Benedikt XVI Predigten 46

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AN DIE TEILNEHMER DER PASTORALTAGUNG DER DIÖZESE ROM Lateranbasilika

Montag, 5. Juni 2006

Liebe Brüder und Schwestern,


Gerne bin ich erneut in eurer Mitte, um mit meinen Überlegungen unsere diözesane Pastoraltagung einzuleiten, die einem sehr schönen Thema von grundlegender pastoraler Bedeutung gewidmet ist: der Freude, die aus dem Glauben kommt, und sein Verhältnis zur Erziehung der jungen Generationen. So greifen wir den bei der letzten Pastoraltagung im vergangenen Jahr begonnen Dialog wieder auf und führen ihn mit einem direkteren Blick auf die Jugend fort. Damals haben wir uns mit der Rolle befaßt, die die Familie und die christliche Gemeinschaft für die Persönlichkeitsbildung und die Weitergabe des Glaubens haben. Herzlich begrüße ich jeden von euch, Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien, die ihr euch für das Zeugnis unseres Glaubens einsetzt. Ganz besonders grüße ich euch, die Jugendlichen, die ihr beabsichtigt, euren persönlichen Bildungsweg zu verbinden mit der Übernahme von kirchlicher und missionarischer Verantwortung gegenüber anderen jungen Menschen. Von Herzen danke ich dem Kardinalvikar für die Worte, die er im Namen von euch allen an mich gerichtet hat.

Mit dieser Tagung und dem Pastoraljahr, das sich von ihren Inhalten inspirieren lassen wird, setzt die Diözese Rom jenen langen Weg fort, den sie vor nunmehr zehn Jahren mit der von meinem geliebten Vorgänger Johannes Paul II. gewünschten Stadtmission begonnen hat. Das Ziel ist in der Tat immer dasselbe: den Glauben in unseren Gemeinden wiederzubeleben und danach zu streben, ihn zu wecken oder wiederzuerwecken in allen Menschen und Familien dieser großen Stadt, in der schon von der ersten christlichen Generation an und vor allem durch die Apostel Petrus und Paulus der Glaube verkündet und die Kirche aufgebaut wurde. In den vergangenen drei Jahren habt ihr eure Aufmerksamkeit besonders auf die Familie gerichtet, um durch die Wahrheit des Evangeliums diese grundlegende menschliche Realität, die heute leider stark gefährdet und bedroht ist, zu festigen und ihr zu helfen, ihre unverzichtbare Sendung in der Kirche und in der Gesellschaft zu erfüllen. Wenn wir nun die Glaubenserziehung der jungen Generationen in den Vordergrund stellen, vernachlässigen wir damit gewiß nicht den Einsatz für die Familie, die die Hauptverantwortung für die Erziehung trägt. Vielmehr kommen wir einer in zahlreichen gläubigen Familien verbreiteten Sorge entgegen, die im heutigen sozialen und kulturellen Kontext fürchten, daß es ihnen nicht gelingen wird, das wertvolle Gut des Glaubens den eigenen Kinder zu vermitteln.

Die Entdeckung der Schönheit und der Freude des Glaubens ist in Wirklichkeit ein Weg, den jede neue Generation für sich selbst gehen muß, weil im Glauben unser eigenes Leben, unser Innerstes ins Spiel kommt, unser Herz, unsere Intelligenz, unsere Freiheit in einer zutiefst persönlichen Beziehung zum Herrn, der in uns wirkt. Aber auf ebenso tiefgreifende Weise ist der Glaube gemeinschaftliches Handeln und gemeinschaftliche Haltung, es ist das »Wir glauben« der Kirche. Die Freude des Glaubens ist somit eine Freude, die geteilt werden muß, wie der Apostel Johannes sagt: »Was wir gesehen und gehört haben (das Wort des Lebens), das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt … Wir schreiben dies, damit unsere Freude vollkommen ist« (1 Joh 1,3–4). Die Glaubenserziehung der jungen Generationen ist daher eine große und grundlegende Aufgabe, die die gesamte christliche Gemeinschaft einbezieht. Liebe Brüder und Schwestern, aus eigener Erfahrung wißt ihr, daß diese Aufgabe heute aus verschiedenen Gründen besonders schwierig geworden ist, aber gerade deshalb ist sie um so wichtiger und dringlicher. In der heutigen säkularisierten Kultur lassen sich zwei deutlich voneinander abhängige Grundzüge erkennen, die in eine der christlichen Botschaft entgegengesetzte Richtung drängen und die unweigerlich jene beeinflussen, die sich in bezug auf die Ausrichtung ihres Lebens und ihre Lebensentscheidungen in einem Reifeprozeß befinden. Einer dieser Grundzüge ist der Agnostizismus. Er entspringt der Verkürzung der menschlichen Intelligenz auf eine nur berechnende und funktionale Vernunft und neigt dazu, den zutiefst in unsere Natur eingeschriebenen Sinn für das Religiöse zu ersticken. Der andere ist jener Prozeß der Relativierung und Entwurzelung, der die heiligsten Bindungen und die edelsten Gefühle des Menschen zerstört, mit dem Ergebnis, daß dies den Menschen schwach und unsere gegenseitigen Beziehungen unsicher und unbeständig macht.

Gerade in dieser Situation ist es für uns alle, vor allem für unsere Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, notwendig, den Glauben als Freude zu leben, jenen tiefen inneren Frieden zu spüren, der der Begegnung mit dem Herrn entspringt. In meiner Enzyklika Deus caritas est habe ich geschrieben: »Wir haben der Liebe geglaubt: So kann der Christ den Grundentscheid seines Lebens ausdrücken. Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluß oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt« (Nr. 1). Die Quelle der christlichen Freude ist diese Gewißheit, von Gott geliebt zu sein, persönlich von unserem Schöpfer geliebt zu sein, von Ihm, der das ganze Universum in seinen Händen hält und jeden von uns und die ganze Menschheitsfamilie liebt, mit leidenschaftlicher und treuer Liebe, einer Liebe, die größer ist als unsere Treulosigkeit und Sünden, mit verzeihender Liebe. Diese Liebe »ist so groß, daß sie Gott gegen sich selbst wendet«, was endgültig im Geheimnis des Kreuzes zum Ausdruck kommt: »Gott liebt den Menschen so, daß er selbst Mensch wird, ihm nachgeht bis in den Tod hinein und auf diese Weise Gerechtigkeit und Liebe versöhnt« (Deus caritas Est 10).

Liebe Brüder und Schwestern, diese Gewißheit und diese Freude, von Gott geliebt zu sein, muß für jeden von uns, und besonders für die jungen Generationen, die in die Welt des Glaubens eintreten, auf irgendeine Weise wahrnehmbare und konkrete Wirklichkeit werden. Mit anderen Worten: Jesus hat gesagt, daß er die »Wahrheit« und das »Leben« ist, aber auch der »Weg«, der zum Vater führt (vgl. Joh 14,5–7). Daher müssen wir uns fragen: Wie können unsere jungen Menschen auf praktische und existentielle Weise in ihm diesen Weg des Heils und der Freude finden? Gerade dies ist die große Sendung, für die die Kirche als Familie Gottes und als Gemeinschaft von Freunden besteht, in die wir durch die Taufe bereits als kleine Kinder aufgenommen werden und in der unser Glaube, unsere Freude und die Gewißheit, vom Herrn geliebt zu sein, wachsen muß. Es ist daher unerläßlich – und das ist die Aufgabe, die den christlichen Familien, den Priestern, den Katecheten, den Erziehern, und den Jugendlichen selbst gegenüber ihren Altersgenossen, die unseren Pfarrgemeinden, Vereinigungen und Bewegungen und schließlich der gesamten Diözesangemeinschaft anvertraut ist –, daß die jungen Generationen die Kirche als eine wirklich zuverlässige Gemeinschaft von Freunden erleben können, die ihnen in jedem Augenblick und in allen Situationen des Lebens, den freudigen und erfüllenden ebenso wie den schwierigen und dunklen, zur Seite steht. Diese Gemeinschaft verläßt uns nie, nicht einmal im Tod, denn sie birgt in sich die Verheißung der Ewigkeit. Euch, liebe junge Menschen hier in Rom, möchte ich bitten, eurerseits der Kirche zu vertrauen, sie zu lieben und Vertrauen zu ihr zu haben, weil der Herr in ihr gegenwärtig ist und weil sie nichts anderes sucht als euer Wohl.

Derjenige, der weiß, daß er geliebt wird, fühlt sich seinerseits aufgefordert zu lieben. Der Herr, der uns zuerst geliebt hat, bittet uns auf eben diese Weise, unsererseits die Liebe zu ihm und zu den Menschen, die er geliebt hat, in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen. Besonders die jungen Menschen, die den Ruf der Liebe so überwältigend stark in sich spüren, müssen von dem verbreiteten Vorurteil befreit werden, daß das Christentum mit seinen Geboten und Verboten der Freude der Liebe zu viele Hindernisse in den Weg legt und es den Menschen vor allem verwehrt, jene Glückseligkeit vollends auszukosten, die Mann und Frau in der gegenseitigen Liebe finden. Im Gegenteil, der Glaube und die christliche Ethik wollen die Liebe nicht ersticken, sondern sie rein, stark und wahrhaft frei machen: Genau das ist der Sinn der Zehn Gebote, die keineswegs eine Reihe von »Nein« sind, sondern ein volles »Ja« zur Liebe und zum Leben. Die menschliche Liebe muß nämlich gereinigt werden, muß reifen und auch über sich selbst hinauswachsen, um vollkommen menschlich zu werden, um Ursprung wahrer, dauerhafter Freude zu sein und schließlich jenem Verlangen nach Ewigkeit zu entsprechen, das sie in sich trägt und auf das sie nicht verzichten kann, ohne sich selbst zu verraten. Das ist der wesentliche Grund, weshalb die Liebe zwischen Mann und Frau nur in der Ehe vollkommene Verwirklichung findet.

In der gesamten Erziehungsarbeit, in der Ausbildung des Menschen und des Christen dürfen wir somit weder aus Angst noch aus Verlegenheit die große Frage der Liebe unbeachtet lassen, denn wenn das der Fall wäre, würden wir ein Christentum präsentieren, das nicht »Fleisch geworden« ist und das den jungen Menschen, der sich dem Leben öffnet, nicht ernsthaft interessieren kann. Doch müssen wir auch in die ganzheitliche Dimension der christlichen Liebe einführen, wo die Liebe zu Gott und die Liebe zum Menschen untrennbar verbunden sind und wo Nächstenliebe eine äußerst konkrete Verpflichtung ist. Der Christ begnügt sich nicht mit Worten und auch nicht mit trügerischen Ideologien, sondern kommt den Bedürfnissen des Nächsten entgegen, indem er wirklich sich selbst einsetzt, ohne sich mit einer gelegentlichen guten Tat zufriedenzugeben. Jungen Menschen praktische Erfahrungen im Dienst an bedürftigen und notleidenden Mitmenschen anzubieten gehört somit zu einer authentischen und vollständigen Glaubenserziehung. Wie das Bedürfnis zu lieben so gehört auch das Verlangen nach Wahrheit zur Natur des Menschen. Daher kann die Frage nach der Wahrheit bei der Erziehung der jungen Generationen sicher nicht umgangen werden, vielmehr muß sie eine zentrale Stellung einnehmen. Wenn wir die Frage nach der Wahrheit stellen, erweitern wir den Horizont unserer Rationalität: Wir beginnen, unsere Vernunft aus jenen engen Grenzen zu befreien, in die sie eingeschlossen ist, solange allein das als vernünftig betrachtet wird, was Gegenstand von Experimenten und Berechnungen sein kann. Und genau hier findet die Begegnung zwischen Vernunft und Glaube statt: Im Glauben empfangen wir Gott, der sich selbst schenkt, indem er sich uns, den als sein Abbild geschaffenen Menschen, offenbart, und wir nehmen jene Wahrheit an, die unser Verstand nicht vollends erfassen und nicht besitzen kann. Gerade deshalb erweitert sie den Horizont unserer Erkenntnis und erlaubt uns, zum Geheimnis vorzudringen, in das wir eingetaucht sind, und in Gott den endgültigen Sinn unserer Existenz zu finden.

Liebe Freunde, wir wissen sehr wohl, daß es nicht einfach ist, dieser Überwindung der Grenzen unserer Vernunft zuzustimmen. Daher bleibt der Glaube, der ein sehr persönlicher menschlicher Akt ist, eine Entscheidung unserer Freiheit, die auch zurückgewiesen werden kann. Hier jedoch zeigt sich eine zweite Dimension des Glaubens, die, sich einer Person anzuvertrauen: nicht irgend jemandem, sondern Jesus Christus und dem Vater, der ihn gesandt hat. Glauben bedeutet, kraft des Heiligen Geistes, der in unseren Herzen wirkt, eine zutiefst persönliche Verbindung zu unserem Schöpfer und Erlöser aufzubauen und diese Verbindung zur Grundlage unseres ganzen Lebens zu machen, denn Jesus Christus ist »die Person gewordene Wahrheit, die die Welt zu sich hinzieht. … Jede andere Wahrheit ist ein Fragment der Wahrheit, die er ist, und weist auf ihn hin« (vgl. Ansprache an die Kongregation für die Glaubenslehre, 10. Februar 2006; in: O.R. dt., Nr. 8, 24.2.2006, S. 7). So erfüllt er unser Herz, läßt es weit werden und füllt es mit Freude, läßt unsere Intelligenz zu unerforschten Horizonten aufbrechen und gibt unserer Freiheit den entscheidenden Orientierungspunkt, indem er sie von der Enge des Egoismus befreit und zu wahrer Liebe befähigt.

Bei der Erziehung der jungen Generationen brauchen wir also keine Angst zu haben, die Wahrheit des Glaubens mit den wahren Errungenschaften des menschlichen Wissens zu konfrontieren. Heute verzeichnet die Wissenschaft rasche Fortschritte und nicht selten werden sie so dargestellt, als stünden sie im Gegensatz zu den Glaubensaussagen, was zu Verwirrung führt und die Annahme der christlichen Wahrheit erschwert. Aber Jesus Christus ist und bleibt der Herr der ganzen Schöpfung und der ganzen Geschichte: »Alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen … in ihm hat alles Bestand« (Col 1,16 Col 1,17). Wenn er aufrichtig und nach strengen Kriterien geführt wird, bietet der Dialog zwischen Glaube und Vernunft daher die Möglichkeit, auf wirksamere und überzeugendere Art und Weise die Vernünftigkeit des Glaubens an Gott zu erkennen – nicht an irgendeinen Gott, sondern an den Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat – und darüber hinaus zu zeigen, daß jede wahre menschliche Sehnsucht in Jesus Christus ihre Erfüllung findet. Liebe Jugendliche von Rom, geht also mit Vertrauen und Mut weiter auf dem Weg der Suche nach dem Wahren. Und ihr, liebe Priester und Erzieher, zögert nicht, eine regelrechte »Pastoral der Intelligenz« und im weiteren Sinn der Person zu fördern, welche die Fragen der jungen Menschen – sowohl die existentiellen Fragen als auch jene, die der Konfrontation mit den heute verbreiteten Formen der Rationalität entspringen – ernst nimmt, um ihnen zu helfen, gültige und angemessene christliche Antworten zu finden und sich schließlich jene entscheidende Antwort zu eigen zu machen, die Christus, der Herr, ist.

Wir haben vom Glauben gesprochen als Begegnung mit ihm, der die Wahrheit und die Liebe ist. Wir haben auch gesehen, daß es sich um eine gemeinschaftliche und gleichzeitig um eine persönliche Begegnung handelt, die in allen Dimensionen unseres Lebens stattfinden muß, durch den Gebrauch des Verstandes, durch die der Freiheit entspringenden Entscheidungen und den Dienst der Liebe. Es gibt jedoch einen besonderen Ort, an dem diese Begegnung auf unmittelbare Weise stattfindet, gestärkt und vertieft und so in die Lage versetzt wird, das gesamte Leben zu durchdringen und zu prägen: Dieser Ort ist das Gebet. Liebe Jugendliche, viele von euch waren sicher beim Weltjugendtag in Köln anwesend. Dort haben wir gemeinsam zum Herrn gebetet, ihn, der in der Eucharistie gegenwärtig ist, angebetet und sein heiliges Opfer dargebracht. Wir haben über jene entscheidende Geste der Liebe nachgedacht, mit der Jesus beim Letzten Abendmahl den eigenen Tod vorwegnimmt, ihn zuinnerst annimmt und in einen Dienst der Liebe verwandelt, in jener Revolution, die als einzige wirklich fähig ist, die Welt zu erneuern und den Menschen zu befreien, indem sie die Macht der Sünde und des Todes besiegt. Liebe Brüder und Schwestern, euch junge Menschen und alle Anwesenden, die ganze geliebte Kirche Roms, besonders die Gottgeweihten und unter ihnen vor allem diejenigen, die in den Klausurklöstern leben, bitte ich, geistig vereint mit Maria, unserer Mutter, im Gebet zu verharren und Christus anzubeten, der in der Eucharistie gegenwärtig ist, ihn immer mehr zu lieben, ihn, unseren Bruder und wahren Freund, den Bräutigam der Kirche, den treuen und barmherzigen Gott, der uns zuerst geliebt hat. So werdet ihr jungen Menschen bereit und verfügbar sein, seinem Ruf zu folgen, wenn er euch im Priestertum oder im geweihten Leben ganz für sich haben will.

Je mehr wir uns von Christus nähren und ihn lieben, um so stärker spüren wir auch in uns den Wunsch, andere Menschen zu ihm zu führen: In der Tat können wir die Freude des Glaubens nicht für uns behalten, wir müssen sie weitergeben. Dieses Verlangen wird noch stärker und dringlicher angesichts jener merkwürdigen Gottvergessenheit, die es heute in weiten Teilen der Welt und in gewissem Maß auch hier in Rom gibt. Diese Gottvergessenheit verursacht viel Lärm, der von kurzer Dauer ist, manch unnützen Streit, aber auch tiefe Unzufriedenheit und ein Gefühl der Leere. Daher, liebe Brüder und Schwestern, müssen wir in unserem demütigen Dienst als Zeugen und Missionare des lebendigen Gottes Boten jener Hoffnung sein, die dem sicheren Glauben entspringt: So werden wir unseren Brüdern und Mitbürgern helfen, in ihrem Leben den Sinn und die Freude wiederzufinden. Ich weiß um euren Einsatz in den wichtigen pastoralen Bereichen, worüber ich mich sehr freue und wofür ich dem Herrn zusammen mit euch danke. Vor allem im ersten Jahr meines Pontifikats habe ich bereits die lebendige christliche Präsenz unter den Jugendlichen und Studenten Roms wie auch unter den Kommunionkindern erfahren. Ich fordere euch auf, voll Vertrauen fortzufahren und eure Bindung an den Herrn stets enger und so euer Apostolat immer wirksamer werden zu lassen. Bei dieser Aufgabe dürft ihr keine Dimension des Lebens vernachlässigen, denn Christus ist gekommen, um den ganzen Menschen zu retten, tief im Inneren des Gewissens wie auch in den Ausdrucksformen der Kultur und in den sozialen Beziehungen.

Liebe Brüder und Schwestern, ich vertraue euch diese Überlegungen mit freundschaftlichem Geist an, als Beitrag zu eurer Arbeit im Rahmen der Pastoraltagung und auch im kommenden Pastoraljahr. Meine Zuneigung und mein Segen begleiten euch heute und in Zukunft.

Danke für eure Aufmerksamkeit!

ANLÄSSLICH DER VERLEIHUNG DER EHRENBÜRGERSCHAFT DURCH DIE STADT ALTÖTTING Mittwoch, 7. Juni 2006

Verehrter Herr Bürgermeister,
verehrte Damen und Herren Stadträte,
Ehrenbürger,
verehrte Damen und Herren!

Ich kann in diesem Augenblick nur von ganzem Herzen Dank oder auf bayerisch »Vergelt’s Gott« sagen. Diese Auszeichnung, Ehrenbürger der Stadt Altötting zu sein, berührt wirklich mein Herz. Und ich muß einfach sagen: Ich freue mich darüber. Sie, Herr Bürgermeister, haben es ja schon gesagt, daß Altötting in meine frühesten Kindheitserinnerungen hineinverwoben ist und daß es einfach zum ganzen Gefüge meiner Lebenserinnerungen gehört, von diesen frühen Anfängen an – die erste bewußte, die ich aufzählen könnte, ist die Heiligsprechung von Bruder Konrad – bis dann durch alle Phasen meines Lebensweges hindurch. Vielleicht erwähne ich gerade auch, daß, als mein Bruder und ich vom Krieg heil heimgekommen waren, unser Vater, der immerhin schon 68 Jahre alt war, zu Fuß den weiten Weg von Traunstein nach Altötting gegangen ist, um der Gottesmutter zu danken, daß seine beiden Buben wieder heimgekommen waren, deren Schutz er sie anvertraut hatte.

Und so geht das Geflecht der Erinnerungen weiter, dann hin zum Papstbesuch 1980 – unvergeßlich –, wo ich Johannes Paul II. durch die Gnadenkapelle und auch den Umgang geleiten durfte und er das katholische Herz Bayerns spürte, und er spürte, da ist wirklicher Glaube zu Hause, da ist die Muttergottes, und die Menschen lieben sie und kommen zu ihr.

Ich habe dann, vor wenigen Jahren, eine Regensburger Fußpilgerschaft im letzten Stück begleiten können. Und da ist mir so wirklich ins Herz gedrungen, was eine derartige Pilgerschaft bedeutet, daß es nicht ein Gehen mit den Füßen, sondern ein Gehen mit dem Herzen ist – nicht ein äußerer, sondern ein innerer Weg, daß das uns oft so unzugängliche Bußsakrament wie eine Gnade sich plötzlich öffnet, wie ein Geschenk, in dem so vieles von einem abfällt und wieder ein neuer Beginn da ist. Daß inmitten der Anstrengungen und der wirklichen Mühsal dieses Gehens dann doch am Schluß die große Freude steht, bei der Mutter der Gnaden angekommen zu sein und in dem stillen Heiligtum ihr zu begegnen, wie auch dann in dem großen Gottesdienst in der Basilika und auf dem Platz in der Freude, die dann sich aussprechen kann im Miteinander- Essen, Miteinander-Plaudern und Singen. Der Erfolg, der Grund der Freude ist, daß ein neuer Anfang aus dieser wunderbaren Begegnung sich ergeben hat.

Ich bin dankbar, daß Altötting dieses jahrhundertealte Erbe hütet, daß es in ihm lebendig bleibt, daß es immer wieder und immer neu der gleiche und doch der immer neue Ort der Begegnung mit der Mutter des Herrn und so der Erneuerung unseres Lebens ist.

Ich danke dem Stadtrat von Herzen für dieses Vertrauen, das Sie mir geschenkt haben und möchte besonders auch für das schöne Geschenk danken. Eine wunderbare Idee, die mich nun begleiten wird: die Falten der Muschel mit den Falten des schützenden Mantels der Gottesmutter zusammenzudenken und mein Wappen und so mein eigenes Wirken hineingelegt in diese Muschel und in diesen Mantel.

Durch diese Ehrenbürgerschaft gehöre ich nun ja auf eine ganz besondere Weise zu Altötting. Die bayerischen Kurfürsten haben ihr Herz dort hinterlegen lassen nach ihrem Tod. Ich weiß, daß auf diese Weise noch deutlicher mein Herz bei der Muttergottes ist und daß sie auf mich herunterschauen und mir auf meinem Pilgerweg helfen wird.

Ihnen allen ganz herzlichen Dank, und ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete und frohe Zeit in Rom und vor allen Dingen Dank auch für die Vorbereitungen für den Herbst. So kann ich nur sagen: Auf frohes Wiedersehen in Altötting im September!

AN DIE MITGLIEDER DER BRUDERSCHAFT DER

HLL. PETRUS UND PAULUS


Benediktionsaula

Samstag, 17. Juni 2006




Liebe Freunde!

Es ist mir eine Freude, euch und euren Familien kurz vor dem Hochfest der heiligen Apostel Petrus und Paulus zu begegnen. Euer heutiger Besuch erlaubt mir, euch erneut für den Dienst zu danken, den ihr dem Nachfolger Petri seit vielen Jahren erweist. Herzlich grüße ich euch alle und danke eurem Präsidenten dafür, daß er eure gemeinsamen Empfindungen im Namen aller zum Ausdruck gebracht hat.

Eure Bruderschaft der hll. Petrus und Paulus, die 1970 das Erbe der Palatin-Garde angetreten hat, erweist dem Heiligen Stuhl mit Hingabe einen ehrenamtlichen Dienst. Die drei Abteilungen, in die sie zur Durchführung ihrer Tätigkeiten untergliedert ist – ich beziehe mich auf die liturgische, die karitative und die kulturelle Abteilung –, spiegeln drei einander ergänzende Aspekte des Lebens und der Tätigkeit der kirchlichen Gemeinschaft wider. In erster Linie ist für euch die Pflege der Liturgie wichtig, denn nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils »baut die Liturgie täglich die, welche drinnen sind, zum heiligen Tempel im Herrn auf … bis zum Maße des Vollalters Christi. Zugleich stärkt sie wunderbar deren Kräfte, daß sie Christus verkünden« (vgl. Konstitution Sacrosanctum Concilium SC 2). Möge ein intensives Gebetsleben und die eifrige Teilnahme an der Liturgie auch weiterhin eure vorrangige Aufgabe als einzelne und als Bruderschaft sein.

Liebe Freunde, nur wenn wir uns stets durch das Hören des Wortes Gottes formen lassen und mit dem Leib und Blut Christi nähren, können wir den anderen Menschen die Liebe Gottes vermitteln, die Gabe des Heiligen Geistes ist. In meiner Enzyklika Deus caritas est habe ich daran erinnern wollen, daß die in der Gottesliebe verankerte Nächstenliebe zunächst ein Auftrag an jeden einzelnen Gläubigen, aber ebenfalls ein Auftrag an die gesamte kirchliche Gemeinschaft ist, und dies auf all ihren Ebenen (vgl. Nr. 20). In der Mensa zur Armenspeisung der »Casa Dono di Maria« und in der pädiatrischen Versorgungsstelle von »Santa Marta« wie auch durch soziale Initiativen in euren Pfarrgemeinden setzt ihr euch dafür ein, Zeugen dieser Liebe für die Armen zu sein. Möge die Liebe all euer Tun beseelen. Macht euch die Ermahnung des Apostels Paulus an die Kolosser zur Lebensregel: »Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht« (3,14).

Nicht minder wichtig ist auch die Aufmerksamkeit, die ihr einer angemessenen kulturellen Bildung schenkt, um im Glauben reifen zu können. Die Evangelisierungstätigkeit erfordert heute eine verantwortungsbewußte Kenntnis der modernen kulturellen Anforderungen und ein ständiges Vertiefen der gesunden katholischen Lehre. Ihr tut also gut daran, liebe Freunde, auch diesen Aspekt nicht zu vernachlässigen, und ich ermutige euch, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen, der bereits Früchte trägt. Eure Bruderschaft wurde ins Leben gerufen, um im Dienst des Nachfolgers Petri tätig zu sein, und ich danke euch für die Hochherzigkeit, mit der ihr diese Aufgabe erfüllt. Möge der Herr sie stets fruchtbarer werden lassen und euch, in der Kraft des Geistes, zu seinen wahren Jüngern machen. Stets schütze und begleite euch die Jungfrau Maria, »Virgo fidelis«, deren Bildnis ihr in eurer Kapelle verehrt. Ich versichere euch meines Gebets und erteile euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen, in den ich gerne auch eure Familien und die euch nahestehenden Personen einschließe.
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ANLÄSSLICH DER VERLEIHUNG DER EHRENBÜRGERSCHAFT DURCH DIE STADT REGENSBURG Mittwoch, 21. Juni 2006



Verehrter, lieber Herr Oberbürgermeister,
Exzellenz, lieber Bischof,
sehr verehrter Herr Regionalbischof,
verehrte Herren Bürgermeister,
verehrte Stadträte und Stadträtinnen,
meine Damen und Herren!

Für mich ist in diesem Augenblick schwer, Worte zu finden. Alles, was ich sagen möchte, ist in dem Wort »Danke« zusammengefaßt. Ich danke zuallererst Ihnen, lieber Herr Oberbürgermeister, für die herzlichen und bewegenden Worte, die ich noch kosten und nachmeditieren werde. Ich danke vor allen Dingen dem ganzen Stadtrat für die große Ehre, die Sie mir erwiesen haben, mich zum Ehrenbürger dieser großen und bedeutenden Stadt zu machen. Wie Sie erwähnt haben, darf ich ja schon Honorarprofessor von Regensburg sein und insofern schon eingeschrieben sein in diese Stadt. Aber nun gehöre ich auch zu ihren Bürgern ehrenhalber und bin dadurch, wie Sie sagen, auf Lebenszeit und über das Leben hinaus dieser besonderen Stadt zugehörig. Sie reicht ja bis Marc Aurel zurück und über ihre keltischen Wurzeln noch viel weiter und gehört so mit Augsburg, Trier, Köln zu den ältesten Städten Deutschlands – eine alte und doch eine ganz junge Stadt voll junger Menschen und voll junger Dynamik und Lebenskraft.

Ich habe dieses Miteinander, das Regensburg – wie mir scheint – auszeichnet, von tiefen Wurzeln in der Geschichte und von lebendiger Dynamik in die Zukunft hinein zuerst in der besonderen Weise erfahren, die mir dadurch gegeben wurde, daß ich seit ’64 immer wieder Gast bei meinem Bruder, bei den Domspatzen sein durfte, ein Chor, der der älteste durchgehend bestehende Knabenchor der Welt ist und der doch immer wieder neu aus ganz jungen Menschen besteht, der davon lebt, daß er seine Kontinuität nicht verliert und daß er doch immer wieder neu beginnt, mit jungen Menschen sich neu inspiriert und neue Wege findet.

Es gab ja in der karolingischen Zeit viele Knabenchöre, Schulen für Knaben an den verschiedenen Kathedralen. Aber offenbar hat sich nur der Regensburgische durch die Jahrhunderte, durch Höhen und Tiefen hindurch gehalten. Dieses Ineinander von Beharrlichkeit und Mut zur Zukunft, diese Fähigkeit, auch in dunklen Zeiten und in Tiefpunkten durchzuhalten und weiterzugehen, scheint mir doch das besonders Auszeichnende dieser Stadt zu sein.

Dann ist natürlich meine Beziehung neu und noch unmittelbarer geworden, als ich selbst 1969 nach Regensburg übersiedelte. Ich hatte zunächst einmal den Vorschlag, an die neue Universität zu gehen, in deren berufungskonstituierendem Ausschuß ich gewesen war, abgelehnt, schon weil ich nicht meine eigene Funktion in der Konstitution mit einer Annahme eines Rufes verwechseln wollte, aber auch, weil natürlich es etwas Schönes war, an einer so großen alten Universität wie Tübingen zu dozieren. Aber dann waren zwei Dinge, die mich doch veranlaßt haben, den Sprung zu wagen – oder eigentlich drei Dinge.

Zum einen war der ideologische Wirbel in einer so kleinen Stadt wie Tübingen, wo man sagt, daß die Universität zugleich das Stadttheater ersetze, besonders wuchtig und der Harmonie, der inneren Harmonie, die man für die Arbeit braucht, nicht besonders zuträglich. Aber ein rein negativer Grund wegzugehen, hätte nicht genügt. Es hat mich auch fasziniert, am Werden einer jungen Universität teilzunehmen, nachdem ich an drei großen alten Universitäten: Bonn, Münster, Tübingen, gelehrt hatte, mitzutun, eine neue Universität aufzubauen. Und dann kam natürlich dazu, daß mein Bruder in Regensburg wohnte und es mir insofern schon ein Daheim geworden war.

Es war dann in der Tat etwas Schönes und mitunter Aufregendes – Sie waren ja selbst im Senat, Herr Oberbürgermeister –, diese Universität, in der es ja auch die ideologischen Wirrnisse, die ganzen Situationen besonderer Art des Umbruchs nach ’68 gab, allmählich aufzubauen. Wir fingen mit einem Sammelgebäude an, und allmählich wuchs dann der Universitätscampus. Am Anfang stand die Universität nicht nur als ein verlorener Betonbau äußerlich etwas in der Peripherie der Stadt, auch für die Stadt selber war die Universität noch etwas Fremdes, obgleich sie sich über Jahrhunderte hin nach einer Universität ausgestreckt und nach dem Krieg bewundernswerte Anstrengungen unternommen hatte, um eine Universität einzurichten – schon fast eine Medizinische Fakultät, auch literarische Fächer aufgebaut hatte, dann wieder alles verloren hatte.

Dann kam die Universität und war zunächst doch etwas Ungewohntes. Sie wuchs, und inzwischen sind Stadt und Universität wirklich zueinander gewachsen und befruchten sich gegenseitig. Die Universität hat eine neue Dynamik, Jugendlichkeit, Ideen, Mut zu gewagtem Aufbruch in Neues hinein in die Stadt gebracht, und umgekehrt tut es der Universität, den Professoren wie den Studenten wohl, in einer Stadt zu leben, in der große Geschichte spürbar wird und in der sichtbar wird, daß die Denunzierungen der Geschichte, als sei dies alles nur dunkel gewesen, nicht wahr sind.

Wer den Dom in seiner ganzen Größe sieht, den lächelnden Engel, die Muttergottes, die Gestalten, und wer all die anderen großen Kirchen und Bauten dieser Stadt sieht, der sieht, daß wie immer – auch in den vergangenen Zeiten – Dunkles und Großes miteinander verbunden waren, daß die Geschichte auch heute uns zu belehren hat, daß wir Geschichte nicht verlieren dürfen, sie verlieren würden, wenn wir sie vergessen, sie verlieren würden, wenn wir stagnieren wollten.

So scheint mir diese Durchdringung des jungen Lebens der Universität und vieler anderer natürlich wirtschaftlicher junger Unternehmungen in der Stadt mit ihrer großen Geschichte eine besondere Begabung zu sein, die dieser Sadt ihren Schwung und zugleich ihre Gemütlichkeit – wenn ich es so ausdrücken darf –, ihr Flair von Heimat und von Zuhause gibt.

Regensburg ist außerdem auch eine ökumenische Stadt. Als Reichsstadt war Regensburg protestantisch, aber paradoxerweise war doch die Mehrzahl der Einwohner – nicht der Bürger, aber der Einwohner – katholisch. Und was in den Territorialstaaten mit ihrem »cuius regio, eius religio« nicht möglich war, war hier möglich und nötig, daß Katholiken und Protestanten friedvoll miteinander wohnten, sich kennen und verstehen lernten, und so ohne große ökumenische Gespräche, die es freilich im 16. Jahrhundert gegeben hatte, doch im Miteinander auch Verstehen wuchs, wie dann auch die jüdische Gemeinde in Regensburg, auch bei allen Um- und Abbrüchen, beim Tragischen, Negativen, doch immer wieder in Regensburg zu Hause war und mit zu dieser Stadt gehört hat.

Bischof Graber hat dann noch entsprechend auch der inneren Ausrichtung, die für die Universität gedacht war, die Beziehung nach Osten aufgenommen. Er hat dieses Institut geschaffen, in dem eine ganz große Zahl von Theologen aus den Ostländern, sowohl aus Griechenland wie aus den slawischen Ländern, aus Rumänien, studiert hat, Deutschland kennengelernt hat, die katholische Kirche kennengelernt hat, Dialog erlernt hat und eine Liebe zu Regensburg und zu dieser Stadt mit nach Hause getragen hat.

Kürzlich war bei einer bulgarischen Regierungsdelegation, die mich besucht hat, auch ein bulgarischer Bischof dabei, der mich deutsch – in perfektem könnte ich fast sagen – ansprach und sagte: »Ich habe in Regensburg studiert und werde auch zu Ihrem Besuch kommen, Heiliger Vater, und freue mich schon darauf.« Da habe ich ihm nur sagen können: »Ich freue mich auch, auf Wiedersehen in Regensburg.«

Und mit diesen Worten möchte ich auch jetzt meine Rede schließen. Herzlichen Dank für alles. Ich freue mich auf Regensburg. Auf Wiedersehen in der Stadt an der Donau!

AN DIE TEILNEHMER DER JAHRESVERSAMMLUNG DER UNION DER HILFSWERKE FÜR DIE ORIENTALISCHEN KIRCHEN (R.O.A.C.O.)


Clementina-Saal

Donnerstag, 22. Juni 2006




Seligkeit,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Mitglieder und Freunde der ROACO!

Mit Freude empfange ich euch und heiße euch herzlich willkommen. Ich danke von Herzen dem Präfekten der Kongregation für die orientalischen Kirchen, Kardinal Ignace Moussa Daoud, der euren Empfindungen Ausdruck verliehen hat. Mein Gruß gilt auch dem Sekretär, Erzbischof Antonio Maria Vegliò, und den Mitarbeitern des Dikasteriums sowie den anderen Prälaten aus den geliebten Kirchen im Heiligen Land und den anderen Gebieten des Nahen Ostens und den Leitern und Freunden aller hier vertretenen Stellen. Ich danke euch, liebe Freunde der ROACO, für den Dienst, den ihr seit 1968 leistet, indem ihr den Kirchen der orientalischen Traditionen und den lateinischen Kirchen der Gebiete, die der Zuständigkeit der Kongregation für die orientalischen Kirchen anvertraut sind, eure Stimme verleiht und ihre Tätigkeit in der Seelsorge, der Bildung und im karitativen Bereich unterstützt und ihren Nöten abzuhelfen sucht. Ihr habt euch immer vom Evangelium inspirieren und von einer tiefen kirchlichen Gesinnung leiten lassen, die aus eurer Verbindung mit dem Nachfolger Petri erwächst. Die heutige Begegnung bietet mir die willkommene Gelegenheit, Gott, dem fürsorglichen und barmherzigen Vater, für die apostolische Tätigkeit zu danken, die die Jünger Christi in diesen Jahren im Nahen Osten trotz vieler Schwierigkeiten leisten, um das Evangelium des Friedens und der Liebe mit brüderlichem Eifer zu bezeugen.

Ich danke euch außerdem für die Bemühungen, die ihr unermüdlich unternehmt, um das spezifische Profil der kirchlichen karitativen Tätigkeit zu wahren. Pflegt in den Ausbildern und Helfern im Liebesdienst, die ihr unterstützt, auch weiterhin vor allem die »Herzensbildung«, damit sie, wie ich in der Enzyklika Deus caritas est gesagt habe, »zu jener Begegnung mit Gott in Christus geführt werden, die in ihnen die Liebe weckt und ihnen das Herz für den Nächsten öffnet, so daß Nächstenliebe für sie nicht mehr ein sozusagen von außen auferlegtes Gebot ist, sondern Folge ihres Glaubens, der in der Liebe wirksam wird« (Nr. 31).

Mein liebevolles Gedenken gilt den altehrwürdigen katholischen orientalischen Gemeinden und in erster Linie den Gemeinden im Heiligen Land, für die ihr beständig Sorge tragt. Es ist der Wunsch aller Christen, in dem Land, in dem unser Erlöser geboren wurde, stets eine lebendige christliche Gemeinde antreffen zu können. Die großen Schwierigkeiten, unter denen sie aufgrund der belastenden Unsicherheit, des Arbeitsmangels sowie unzähliger Einschränkungen und der daraus folgenden wachsenden Armut lebt, sind für uns alle ein Grund tiefen Schmerzes. Es ist eine Situation, die im Bereich der Bildung, des Berufs und der Familien die Zukunft der jungen Generationen unsicher macht, so daß die jungen Menschen leider oft versucht sind, die so sehr geliebte Heimat für immer zu verlassen. Das geschieht auch in anderen Ländern des Nahen Ostens, wie im Irak und Iran, denen euer hochherziges Wohlwollen zugute kommt.

Wie kann man diese ernsten Probleme bewältigen? Es ist und bleibt unsere erste und grundlegende Pflicht, im vertrauensvollen Gebet zum Herrn zu verweilen, der seine Kinder auch in der Zeit der Prüfung nie verläßt. Hinzu kommt eine tätige brüderliche Sorge, die immer neue, manchmal unverhoffte Wege zu finden vermag, um den Nöten dieser Völker entgegenzukommen. Ich lade die Priester und Gläubigen und alle Verantwortungsträger in den zivilen Gemeinschaften ein, durch die Förderung der gegenseitigen Achtung zwischen den Kulturen und Religionen möglichst bald im ganzen Nahen Osten die Bedingungen für ein ruhiges und friedliches Zusammenleben zu schaffen. Dazu verspreche ich ein tägliches Gebetsgedenken vor dem Herrn, und ich erbitte den Schutz der Gottesmutter Maria für jeden von euch, liebe Freunde der ROACO, für alle, die euch nahestehen, und für die verdienstvollen Einrichtungen, die ihr vertretet. Gott mache eure Arbeit fruchtbar. Diese Empfindungen begleite ich mit einem besonderen Apostolischen Segen, den ich gerne euch, die ihr hier anwesend seid, und allen euren Lieben erteile.



AN DIE BISCHÖFE AUS DEN BALTISCHEN STAATEN ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Freitag, 23. Juni 2006

Meine Herren Kardinäle,

verehrte Mitbrüder im Bischofsamt!

Ich danke euch für diesen Besuch, über den ich mich sehr freue. Aus den friedlichen Ländern des Baltikums seid ihr »ad limina Apostolorum« gekommen, um eure Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri zu bekräftigen und ihm die herzlichen Grüße derjenigen zu überbringen, die eurer pastoralen Sorge anvertraut sind. Mein dankbarer Gruß richtet sich an jeden von euch, vor allem an den Erzbischof von Riga, Kardinal Janis Pujats, und an den Metropolitan-Erzbischof von Kaunas, Sigitas Tamkevicius. Sie haben in eurem Namen und im Namen eurer Diözesangemeinschaften, die ich meines Gebetsgedenkens versichere, Empfindungen aufrichtiger Treue zum Bischof von Rom und seinem Amt zum Ausdruck gebracht. In den vergangenen Tagen habe ich den persönlichen Ausführungen eines jeden von euch aufmerksam zugehört. Diese Ausführungen betrafen die Entwicklungen in der eigenen Diözese, den hochherzigen Einsatz der Priester, die Hoffnungen der Laien und die Ausrichtungen der Zivilgesellschaften. Ich danke euch für das offene Vertrauen, das ihr mir im Geiste kollegialer Mitverantwortung für das Volk Gottes entgegengebracht habt, und ich ermutige euch, die Keime des Guten zu erkennen, die Gott in euren Gemeinschaften entstehen ließ, und so immer überzeugtere, mutigere und unermüdlichere missionarische Arbeit zu leisten.

Es gibt zahlreiche Themen, die ich mit euch behandeln möchte, verweile aber heute beim Thema der Familie, das auch in euren Ländern sehr aktuell ist. Neben vorbildlichen Familien gibt es häufig auch andere, die leider gekennzeichnet sind von der Zerbrechlichkeit des Ehebundes, vom Übel der Abtreibung und von der demographischen Krise, von geringer Aufmerksamkeit gegenüber der Vermittlung wahrer Werte an die Kinder, von unsicheren Arbeitsplätzen, von der sozialen Mobilität, die die Bindung der Generationen aneinander schwächt, und von einem zunehmenden Gefühl innerer Orientierungslosigkeit unter den Jugendlichen. Eine Modernität, die nicht in wahren menschlichen Werten wurzelt, ist dazu verurteilt, von der Tyrannei der Instabilität und der Orientierungslosigkeit beherrscht zu werden. Daher ist jede kirchliche Gemeinschaft aufgerufen, im Reichtum des eigenen Glaubens und gestützt von der Gnade Gottes, Bezugspunkt zu sein und mit der Gesellschaft, in die sie eingefügt ist, Dialog zu führen. Als Lehrerin des Lebens schöpft die Kirche aus dem Naturgesetz und dem Wort Gottes jene Prinzipien, die die Grundlagen aufzeigen, die unverzichtbar sind, um die Familie nach dem Plan des Schöpfers aufzubauen. Liebe und verehrte Brüder, werdet nicht müde, stets mutige Verteidiger des Lebens und der Familie zu sein; bemüht euch auch weiterhin um die menschliche und religiöse Bildung der Verlobten und der jungen Familien. Diese äußerst verdienstvolle Aufgabe wird, so hoffe ich, auch von den Einrichtungen der Zivilgesellschaft anerkannt und unterstützt.

Euch ist als Hirten die Aufgabe anvertraut, das Volk Gottes zu führen, zu schützen, zu verteidigen und es in der Wahrheit und der Liebe zu unterweisen. Christus, der Hohepriester, ist sein wahres Haupt und ist, wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, in den Bischöfen, denen die Priester zur Seite stehen, inmitten der Gläubigen anwesend (vgl. Lumen gentium LG 21). Das Konzil ruft in Erinnerung: »Wie nach der Verfügung des Herrn der hl. Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in entsprechender Weise der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden« (ebd. 22). »Die Bischöfe, die den Teilkirchen vorstehen, üben als einzelne ihr Hirtenamt über den ihnen anvertrauten Anteil des Gottesvolkes, nicht über andere Kirchen und nicht über die Gesamtkirche aus« (ebd. 23). Wichtig ist daher, daß bei vollständiger Achtung des Amtes jedes einzelnen zwischen dem Nachfolger Petri und allen Hirten eine echte und herzliche Kollegialität gefestigt wird. So kann das Volk Gottes als wohlgefügter und harmonischer Leib in Heiligkeit und missionarischer Lebendigkeit durch den Beitrag jedes seiner Glieder wachsen. Verehrte Brüder, nährt unermüdlich die Gemeinschaft untereinander und innerhalb jeder eurer Diözesen und schenkt dabei dem Beitrag aller Beachtung. Liebt die Priester, eure wichtigsten Mitarbeiter und Mitverantwortlichen in der Pastoral, unterstützt sie geistlich und, wo dies nötig sein sollte, auch materiell. Je mehr ihnen angemessene Lebensbedingungen gewährleistet werden, was unerläßlich ist, desto besser können sie sich mit innerer Ruhe und Sicherheit dem ihnen anvertrauten pastoralen Dienst widmen. Sorgt für ihre ständige Weiterbildung auch durch Fortbildungskurse, die ihnen helfen können, die Lehren des Zweiten Ökumenischen Vatikanischen Konzils zu vertiefen und den Reichtum hochzuschätzen, der in den liturgischen Texten und in den kirchlichen Dokumenten enthalten ist, die in eure jeweiligen Sprachen übersetzt sind. Fördert ihren missionarischen Eifer, damit sie mit Freude und Begeisterung die Frohe Botschaft verkünden und bezeugen. Der Bischof behüte jeden Priester »wie seinen Augapfel« und begleite ihn stets mit väterlicher Zuneigung und Achtung. Wenn die Priester von Vertrauen und vom wahren Geist des Evangeliums beseelt sind, werden sie in der Lage sein, das vielversprechende Wiedererwachen der Laien, die in euren Kirchenbezirken bereits aktiv tätig sind, wirksam zu begleiten.

Verehrte Brüder, ich weiß, daß ihr die Fürsorge für die Priester zu Recht mit einem anderen wichtigen Anliegen verbindet, nämlich mit den Berufungen und der Ausbildung der Seminaristen und Kandidaten für das geweihte Leben. Auch in euren Gemeinschaften nimmt das Hereinbrechen einer säkularisierten Mentalität den jungen Menschen leider immer mehr den Mut, auf die Einladung Christi zu einer engeren Nachfolge eine positive Antwort zu geben, und deshalb ist es notwendig, eine aufmerksame Jugend- und Berufungspastoral zu fördern. Zögert nicht, der Jugend das Ideal des Evangeliums, die Schönheit der »sequela Christi sine glossa« – der kompromißlosen Nachfolge Christi – deutlich vorzulegen. Helft denen, die den Weg des Priestertums und des geweihten Lebens eingeschlagen haben, hochherzig dem Herrn Jesus zu folgen, der stets liebevoll auf seine Kirche und auf die Menschheit blickt. Was die Seminare betrifft, so sollt ihr die Anwesenheit von Ausbildern gewährleisten, die menschlich gefestigt und von tiefer Frömmigkeit sind, die offen sind für den Dialog und die Zusammenarbeit, Dozenten, die dem kirchlichen Lehramt treu und glaubhafte Zeugen des Evangeliums sind.

Verehrte Brüder, der Herr hat euch dazu auserwählt, in seinem Weinberg zu arbeiten, in einer Gesellschaft, die vor kurzem erst die traurige, kalte und dunkle Zeit der Verfolgung hinter sich gelassen hat. Während die Wunden, die der Kommunismus in eurer Bevölkerung hervorgerufen hat, noch nicht ganz verheilt sind, wächst der Einfluß eines Säkularismus, der die Illusionen des Konsumdenkens verherrlicht und den Menschen zum Maß seiner selbst macht. All das macht eure pastorale Arbeit noch schwieriger, aber ihr sollt, ohne das Vertrauen zu verlieren, weiterhin unermüdlich das Evangelium Christi, das heilbringende Wort für die Menschen jeder Zeit und jeder Kultur, verkünden. Das Evangelium beeinträchtigt die Freiheit des Menschen und den wahren sozialen Fortschritt nicht; es hilft im Gegenteil dem Menschen, sich vollkommen zu verwirklichen, und es erneuert die Gesellschaft durch das schöne und anspruchsvolle Gebot der Liebe. Die machtvolle Fürsprache Mariens, unserer himmlischen Mutter, unterstütze euch in eurer Sendung, und es ermutige euch das Vorbild jener Märtyrer, die in den furchtbaren Verfolgungen der Vergangenheit Christus treu geblieben sind. Ich versichere euch meiner brüderlichen Nähe im Gebet, während ich euch, die Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen sowie alle eurer pastoralen Sorge anvertrauten Laien von Herzen segne.
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Benedikt XVI Predigten 46