Kommentar zum Evangelium Mt 42

Zweiundvierzigste Homilie. Kap XII. V.33-37.

42 Mt 12,33-37
1.

V.33: "Entweder pflanzet einen guten Baum und dann ist auch seine Frucht gut, oder pflanzet einen schlechten Baum und dann ist auch seine Frucht schlecht. Denn an seiner Frucht erkennt man den Baum." 

   Von neuem beschämt der Herr die Juden durch ein anderes Beispiel und begnügt sich nicht mit dem früheren Tadel. Doch tut er dies nicht in der Absicht, sich selbst gegen Vorwürfe zu verteidigen[395] , vielmehr will er die Juden bekehren. Der Sinn seiner Worte ist der: Keiner von euch hat den Geheilten einen Vorwurf gemacht, als ob sie gar nicht wirklich geheilt worden wären, noch hat einer gesagt, es sei eine Sünde, andere vom Teufel zu befreien. Denn wenn sie auch noch so ausgeschämt waren, das konnten sie doch nicht sagen. Da sie also den Werken selbst nichts anhaben konnten, so verdächtigten sie wenigstens den, der sie vollbrachte. Damit zeigen sie aber nur, dass ihr Vorwurf aller Vernunft und jedem sachlichen Urteil zuwider war. Das bringt aber nur vollendete Bosheit zustande, nicht bloß Böses zu tun, sondern selbst Dinge auszusinnen, die geradezu gegen den gesunden Menschenverstand sind. Beachte aber, wie unanfechtbar das Argument des Herrn ist. Er sagt nicht: Pflanzet einen guten Baum, weil seine Frucht gut ist. Vielmehr zwingt er sie in ganz überlegener Weise zum Schweigen und gibt dabei sowohl seine eigene Milde als die Böswilligkeit der anderen zu erkennen, indem er sagt: Wenn ihr auch meine Werke tadeln wollt, ich hindere euch nicht daran; nur sollen eure Vorwürfe nicht unverständig und sinnlos sein. Auf diese Weise konnte er sie nur um so offenkundiger fassen, da sie ja gegen die klare Vernunft ankämpften. Eure böse Absicht ist also umsonst und ihr kommt mit euren Reden in Widerspruch mit euch selbst. Der Baum wird ja nach seiner Frucht beurteilt, nicht die Frucht nach dem Baum. Ihr tut aber das Gegenteil. Denn wenn auch der Baum die Frucht hervorbringt, so dient doch die Frucht zur Beurteilung des Baumes. Wenn ihr nun aber mich anklagen wolltet, so wäre es nur folgerichtig gewesen, auch meine Werke anzuklagen, oder wenn ihr diese loben wolltet, hättet ihr auch mich, ihren Urheber, mit Vorwürfen verschonen sollen. Jetzt tut ihr aber das gerade Gegenteil; während ihr gegen meine Werke nichts vorzubringen habt, die doch nur die Frucht sind, urteilt ihr ganz anders über den Baum und nennt mich einen Besessenen. Das ist aber doch ein Zeichen von äußerstem Unverstand. Was nämlich der Herr schon früher gesagt hatte, das bringt er auch jetzt wieder vor, dass nämlich ein guter Baum keine schlechten Früchte bringen könne und eben sowenig umgekehrt. Ihre Vorwürfe waren also gegen alle Vernunft und gegen das Naturgesetz. Da es sich aber nicht um ihn selbst, sondern um den Hl. Geist handelte, so tadelt er sie auch in überaus scharfen Worten, und sagte:

   V.34: "Schlangenbrut, wie könnt ihr Gutes reden, da ihr doch selber schlecht seid?" 

   Damit hat er sie nicht bloß getadelt, sondern hat auch den Beweis für seine Worte von ihnen selbst genommen. Sieh nur, sagt er, weil ihr schlechte Bäume seid, könnt ihr auch keine gute Frucht bringen. Darum wundere ich mich auch nicht, dass ihr in dieser Weise redet; ihr seid eben schon schlecht erzogen worden, seid Kinder böser Voreltern und habt eine böse Gesinnung ererbt. Beobachte auch, mit welcher Vorsicht er seinen Tadel ausspricht, so dass sie ihm ganz und gar nichts anhaben können. Er sagt nicht: wie könnt ihr Gutes reden, da ihr ja eine Schlangenbrut seid? Das hätte seinem Zweck nicht entsprochen; vielmehr sagte er: "Wie könnt ihr Gutes reden, wenn ihr böse seid."Schlangenbrut nannte er sie aber deshalb, weil sie sich ihrer Abstammung immerfort rühmten. Er zeigt ihnen deshalb, dass ihnen das gar nichts nützt und entzieht damit ihrem Pochen auf ihre Verwandtschaft mit Abraham den Boden; dafür stellt er sie ihren gleichgesinnten Vorfahren an die Seite und benimmt ihnen so ihre diesbezügliche Prahlerei. "Denn der Mund redet aus der Fülle des Herzens." Damit gibt er wieder seine Gottheit zu erkennen, die auch die geheimen Gedanken sieht, und zeigt, dass sie nicht bloß für ihre Reden, sondern auch für die bösen Gedanken Rechenschaft abzulegen hätten, und dass er dieselben erkennt, weil er eben Gott ist. Doch sagt er, dass auch[396] die Menschen die Gedanken erkennen könnten; denn es ist ganz natürlich, dass das innere Übermaß der Bosheit nach außen sich kundgibt durch die Worte, die aus dem Munde kommen. Wenn du also einen Menschen Böses reden hörst, so glaube nicht, es sei nur so viel Böses in ihm, als seine Worte verraten; schließe vielmehr daraus, dass die Quelle noch viel größer sein müsse; denn das äußere Wort ist ja nur die Überfülle des Innern. Siehst du da, wie fest der Herr sie packte? Wenn schon ihre Worte so schlecht und dem Teufel selbst aus dem Herzen gesprochen waren, so bedenke, wie erst die Wurzel und Quelle der Worte beschaffen sein muß. Diesen Schluß zieht man auch mit Recht. Denn die Zunge schüttet ja oft aus Schamgefühl ihre Bosheit nicht in so reichlichem Maße aus, während das Herz, das niemanden zum Zeugen hat, ungescheut Böses hervorbringt, soviel ihm gefällt; denn um Gott kümmert es sich nicht viel. Während also das gesprochene Wort geprüft und allen vorgelegt wird, bleibt das[397] im Dunkel verborgen; deshalb sind die Worte weniger hoch anzuschlagen, während das Herz strenger zu beurteilen ist. Wird aber die Spannung im Inner zu groß, so macht sich das bisher Verborgene mit großem Zischen Luft. Wie diejenigen, die sich erbrechen müssen, im Anfang sich bemühen, die aufsteigende Flüssigkeit zurückzuhalten, dann aber, wenn sie nicht mehr können, den unreinen Stoff in Menge von sich geben, so machen es auch jene, die böse Absichten hegen und den Nächsten begeifern.

   V.35: "Der gute Mensch bringt aus seinem guten Schatze Gutes hervor; der Böse dagegen aus seinem bösen Schatze Böses."



2.

Glaube nur nicht, will der Herr sagen, dass es so nur mit dem Bösen gehe; beim Guten trifft das gleiche zu. Auch da ist die innere Tugend größer, als die äußeren Worte verraten. Damit zeigt der Herr, dass man jene für schlechter halten müsse, als ihre Worte verraten, ihn selbst dagegen für noch besser, als man nur aus seinen Reden schließen könnte. Mit dem Ausdruck Schatz weist er sodann auf die große Menge hin. Daraufhin flößt er ihnen von neuem große Furcht ein. Glaube nicht, will er sagen, dass die Sache damit und mit der Verurteilung der großen Menge abgetan sein; denn alle, die derlei Sünde begangen, wird die schwerste Strafe treffen. Auch sagt er nicht: ihr; er wollte eben das ganze Menschengeschlecht belehren, und zugleich seiner Rede etwas weniger Härte geben.

   V.36: "Ich sage euch aber, für jedes müßige Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tage des Gerichtes Rechenschaft ablegen." 

   Ein müßiges Wort ist aber das, was der Wahrheit nicht entspricht, ein Wort, das unwahr ist, das eine Verleumdung enthält. Einige sagen, es sei darunter auch jedes unnütze Wort zu verstehen: wie z.B. das, was ausgelassenes Lachen erregt oder das schimpflich, unanständig und gemein ist.

   V.37: "Denn nach deinen Reden wirst du gerechtfertigt und nach deinen Reden verurteilt werden." 

   Siehst du, wie wohlwollend das Gericht, wie milde die Strafen sind? Nicht nach dem, was ein anderer über dich sagte, wird der Richter sein Urteil fällen, sondern nach dem, was du selber gesprochen; das ist das gerechteste, was es gibt. Denn in deiner Macht steht es, zu reden oder nicht zu reden. Darum sollen auch nicht die Verleumdeten sich ängstigen und zittern, sondern die Verleumder. Denn nicht jene werden sich für das zu verantworten haben, was über sie Schlechtes geredet wurde, sondern diese werden für ihre üblen Nachreden Rechenschaft geben müssen; auf ihnen lastet die ganze Verantwortung. Darum sollen die Verleumdeten ohne Sorge sein; denn nicht sie werden für die bösen Nachreden anderer gestraft werden, dagegen sollen die Verleumder sich ängstigen und zittern, denn sie werden hierfür vor Gericht gezogen. Es ist ja auch das eine Schlinge des Teufels; denn es handelt sich um eine Sünde, die kein Vergnügen gewährt, sondern nur Schaden bringt. Ein solcher Verleumder hinterlegt ja auch einen gar schlechten Schatz in seiner Seele. Wenn aber derjenige, der verdorbenen Saft in sich trägt, selber zuerst krank wird, so wird es um so mehr jenem schlimm ergehen, der die Schlechtigkeit selbst in sich birgt, die bitterer ist als alle Galle, und wird sich eine gar böse Krankheit zuziehen. Das erkannt man an seinem Auswurf. Denn wenn er schon den anderen so lästig fällt, dann um so mehr seiner eigenen Seele, die solches hervorbringt. Wer anderen Nachstellungen bereitet, der schlägt ja sich selber zuerst; denn wer Feuer anrührt, verbrennt sich selbst; wer auf einen Diamanten schlägt, fügt sich selber Schaden zu; und wer wider den Stachel ausschlägt, verwundet sich. 

   So ist auch derjenige, der es versteht, Unbilden mannhaft zu ertragen, gleich einem Diamant, einem Stachel und einem Feuerbrand; wer dagegen auf Unrecht sinnt, ist schwächer als Lehm. Also nicht Unrecht leiden ist ein Unglück, sondern Unrecht tun und Unrecht nicht zu ertragen wissen. Wie viele Unbilden hat z.B. David erfahren? Wieviel Böses hat ihm Saul getan? Und welcher von beiden ist mächtiger und glücklicher geworden? Wer unglücklicher und bedauernswerter? Nicht etwa der, der das Unrecht getan hat? Denke nur: Saul hatte dem David versprochen, wenn er den Philister töte, werde er ihn zum Schwiegersohn annehmen und ihm zum Zeichen der Huld seine Tochter geben. David tötete den Philister; Saul dagegen verletzte den Vertrag und verweigerte ihm nicht bloß die Tochter, sondern trachtete ihm sogar nach dem Leben. Wer ist also der Bessere gewesen? Ist nicht der eine von Kummer und vom bösen Geiste fast erwürgt worden, während der andere durch seine Siege und durch seine Liebe zu Gott heller strahlte als die Sonne? Und ward nicht bei dem Chorgesang der Frauen der eine vom Neide erstickt, während der andere, der schweigend alles ertrug, die allgemeine Gunst gewann und alle an sich zog? Und als er selbst den Saul in seiner Gewalt hatte und seiner schonte: wer war da der Glückliche? Wer der Unglückliche? Wer der Schwächere und wer der Stärkere? Nicht etwa der, der keine Rache nahm, obwohl er das Recht dazu gehabt hätte? Ja gewiß. Der eine hatte bewaffnete Soldaten auf seiner Seite, dem anderen stand die Gerechtigkeit im Kampfe bei, die stärker ist als tausend Heere. Deshalb hat er, dem man ungerechterweise nach dem Leben trachtete, nicht einmal erlaubterweise töten wollen. Er wußte eben von früher her, dass nicht Unrecht tun, sondern Unrecht leiden stärker macht. Das geht mit den Leibern gerade so, wie mit den Bäumen. Oder wurde nicht Jakob von Laban benachteiligt und hintergangen? Wer war also der Stärkere? Derjenige, der den anderen in seiner Macht hatte und nicht wagte, ihn zu berühren, sondern aus Furcht zitterte, oder derjenige, der ohne Waffen und Soldaten ihm mehr Furcht einflößte als tausend Könige (Gn 31,24 ff)



3.

Um euch aber das Gesagte noch klarer zu veranschaulichen, wollen wir gleich David selbst zum Beispiel nehmen, aber im umgekehrten Sinn. Denn er, der infolge erlittenen Unrechtes stark geworden, ward widerum schwach, als er Unrecht getan. Als er dem Urias Böses zugefügt, da wandte sich das Blatt; der Unrecht getan, ward schwach, der es erlitten, stark; denn Urias hat noch im Tode das Haus Davids verwüstet (2S 12,11 2S 12,13 2S 12,18). Er, der noch König war und lebte, war machtlos; der andere, der noch Soldat und schon getötet war, hat über David alles erdenkliche Unheil gebracht. Soll ich euch durch andere Beispiele die Sache noch klarer machen? Sehen wir einmal zu, wie es denen ging, die sich erlaubterweise gerächt haben. Denn dass jene, die[398] Unrecht tun, selbst am schlimmsten daran sind und nur ihrer eigenen Sache schaden, das ist vollkommen klar. Wer ist aber derjenige, der sich selbst aus rechtmäßigem Anlaß gerächt hat, dafür aber auch unendliches Wehe verursachte und sich selbst tausenderlei Unheil und Leiden zuzog? Das ist Davids Heerführer. Der hat ja einen schweren Krieg entfacht und unsäglich viel Unglück zu ertragen gehabt, während auch nicht ein Leid ihm zugestoßen wäre, hätte er verstanden, klug zu sein. Fliehen wir also diese Sünde und tun wir unserem Nächsten weder mit Worten noch mit Taten ein Unrecht. Der Herr sagte ja auch nicht: Wenn du Klagen erhebst und jemand vor Gericht ziehst, sondern einfach: Wenn du Böses redest, sei es auch nur bei dir selbst, du wirst dennoch die schwerste Strafe dafür erhalten. Und wäre es auch wahr, was du sagst, und redetest du auch aus Überzeugung, die Strafe wird dich dennoch ereilen. Gott wird dich eben nicht nach dem richten, was jener getan, sondern nach dem, was du gesagt hast. "Denn",heißt es, "nach deinen Worten wirst du gerichtet werden." 

   Oder hörst du nicht, wie auch der Pharisäer die Wahrheit gesprochen und Dinge sagte, die alle wußten, und wie er nichts Unbekanntes offenbarte? Gleichwohl traf ihn die schwerste Strafe. Wenn man aber nicht einmal dessentwegen Klage erheben darf, was von allen als gerecht anerkannt ist, dann um so weniger bei Dingen, die nicht ganz sicher sind; denn der Sünder hat ohnehin einen Richter. Raube also dem eingeborenen Gottessohne nicht seine Würde. Ihm ist der Richterstuhl vorbehalten. Aber du willst dennoch richten? Es gibt einen Richterstuhl, der dir viel Nutzen und keinen Schaden bringt. Setze dein eigenes Bewußtsein auf den Richterstuhl deines Gewissens und führe ihm alle deine Sünden vor. Erforsche die Sünden deines Herzens, verlange strenge Rechenschaft und sprich; Wie konntest du dieses und jenes wagen? Und wenn dein Gewissen davor zurückschreckt und sich mit fremden Sünden abgeben will, so sprich zu ihm: Nicht wegen dieser Sünden richte ich dich, nicht ihretwegen bist du zur Rechtfertigung gekommen. Denn was geht es dich an, wenn dieser oder jener schlecht ist? Warum hast dagegen du selbst diese oder jene Sünde begangen? Verteidige dich, klage nicht andere an. Schaue auf dich selbst und nicht auf andere. In solcher Weise übe deine Seele ohne Unterlaß. Wenn sie sodann nichts darauf zu sagen weiß, sondern auszuweichen sucht, dann züchtige sie mit Ruten wie eine hochmütige, unzüchtige Magd. Und auf diesen Richterstuhl setze dich Tag für Tag und führe der Seele den Feuerstrom (Da 7,10) vor Augen, den Wurm (Mc 9,43) und die anderen Peinen. Gib sodann nicht zu, dass sie die Schuld auf den Teufel schiebt und erlaube ihr nicht, in ihrem Stolze zu sagen: Er ist zu mir gekommen, er bereitet mir Nachstellungen, er ist es, der mich versucht; sage vielmehr zu ihr: Wenn du nicht willst, dann sind alle Bemühungen des Teufels umsonst. Wenn sie aber einwendet: Ich bin nun einmal an einen Leib gebunden, bin mit Fleisch bekleidet, bewohne die Welt und halte mich auf dieser Erde auf, so antworte ihr: Das sind alles Ausreden und leere Entschuldigungen. Gar mancher ist ja auch mit Fleisch bekleidet, steht in der Welt und bewohnt diese Erde, aber dennoch führt er ein ausgezeichnetes Leben. Und du selbst, wenn du etwas Gutes tust, tust es als Seele, die mit Fleisch bekleidet ist. Wenn aber der Seele solche Worte Schmerz bereiten, so laß dennoch nicht ab; sie stirbt nicht daran, wenn du sie auch schlägst; im Gegenteil, du wirst die vom Tode erretten. Wenn sie aber dann wieder sagt: der und jener hat mich gereizt, dann erwidere ihr: aber es steht in deiner Macht, dich nicht reizen zu lassen; du hast ja deinen Zorn schon oft bemeistert. Wenn sie sagt: die Schönheit dieser und jener Person hat mich entflammt, so sprich zu ihr: du konntest aber Herr werden über die Flamme. Führe ihr jene vor Augen, die darüber gesiegt haben; erinnere sie an das erste Weib, das da sprach: "Die Schlange hat mich verführt" (Gn 3,13) und die dennoch der Strafe nicht entging.



4.

Wenn du aber dieses Verhör anstellst, darf niemand dabei sein; niemand soll dich stören; sondern wie die Richter hinter einem Vorhang sitzen und richten, so suche auch du anstatt des Vorhangs eine ruhige Zeit und einen ruhigen Ort. Und wenn du nach dem Mahle aufstehst und dich anschickst, zu Bette zu gehen, dann stelle diese Gerichtssitzung an; das ist die rechte Zeit für dich; der Gerichtssaal aber ist dein Bett und dein Schlafgemach. Also befiehlt uns auch der Prophet mit den Worten: "Was ihr in euren Herzen sprecht, das bereut auf euren Lagern" (Ps 4,5). Auch für geringe Dinge verlange strenge Rechenschaft, damit du nicht später einmal an große dich heranwagst. Wenn du dies jeden Tag tust, dann kannst du einmal ruhig vor jenen furchtbaren Richterstuhl[399] hintreten. Auf diese Weise hat der hl. Paulus sich gereinigt. Deshalb sagte er auch: "Wenn wir uns selbst richten, werden wir nicht gerichtet werden" (1Co 11,31). So hat Job seine Kinder reingewaschen (Jb 1,5). Denn wenn er für unbekannte Sünden schon Sühneopfer darbrachte, so verlangte er gewiß noch viel eher Rechenschaft über die, die er kannte. Wir dagegen handeln nicht so; wir tun das gerade Gegenteil. Sowie wir uns zu Bette legen, denken wir nur noch an alle möglichen irdischen Dinge; die einen fangen an, unreine Reden zu führen, die anderen reden von Zinsen, von Verträgen und eitlen Sorgen. Wenn wir eine Tochter haben, die noch Jungfrau ist, so bewachen wir die mit großer Sorgfalt; unsere Seele dagegen, die für uns noch mehr wert ist als eine Tochter, die lassen wir Unzucht treiben und sich beschmutzen, indem wir tausend schlechten Gedanken den Zutritt gewähren. Da mag es die Leidenschaft des Geizes sein, oder Schwelgerei, oder Fleischeslust, oder Zorn, oder was immer sonst den Eintritt begehrt, wir öffnen die Tore weit, wir ziehen sie und rufen sie herein und erlauben ihnen viele Schamlosigkeiten und Unzucht mit der Seele zu treiben. 

   Was könnte es da Roheres geben, als wenn wir es für etwas Geringfügiges erachten, dass unsere Seele, die doch das Kostbarste ist, was wir besitzen, von so vielen Ehebrechern geschändet wird und so lange mit ihnen vereint bleibt, bis sie gesättigt sind? Das trifft aber niemals ein! Deshalb gehen diese Ehebrecher erst dann fort, wenn der Schlaf die Seele überwältigt; ja nicht einmal dann; denn auch die Träume und die Phantasie stellen der Seele die gleichen Bilder vor. Deshalb tut auch eine Seele, die solche Vorstellungen in sich gehegt, gar oft am Tag Dinge, mit denen ihre Phantasie im Schlafe sich beschäftigt hat. In die Pupille einer Augen läßt du auch nicht das kleinste Stäubchen fallen; wenn Aber deine Seele den Unrat so großer Sünden hinter sich herschleppt, so achtest du es nicht. Wann werden wir also diesen Schmutz einmal entfernen können, den wir Tag für Tag anhäufen? Wann werden wir endlich die Dornen aushauen? Wann den guten Samen streuen? Weißt du nicht, dass die Zeit der Ernte schon bevorsteht? Und wir haben noch nicht einmal daran gedacht, die Ackerfurchen zu ziehen! Wenn also der Eigentümer des Bodens kommt und uns tadelt, was werden wir sagen? Was werden wir antworten? Es hat uns niemand Samen gegeben? Aber er wird doch jeden Tag ausgestreut. Oder es hat niemand die Dornen ausgerodet? Aber wir schleifen ja die Sichel Tag für Tag. Oder die eitlen Sorgen und Nöten ziehen uns ab? Ja, warum hast du dich selbst nicht der Welt gekreuzigt? Wenn schon diejenigen für schlecht gelten, die die erhaltenen Gaben einfach niederlegten, ohne sie zu verdoppeln, was wird dann der zu hören bekommen, der auch sie noch verloren hat? Wenn der andere gefesselt und hinausgeworfen wurde, wo Zähneknirschen ist, was wird dann uns geschehen, die wir uns überhaupt dem Guten aus Trägheit entziehen, obgleich tausend Dinge uns zur Tugend antreiben? Denn was wäre nicht geeignet, dich zur Tugend anzuregen? Siehst du nicht, wie wertlos das Leben ist und wie unsicher? Wieviel Mühen uns die zeitlichen Dinge verursachen und wieviel Schweiß? Oder glaubst du vielleicht, nur die Tugend verlange Anstrengung, das Laster nicht? Wenn aber mit dem einen wie mit den anderen Mühen verbunden sind, warum behältst du nicht lieber diese, die dir soviel Nutzen bringen? Man kann aber sogar Tugenden üben, die keine Mühen verursachen. Oder welche Mühe macht es, nicht böse zu reden über andere, nicht zu lügen, nicht zu schwören, dem Nächsten zu verzeihen? Ja, das Gegenteil davon zu tun, das verursacht Mühen und bringt viele Sorgen. Welche Entschuldigung werden wir also haben, welche Nachsicht verdienen, wenn wir nicht einmal solche gute Werke tun wollen? Denn daraus ergibt sich ja klar, dass auch jene Verdienste, die schwieriger zu erringen sind, nur ob unserer Lauheit und Trägheit uns entgehen. All das wollen wir also wohl erwägen, wollen das Böse meiden und die Tugend zu erlangen suchen, auf dass wir sowohl der gegenwärtigen wie der zukünftigen Güter teilhaft werden durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, der Ehre und Macht besitzt in alle Ewigkeit. Amen!





Dreiundvierzigste Homilie. Kap.XII,V.38-45.

43 Mt 12,38-45
1.

V.38: "Da antworteten ihm einige unter den Schriftgelehrten und Pharisäern und sagten Meister, wir wollen von dir ein Zeichen sehen. 

   V.39: Er aber antwortete und sprach: Ein böses und ehebrecherisches Ge schlecht verlangt ein Zeichen, aber ein Zeichen wird ihm nicht gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Jonas, des Propheten." 

   Kann es wohl gottlosere und törichtere Menschen geben als diese, die nach so vielen Zeichen, gerade als wäre noch gar keines geschehen, sagen: "Wir wollen von Dir ein Zeichen sehen"? Weshalb sagten sie also dies? Um dem Herrn einen neuen Fallstrick zu legen. Da er sie nämlich bei ihren mündlichen Versuchen einmal, zweimal, ja oftmals zum Schweigen gebracht und ihre unverschämte Zunge geschlossen hatte, so nahmen sie ihre Zuflucht zu Taten. Das vermerkt auch der Evangelist mit Verwunderung, indem er schreibt: "Damals antworteten ihm einige unter den Schriftgelehrten und Pharisäern und verlangten ein Zeichen." Wann: "Damals"? Als es schon Zeit gewesen wäre, sich Christus zu unterwerfen und ihn zu bewundern, da sie hätten erschrecken und willfährig sein sollen, gerade dann ließen sie nicht ab von ihrer Bosheit. Beachte aber auch, wie ihre Worte voll sind von Schmeichelei und Spott. Sie hofften den Herrn dadurch herauslocken zu können. Das eine Mal beschimpften sie ihn, dann schmeicheln sie ihm wieder; einmal nennen sie ihn vom Teufel besessen, ein andermal heißen sie ihn "Meister"; aber jedesmal in böser Absicht, wenn auch ihre Worte das Gegenteil ausdrückten. Darum läßt sie aber auch der Herr ziemlich hart an. Solange sie ihm unfreundliche Fragen stellten und ihn beschimpften, redete er milde mit ihnen; als sie ihm aber schmeichelten, da antwortete er ihnen mit gar heftigem Tadel; er wollte damit zeigen, dass er über beide Leidenschaften erhaben sei, und sich weder im einen Falle zum Zorn verleiten, noch in diesem durch Schmeicheleien sich erweichen lasse. Beachte aber auch, wie ihre Frechheit nicht bloß eine Beschimpfung ent hielt, sondern auch einen Beweis für ihre eigene Schlechtigkeit. Denn was antwortete der Herr? "Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht verlangt ein Zeichen." Der Sinn dieser Worte ist der: Was Wunder, wenn ihr an mir so handelt, der ich euch bis jetzt unbekannt war; habt ihr es ja doch dem Vater ebenso gemacht, den ihr recht gut kanntet. Ihr habt ihn verlassen und euch zu den Dämonen gewendet und euch damit schlimme Freunde zugezogen. Dasselbe hat ihnen ja auch Ezechiel unaufhörlich zum Vorwurf gemacht (Ez 16 u. Ez 23). Mit diesen Worten wollte er aber nur seine Übereinstimmung mit dem Vater bekunden und zu verstehen geben, daß ihn die Handlungsweise der Juden durchaus nicht befremde; auch enthüllte er so ihr verborgenes Innere und zeigte, daß sie ihre Frage nur aus Heuchelei und in feindseliger Absicht gestellt hatten. 

   Deshalb nannte er sie ein böses Geschlecht; sie hatten sich je stets undankbar gegen ihre Wohltäter erwiesen und waren durch Wohltaten nur noch schlechter geworden. Das ist aber ein Beweis äußerster Verkommenheit. Ehebrecherisch aber heißt er sie, um damit ihren früheren, wie ihren jetzigen Unglauben zu offenbaren. Auch dadurch zeigt er wieder seine Gleichheit mit dem Vater, insofern auch der Unglaube gegen ihn jemanden zum Ehebrecher macht. Und wie fährt er nach diesem Tadel fort? "Aber ein Zeichen wird ihm nicht gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Jonas, des Propheten." Schon bereitet er auf seine Rede über die Auferstehung vor, und will durch dieses Vorbild den Glauben an ihn wecken. Wie also? Wurde ihnen das Zeichen nicht gegeben, wie der Herr sagt? Es wurde ihnen nicht auf ihre Bitte hin gegeben. Denn nicht, um sie zu gewinnen, wirkt der die Zeichen[400] , sondern nur, um andere auf den rechten Weg zu führen. Entweder mußte er also dies sagen, oder aber, dass sie keine solche Zeichen erhalten würden, die jenen gleich wären. Denn das Zeichen ward ihnen zuteil, als sie durch ihre eigene Züchtigung seine Macht erfahren mußten. Hier sprach also der Herr eine Drohung aus, und deutete es auch an; gerade als wenn er sagte: Ich habe euch tausendfache Wohltaten erwiesen; nichts von all dem hat euch gerührt und ihr wolltet meine Macht nicht anbeten. Ihr werdet also meine Macht durch das Gegenteil erfahren, wenn ihr sehen werdet, wie die Stadt niedergeworfen ist, wenn ihre Mauern zerstört sind, wenn der Tempel zu einem Trümmerhaufen geworden ist, wenn ihr euere frühere Verfassung und Freiheit werdet verloren haben, und von neuem heimatlos und flüchtig überall umherwandern müßt. Alles das ist ja nach der Kreuzigung des Herrn eingetroffen. Diese Ereignisse werden euch also statt großer Wunderzeichen dienen. Es ist ja auch ein großes Wunder, dass ihr Unglück bis heute andauert, dass unter tausend Versuchen kein einziger das Gericht aufheben konnte, das wider sie ergangen ist. 

   Allein, dies sagt der Herr nicht; er wartet vielmehr, dass es ihnen in späterer Zeit klar werde. Zunächst beginnt er die Rede über die Auferstehung, von der er wußte, dass ihre späteren Schicksale sie hierüber belehren würden. 

   V.40: "Denn", sagt er,"wie Jonas drei Tage und drei Nächte im Bauche des Fisches lag, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde liegen." 

   Klar und deutlich hat er nicht gesagt, er werde auferstehen; sie hätten ihn nur ausgelacht. Er hat es aber in solcher Weise angedeutet, dass sie sich davon überzeugen konnten, er habe es vorher gewußt. Dass sie es auch tatsächlich wußten, sagten sie zu Pilatus: "Christus, jener Betrüger, hat gesagt, als er noch lebte: Nach drei Tagen wird er wieder auferstehen" (Mt 27,63). Und doch hatten seine eigenen Jünger dies nicht verstanden; sie waren eben zuvor viel weniger einsichtig als jene Pharisäer; darum haben auch diese sich schon sich selbst gerichtet.



2.

. Beachte aber, wie genau der Herr in seinen Ausdrücken ist, auch wo er nur andeutungsweise spricht. Er sagte nämlich nicht: in der Erde, sondern: "im Herzen der Erde." Er wollte damit auf sein Grab hinweisen, damit keiner glaube, das Ganze sei nur Schein. Deshalb hat er auch[401] drei Tage zugewartet, damit man sich überzeugen könne, dass er wirklich gestorben sei. Denn für seinen Tod dient nicht bloß das Kreuz als Beweis und dass so viele Menschen es selbst gesehen, sondern auch die Zeit der drei Tage. Für die Auferstehung würde ja die ganze nachfolgende Zeit Zeugnis ablegen. An den Kreuzestod dagegen hätte man vielleicht nicht geglaubt, wenn nicht viele Zeichen ihn bezeugt hätten; wer aber nicht an den Kreuzestod glaubte, hätte wohl auch an der Auferstehung gezweifelt. Darum nannte er auch dies ein Zeichen. Wäre er aber nicht gekreuzigt worden, so wäre auch das Zeichen nicht erfolgt. Deshalb führt er auch das Urbild an, damit die Erfüllung Glauben finde. Oder sage mir doch, war es nur Einbildung, dass Jonas im Bauche des Fisches lag? Das kannst du doch wohl nicht behaupten. Dann war es auch keine, dass Christus im Herzen der Erde lag. Denn es wird doch nicht das Bild Wahrheit sein und die Wahrheit selbst nur Schein. Darum verkünden wir auch überall seinen Tod, bei den Mysterien, bei der Taufe und auch sonst überall. Darum ruft auch Paulus mit lauter Stimme: "Fern sei es von mir, mich zu rühmen, es sei denn im Kreuze unseres Herrn Jesu Christi" (Ga 6,14). 

   Daraus kann man klar ersehen, dass die Anhänger der Häresie des Marcion Kinder des Teufels sind, denn sie wollen das aus dem Wege räumen, was Christus auf jede Weise erhalten wollte, und was der Teufel auf jede Weise hätte zunichte machen wollen, nämlich das Kreuz und das Leiden. Darum sagte der Herr auch anderswo: "Zerstöret diesen Tempel, und in drei Tagen will ich ihn wieder aufbauen" (Jn 2,19), und: "Es werden Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen wird genommen werden" (Mt 9,15). Und an unserer Stelle sagt er: "Es wird ihr kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Jonas, des Propheten" (Mt 12,39). Damit gibt er zu erkennen, dass er zwar einmal für sie leiden werde, dass sie aber auf der anderen Seite keinen Nutzen daraus ziehen würden. Denn das hat er nachher geoffenbart. Obwohl er aber dieses wußte, ist er dennoch gestorben. So groß war eben seine Fürsorge für sie. Man sollte eben nicht glauben, es würde auch bei den Juden nachher eintreten, was einst bei den Niniviten geschehen, dass sie sich nämlich bekehrten; und wie er die bereits wankende Stadt der Niniviten rettete und die Barbaren zur Umkehr wandte, so würden auch diese nach der Auferstehung sich bekehren; darum höre nur, wie er gerade das Gegenteil davon weissagt. Daß sie nämlich zum eigenen Besten gar keinen Nutzen daraus ziehen würden, sondern nur Unheil davon erfahren sollten, hat der Herr ebenfalls in der Folge zu verstehen gegeben durch das Beispiel mit dem Dämon. Zunächst aber gibt er den Grund an für spätere Leiden und zeigt, dass sie gerechterweise gestraft würden. Denn das Unglück, das sie traf, und die Verwüstung hat er durch jenes Beispiel angedeutet; vorläufig zeigt er aber, dass das alle auch mit Recht über sie kommen werde. 

   So machte es Gott auch im Alten Bunde. Als er Sodoma zerstören wollte, verteidigte er sich zuerst bei Abraham, wies auf die Verwüstung und das Hinschwinden der Tugend hin, da ja in so volkreichen Städten nicht einmal zehn Menschen gefunden wurden, die ein rechtschaffenes Leben führten (Gn 18,20-32). Ebenso hat er dem Lot ihren Mangel an Gastfreundschaft und ihre unsittlichen Leidenschaften als Grund angegeben und dann erst das Feuer auf sie fallen lassen (Gn 19,24). Auch zur Zeit der Sündflut hat er es ebenso gemacht und diese mit den Missetaten der Menschen bei Noe gerechtfertigt (Gn 6,13). Ähnlich auch bei Ezechiel, als er ihn, der in Babylon weilte, das Unheil schauen ließ, das in Jerusalem geschehen (Ez 8). Ebenso bei Jeremias, da er zu seiner Rechtfertigung die Worte gesprochen: "Bitte nicht; oder siehst du nicht, was diese tun?" (Jr 7,16-17). 

   Das gleiche Verfahren hielt er überall ein; so auch hier. Denn wie lauten seine Worte? 

   V.41: "Die Männer von Ninive werden aufstehen und dieses Geschlecht verurteilen. Denn jene haben auf die Predigt des Jonas hin Buße getan. Und siehe, hier ist noch mehr als Jonas." 

   Jonas war ein Knecht, ich bin der Herr; er kam aus dem Fische heraus, ich bin vom Tode erstanden; er predigte Verderben, ich bin gekommen, das Him melreich zu verkünden. Die Bewohner von Ninive haben ohne Wunder geglaubt, ich habe viele Zeichen gewirkt. Sie bekamen nur jene Worte[402] zu hören, ich habe alle erdenklichen Gründe für ein gutes Leben aufgeführt. Jonas war im Auftrage gekommen, ich kam als der Gebieter selbst und als Herr aller Dinge, nicht um zu drohen, nicht um Rechenschaft zu verlangen, sondern um Vergebung zu bringen. Dort handelte es sich um Barbaren, diese[403] hatten mit unzähligen Propheten verkehrt. Den Jonas hatte niemand vorherverkündet, mich haben alle Propheten geweissagt und die Tatsachen stimmten mit deren Worten überein. Jener entfloh und wollte davon gehen, um nicht[404] ausge lacht zu werden, ich bin gekommen, obgleich ich wußte, daß ich gekreuzigt und verlacht werden würde. Jener wollte nicht einmal eine Beschämung ertragen um der Gerechtigkeit willen, ich habe selbst den Tod auf mich genommen, und zwar den allerschimpflichsten Tod, und nach all dem sandte ich auch noch andere Boten aus. Jonas war ein Fremder, ein Auswärtiger und Unbekannter, ich bin euer Stammesgenosse dem Fleische nach, und habe dieselben Vorväter wie ihr. Noch vieles andere könnte ich anführen, wenn ich noch mehr wollte.



3.

. Indes bleibt der Herr auch dabei nicht stehen, sondern bringt noch ein neues Beispiel, indem er fortfährt: 

   V.42: "Auch die Königin des Ostens wird am Tage des Gerichts auferstehen mit diesem Geschlechte und sie wird es verurteilen. Denn sie war bis von den Grenzen der Erde gekommen, um die Weisheit Salomons zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomon." 

   Das war noch mehr als das Vorausgehende. Denn dort war es Jonas, der zu den Niniviten kam. Die Königin des Ostens hingegen wartete nicht, bis Salomon zu ihr kam; sie selbst eilte zu ihm, obgleich sie eine Frau und eine Barbarin war und einen so weiten Weg zurückzulegen hatte; obgleich keine Drohung sie drängte[405] und sie nicht den Tod zu fürchten hatte; sie kam vielmehr ausschließlich wegen des Verlangens, seine weisen Reden zu hören. Aber siehe, sagt der Herr, hier ist noch mehr als Salomon. Dort kam diese Frau, hier aber bin ich gekommen. Sie kam von den Grenzen der Erde, ich durchwandle Städte und Dörfer. Salomon sprach von Bäumen und Holz, die der Angekommenen nicht viel nützen konnten, ich dagegen über unaussprechliche Dinge und die schauerlichsten Geheimnisse. 

   Auf diese Weise hat also der Herr die Juden verurteilt und ihnen mehr als hinreichend gezeigt, daß sie für ihre Sünden keine Verzeihung ver dient und daß an ihrem Ungehorsam ihre eigene Undankbarkeit schuld sei, nicht die Ohnmacht ihres Lehrers. Das hat er dann noh durch viele andere Beispiele und besonders durch das der Niniviten und der Königin bewiesen. Sodann nennt er auch die Strafe, die ihrer harrt; zwar nur andeutungswei se, aber er nennt die doch, und flößt ihnen so durch seine Reden keine geringr Furcht ein. Er sagt: 

   V.43: "Wenn der unreine Geist aus dem Menschen herausgefahren ist, so wandert er durch wasserlose Gegenden und sucht Ruhe.Da er sie aber nicht findet V.44: so spicht er: Ich will ibn mein Haus zurückkehren, aus dem ich ge kommen bin." 

   Und wenn er gekommen ist, findet er es leer, gescheuert und geschmückt. 

   V.45: "Dann geht er hinh und nimmt noch sieben andere Geister mit sich, die noch schlimmer sind als er, und sie gehen hinein und wohnen dort, und die letzten Taten jenes Menschen werden schlimmer sein als die ersten. Geradeso wird es auch diesem Geschlecht ergehen." 

   Damit zeigt der Herr, daß sie nicht bloß im zukünftigen Leben, sondern auch hieniden schon aufs allerschwerste bestraft werden. Durch die Worte: "Die Bewohner von Ninive werden am Tage des Gerichts sich erheben und dieses Geschlecht verurteilen", stellt er ihnen das drohende Urteil unmittelbar vor Augen,damit der zeitliche Aufschub sie nicht gleichgültig und leichtsinnig mache. 

   Dasselbe hat ihnen auch der Prophet Oseas angedroht, da er sagte, sie würden sein: "Wie der Prophet, der außer sich geraten, wie der Mensch, der den Geist in sich trägt" (Os 9,7), das heißt, wie die falschen Prophetenm, die, von den bösen Geistern ergriffen, rasen und tanzen. Unter den Propheten, die außer sich gekommen, meint nämlich Oseas hier die Pseudopropheten, von der Art, wie die Wahrsager sind. Dasselbe wollte also auch Christus zu verstehen geben und sagte darum, sie würden das schlimmste Unheil erfahren. Siehst du da, wie er sie auf jede Weise dahin bringen will, auf seine Reden zu achten, durch den Hinweis auf das Gegenwärtige, auf das Zukünftige, aus das, was recht und gut war[406] und auf die sündigen Tyrer und Sodomiter. So machten es auch die Propheten, die auf die Söhne des Rehab als Beisspiel hinwiesen (Jr 35,2-19), auf die Braut, die nicht vergißt des eigenen Schmuckes und des Brustgürtels, auf den Ochsen, der seinen Herrn kannte, und den Esel, der die Krippe findet. In gleicher Weise stellt ihnen der Herr auchbhier durch einen Vergleich ihre Undank barkeit vor Augen und verkündet ihnen dazu noch die Strafe. 

   Welches ist nun also der Sinn seiner Worte? Er will sagen: Wenn die Besessenen von ihrer Krankheit geheilt und darnach noch leichtsinniger werden, als zuvor, so ziehen sie sich eine noch schwerere Geistesum nachtung zu. Geradeso geschieht es auch euch. Denn auch ihr waret vorher in der Gewalt eines Dämons, als ihr die Götzenbilder angebetet, eure Kinder den Dämonen zu ehren geschlachtet habt und euch von großem Irrwahn befallen zeigtet. Gleichwohl habe ich euch nicht verlassen, sondern habe jenen Dämon durch die Propheten vertrieben und bin dann auch selbst noch gekommen, um euch noch mehr zu reinigen. Da ihr nun dessen nicht achten wollet, sondern euch in noch größere Sünden verirrt habt[407] , deshalb werden euch noch schwerere Strafen ereilen, als früher in Babylon, in Ägypten und unter dem ersten Antiochus. Was ihnen nämlich unter Vespasian und Titus widerfuhr, war noch viel ärger als dieses. Darum sagt auch der Herr: "Es wird große Trübsal sein, wie noch nie gewesen ist und nie mehr sein wird" (Mt 24,21)

   Doch nicht bloß dies allein gibt er ihnen durch diesen Hinweis zu verstehen, sondern auch, daß sie jeglicher Tugend vollständig bar sein würden und der Gewalt der Dämonen noch viel leichter und mehr unterworfen, als damals. Denn, wenn es auch damals Sünder gab, so gab es doch auch rechtschaffene Menschen unter ihnen und waltete die Vorsehung Gottes und die Gnade des Geistes, die für sie sorgte, sie auf die rechten Bahnen wies und alles tat, was an ihr lag.Nun aber, so will er sagen, werden sie auch dieser Fürsorge hinfort ganz und gar beraubt sein, so daß jetzt die Tugend seltener, das Unheil größer, die Macht der Dämonen noch tyrannischer ist. Ihr wißt ja auch, wie zu unserer Zeit Julian gewütet, der alle an Gottlosigkeit übertroffen hat und wie da die Juden sich noch auf Seiten der Heiden stellten und deren Götter verehrten. Und wenn sie auch jetzt etwas vorsichtiger zu sein scheinen, so verhalten sie sich bloß ruhig aus Furcht vor den Herrschern. Wenn diese nicht wären, würden sie vielleicht jetzt noch schlimmere Dinge sich erlauben als früher. Denn durch ihre son stigen Missetaten übertreffen sie noch ihre Vorfahren, indem sie in ganz maßloser Weise Wahrsagerei, Zauberei und Unsittlichkeit betreiben. Auch sonst haben sie, trotz dieses starken Zügels, der ihnen angelegt ist, gar oftmals Aufstände erregt, haben sich wider die Herrscher erhoben und dadurch sich das schwerste Mitßgeschick zugezogen.



4.

. Wo sind da jetzt diejenigen, die immer nach Wundern verlangen? Sie mögen wissen, daß es die gute Gesinnung ist, die nottut. Wo diese nicht ist, da helfen aich Wunder nichts. Sieh nur! Die Niniviten haben auch ohne Wunder geglaubt; die Juden dagegen sind auf so zahlreiche Wundertaten hin nur noch schlechter geworden, haben sich selbst zu einer Wohnstätte unzähliger Dämonen gemacht und sich ein namenloses Unheil zugezogen; und es geschah ihnen recht. Denn wer einmal von seinen Übeln befreit, aber doch nicht klüger geworden ist, der wird eben noch viel Schlimmeres erfahren als zuvor. Deshalb sagt auch der Herr: "Der Dämon findet keine Ruhe." Er will damit zeigen, daß der Teufel mit seinen Nachstellungen einen solchen Menschen vollständig und notwendigerweise in Besitz nehmen wird. Diese beiden Dinge hätten ihn ja weise machen sollen:die früheren Leiden und die nachherige Befreiung davon; ja noch ein Drittes kommt dazu: die Drohung, noch Schlimmeres erfahren zu müssen. Gleichwohl vermochte nichts von all dem, sie zu bessern. Das alles dürfen aber mit Recht nicht bloß sie, sondern auch wir selbst uns gesagt sein lassen, wenn wir nach der Taufe und nach der Befreiung von all dem früheren Bösen wieder in denselben sündhaften Zustand zurückfallen. Denn fortan werden wir für die Sünden, die wir nach der Taufe begehen, viel empfindlicher gestraft werden. Deshalb sagte auch Christus zu dem Gichtbrüchigen: "Siehe, du bist gesund geworden; sündige nun nicht mehr, damit dir nicht noch etwas Schlimmeres widerfahre" (Jn 5,14); ebenso sprach er zu jenem Manne, der achtunddreißig Jahre in seiner Krankheit zugebracht hatte. Aber, fragst du, was konnte ihm noch Schlimmeres zustoßen als dieses? Etwas viel Schlimmeres und Schwereres. Möchten wir nur nie in die Lage kommen, soviel dulden zu müssen, als wir nur überhaupt zu leiden imstande sind. Wenn Gott strafen will, so weiß er schon Mittel und Wege zu finden; denn der Größe seines Erbarmens entspricht die Größe seines Zornes. Diesen Vorwurf erhebt er auch durch Ezechiel gegen Jerusalem. "Denn ich sah dich", heißt es, "mit Blut besudelt; ich habe dich gewaschen und gesalbt und man hat dich gerühmt ob deiner Schönheit; du aber hast Unzucht ge trieben mit deinen Nachbarn" (Ez 16,6-15); deshalb droht dir auch viel Schlimmeres für deine Sünden. 

   Doch solltest du deswegen nicht bloß an die Strafen denken, sondern auch an die grenzenlose Langmut Gottes. Wie oft haben wir denn nicht schon dieselben Sünden begangen und doch übt er noch Geduld! Seien wir aber deshalb nicht voll Zuversicht, sondern vielmehr in Furcht. Denn hätte sich Pharao durch die erste Plage belehren lassen, so hätte er nicht auch die anderen über sich ergehen lassen müssen, und er wäre nicht zuletzt mitsamt seinem Heere in den Fluten umgekommen. Das sage ich aber, weil ich viele kenne, die auch jetzt noch mit Pharao sprechen: "Ich kenne diesen Gott nicht", und die ihre Untergebenen ebenfalls mit Lehmund Ziegelmachen quälen. Wie viele, denen Gott befohlen, von ihren Drohungen abzustehen, nehmen sich nicht einmal die Mühe, die schwere Arbeit etwas zu mildern? Aber man braucht ja jetzt das Rote Meer nicht mehr zu durchschreiten. Dafür harrt deiner ein Meer von Feuer, ein Meer, das nicht dem Roten Meer gleicht und nur so groß ist, wie dieses, nein, eines, das viel größer und schrecklicher ist, in dem die Wogen aus Feuer bestehen und zwar aus einem ganz eigenartigen, furchtbaren Feuer. Da ist eine gewaltige Untiefe voll schrecklicher Glut. Da kann man die Flammen gleich wilden Tieren all überall umherzischen sehen. Wenn schon hienieden dieses sinnliche und materielle Feuer gleich einem wilden Tiere aus dem Ofen hervorbrach und sich auf diejenigen stürzte, die draußen standen (Da 3,47-48), was wird erst denen geschehen, die in dieses Feuer hineinfallen? Höre nur, was über jenen Tag die Propheten sagen: Der Tag des Herrn, der rettungslose, der überfließt von Grimm und Zorn" (Is 13,9). Da wird keiner und beistehen, keiner uns retten; da wird nirgends das milde, leuchtende Antlitz Christi zu schauen sein. Diejenigen, die in den Bergwerken arbeiten müssen, die werden harten Menschen übergeben und können niemand von ihren Angehörigen sehen, sondern nutr ihre Aufseher; geradeso wird es auch da gehen; oder vielmehr nicht bloß so, sondern noch viel schlimmer. Im ersten Fall ist ja noch die Möglichkeit vorhanden, zum Herrscher zu gehen, ihm eine Bittschrift zu unterbreiten, und so den Verurteilten die Befreiung zu erwirken; dort ist dies nicht mehr möglich.[408] , kommt nicht mehr los. Die bleiben in solchen Schmerzen und solchen Qualen, wie es mit Worten nicht auszudrücken ist. Denn wenn schon die heftigen Schmerzen derer, die von irdischem Feuer verbrannt werden, niemand zu beschreiben vermag, dann noch viel weniger die Schmerzen derer, die in der anderen Welt zu leiden haben. Hier ist ja das Ganze in kurzer Zeit vorüber; dort aber wird man zwar gebrannt, aber das Brennen nimmt kein Ende. 

   Was werden wir also dort tun? Ich stelle diese Frage mir selbst. Ja, sagst du, wenn du, der Lehrmeister, so von dir sprichst, dann mach ich mir keine weiteren Sorgen darum. Aber, was wäre es denn zu verwundern, wenn ich gestraft würde? Ich bitte euch, niemand möge darin einen Trost suchen. Darin liegt für euch keine Beruhigung. Sage mir doch: War nicht der Teufel ein mächtiger Geist? War er nicht besser als die Menschen? Und doch ist er gefallen. Wird jedoch irgend jemand darin einen Trost finden, zugleich mit ihm gestraft zu werden? Keinesfalls. Und wie ging es all den Bewohnern von Ägypten? Haben nicht auch sie gesehen, wie die Höchsten im Lande gestraft wurden und jedes Haus in Trauer versetzt ward? Haben sie aber deshalb aufgeatmet und sich getröstet gefühlt? Ganz gewiß nicht! Das sehen wir klar an dem, was sie nachher taten; als ob sie mit Feuerflammen gegeißelt worden wären, so drängten sie den König und zwangen ihn, das Volk der Hebräer ziehen zu lassen. Das ist wohl ein gar abgeschmackter Gedanke, zu glauben. etwas bereite einem Trost, wenn man mit vielen zu gleich gestraft wird; zu sagen: es geht mir eben, wie allen anderen auch! Aber was brauche ich denn die Hölle als Beispiel zu nehmen? Denke nur an diejenigen, die an Podagra leiden. Wenn die sich vor heftigen Schmerzen winden, da magst du ihnen tausend andere zeigen, die noch mehr zu leiden haben, sie achten gar nicht darauf. Weil sie eben vom Schmerze gefoltert sind, so vermögen sie dem Verstande nicht die Ruhe zu geben , an andere zu denken und darin Trost zu schöpfen. Nähren wir uns also nicht mit so eitlen Hoffnungen. Denn aus den Leiden der anderen Trost zu schöpfen, vermag man vielleicht noch, solange die Leiden nicht groß sind; wenn es aber einmal über ein gewisses Maß hinausgeht, wenn das Innere ganz von Stürmen durchtobt ist, und die Seele nicht einmal mehr sich selbst kennt, wo wird man da den Trost hernehmen?



5.

. Alle diese Reden sind darum lächerlich und törichtes Kinderge schwätz. Das, was du da sagst, das kommt wohl bei Traurigkeit vor, und zwar bei mäßiger Traurigkeit, wenn wir da hören, daß anderen dasselbe zugestoßen ist. Zuweilen hilft dies aber auch nicht einmal bei bloßer Traurigkeit. Wenn aber schon da dieser Trostgrund keine Kraft mehr besitzt, dann noch viel weniger, wo es sich um den unaussprechlichen Schmerz und das Leiden handelt, das sich im Knirschen der Zähne kundgibt. 

   Ich weiß freilich, daß ich euch mit meinen Worten lästig falle und betrübe; allein, was kann ich machen? Ich möchte auch lieber nicht davon reden, und denken,daß ich und ihr alle voll Tugend seid. Da nun aber die meisten von uns Sünder sind, so wünschte ich nur, es möchte mir jemand die Macht verleihen, euch in Wirklichkeit betrüben zu können und bis in die innerste Seele meiner Zuhörer einzudringen. Erst dann möcht ich damit aufhören. So aber fürchte ich, es könnten einige meine Worte mißachten, und ihre Strafe könnte ob dieser Geringschätzung des Gehörten noch vergrößert werden. Wenn ein Sklave die Drohung seines Herrn hört und sie mißachtet, so wird ihn wohl dieser in seinem Unwillen nicht straflos aus gehen lassen, sondern ihn vielmehr gerade deswegen noch härter züchtigen. Darum bitte ich euch inständig, gehen wir in uns, wenn wir so von der Hölle reden hören. Es gibt ja nichts Angenehmeres, als sich darüber bloß mit Worten zu unterhalten, weil es eben auch nichts gibt, dessen Wirklichkeit bitterer wäre. 

   Aber, fragt du, wie soll es angenehm sein, von der Hölle reden zu hören? Eben weil es nicht angenehm ist, in die Hölle zu kommen; denn davor behüten ja diese scheinbar so lästigen Reden. Ja vorher noch verursachen sie einem eine andere Freude: sie ändern unsere Gesinnung, sie machen uns gewissenhafter, sie erheben unseren Geist, beflügeln unsere Gedanken, verbrennen die bösen Begierden, die uns umlauern, und die ganze Sache wird für uns zur[409] Medizin. Darum erlaubt mir auch, daß ich nicht bloß von der Strafe rede, sondern auch von der Schande. Denn wie einstens die Juden von den Niniviten verurteilt wurden, so werden auch wir von vielen verurteilt werden, die jetzt unter uns zu stehen scheinen. Denken wir also, wie groß der Spott, wie groß die Verdammnis sein wird! Denken wir daran und machen wir gleich jetzt wenigstens einen Anfang und öffnen wir der Reue ein Tor. Ich sage das zu mir selbst, ich predige die ses zuerst mir selber und niemand möge unwillig werden, als ob er verurteilt worden wäre. Wählen wir den engen Weg. Wie lange wollen wir uns noch üppigem Genusse ergeben? Wie lange noch der Ungebundenheit? Sind wir denn noch immer nicht satt des leichtsinnigen Lebens, der Ausgelassenheit, des ewigen Aufschiebens? Wollen wir wieder zu unseren alten Gewohnheiten zurückkehren, zu Tafelfreuden, zur Übersättigung, zur Verschwendung. zum Geld, zum Erwerb, zu unseren Häusern? Was ist denn das Ende von allem? Der Tod! Was ist das Ende? Asche und Staub, Särge und Würmer. Beginnen wir jedoch fortan ein neues Leben. Machen wir also die Erde zum Himmel; damit wollen wir den Heiden zeigen, wieviel Schönes ihnen noch versagt ist. Denn wenn sie unser gutes und rechtschaffenes Leben sehen, so genießen sie damit das Schauspiel des Himmelreichs selbst. Wenn sie sehen, daß wir sanftmütig sind, frei von Zorn, von böser Begierde, von Neid und Habsucht, und in jeder Hinsicht tun, was recht ist, so werden sie sagen: Wenn die Christen hienieden schon Engel geworden sind, was wird erst sein, wenn sie von dieser Erde geschieden sind? Wenn sie schon so glänzen, wo sie nur Fremdlinge sind, wie werden sie erst sein, wenn sie in ihre eigentliche Heimat gekommen sind? 

   So werden denn auch die Heiden besser werden und der Ruhm eurer Frömmigkeit wird sich ausbreiten, nicht weniger als zur Zeit der Apostel. Denn wenn sie, die nur zwölf waren, ganze Städte und Länder be kehrten, so bedenke, welchen Fortschritt unsere Sache erst machen wird, wenn wir alle durch die Strenge und Reinheit unseres Lebens zu Lehrern werden? Ein von den Toten Auferstandener macht keinen solchen Eindruck auf den Heiden, als ein Mensch, der ein rechtschaffenes Leben führt. Das eine wird ihn in Staunen versetzen, das andere ihm Nutzen bringen. Das eine ist geschehen und ging vorüber; dieses aber bleibt und wirkt dauernd auf seine Seele. 

   Geben wir also acht auf uns selbst, damit wir auch jene noch gewinnen. Ich verlange ja nichts, was zu schwer wäre. Ich sage nicht: du sollst nicht heiraten; ich sage nicht: verlasse die Stadt und gib alle gesellschaftlichen Verbindungen auf; bleibe vielmehr darin und übe die Tugend da. Ich möchte lieber, daß diejenigen in Tugend erglänzen, die mitten in den Städten wohnen, als jene, die sich in die Berge zurückgezogen haben. Warum? Weil daraus ein gewaltiger Nutzen entstünde. "Denn niemand zündet ein Licht an und stellt es unter den Scheffel" (Mt 5,15). Deshalb möchte ich, daß alle Lichter auf dem Leuchter stünden, da mit es recht hell würde. Zünden wir also dieses Feuer an, machen wir, daß diejenigen, die in der Finsternis sitzen, von ihrem Irrtum be freit werden. Wende mir nur nicht ein: ich habe ein Weib, ich habe Kinder, ich habe für ein Hausweseen zu sorgen, ich kann nicht all die schönen Dinge üben. Denn wenn du auch nichts von all dem besäßest, dafür aber lau und träge wärest, so ginge alles verloren; und wenn du auch alles besäßest, aber eifrig im Guten wärest, so wärest du im vollen Besitz der Tugend. Nur eines ist ja vonnöten: der gute Wille.Daran kann dich weder Alter noch Armut, nicht Reichtum noch Geschäfte, überhaupt gar nichts hindern.Haben ja doch auch Greise und Jünglinge, Verheiratete und solche, die Kinder aufzuziehen hatten, Handwerker und Soldaten alles das erfüllt, was von ihnen verlangt wurde. Daniel war ein Jüngling (Da 1,36), Joseph ein Sklave (Gn 39,1-20), Aquilas ein Handwerker (Ac 18,23), die Purpurhändlerin stand einem Geschäfte vor (Ac 16,14); ein an derer war Gefängniswärter (Ac 16,27 Ac 16,36), ein anderer Hauptmann, wie z.B. Kornelius (Ac 16,10); wieder ein anderer war kränklich, wie Timotheus, und wieder ein anderer war ein davongelaufener Sklave, wie Onesimus. Aber nichts von all dem hinderte auch nur einen von ihnen[410] ; vielmehr haben alle sich ausgzeichnet, Männer und Frauen, Jünglinge und Greise, Sklaven und Freigeborene, Soldaten und Bürger. 

   Brauchen wir also keine unnützen Ausflüchte; sorgen wir nur, daß wir recht guten Willen haben, und was immer wir sein mögen, wir werden sicher die Tugend erlangen und dann auch der zukünftigen Güter teilhaft werden durch die Gnade und LÖiebe unseres HJerrn Jesus, dem zugleich mit dem Vater und dem HJl.Geiste Ruhm, Macht und Ehre seio jetzt und in alle Ewigkeit. Amen!






Kommentar zum Evangelium Mt 42