Benedikt XVI Predigten 44

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APOSTOLISCHE REISE NACH POLEN

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.

NACH DEM TREFFEN MIT DEN JUGENDLICHEN Krakau, 27. Mai 2006

Liebe Freunde!


Heute abend habe ich die im Blonie-Park versammelten Jugendlichen getroffen. Es war ein unvergeßlicher Abend des Zeugnisses für den Glauben und den festen Willen, eine Zukunft auf jenen Lehren aufzubauen, die Christus seinen Jüngern hinterlassen hat. Von Herzen danke ich der polnischen Jugend für dieses Zeugnis, zu dem auch eure Anwesenheit in der Franciszkanskastraße gehört. Ich weiß, sie ist Ausdruck eurer tiefen Zuneigung zum Papst, und auch dafür danke ich euch. Der morgige Tag liegt vor uns. Indem ich mich nun von euch verabschiede, lade ich euch zu der heiligen Messe ein, die ich morgen zelebrieren werde. Von Herzen segne ich euch im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gute Nacht!

APOSTOLISCHE REISE NACH POLEN


IM KONZENTRATIONSLAGER AUSCHWITZ-BIRKENAU 28. Mai 2006

An diesem Ort des Grauens, einer Anhäufung von Verbrechen gegen Gott und den Menschen ohne Parallele in der Geschichte, zu sprechen, ist fast unmöglich – ist besonders schwer und bedrückend für einen Christen, einen Papst, der aus Deutschland kommt. An diesem Ort versagen die Worte, kann eigentlich nur erschüttertes Schweigen stehen – Schweigen, das ein inwendiges Schreien zu Gott ist: Warum hast du geschwiegen? Warum konntest du dies alles dulden? In solchem Schweigen verbeugen wir uns inwendig vor der ungezählten Schar derer, die hier gelitten haben und zu Tode gebracht worden sind; dieses Schweigen wird dann doch zur lauten Bitte um Vergebung und Versöhnung, zu einem Ruf an den lebendigen Gott, daß er solches nie wieder geschehen lasse.


Vor 27 Jahren, am 7. Juni 1979, stand hier Papst Johannes Paul II. Er sagte damals: „Heute komme ich hierher als Pilger. Es ist bekannt, daß ich viele Male hierher gekommen bin… Wie oft! Und oft bin ich hinabgestiegen in die Todeszelle von Maximilian Kolbe und bin stehengeblieben vor der Todesmauer, durch die Trümmer der Krematorien von Birkenau gegangen. Ich konnte als Papst unmöglich nicht hierherkommen.“ Papst Johannes Paul II. stand hier als Kind des Volkes, das neben dem jüdischen Volk am meisten an diesem Ort und überhaupt im Laufe des Krieges hat leiden müssen: „6 Millionen Polen haben ihr Leben während des Zweiten Weltkriegs verloren, ein Fünftel der Nation“, sagte der Papst damals erinnernd. Er hat hier den Mahnruf zur Achtung der Rechte des Menschen und der Nationen erhoben, den zuvor seine Vorgänger Johannes XXIII. und Paul VI. vor der Welt erhoben hatten, und hat hinzugefügt: „Ich verkündige diese Rechte als Sohn der Nation, die in ihrer entfernten und jüngeren Geschichte vielfältige Qualen durch andere erlitten hat. Ich sage dies nicht, um anzuklagen, sondern um zu erinnern. Ich spreche im Namen aller Nationen, deren Rechte verletzt und vergessen werden…“

Papst Johannes Paul II. stand hier als Sohn des polnischen Volkes. Ich stehe hier als Sohn des deutschen Volkes, und gerade deshalb muß ich, darf ich wie er sagen: Ich konnte unmöglich nicht hierherkommen. Ich mußte kommen. Es war und ist eine Pflicht der Wahrheit, dem Recht derer gegenüber, die gelitten haben, eine Pflicht vor Gott, als Nachfolger von Johannes Paul II. und als Kind des deutschen Volkes hier zu stehen – als Sohn des Volkes, über das eine Schar von Verbrechern mit lügnerischen Versprechungen, mit der Verheißung der Größe, des Wiedererstehens der Ehre der Nation und ihrer Bedeutung, mit der Verheißung des Wohlergehens und auch mit Terror und Einschüchterung Macht gewonnen hatte, so daß unser Volk zum Instrument ihrer Wut des Zerstörens und des Herrschens gebraucht und mißbraucht werden konnte. Ja, ich konnte unmöglich nicht hierherkommen. Am 7. Juni 1979 hatte ich als Erzbischof von München und Freising unter den vielen Bischöfen hier gestanden, die den Papst begleiteten, auf ihn hörten und mit ihm beteten. 1980 war ich dann noch einmal mit einer Delegation deutscher Bischöfe an diese Stätte des Grauens gegangen, erschüttert ob des Bösen und dankbar dafür, daß über dieser Finsternis der Stern der Versöhnung aufgegangen war. Dazu bin ich auch heute hier: die Gnade der Versöhnung zu erbitten – von Gott zuerst, der allein unsere Herzen auftun und reinigen kann; von den Menschen, die hier gelitten haben und schließlich die Gnade der Versöhnung für alle, die in dieser unserer Stunde der Geschichte auf neue Weise unter der Macht des Hasses und der vom Haß geschürten Gewalt leiden.

Wie viele Fragen bewegen uns an diesem Ort! Immer wieder ist da die Frage: Wo war Gott in jenen Tagen? Warum hat er geschwiegen? Wie konnte er dieses Übermaß von Zerstörung, diesen Triumph des Bösen dulden? Die Worte des Psalm 44 kommen uns in den Sinn, die Klage des leidenden Israel: „… Du hast uns verstoßen an den Ort der Schakale und uns bedeckt mit Finsternis… Um deinetwillen werden wir getreten Tag für Tag, behandelt wie Schafe, die man zum Schlachten bestimmt hat. Wach auf, warum schläfst du, Herr? Erwache, verstoß uns nicht für immer! Warum verbirgst du dein Gesicht, vergißt unsere Not und Bedrängnis? Unsere Seele ist in den Staub hinabgebeugt, unser Leib liegt am Boden. Steh auf – hilf uns! In deiner Huld erlöse uns!“ (Ps 44,20 Ps 44,23-27). Dieser Notschrei des leidenden Israel an Gott in Zeiten der äußersten Bedrängnis ist zugleich der Notruf all derer in der Geschichte – gestern, heute und morgen –, die um Gottes willen, um der Wahrheit und des Guten willen leiden, und das sind viele, auch heute.

Wir können in Gottes Geheimnis nicht hineinblicken – wir sehen nur Fragmente und vergreifen uns, wenn wir uns zum Richter über Gott und die Geschichte machen wollen. Dann würden wir nicht den Menschen verteidigen, sondern zu seiner Zerstörung beitragen. Nein – im letzten müssen wir bei dem demütigen, aber eindringlichen Schrei zu Gott bleiben: Wach auf! Vergiß dein Geschöpf Mensch nicht! Und unser Schrei an Gott muß zugleich ein Schrei in unser eigenes Herz hinein sein, daß in uns die verborgene Gegenwart Gottes aufwache – daß seine Macht, die er in unseren Herzen hinterlegt hat, nicht in uns vom Schlamm der Eigensucht, der Menschenfurcht und der Gleichgültigkeit, des Opportunismus verdeckt und niedergehalten werde. Wir stoßen diesen Ruf an Gott, diesen Ruf in unser eigenes Herz hinein, gerade auch in dieser unserer gegenwärtigen Stunde aus, in der neue Verhängnisse drohen, in der neu alle dunklen Mächte aus dem Herzen des Menschen aufzusteigen scheinen – auf der einen Seite der Mißbrauch Gottes zur Rechtfertigung blinder Gewalt gegen Unschuldige, auf der anderen Seite der Zynismus, der Gott nicht kennt und den Glauben an ihn verhöhnt. Wir rufen zu Gott, daß er die Menschen zur Einsicht bringe, damit sie erkennen, daß Gewalt keinen Frieden stiftet, sondern nur wieder Gewalt hervorruft – eine Spirale der Zerstörungen, in der alle am Ende nur Verlierer sein können. Der Gott, dem wir glauben, ist ein Gott der Vernunft – einer Vernunft, die freilich nicht neutrale Mathematik des Alls, sondern eins mit der Liebe, mit dem Guten ist. Wir bitten Gott, und wir rufen zu den Menschen, daß diese Vernunft, die Vernunft der Liebe, der Einsicht in die Kraft der Versöhnung und des Friedens die Oberhand gewinne inmitten der uns umgebenden Drohungen der Unvernunft oder einer falschen, von Gott gelösten Vernunft.

Der Ort, an dem wir stehen, ist ein Ort des Gedächtnisses, ist der Ort der Schoah. Das Vergangene ist nie bloß vergangen. Es geht uns an und zeigt uns, welche Wege wir nicht gehen dürfen und welche wir suchen müssen. Wie Johannes Paul II. bin ich die Steine entlanggegangen, die in den verschiedenen Sprachen an die Opfer dieses Ortes erinnern: in weißrussisch, tschechisch, deutsch, französisch, griechisch, hebräisch, kroatisch, italienisch, jiddisch, ungarisch, niederländisch, norwegisch, polnisch, russisch, roma, rumänisch, slowakisch, serbisch, ukrainisch, jüdisch-spanisch und englisch. All diese Gedenksteine künden von menschlichem Leid, lassen uns den Zynismus der Macht ahnen, die Menschen als Material behandelte und sie nicht als Personen anerkannte, in denen Gottes Ebenbild aufleuchtet. Einige Steine laden zu einem besonderen Gedenken ein. Da ist der Gedenkstein in hebräischer Sprache. Die Machthaber des Dritten Reiches wollten das jüdische Volk als ganzes zertreten, es von der Landkarte der Menschheit tilgen; auf furchtbare Weise haben sich da die Psalmworte bestätigt: „Wie Schafe werden wir behandelt, die zum Schlachten bestimmt sind.“ Im tiefsten wollten jene Gewalttäter mit dem Austilgen dieses Volkes den Gott töten, der Abraham berufen, der am Sinai gesprochen und dort die bleibend gültigen Maße des Menschseins aufgerichtet hat. Wenn dieses Volk einfach durch sein Dasein Zeugnis von dem Gott ist, der zum Menschen gesprochen hat und ihn in Verantwortung nimmt, so sollte dieser Gott endlich tot sein und die Herrschaft nur noch dem Menschen gehören – ihnen selber, die sich für die Starken hielten, die es verstanden hatten, die Welt an sich zu reißen. Mit dem Zerstören Israels, mit der Schoah, sollte im letzten auch die Wurzel ausgerissen werden, auf der der christliche Glaube beruht und endgültig durch den neuen, selbstgemachten Glauben an die Herrschaft des Menschen, des Starken, ersetzt werden. Da ist dann der Stein in polnischer Sprache: Man wollte zunächst und zuerst die geistige Führung Polens auslöschen und damit das Volk als eigenes geschichtliches Subjekt austilgen, um es, soweit es weiter bestand, zu einem Volk von Sklaven zu erniedrigen. Dann lädt besonders der Stein zum Nachdenken ein, der in der Sprache der Sinti und Roma geschrieben ist. Auch hier sollte ein ganzes Volk verschwinden, das quer durch die einzelnen Völker wandert und lebt. Es wurde zu den unnützen Elementen der Weltgeschichte gerechnet, in einer Weltanschauung, in der nur noch der meßbare Nutzen zählen sollte; alles andere wurde nach deren Vorstellungen als lebensunwertes Leben eingestuft. Da ist dann der Gedenkstein in russisch, der uns an die ungeheuren Blutopfer der russischen Soldaten im Kampf gegen das nationalsozialistische Terror-Regime erinnert und freilich zugleich an die tragische Doppelbedeutung ihres Einsatzes denken läßt: Während sie Völker von der einen Diktatur befreiten, haben sie doch auch dieselben Völker einer neuen Diktatur, derjenigen Stalins und der kommunistischen Ideologie, unterworfen. Auch alle anderen Steine in den vielen Sprachen Europas sprechen uns von dem Leiden der Menschen aus diesem ganzen Kontinent; sie würden erst vollends zu unserem Herzen sprechen, wenn wir nicht mehr nur der Opfer im großen und ganzen gedächten, sondern die einzelnen Gesichter von Menschen sehen würden, die hier im Dunkel des Terrors endeten. Es war mir eine innere Pflicht, auch vor dem Gedenkstein in deutscher Sprache besonders innezuhalten. Von dort tritt das Gesicht von Edith Stein, Theresia Benedicta vom heiligen Kreuz, auf uns zu – Jüdin und Deutsche, die zusammen mit ihrer Schwester im Grauen der Nacht des nazideutschen Konzentrationslagers verschwunden ist, die als Christin und als Jüdin mit ihrem Volk und für ihr Volk sterben wollte. Die Deutschen, die damals nach Auschwitz-Birkenau verbracht wurden und hier gestorben sind, wurden als Abschaum der Nation hingestellt. Aber nun erkennen wir sie dankbar als die Zeugen der Wahrheit und des Guten, das auch in unserem Volk nicht untergegangen war. Wir danken diesen Menschen, daß sie sich der Macht des Bösen nicht gebeugt haben und so als Lichter in einer dunklen Nacht vor uns stehen. Wir beugen uns in Ehrfurcht und Dankbarkeit vor all denen, die wie die drei Jünglinge angesichts der Drohung des babylonischen Feuerofens geantwortet haben: „Wenn überhaupt jemand, so kann nur unser Gott… uns retten. Tut er es aber nicht, so sollst du, König, wissen: Auch dann verehren wir deine Götter nicht und beten das goldene Standbild nicht an, das du errichtet hast“ (Dan 3,17f).

Ja, hinter diesen Gedenksteinen verbirgt sich das Geschick von unzähligen Menschen. Sie rütteln unser Gedächtnis auf, sie rütteln unser Herz auf. Nicht zum Haß wollen sie uns bringen: Sie zeigen uns, wie furchtbar das Werk des Hasses ist. Sie wollen uns zur Einsicht bringen, die das Böse als Böses erkennt und verneint; sie wollen den Mut zum Guten, zum Widerstand gegen das Böse in uns wecken. Sie wollen uns zu jener Gesinnung bringen, die sich in den Worten ausdrückt, die Sophokles der Antigone angesichts des Grauens um sie herum in den Mund gelegt hat: „Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da.“

Gottlob wachsen im Umkreis dieser Stätte des Grauens mit der Reinigung des Gedächtnisses, zu der sie uns drängt, vielfältige Initiativen, die dem Bösen eine Grenze setzen, dem Guten Kraft geben wollen. Eben durfte ich das Zentrum für Dialog und Gebet segnen. Ganz nah dabei vollzieht sich das verborgene Leben der Karmelitinnen, die sich besonders dem Geheimnis des Kreuzes Christi verbunden wissen und uns an den Glauben der Christen erinnern, daß Gott selbst in die Hölle der Leiden abgestiegen ist und mit uns leidet. In Oswiecim besteht das Zentrum des heiligen Maximilian und das Internationale Zentrum für die Erziehung über Auschwitz und den Holocaust. Es gibt das Internationale Haus für Jugendbegegnungen. Bei einem der alten Gebetshäuser besteht das Jüdische Zentrum. Schließlich ist die Akademie für die Menschenrechte im Aufbau begriffen. So dürfen wir hoffen, daß aus dem Ort des Grauens Besinnung wächst und daß das Erinnern hilft, dem Bösen zu widerstehen und der Liebe zum Sieg zu verhelfen.

Die Menschheit hat in Auschwitz-Birkenau eine „finstere Schlucht“ durchschritten. So möchte ich gerade an dieser Stelle mit einem Gebet des Vertrauens schließen – einem Psalm Israels, der zugleich ein Gebet der Christenheit ist: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er läßt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht… Im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit“ (Ps 23,1-4 Ps 23,6).
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APOSTOLISCHE REISE NACH POLEN

ABSCHIEDSZEREMONIE Krakau, 28. Mai 2006

Herr Präsident der Republik Polen,

Herr Kardinalerzbischof von Krakau,
liebe Brüder und Schwestern!

Die Stunde ist gekommen, in der ich von Polen Abschied nehmen muß. Vier Tage lang habe ich als Pilger euer Land bereist und dabei Orte besucht, die für eure geschichtliche und kulturelle Identität von besonderer Bedeutung sind. Warschau, Jasna Góra, Krakau, Wadowice, Kalwaria Zebrzydowska, Lagiewniki, Auschwitz – wieviele Erinnerungen rufen diese Namen wach! Und welchen Bedeutungsreichtum besitzen sie für die Menschen in Polen!

Als mein geliebter Vorgänger Johannes Paul II. sich vor vier Jahren zum letzten Mal von seinem Heimatland verabschiedete, ermahnte er die polnische Nation, sich stets von Empfindungen der Barmherzigkeit, der brüderlichen Solidarität und der Hingabe an das Gemeinwohl leiten zu lassen. Er brachte sein festes Vertrauen zum Ausdruck, daß Polen so nicht nur einen angemessenen Platz im geeinten Europa finden, sondern diesen Kontinent und die ganze Welt mit seiner Tradition bereichern würde. Heute, da sich eure Präsenz innerhalb der europäischen Staatenfamilie immer mehr festigt, möchte ich jene Worte der Hoffnung aus ganzem Herzen wiederholen. Ich bitte euch, treue Hüter des christlichen Erbes zu bleiben und dieses den zukünftigen Generationen weiterzugeben.

Liebe Polen! Auf dieser Pilgerreise habe ich Orte besucht, die dem großen Johannes Paul II. besonders am Herzen lagen, und ich möchte euch nicht vorenthalten, daß mich diese Reise euch, seinen Landsleuten, noch näher gebracht hat. Ich danke euch für das Gebet, mit dem ihr mich seit der Stunde meiner Wahl begleitet habt. Während der Begegnungen mit euch, bei den Audienzen im Vatikan, habe ich mehrfach eine Verbundenheit in tiefem Gebet und spontaner Sympathie gespürt. Ich wünsche, daß ihr auch weiterhin in euren Gebeten an mich denkt und den Herrn bittet, meine Kräfte für den Dienst an der Universalkirche zu mehren.

Ich danke dem Herrn Präsidenten der Republik Polen und dem Episkopat für ihre Einladung. Ebenfalls danke ich dem Herrn Ministerpräsidenten für die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Regierung und den Vertretern der Kirche bei der Vorbereitung dieses Besuchs. Ich bringe den Obrigkeiten aller Ebenen meine Dankbarkeit zum Ausdruck für ihren Einsatz schon vor dem Beginn meiner Reise und während ihres Verlaufs. Ich danke den Vertretern der Medien für ihren Einsatz und ihr Bemühen um eine ausführliche Berichterstattung über diese Pilgerreise. Meine Anerkennung und Dankbarkeit gilt auch den Ordnungsdiensten, der Armee, der Polizei, der Feuerwehr, dem Sanitätsdienst und allen, die dazu beigetragen haben, diese Begegnung des Papstes mit Polen und seinen Einwohnern zu einem wunderschönen Ereignis zu machen.

Meinen Besuch möchte ich nun beschließen mit den Worten des Apostels Paulus, die meine Pilgerreise durch Polen begleitet haben: »Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe« (1 Kor 16,13–14). Allen erteile ich meinen Segen!

ZUM ABSCHLUSS DES MARIENMONATS MAI

IN DEN VATIKANISCHEN GÄRTEN Lourdes-Grotte

Mittwoch, 31. Mai 2006

Liebe Brüder und Schwestern!


Gerne schließe ich mich euch am Ende dieses eindrucksvollen marianischen Gebetstreffens an. Wir bringen auf diese Weise vor der Lourdes- Grotte in den Vatikanischen Gärten den Monat Mai zum Abschluß. Er war in diesem Jahr geprägt vom Empfang der Statue der Gottesmutter von Fatima auf dem Petersplatz am 25. Jahrestag des Attentats auf unseren geliebten Johannes Paul II. sowie von der Apostolischen Reise, die mich dem Willen des Herrn entsprechend nach Polen geführt hat, wo ich jene Orte besuchen konnte, die meinem großen Vorgänger so sehr am Herzen lagen. Von dieser Pilgerreise, von der ich heute morgen bei der Generalaudienz gesprochen habe, kommt mir jetzt besonders der Besuch im Heiligtum von Jasna Góra in Tschenstochau in Erinnerung, wo mir noch deutlicher bewußt geworden ist, wie sehr unsere himmlische Fürsprecherin den Weg ihrer Kinder begleitet und die Bitten nicht unerhört läßt, die mit Demut und Vertrauen an sie gerichtet werden. Gemeinsam mit euch möchte ich ihr noch einmal dafür danken, daß sie bei meinem Besuch in das liebe Polen an meiner Seite war. Ich möchte Maria auch meine Dankbarkeit dafür zum Ausdruck bringen, daß sie mich im täglichen Dienst für die Kirche trägt. Ich weiß, daß ich in jeder Situation auf sie zählen kann, mehr noch, ich weiß, daß sie mit mütterlichem Gespür jedem Bedürfnis ihrer Kinder zuvorkommt und wirksam eingreift, um ihnen beizustehen: Das ist die Erfahrung, die das christliche Volk seit seinen Anfängen in Jerusalem gemacht hat.

Am heutigen Fest »Mariä Heimsuchung« ebenso wie in jedem Abschnitt des Evangeliums sehen wir Maria fügsam gegenüber dem göttlichen Plan und in einer Haltung fürsorglicher Liebe gegenüber den Brüdern. Noch voll Staunen über das, was der Erzengel Gabriel ihr verkündet hat – daß sie die Mutter des verheißenen Messias werden soll –, erfährt das demütige Mädchen aus Nazaret, daß auch ihre betagte Verwandte Elisabet noch in ihrem Alter ein Kind erwartet. Sofort machte sie sich auf den Weg, wie der Evangelist berichtet (vgl. Lk Lc 1,39), und »eilte« zum Haus der Kusine, um sich ihr in einem Augenblick, in dem es besonders notwendig war, zur Verfügung zu stellen. Wie sollte man nicht bemerken, daß es bei der Begegnung zwischen der jungen Maria und der schon reifen Elisabet vor allem Jesus ist, der im Verborgenen handelt? Maria trägt ihn in ihrem Leib wie in einem Tabernakel und bietet ihn Zacharias, seiner Frau Elisabet und auch dem Kind, das in deren Schoß heranwächst, als das größte Geschenk an. »In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib«, sagt die Mutter Johannes’ des Täufers (Lc 1,44). Wo immer Maria ist, da ist auch Jesus. Wer sein Herz der Mutter öffnet, begegnet dem Sohn und nimmt ihn auf und wird erfüllt von seiner Freude. Nie trübt oder mindert die wahre Marienverehrung den Glauben an unseren Erlöser Jesus Christus und die Liebe zu ihm, dem einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen. Im Gegenteil, die vertrauensvolle Hingabe an die Muttergottes ist der beste, von zahlreichen Heiligen erprobte Weg einer treueren Nachfolge des Herrn. Vertrauen wir uns ihr also in kindlicher Ergebenheit an!

Mit diesen Empfindungen grüße ich herzlich jeden von euch, meine Herrn Kardinäle, verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt, und auch euch, liebe Ordensleute und Laien, die ihr bei diesem alljährlichen Treffen zum Abschluß des Monats Mai nicht fehlen wolltet. Eurem Gebet empfehle ich insbesondere die am kommenden Samstagabend auf dem Petersplatz stattfindende Vigil mit den Bewegungen und den neuen Laiengemeinschaften an, die als vielversprechende Realitäten in der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erblüht sind. Möge die mütterliche Fürsprache der Königin der Heiligen für alle Jünger Christi das Geschenk eines starken Glaubens und eines unerschütterlichen Zeugnisses für das Evangelium erwirken. Euch allen erteile ich meinen Segen, in den ich gerne die euch nahestehenden Personen einschließe, besonders die alten und kranken Menschen und all jene, die in Not sind.



Juni 2006


AN DIE TEILNEHMER DER DRITTEN VERSAMMLUNG

DES XI. ORDENTLICHEN RATES DES GENERALSEKRETARIATS

DER BISCHOFSSYNODE Donnerstag, 1. Juni 2006



Verehrte, liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

An euch alle, die Mitglieder des XI. Ordentlichen Rates des Generalsekretariats der Bischofssynode, richte ich meinen brüderlichen Gruß, insbesondere an euren Generalsekretär, Erzbischof Nikola Eterovic, dem ich dafür danke, daß er eure Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Eure Anwesenheit läßt mich an die Erfahrung der Synodenversammlung im Herbst 2005 denken, die unter dem Thema »Die Eucharistie: Quelle und Höhepunkt des Lebens und der Sendung der Kirche« stand. Jetzt danke ich euch von Herzen für euer Bemühen, die während der letzten Synodenversammlung gemachten Vorschläge zusammenzustellen und zu ordnen. Das heutige Treffen ist ferner eine günstige Gelegenheit, um nochmals die Bedeutung der Liebe in der Tätigkeit der Hirten der Kirche hervorzuheben. Ich muß sagen, daß mich verschiedene Bischöfe während der »Ad-limina«-Besuche gefragt haben, wann denn nun endlich das nachsynodale Schreiben veröffentlicht werde, worauf ich dann antworte, daß daran gearbeitet wird und es sicher nicht mehr lange dauern kann. Hier sehe ich so zahlreiche dafür zuständige Bischöfe versammelt, daß ich nur hoffen kann, auch selbst den Text in Kürze einsehen und aus ihm lernen zu können, bevor er dann zum Nutzen der ganzen Kirche, die wirklich auf ihn wartet, veröffentlicht werden wird.

»Est amoris officium pascere dominicum gregem«: Dieses wunderbare Wort des Bischofs Augustinus (In Ioannis eu. tract.123,5; PL 35, 1967) ist auch heute noch eine große Ermutigung für uns Bischöfe, die wir Sorge tragen für die Herde, die nicht uns gehört, sondern dem Herrn. Bei der Erfüllung seines Auftrags sind wir bemüht, die Herde zu schützen, zu nähren und sie zu Ihm zu führen, dem wahren Guten Hirten, der das Heil aller Menschen will. Die Herde des Herrn zu nähren ist daher ein Dienst wachsamer Liebe, der vollkommene Hingabe bis zur Erschöpfung der Kräfte erfordert und, falls notwendig, auch das Opfer des eigenen Lebens. Vor allem die Eucharistie ist die Quelle und das Geheimnis der ständigen treibenden Kraft unserer Sendung. Der Bischof wird in seinem kirchlichen Dasein wirklich dem Bild Christi gleichgestaltet, der uns mit seinem Fleisch und seinem Blut nährt. Die Eucharistie gibt dem Hirten Kraft, jene besondere Hirtenliebe zu üben, die darin besteht, dem christlichen Volk die Nahrung der Wahrheit zu geben. Und das in Vorbereitung befindliche Schreiben wird eine dieser Maßnahmen sein, um das Volk Gottes mit der Nahrung der Wahrheit zu speisen, ihm zu helfen, in der Wahrheit zu wachsen, und vor allem um ihm das Geheimnis der Eucharistie nahezubringen und es zu einem tiefen und lebendigen eucharistischen Leben einzuladen.

Wenn wir von Wahrheit sprechen, kann vor allem die Wahrheit der Liebe nicht verschwiegen werden, denn sie ist das Wesen Gottes. Sie von den Dächern zu verkünden (vgl. Mt Mt 10,27) ist nicht nur »amoris officium«, sondern eine für die Menschen aller Zeiten notwendige Botschaft. Die Wahrheit der dem Evangelium entsprechenden Liebe betrifft jeden Menschen und den ganzen Menschen und verpflichtet den Hirten, sie furchtlos und ohne Einschränkungen zu verkünden, ohne jemals den Forderungen der Welt nachzugeben: »opportune, importune« (vgl. 2Tm 4,2).

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, in einer Zeit wie der unseren, die in zunehmendem Maße vom Phänomen der Globalisierung geprägt ist, wird es immer notwendiger, allen Menschen die Wahrheit Christi und seine Heilsbotschaft deutlich und mit Nachdruck zu vermitteln. In unzähligen Bereichen muß die Wahrheit liebevoll verkündet und bezeugt werden; viele Menschen dürsten nach ihr, und wir dürfen sie nicht auf der Suche nach Nahrung verschmachten lassen (vgl. Klgl Lm 4,5). Das ist unsere Sendung, verehrte und liebe Brüder! Möge der Geist des Herrn, auf dessen Empfang am sich nahenden Hochfest Pfingsten wir uns vorbereiten, durch die Fürsprache Marias auf euch herabkommen und euch zu Hirten machen, die immer verfügbarer sind für das, was das Herz Gottes verlangt. Mit diesen Empfindungen segne ich euch alle sowie diejenigen, die eurer pastoralen Sorge anvertraut sind.



AN DIE MITGLIEDER UND ALUMNEN

DER PÄPSTLICHEN DIPLOMATENAKADEMIE Freitag, 2. Juni 2006

Herr Präsident und liebe Alumnen

der Päpstlichen Diplomatenakademie!

Über die heutige Begegnung freue ich mich, und ich begrüße herzlich jeden einzelnen von euch sowie eure ganze Gemeinschaft. Mein Gruß richtet sich zunächst an euren Präsidenten, Erzbischof Justo Mullor García. Ich danke ihm für die freundlichen Worte, mit denen er soeben eure Empfindungen der Ergebenheit und Treue zum Ausdruck gebracht hat. Euer Besuch gibt mir Gelegenheit, euch zu sagen, welche Aufmerksamkeit ich eurer Akademie entgegenbringe: In ihr bereitet ihr euch mit Pflichtbewußtsein und Hingabe darauf vor, den priesterlichen Dienst in jener besonderen Weise auszuüben, die der Dienst am Heiligen Stuhl darstellt. Er ist ein wichtiger Dienst, denn er ist dahingehend ausgerichtet, das Zeugnis der Fürsorge des Nachfolgers Petri in die Teilkirchen und die Nationen in aller Welt zu tragen.

Liebe Alumnen, um euch in angemessener Weise auf die Aufgabe vorzubereiten, die euch erwartet, seid ihr vor allem berufen, eine Gemeinschaft des Gebets zu sein, die in beständiger, treuer und tiefer Beziehung zu Gott lebt, welche dem gesamten Dasein eines jeden von euch Lebenskraft verleiht. Möge die tägliche Eucharistiefeier der lebendige Mittelpunkt, die Quelle und die Wurzel aller eurer Aktivitäten in diesen und in den kommenden Jahren sein, wenn ihr den pastoralen Dienst im Auftrag des Heiligen Stuhls in den verschiedenen Ländern ausüben werdet. Eure Tätigkeit wird nämlich in dem Maße wirksam sein, in dem ihr euch darum bemüht, Zeugen Christi zu sein, Zeugen jener Wahrheit, die den Weg der Völker erleuchtet und lenkt. Werdet daher Boten seines Evangeliums der Liebe, das in der Lage ist, die Herzen zu erneuern und das Zusammenleben innerhalb jeder Gesellschaft wirklich menschlich zu gestalten. Nur wenn ihr eurer Berufung treu bleibt, werdet ihr dem Apostolischen Stuhl einen wertvollen Dienst erweisen können.

Eure Akademie will nicht nur Schule des Gebets sein, sondern will auch weiterhin echte menschliche und theologische Bildung vermitteln. Der Hirtendienst, auf den ihr euch vorbereitet, erfordert eine sorgfältige Ausbildung mit spezifischen Sachkenntnissen. Mehr denn je ist heute fundiertes Wissen unerläßlich, das neben der notwendigen theologischen Ausbildung eine Vertiefung der ständigen Lehre der Kirche und der Leitlinien der Arbeit des Heiligen Stuhls auf kirchlicher und internationaler Ebene vorsehen muß. Nutzt das Lehrangebot, das euch in dieser Studienzeit zur Verfügung steht, und haltet euch mittels ernsthafter persönlicher Studien auch in Zukunft stets auf dem Laufenden.

Eure Akademie verzeichnet eine nunmehr 300jährige Geschichte, und getreu ihrer Vergangenheit muß sie auch weiterhin ein Ort der Gemeinschaft sein. Die Möglichkeit, in Rom zu leben, wo man auf einzigartige Weise die Katholizität der Kirche spürt, und die Tatsache, daß ihr aus verschiedenen Kontinenten kommt, geben euch wertvolle Gelegenheit, den Geist der Einheit und der Gemeinschaft zu nähren. In Zukunft werdet ihr mit Völkern unterschiedlicher Sprache und Kultur in Kontakt treten; ihr werdet den priesterlichen Dienst in Teilkirchen ausüben, die häufig in kultureller Hinsicht anders sind als die, aus denen ihr stammt. Ihr müßt also in der Lage sein, jede christliche Gemeinschaft zu verstehen, zu lieben, zu unterstützen und zu ermutigen, um überall treue Diener des Charismas des Petrus zu sein, des Charismas der Einheit und des Zusammenhalts der ganzen Kirche. Ihr seid daher zu Recht angespornt, euren Aufenthalt in der Akademie im Geist wahrer priesterlicher Brüderlichkeit zu verbringen, um den pastoralen Sinn der Gemeinschaft und der Einheit reifen zu lassen. Öffnet daher die Horizonte eures Geistes und eures Herzens immer mehr für die Universalität der Kirche, um jede Versuchung zu Parteilichkeiten und Individualismen zu überwinden.

Auf eurem Bildungsweg darf schließlich auch eine echte und treue Verehrung der Jungfrau Maria nicht fehlen. Möge sie euch helfen, in der Liebe zu Christus und seiner Kirche zu wachsen und stets nach der Heiligkeit zu streben, dem höchsten und unverzichtbaren Ziel unseres christlichen und priesterlichen Daseins. Mit diesen Empfindungen und Wünschen erbitte ich für euch die Fülle der Gaben des Heiligen Geistes und erteile jedem von euch und den euch nahestehenden Personen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.



AN DIE TEILNEHMER DER MITARBEITER DER TAGESZEITUNG "AVVENIRE", DES FERNSEHSENDERS "SAT2000", DER RADIOANSTALT "INBLU" UND DER AGENTUR "SIR" Benediktionsaula

Freitag, 2. Juni 2006

Herr Kardinal,

verehrte Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Es ist mir eine Freude, heute die Mitarbeiter der katholischen Tageszeitung »Avvenire«, des Fernsehsenders »Sat2000«, der Radioanstalt »InBlu« und der Agentur »Sir« im Vatikan empfangen zu können. Diese stellen eine sehr bedeutsame mediale Wirklichkeit dar, die mit der Italienischen Bischofskonferenz verbunden ist, als deren Vertreter ich ihren Vorsitzenden, Kardinal Camillo Ruini, hochachtungsvoll hier begrüße. Darüber hinaus begrüße ich herzlich jeden von euch und danke dem Direktor der Tageszeitung »Avvenire« und des Fernsehkanals »Sat2000« für die freundlichen Worte, die er im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Liebe Freunde, ihr erfüllt in der Tat eine wichtige Funktion, denn auch durch euren Beitrag wird das Bemühen der italienischen Katholiken fortgesetzt, das Evangelium Christi ins Leben der Nation zu tragen. Gern erinnere ich mich daran, daß Paul VI. in den Jahren unmittelbar nach dem Konzil ausdrücklich wünschte, daß der »Avvenire« als nationale katholische Tageszeitung entstehen möge. Dann war es eine mutige Entscheidung, eure Arbeit durch die Anwendung modernster Technik auf Rundfunk- und Fernsehsendungen auszuweiten, wie es im Konzilsdekret Inter Mirifica als Wunsch zum Ausdruck gekommen war (Nr. 13–14). So seid ihr eines der Werkzeuge zur Verbreitung der christlichen Botschaft in Italien geworden.

Um die Bedeutung der Arbeit, der ihr euch Tag für Tag widmet, in ihrer ganzen Bandbreite zu erfassen, kann eine kurze Reflexion über die Beziehungen zwischen Glauben und Kultur, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben, von Nutzen sein. Wie ihr wißt, hat sich die europäische Kultur im Laufe der Jahrhunderte unter Mitwirkung des Christentums herausgebildet. Seit der Aufklärung hat sich die westliche Kultur dann mit zunehmender Geschwindigkeit von ihren christlichen Grundlagen entfernt. Besonders in jüngster Zeit zeigen sich uns im Zerfall von Ehe und Familie, in den Angriffen auf das menschliche Leben und seine Würde, in der Reduzierung des Glaubens auf eine subjektive Erfahrung und in der daraus folgenden Säkularisierung des öffentlichen Bewußtseins die Folgen dieser Entfernung von den christlichen Grundlagen der Kultur. In verschiedenen Teilen Europas gibt es jedoch Erfahrungen und Ausdrucksweisen christlicher Kultur, die sich behaupten oder die mit wachsendem Elan wieder zum Vorschein kommen. Insbesondere ist im Leben des italienischen Volkes der katholische Glaube grundsätzlich noch vorhanden, und jeder kann sehen, daß Anzeichen einer neuen Lebendigkeit des Glaubens vorhanden sind. Eure Arbeit als Kommunikatoren, die sich am Evangelium orientieren, erfordert daher ständiges Urteilsvermögen. Wie ihr wißt, sind die Hirten der Kirche in Italien bemüht, jene christlichen Formen zu bewahren, die aus der großen Tradition des italienischen Volkes kommen und das gemeinschaftliche Leben prägen, indem sie sie aktualisieren, sie gegebenenfalls reinigen, sie vor allem aber festigen und fördern. Eure Aufgabe ist es auch, die aufkommenden neuen christlichen Erfahrungen zu unterstützen und zu fördern und den an ihnen teilhabenden Christen zu helfen, ein immer deutlicheres Bewußtsein zu entwickeln für die eigene kirchliche Verwurzelung sowie für die Rolle, die sie in der Gesellschaft und Kultur Italiens wahrnehmen können.

All das, liebe Freunde, gehört zu eurer täglichen Arbeit, einer Arbeit, die nicht auf abstrakte oder rein intellektuelle Weise durchgeführt werden kann, sondern die den unzähligen Aspekten des konkreten Lebens eines Volkes, seinen Problemen, seinen Nöten und seinen Hoffnungen Beachtung schenken muß. Möge euch in eurer Arbeit die Gewißheit unterstützen und ermutigen, daß der christliche Glaube offen ist für all das, was in der Kultur der Völker »wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist«, wie der Apostel Paulus die Philipper lehrte (vgl. Phil Ph 4,8). Setzt also euer Werk in diesem Geist und mit dieser Haltung fort, indem ihr selbst ein leuchtendes Zeugnis ablegt von einem tief christlichen Leben und dafür stets fest mit Christus verbunden bleibt, um die Welt mit seinen Augen betrachten zu können. Seid glücklich über die Tatsache, zur Kirche zu gehören und ihre Stimme und Überzeugungen in das große Kommunikationsnetz einzubringen. Werdet nicht müde, Brücken der Verständigung und der Kommunikation zwischen der kirchlichen Erfahrung und der öffentlichen Meinung zu bauen. So könnt ihr Hauptakteure einer Kommunikation sein, die Stellungnahmen nicht ausweicht, sondern wirklich und aufrichtig im Dienst am Menschen von heute steht.

Ich wünsche von Herzen, daß einer solchen Kommunikation die Aufmerksamkeit und Unterstützung der Katholiken und aller um die wahren Werte bemühten Italiener zukommen möge. Meinerseits versichere ich euch meiner ständigen Nähe. Damit eure Arbeit immer reichere Früchte tragen möge, erteile ich euch und euren Familien von Herzen den Apostolischen Segen als Unterpfand des Lichtes und der Kraft, die Gott allein in die Herzen seiner Kinder legen kann.
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