Hat er ihn nicht ohne es zu wollen, nur um so schneller ins Himmelreich gesandt, sich selbst dagegen in unermeßliches Unglück gestürzt? Welchen Schaden konnte Esau dem Jakob zufügen? Ist nicht der eine reich geworden und ward mit tausend Glücksgütern gesegnet, während der andere selbst sein väterliches Heim verloren und nach jenem Anschlag in der Fremde umherirrte? Und was haben dem Joseph seine Brüder Übles zufügen können, obwohl sie ihm sogar nach dem Leben trachteten? Haben nicht gerade sie Hungersnot leiden und sich den größten Gefahren aussetzen müssen, während Joseph Herr über Ägypten wurde? Je größer dein Neid ist, um so größere Wohltaten verschaffst du dem, gegen den du neidisch bist. Gott wacht eben über all dies; und wenn er sieht, dass demjenigen Unrecht geschieht, der niemandem Böses getan. so erhebt er ihn nur um so mehr und verherrlicht ihn dadurch; dich hingegen bestraft er. Denn wenn du schon diejenigen, die sich über das Unglück des Feindes freuen, nicht ungestraft entkommen läßt (denn", sagt er, "freue dich nicht über den Fall deiner Feinde, damit nicht Gott es sieht und es ihm mißfällt"[1][1] Spr Pr 24,17-18), dann um so weniger jene, die gegen diejenigen Mißgunst hegen, die ihnen nichts zuleide getan. Rotten wir also dieses vielköpfige Ungestüm aus. Es ist nämlich der Neid gar vielgestaltet. Denn wenn man schon nichts vor einem Zöllner voraus hat, solange man nur denjenigen liebt, von dem man geliebt wird, welchen Platz wird dann derjenige einnehmen, der Haß hegt gegen den, der ihm kein Leid zugefügt hat? Wie wird ein solcher der Hölle entrinnen können, da er schlechter geworden ist als Heiden? Darüber empfinde ich denn auch so großen Schmerz, dass wir, die wir die Engel, ja den Herrn der Engel nachahmen sollten, statt dessen es dem Teufel gleichmachen. Auch in der Kirche herrscht ja viel Mißgunst und Eifersucht, und zwar noch mehr unter uns[389] als bei den Untergebenen. Deshalb müssen wir dies auch uns selbst gesagt sein lassen. Warum denn, sage mir, hegst du Neid gegen deinen Nachbar? Weil du sehen mußt, dass er Ehre und Ruhm genießt? 

   So bedenkst du wohl nicht, welch schlimme Folgen die Ehrenbezeichnungen für jene haben, die nicht auf ihrer Hut sind? Sie verleiten zum Ehrgeiz, zum Stolz, zur Torheit, zur Anmaßung und machen leichtfertig und sorglos; und zu all diesen üblen Folgen kommt noch, dass sie leicht wieder entschwinden; denn das Schlimmste von allem ist dies, dass die schlechten Folgen ewig dauern, die Lust dagegen in einem Augenblick kommt und verschwindet. Und deshalb bist du also neidisch? Allein, sagst du, der andere habe großen Einfluß beim Herrscher, er führt und leitet alles wie er will, seine Gegner verfolgt er, die Schmeichler überhäuft er mit Wohltaten, kurz, er besitzt große Macht. So reden aber nur weltlich gesinnte Leute, die noch am Irdischen haften. Geistig Gesinnten kann ja nichts Schmerz bereiten. Oder was kann man einem solchen Böses antun? Er wird seiner Würde verlustig gehen? Und was macht das? Entweder geschieht dies mit Recht und dann erweist man ihm eine Wohltat; nichts erzürnt ja Gott so sehr, als wenn jemand unwürdig das Priesteramt verwaltet; oder es geschieht ihm zu Unrecht, und dann fällt wiederum die Schuld auf den anderen, nicht auf ihn. Wer nämlich unverdienterweise leidet und es willig und mutig trägt, der erlangt dadurch um so größere Gnade bei Gott. Richten wir also unser Streben nicht darauf, wie wir zu Macht und Ehren und Würden gelangen, sondern vielmehr darauf, wie wir ein Leben der Tugend und Frömmigkeit führen können. Ehrenstellen verleiten ja zu manchen Handlungen, die Gott nicht wohlgefällig sind, und es bedarf einer überaus starten Seele, um die Macht in der rechten Weise zu gebrauchen. Wer keine Macht besitzt, der wird wohl oder übel rechtschaffen leben; wer sie aber hat, dem geht es wie einem, der mit einem schönen und wohlgestalteten Mädchen zusammen wohnen sollte, mit dem Befehle, niemals einen unkeuschen Blick auf dasselbe zu werfen. So ist eben die Macht. Sie hat schon viele auch wider ihren Willen zu Freveltaten verleitet, zum Zorn gereizt, ihrer Zunge die Zügel schließen lassen, die Türe des Mundes geöffnet, die Seele wie in einem Sturmwind hin- und hergerüttelt und das Schiff bis in den tiefen Abgrund des Bösen versenkt. Und da sagst du noch, einer, der in solcher Gefahr schwebt, verdiene Bewunderung und sei zu beneiden? Wie töricht ist das! Bedenke dann außerdem, was ich gesagt habe, wie viele Feinde und Ankläger und wie viele Schmeichler einen solchen Machthaber fortwährend umlagern? Das aber soll des Lobpreises Wert sein, sprich? Wer möchte dies wohl behaupten? 

   Ja, sagst du, er steht aber beim Volke in Ansehen. Und was bedeutet das? Das Volk ist ja doch nicht Gott, dem er Rechenschaft ablegen muß. Wenn du also vom Volke redest, erwähnst du damit nichts anderes als neue Hindernisse, Schwierigkeiten, Gefahren und Klippen. Denn je mehr Ruhm das Ansehen im Volke verschafft, um so größere Gefahren, Sorgen und Betrübnisse hat es im Gefolge. Ein solcher kann ja gar nicht mehr aufatmen oder stehen; so hart ist sein Tyrann. Und was sage ich: stehen oder Atem holen? Hätte ein solcher auch tausend Verdienste sich erworben, er würde doch nur schwer ins Himmelreich eingehen. Nichts pflegt ja so sehr dem Untergange zuzutreiben als die Gunst der großen Menge, weil sie die Menschen feige und zu Schmeichlern und Heuchlern macht. Weshalb haben denn die Pharisäer von Christus gesagt, er habe einen Dämon? Nicht etwa deshalb, weil sie um die Gunst der großen Menge buhlten? Und weshalb hat das Volk richtig über ihn geurteilt? Doch wohl deshalb, weil es nicht von dieser Leidenschaft erfaßt war? Ja nichts, gar nichts treibt die Menschen so sehr zur Sünde und Torheit als die Sucht, bei der großen Menge in Ansehen zu stehen, nichts hingegen macht sie so angesehen und unabhängig, als wenn man sich hierum nicht kümmert. Es bedarf darum auch eines mehr jugendfrischen Gemütes, will man dieser Leidenschaft widerstehen, die so häufig und gewaltig ist wie der Sturmwind? Denn geht es einem solchen gut, so überhebt er sich überall; erfährt er Widerwärtigkeiten. so wünscht er sich lieber den Tod; dieser Ruhm ist für ihn Hölle und Himmel, sobald er einmal dieser Leidenschaft unterworfen ist.



5.

Soll man also wegen so etwas Neid und Eifersucht hegen, sprich? Oder verdient es nicht eher Trauer und Tränen? Das sieht doch jeder ein. Wenn du hingegen jemand beneidest, der so die öffentliche Gunst besitzt, so tust du dasselbe, wie wenn einer einen Mann sieht, der gefesselt ist, mit Ruten gezüchtigt und von unzähligen wilden Tieren hin- und hergezerrt wird, und ihn um seine Wunden und seine Geißelhiebe beneidet. Denn so viele Menschen das Volk zählt, so viele Fesseln, so viele Tyrannen hat ein solcher. Ja, was noch schlimmer ist, ein jeder von diesen hat auch noch eine andere Meinung und jeder redet über diesen seinen Sklaven, was ihm gerade einfällt, ohne etwas zu prüfen; sondern was gerade dieser oder jener meint, dem stimmen auch sie selber bei. Ist also das nicht schlimmer als Meeresbrandung und Sturmgewoge? Ein solcher Mensch wird ja leicht vom Glücke aufgeblasen, leicht auch wieder in die Tiefe geschleudert; sein ganzes Leben ist ein beständiger Wechsel und nie hat er Ruhe. Bevor er in der Öffentlichkeit zum Redekampf auftritt, ist er voll Angst und Zittern, nachher ist er entweder halb tot vor Niedergeschlagenheit, oder freut sich über die Maßen; und das ist noch schlimmer als Traurigkeit. Denn dass die Freude kein geringeres Übel ist als die Trauer, ergibt sich klar aus den Wirkungen, die sie auf die Seele ausübt; sie macht nämlich die Seele leicht, hochstrebend und hochfliegend. Das können wir auch an den Männern der Vorzeit beobachten. Wann war z.B. David besser? Als er in Freude lebte oder in Bedrängnis sich befand? Und wann das Judenvolk? Als es seufzte und Gott anrief, oder da es in der Wüste sich der Freude hingab und das goldene Kalb anbetete? Darum sagte auch Salomon, der doch am besten wußte, was Freude und Lust sei: "Besser ist es, in ein Haus der Trauer zu gehen als in ein Haus der ausgelassenen Freude" (Qo 7,3). Deshalb preist auch Christus die einen selig mit den Worten: "Selig die Trauernden" (Mt 5,5), während er über die anderen wehruft und sagt:"Wehe euch, die ihr lacht; denn ihr werdet weinen" (Lc 6,25). Und das ganz mit Recht. Denn zur Zeit der Lust und Freude ist die Seele schlaffer und weichlicher, in Zeiten der Trauer hingegen ist sie gesammelt und nüchtern, ist sie jeglicher Fessel der Leidenschaften frei und wird erhabener und stärker. Im Bewußtsein alles dessen wollen wir also den Menschenruhm und seine Lust fliehen, damit wir des wahren und ewig bleibenden Ruhmes teilhaftig werden. Den mögen wir alle erlangen durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem Ehre und Macht gebührt in alle Ewigkeit. Amen!





Einundvierzigste Homilie. Kap XII, V.25-32.

41 Mt 12,25-32
1.

V.25: "Da aber Jesus ihre Gedanken kannte, sprach er zu ihnen: Jedes Reich, das gegen sich selbst geteilt ist, wird verwüstet werden. Und jede Stadt und jedes Haus, das wider sich selbst geteilt ist, wird nicht bestehen bleiben.

   V.26: Und wenn der Teufel den Teufel austreibt, so ist er wider sich selbst geteilt. Wie soll also sein Reich Bestand haben?" 

   Schon früher hatten die Juden dem Herrn vorgeworfen, er treibe die Teufel im Namen des Beelzebub aus. Indes tadelte er sie damals nicht, sondern gab ihnen Gelegenheit, seine Macht an weiteren Wundern zu erkennen und seine Größe aus seiner Lehre zu ersehen. Da sie aber unaufhörlich dasselbe wiederholten, so hat er sie zuletzt auch getadelt. Zuerst zeigt er ihnen aber seine Gottheit dadurch, dass er ihre geheimen Gedanken ans Licht zieht, sodann auch durch die Leichtigkeit, mit der er die Teufel austreibt. Der Vorwurf der Juden war ja auch überaus unverschämt. Denn, wie schon gesagt, dem Neidischen ist es nicht um die Sache zu tun, sondern nur darum, irgend etwas zu sagen. Trotzdem verachtete Christus sie nicht, sondern verteidigte sich mit gewohnter Sanftmut und gab damit auch uns die Lehre, gegen unsere Feinde sanftmütig zu sein; und wenn sie selbst Dinge uns vorwerfen, deren, wir uns selbst gar nicht bewußt sind, und die gar keinen Sinn haben, so sollen wir uns nicht betrüben und verwirren lassen, sondern mit aller Sanftmut ihnen Rechenschaft ablegen. Geradeso machte es damals der Herr und lieferte damit den besten Beweis für die Unwahrheit ihrer Anklage. Denn ein Besessener wäre ja doch nicht imstande gewesen, soviel Sanftmut zu zeigen, und ebensowenig kann ein solcher die geheimen Gedanken erkennen. Denn gerade weil dieser Verdacht so ungeheuerlich war und weil sie sich vor dem Volke fürchteten, deshalb wagten es die Pharisäer auch nicht, ihre Anklage offen auszusprechen, sondern behielten sie in ihrem Innern. Während aber der Herr ihnen zeigt, dass er auch diese Gedanken kenne, macht er ihnen gleichwohl keine Vorwürfe und stellt ihre Schlechtigkeit nicht an den Pranger. Er gibt einfach die Antwort und überläßt die Beschämung dem Gewissen derer, die den Vorwurf erhoben hatten. Ihm lag eben nur eines am Herzen, den Sündern zu nützen, nicht, sie bloßzustellen. Denn hätte er eine lange Rede gegen sie halten, sie lächerlich machen und ihnen dazu noch die schwerste Strafe auferlegen wollen, so hätte ihn nichts daran hindern können. Indes unterläßt er dies alles und ist nur auf eines bedacht, seine Gegner nicht noch erbitterter, sondern sanftmütiger und auf diese Weise zum Guten tauglicher zu machen. 

   Wie verteidigt er sich also ihnen gegenüber? Er führte keine Beweise aus der Hl. Schrift an[390] , vielmehr bringt er einen Vergleich aus dem gewöhnlichen Leben. "Jedes Reich", sagt er, "das wider sich selbst geteilt ist, wird keinen Bestand haben; und wenn eine Stadt und ein Haus geteilt ist, so wird es schnell zugrunde gehen." Auswärtige Kriege führen ja nicht so rasch das Verderben herbei als innere. Dasselbe ist auch bei den Leibern der Fall, wie überhaupt bei allen Dingen. Doch entnimmt der Herr seine Beispiele von bekannten Vorgängen. Denn was gibt es Stärkeres auf Erden als ein Königreich? Nichts. Gleichwohl geht es durch innere Wirren zugrunde. Wenn man aber schon bei ganzen Reichen die Hauptursache des Verderbens in inneren Zwistigkeiten suchen muß, um wieviel mehr, glaubst du, wird dies dann erst bei einer Stadt und bei einem bloßen Haus der Fall sein? Ja, mag es sich um etwas Großes oder Kleines handeln, wo innerer Zwiespalt ist, da kommt der Untergang. Wenn also ich einen Dämon habe und durch ihn die Teufel austreibe, so herrscht Zwietracht und Kampf und gegenseitiger Krieg unter den Dämonen. Wenn sie aber gegeneinander sich erheben, so ist ihre Macht gebrochen und vernichtet. "Denn wenn der Satan den Satan austreibt[391] , so ist er wider sich selbst geteilt." Wenn er aber geteilt ist, so ist er geschwächt worden und geht zugrunde; wenn er aber zugrunde ging, wie kann er einen anderen austreiben? Siehst du, wie lächerlich die Anklage der Juden war? Wie töricht? Wie feindselig? Denn man kann doch nicht zu gleicher Zeit sagen, des Teufels Reich stehe fest, und der Teufel selbst treibe die Teufel aus, oder sagen, es stehe gerade aus dem Grunde fest, wegen dessen es hätte zugrunde gehen sollen. Das ist die Lösung der ersten Frage; die der zweiten nachfolgenden Frage betrifft die Jünger. Der Herr löst nämlich die Einwände seiner Gegner niemals bloß auf eine Art, sondern stets auch auf eine zweite und dritte, um so durch die Fülle von Gründen ihre Keckheit zum Schweigen zu bringen. So machte er es auch, als es sich um den Sabbat handelte, wo er den David zum Beweis anführte, die Priester und das Schriftzeugnis, das da lautet: "Erbarmen will ich und nicht Opfer" (Os 6,6), und wo er auch die Ursache nannte, wegen deren der Sabbat eingesetzt war, indem er sagte: "Des Menschen wegen ist der Sabbat da" (Mc 2,27). Geradeso macht er es also auch hier. Nach der ersten Antwort gibt er die eine zweite, die noch deutlicher ist als die vorhergehende.

   V.27: "Wenn nämlich ich, sagt er,"in Beelzebub die Teufel austreibe, in wessen Namen treiben eure eigenen Kinder sie aus?"



2.

Beachte auch hier die Sanftmut des Herrn. Er sagt nicht: meine Jünger, nicht: die Apostel, sondern: "eure Söhne". Wenn nämlich sie, die Pharisäer, die gleiche gute Gesinnung wie ihre Söhne erlangen wollten, so könnten sie in diesem Ausdruck eine mächtige Anregung dazu finden; würden sie aber undankbar sein und in ihrer Gesinnung verharren, so würde ihnen selbst bei der größten Unverfrorenheit keine Ausrede mehr übrig bleiben. Der Sinn seiner Worte ist der: In wessen Namen treiben die Apostel Teufel aus? Sie hatten nämlich bereits solche ausgetrieben, weil sie von ihm die Macht dazu erhalten hatten, und doch machten die Pharisäer ihnen keinerlei Vorwürfe; sie kämpften eben nicht gegen die Sache, sondern nur gegen die Person. Um also zu zeigen, dass ihre Äußerung nur der Eifersucht entsprang, erwähnt der Herr die Apostel. Denn, will er sagen, wenn ich auf diese Weise Teufel austreibe, dann um so mehr jene, die nur von mir die Macht erlangten. Indes habt ihr zu ihnen nichts dergleichen gesagt. Wie könnt ihr also mir, der ich auch der Urheber dessen bin, was jene getan, solche Vorwürfe machen, während ihr an ihnen nichts zu tadeln findet? Dies letztere wird euch keineswegs von der Strafe befreien, sondern nur noch größere Verdammnis euch zuziehen. Deshalb fügte er auch bei: "Sie selbst würden eure Richter sein." Denn wenn sie, die da aus eurer Mitte stammen und solche Dinge vollbracht haben, mir gehorchen und untertan sind, so Gegenteil tun und sagen.

   V.28: "Wenn ich aber im Geiste Gottes die Teufel austreibe, so ist folglich das Reich Gottes zu euch gekommen." 

   Was ist das: "das Reich Gottes"? Das ist meine Ankunft. Beachte, wie der Herr sie auch hier an sich zu ziehen und zu bessern sucht, sie gleichsam zur Erkenntnis seiner selbst hinzieht und ihnen zeigt, dass sie gegen ihre eigenen Interessen kämpfen und wider ihr eigenes Heil streiten. Ihr solltet euch freuen und frohlocken, will er sagen, dass der Herr gekommen ist, jene großen, unaussprechlichen Dinge zu bringen, die längst von den Propheten vorherverkündet wurden, und dass für euch die Zeit des Heiles angebrochen ist; ihr tut aber das gerade Gegenteil; ihr nehmt das Heil nicht nur nicht an, sondern lästert es auch noch und erfindet Erklärungen dafür, die nicht auf Wahrheit beruhen. Bei Matthäus heißt es nun hier: "Wenn aber ich im Geiste Gottes Dämonen austreibe"; Lukas dagegen sagt: "Wenn aber ich in dem Finger Gottes die Dämonen austreibe" (Lc 11,20). Er will damit andeuten, dass nur die allerhöchste Macht imstande ist, Dämonen auszutreiben, und dass dies keine alltägliche Gnadengabe sei. Da will er denn seinen Schluß daraus ziehen und sagen: Wenn dies aber so ist, dann ist der Sohn Gottes angekommen. Doch sagt er dies nicht offen; er deutet es nur verborgenerweise an, wie etwas, das sie nicht gerne hörten, und sagt: "Also ist das Reich Gottes zu euch gekommen." 

   Erkennst du da das Übermaß der Weisheit? Er zeigt ihnen, dass gerade aus ihren eigenen Einwürfen die Ankunft des Messias sich mit leuchtender Klarheit ergibt. Um sie sodann auch noch anzuziehen, sagt er nicht einfach: "Das Reich ist gekommen", sondern fügt hinzu: "über euch", gerade als wollte er sagen: Für euch ist die Gnadenzeit gekommen; weshalb seid ihr also eurem eigenen Wohle gegenüber so unzugänglich, weshalb liegt ihr wider euer eigenes Heil im Streite? Das ist ja die Zeit, durch die Propheten von alters her verkündet, das ist das Zeichen der Ankunft, dass sie vorausgesagt, dass solche Dinge durch die Kraft Gottes geschehen würden. Denn dass sie geschehen, wißt auch ihr selbst; dass sie aber durch göttliche Kraft geschehen, das kündet schon die Sache allein. Der Satan kann ja unmöglich jetzt stärker sein; er ist vielmehr naturnotwendig schwach. Wer aber schwach ist, kann nicht, als wäre er stark, den starken Dämon austreiben. So sprach der Herr, um die Macht der Liebe zu zeigen und die Ohnmacht der Zwietracht und Eifersucht. Deshalb hat er auch selbst seine Jünger immerfort und bei jeder Gelegenheit zur Liebe ermahnt und ihnen gesagt, dass der Teufel alles tue, um sie zu beseitigen. Nachdem er also die zweite Lösung der Frage gegeben, gibt er auch die dritte, indem er also fortfährt:

   V.29: "Wie kann jemand in das Haus des Starken eindringen und dessen Diener verjagen, wenn er nicht zuerst den Starken gebunden hat, um dann erst seine Gehilfen zu vertreiben?"



3.

Dass also der Satan nicht die Gewalt hat, den Satan auszutreiben, das ergibt sich aus dem früher Gesagten; dass es auch auf keine andere Weise möglich ist, außer man bezwingt zuerst ihn selbst, das geben gleichfalls alle zu. Was ergibt sich dann aber hieraus? Nur das, was schon früher gesagt wurde, aber mit noch größerer Deutlichkeit. Ich bin so weit entfernt, will der Herr sagen, den Teufel als Bundesgenossen zu gebrauchen, dass ich ihn vielmehr bekämpfe und ihn in Fesseln schlage. Der Beweis dafür liegt darin, dass ich seine Helfershelfer austreibe. Beachte, wie der Herr gerade das Gegenteil von dem beweist, was jene hatten behaupten wollen. Jene hatten zeigen wollen, dass er nicht aus eigener Macht die Teufel austreibe; er hingegen beweist ihnen, dass er nicht nur die Teufel, sondern sogar den Oberanführer selbst durch seine große Macht in Fesseln hält und dass er ihn noch vor den anderen aus eigener Kraft bezwungen. Das ergibt sich klar aus dem, was schon geschehen war. Denn wenn der eine der Anführer ist, die anderen aber ihm untertan sind, wie war es dann möglich, dass diese vertrieben wurden, solange jener nicht besiegt und nicht unterjocht war? Mir scheinen die Worte hier auch eine Prophetie zu enthalten. Denn nicht bloß die Dämonen sind die Gehilfen des Teufels, sondern auch die Menschen, die ihm Handlangerdienste leisten. Christus will uns also mit diesen Worten offenbaren, dass er nicht bloß Dämonen austreibe, sondern auch mit allem Irrtum und Trug der Welt aufräumen, des Teufels Zauber zunichte machen und alle seine Bemühungen vereiteln werde. Auch sagt er nicht nur: er wird rauben, sondern: er wird ganz und gar ausrauben, um zu zeigen, wie gründlich er die Sache machen wird.



4.

Stark nennt aber der Herr den Teufel, nicht weil er etwa von Natur aus so wäre, beileibe nicht, sondern um auf seine frühere Gewaltherrschaft hinzuweisen, die eine Folge unserer Fahrlässigkeit war.

   V.30: "Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, zerstreut." 

   Da haben wir also noch eine vierte Lösung der Frage. Was will denn ich, sagt der Herr? Zu Gott hinführen, die Tugend lehren, das Himmelreich verkünden. Was will dagegen der Teufel mit seinen Dämonen? Gerade das Gegenteil von all dem. Wie sollte also der, der nicht mit mir sammelt und nicht zu mir hält, mit mir zusammen arbeiten? Und was sage ich zusammen arbeiten? Im Gegenteil, er hat nur das Verlangen, mir entgegenzuarbeiten. Wer also nicht nur nicht mit mir zusammengeht, sondern mir sogar entgegen ist, wie sollte der so große Willfährigkeit gegen mich zeigen, dass er mit mir die Dämonen austriebe? Das gleiche sollte aber nicht bloß vom Teufel, sondern auch von ihm selber gelten, da ja auch er des Teufels Widersacher ist und ihm, entgegenarbeitet. Wie so aber, fragst du, "ist gegen mich, wer nicht mit mir ist"? Eben dadurch, dass man nicht mit dem Herrn ist. Wenn aber schon dies wahr ist, dann trifft dies noch vielmehr auf den zu, der gegen ihn ist. Wenn schon der ein Feind ist, der nicht mit ihm zusammen arbeitet, dann noch viel mehr derjenige, der ihn bekämpft. Das alles sagt aber der Herr nur, um zu zeigen, wie groß und unaussprechlich seine Feindschaft wider den Teufel ist. Sage mir doch, wenn du gegen jemand Krieg zu führen hättest, wäre da nicht jeder, der nicht mit dir kämpfen wollte, eben dadurch gegen dich? Wenn aber der Herr an einer anderen Stelle sagt: "Wer nicht gegen euch ist, ist für euch" (Lc 9,50), so steht dies nicht im Widerspruch mit unserer Stelle. Hier zeigte er ihnen eben einen Feind, dort einen teilweisen Freund. "Denn", heißt es,"in Deinem Namen treiben sie Dämonen aus" (Mt 7,22). Ich glaube indes, der Herr wollte hier auch auf die Juden hindeuten und sie so als Verbündete des Teufels hinstellen. Denn auch die Juden waren ja gegen ihn und zerstreuten das wieder, was er gesammelt hatte. Denn dass er wirklich auch sie im Auge hatte, gibt er mit den Worten zu verstehen:

   V.31: "Deshalb sage ich euch, jede Sünde und jede Gotteslästerung wird den Menschen nachgelassen werden." 

   Nachdem sich der Herr verteidigt, den Einwand widerlegt und gezeigt hatte, dass die Pharisäer ihn ohne Grund beschimpft hatten, da flößt er ihnen zuletzt auch noch Furcht ein. Auch das trägt ja nicht wenig bei zur Belehrung und Besserung, dass man nicht nur auf Einwände antwortet und zu überzeugen sucht, sondern dass man auch Drohungen vorbringt. So macht es der Herr überall, wo er Vorschriften und Ratschläge gibt. Allerdings scheint dieser Ausspruch des Herrn sehr unklar zu sein; wenn wir aber genau zusehen, findet sich leicht eine Erklärung. Zunächst empfiehlt es sich, auf den Wortlaut selbst zu achten. "Jede Sünde und Gotteslästerung", heißt es, wird den Menschen nachgelassen werden, die Lästerung des Hl.Geistes dagegen wird ihnen nicht nachgelassen werden.

   V.32: Und wer immer wider den Menschensohn redet, es wird ihm verziehen werden; wer aber wider den Hl. Geist redet, dem wird nicht verziehen werden, weder in dieser Welt noch in der künftigen." 

   Welches ist also der Sinn dieser Worte? Ihr habt viel wider mich geredet und gesagt, ich sei ein Betrüger und ein Feind Gottes. Das verzeihe ich euch, wenn ihr es bereut, und will euch nicht dafür bestrafen. Die Lästerung des Geistes dagegen wird nicht verziehen, auch denen nicht, die sie bereuen. Wie hätte das einen Sinn? Auch diese Sünde wurde ja den Reuigen nachgelassen. Denn viele von denen, die also lästerten, haben nachher geglaubt und alles ward ihnen verziehen. Welches ist also der Sinn dieser Worte? Der, dass diese Sünde ganz besonders unverzeihlich ist. Und warum? Weil sie von ihm selber nicht wußten, wer er sei; über den Hl. Geist aber hatten sie hinlängliche Kenntnis erlangt. Durch ihn hatten ja die Propheten ihre Weissagung verkündet und im Alten Testament kannten ihn alle sehr gut. Der Sinn seiner Worte ist also der: Nun gut, an mir stoßt ihr euch, weil ich im Fleische erschienen bin; könnt ihr aber auch vom Hl. Geist sagen: Wir kennen ihn nicht? Gerade deshalb werdet ihr für eure Lästerungen keine Verzeihung finden und in dieser wie in der anderen Welt bestraft werden. Viele werden nur in dieser Welt bestraft, wie derjenige, der Unzucht getrieben, wie jene Korinther, die unwürdig an den heiligen Geheimnissen teilgenommen hatten; ihr hingegen werdet hier und dort bestraft werden. Alles, was ihr also gegen mich gelästert habt vor meinem Kreuzestod, verzeihe ich euch, auch die Sünde der Kreuzigung selbst; nur über euren Unglauben werdet ihr gerichtet werden.[392] Was ihr aber über den Hl. Geist gesagt habt, das wird euch nicht verziehen werden. Denn, eben weil er von dem sprach, was sie vor seinem Kreuzestod wider ihn redeten, fügte er hinzu: "Wer immer etwas redet gegen den Menschensohn, wird Verzeihung erlangen, nicht aber, wer gegen den Hl. Geist redet". Warum? Weil ihr diesen kennt und weil ihr dadurch gegen die erkannte Wahrheit sündigt. Denn wenn ihr auch mich nicht zu kennen vorgebt, das wißt ihr wenigstens ganz gut, dass man nur im Hl. Geist Dämonen auszutreiben und Kranke zu heilen vermag. Ihr verlästert also nicht bloß mich, sondern auch den Hl. Geist. Darum wird auch eure Strafe hier wie dort unerbittlich sein. 

   Einige Menschen werden nämlich in dieser und in der anderen Welt gestraft; andere nur hienieden, andere nur drüben, andere wieder weder hier noch dort. In dieser und in der anderen Welt z.B. werden eben diese bestraft[393] ; auf dieser Welt wurden sie nämlich bestraft, als jene unsäglichen Leiden bei der Eroberung der Stadt[394] über sie kamen; und die größte Strafe erfahren sie erst in der anderen Welt; ebenso ging es auch den Einwohnern von Sodoma und vielen anderen. Nur in der anderen Welt z.B. der reiche Prasser, der in den Feuerqualen schmachtete und nicht einmal einen Tropfen Wasser hatte. Bloß in dieser Welt ward der unzüchtige Korinther bestraft. Weder hier noch dort die Apostel, die Propheten, der selige Job; denn ihre Leiden waren ja keine Strafen, sondern nur eine Übung und Prüfung.



5.

Geben wir uns also Mühe, dass wir auf die Seite dieser letzteren zu stehen kommen, und wenn schon nicht auf Seite dieser, so doch wenigstens mit jenen, die schon hienieden ihre Sünden abgebüßt haben. Denn drüben ist das Gericht furchtbar, die Strafe unerbittlich, der Schmerz unerträglich. Willst du aber, dass du auch hier keine Buße zu tun brauchst, so sei dein eigener Richter, verlange von dir selber Rechenschaft. Höre, was der hl. Paulus sagt: "Wenn wir uns selber richteten, so würden wir wohl nicht gerichtet werden" (1Co 11,31). Handelst du so, dann schreite nur auf diesem Wege voran und du wirst die Krone erlangen. Wie sollen wir aber uns selber Buße auferlegen, fragst du? Trauere über dich, seufze bitterlich, demütige dich selbst, füge dir Schmerz zu und denke an jene einzelne deiner Sünden. Das ist keine geringe Prüfung der Seele. Wer jemals wahrhaft zerknirscht war, weiß, dass gerade dadurch die Seele am meisten gepeinigt wird. Wer einmal so recht aller seiner Sünden gedenkt, der kennt den Schmerz, der daraus entsteht. Darum hat der Herr zum Lohn für solche Reue die Rechtfertigung verheißen und gesagt: "Bekenne du zuerst deine Sünden, damit du gerechtfertigt werdest" (Is 43,26). Und wahrlich, es trägt nicht wenig zu unserer Besserung bei, wenn wir uns alle unsere Sünden vor Augen führen, sie anhaltend und einzeln überlegen und erwägen. Wer dies tut, der wird so zerknirscht werden, dass er sich nicht einmal mehr des Lebens für würdig erachtet. Wer aber diese Gesinnung hegt, der wird weicher als das weichste Wachs. Da nenne mir nicht bloß Sünden der Unzucht, nicht bloß Ehebrüche, nicht bloß jene, die bei allen offen und einmütig als schwere Sünden betrachtet werden, nein, auch die geheimen Absichten, die Verleumdungen, die Ehrabschneidungen, die Regungen des Ehrgeizes, den Neid und alle anderen Sünden zähle auf. Denn auch für diese erwartet dich keine geringe Strafe. So wird ja der Schmähsüchtige in die Hölle gestoßen werden (Mt 5,22), der Trunksüchtige wird keinen Teil am Himmelreich haben (1Co 6,10), und wer den Nächsten nicht liebt, beleidigt Gott dermaßen, dass ihm selbst das Martyrium nichts nützen könnte (1Co 13,3). Ebenso hat derjenige, der für die Seinigen nicht sorgt, den Glauben verleugnet (1Tm 5,8), und wer auf die Armen nicht achtet, wird ins Feuer geworfen (Lc 16,22). Halte darum diese Sünden nicht für gering, sondern stelle sie alle zusammen und schreibe sie gleichsam auf in einem Buche. Denn wenn du sie aufschreibst, wird Gott sie auswischen; und wenn du sie nicht aufschreibst, wird Gott sie hineinschreiben und Rechenschaft von dir verlangen. Es ist also doch viel besser, dass unsere Sünden von uns selbst aufgeschrieben und von oben ausgetilgt werden, als dass es umgekehrt gehe; denn wenn wir sie vergessen, wird Gott dieseleben an jenem Tag vor unseren Augen daherbringen. 

   Damit also das nicht geschehe, wollen wir alles sorgfältig erwägen; dann werden wir finden, dass wir vieler Sünden schuldig sind. Oder wer ist z.B. frei von Habsucht? Da sage mir nicht, du seiest es nur in geringem Maße; denke vielmehr daran, dass wir auch für kleine Fehltritte die gleiche Strafe erhalten werden und bereue sie darum. Wer hat nie einen anderen beleidigt? Dafür wirst du aber in die Hölle geworfen. Wer hat nicht heimlich Böses geredet von seinem Nächsten? Dafür verliest du das Himmelreich. Wer ist nicht hochmütig gewesen? Der Hochmütige ist aber der Unreinste von allen. Wer hat nicht unzüchtige Blicke geworfen? Der ist aber ganz wie ein Ehebrecher (Mt 5,28). Wer hat nicht grundlos seinem Bruder gezürnt? Ein solcher ist des Hohen Rates schuldig (Mt 5,22). Wer hat nicht geschworen? Das ist vom Bösen (Mt 5,37). Und wer hat nicht falsch geschworen? Das ist noch mehr als vom Bösen. Wer hat nicht dem Mammon gedient? Dann hat er den aufrichtigen und wahren Dienst Christi verleugnet (Mt 6,24). Ich könnte noch andere, größere Sünden als diese erwähnen. Es genügen aber auch diese. Auch sie wären schon imstande, jeden zur Zerknirschung zu bringen, der nicht versteinert und unempfindlich geworden ist. Denn wenn schon eine jede von diesen Sünden die Höllenstrafe im Gefolge hat, welche Wirkung werden sie nicht erst haben, wenn sie alle beisammen sind? Wie kann man aber dann noch gerettet werden, fragst du? Indem du für jede Sünde die entgegengesetzte Medizin anwendest, das Almosen, das Gebet, den Reueschmerz, die Bußgesinnung, die Demut, ein zerknirschtes Herz, Verachtung der eitlen Dinge. Gott hat uns tausend Wege zum Heil bereitet, wenn wir nur auf sie achten wollen. Geben wir also darauf acht und suchen wir auf jede Weise unsere Wunden zu heilen, durch Almosengeben, indem wir den Beleidigern verzeihen, Gott für alles danken, nach Kräften fasten, mit Reuegesinnung beten, uns mit dem ungerechten Mammon Freunde machen. Auf diese Weise können wir für unsere Sünden Verzeihung erlangen und der verheißenen Güter teilhaft werden. Möchten wir alle derselben gewürdigt werden durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesu Christi, der Ruhm und Macht besitzt in alle Ewigkeit. Amen!






Kommentar zum Evangelium Mt 40