Benedikt XVI Predigten 70

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AN DIE BISCHÖFE AUS MALAWI

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Freitag, 29. September 2006



Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Mit Freude begrüße ich euch, die Bischöfe aus Malawi, zu eurem Besuch »ad limina Apostolorum« und danke euch für die freundlichen Worte, die der Vorsitzende eurer Bischofskonferenz, Erzbischof Tarcisius Ziyaye, in eurem Namen an mich gerichtet hat. Euer Besuch bringt die tiefen Bande der Gemeinschaft und der Zuneigung zum Ausdruck, die eure Ortskirchen in Ostafrika mit dem Sitz von Rom verbinden.

Simon Petrus war berufen, seine Brüder zu stärken (vgl. Lk Lc 22,32) und die Schafe des Herrn zu weiden (vgl. Joh Jn 21,17), und auch ihr seid als Leiter und Hirten eures Volkes eingesetzt, um es im Namen des Herrn zu lehren, zu heiligen und zu leiten. Mögt ihr auf die Fürsprache der Apostel Petrus und Paulus, deren Gräber ihr hier verehrt, in eurem Dienstamt unter den Menschen in Malawi gefestigt und gestärkt werden, um weiterhin mutig das Evangelium Jesu Christi zu verkünden, der gekommen ist, »damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« (Jn 10,10).

In aller Welt ist bekannt, mit welch überschwenglicher Begeisterung die afrikanischen Völker Gott in ihren liturgischen Feiern preisen, und die Kirche in Malawi bildet keine Ausnahme. Ihre freudige Feier bringt die große Lebenskraft eurer christlichen Gemeinschaften zum Ausdruck und spiegelt die Tatsache wider, daß der größte Teil der Bevölkerung aus jungen Menschen besteht. Führt sie auch weiterhin mit wahrhaft väterlicher Sorge zur tieferen Kenntnis ihres gekreuzigten und auferstandenen Herrn, und stellt sicher, daß sie stets eine gute Katechese im Glauben erhalten. Um das zu erreichen, ist es wichtig, daß Lehrer und Katecheten auf ihre wichtige Aufgabe gut vorbereitet werden, da sie, wie ihr wißt, eine wesentliche Rolle spielen, um den Bischof zu unterstützen in seiner Verantwortung als derjenige, der mit der Autorität Christi lehrt. Daher sollten sie eine gute Unterweisung im Glauben erhalten und in der Lage sein, die Freude ebenso wie die Herausforderung der Nachfolge Christi zu vermitteln. Ich vertraue darauf, daß es der jüngst eröffneten Katholischen Universität von Malawi gelingen wird, einen wesentlichen Beitrag auf diesem Gebiet zu leisten, und ermutige euch, alles in eurer Macht Stehende zu tun, um ihr ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen und stets eine Lehrtätigkeit auf hohem Niveau und in der Treue zum kirchlichen Lehramt aufrechtzuerhalten.

In einer von diesseitigen und materialistischen Werten beherrschten Welt kann es schwerfallen, jene der vorherrschenden Kultur entgegengesetzte Lebensweise einzuhalten, die für das Priestertum und das Ordensleben so notwendig ist. Der Klerus in eurem Land befindet sich ebenso wie jene, denen er dient, manchmal in Notsituationen, da ihm die notwendigen Mittel fehlen »für den angemessenen Unterhalt … und für die apostolischen und caritativen Werke« (Presbyterorum ordinis PO 17). Ich bin mir sicher, daß ihr das Äußerste tun werdet, um für die rechtmäßigen Bedürfnisse eurer Mitarbeiter zu sorgen und sie gleichzeitig vor übermäßiger Sorge um materielle Güter zu warnen. Helft euren Priestern, nicht in die Falle zu geraten, das Priestertum als Mittel zum sozialen Aufstieg zu betrachten, und ermahnt sie: »Der einzig rechtmäßige Aufstieg zum Hirtenamt in der Kirche ist das Kreuz« (Predigt bei der Priesterweihe in der Peterskirche am Vierten Sonntag der Osterzeit; in O.R. dt., Nr. 20, 19.5.2006, S. 7). Die Ausbilder in den Seminarien müssen die Studenten lehren, daß ein Priester berufen ist, für andere und nicht für sich selbst zu leben, gleichgestaltet mit Christus, denn dieser ist »nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele« (Mc 10,45). Vor allem aber kann der Bischof durch das Vorbild seines wahrhaft auf Christus hingeordneten Dienstes seinen Priestern Orientierung bieten.

Meine lieben Mitbrüder im Bischofsamt, lebt als wahre Jünger Christi, und laßt eure Nachfolge die Grundlage der von euch ausgeübten Autorität sein. Ich bete dafür, daß ihr auf diese Weise in der Lage sein werdet, die Bande brüderlicher Liebe innerhalb des Presbyteriums jeder eurer Ortskirchen zu festigen.

Mit Freude stelle ich fest, daß ihr bei der Ausübung eures Lehramts weiterhin auch zu sozialen Fragen Stellung nehmt. Euer Pastoralbrief zum Pfingstfest »Unser Leben und unsere Gesellschaft durch die Kraft des Heiligen Geistes erneuern«, den ihr im Frühjahr veröffentlicht habt, hat die Aufmerksamkeit auf einige der sozialen und moralischen Übel gelenkt, die eure Nation plagen. Die Nahrungssicherheit ist nicht nur durch Trockenheit gefährdet, sondern auch durch eine leistungsschwache und ungerechte Verwaltung der Landwirtschaft; die Verbreitung von Aids nimmt zu durch fehlende Treue gegenüber dem einen Ehepartner oder durch fehlende Enthaltsamkeit; die Rechte von Frauen, Kindern und Ungeborenen werden durch Menschenhandel, häusliche Gewalt und die Befürworter der Abtreibung auf zynische Weise verletzt. Hört nie auf, die Wahrheit zu verkünden, beharrt auf ihr, »ob man es hören will oder nicht« (2Tm 4,2), denn »die Wahrheit wird euch befreien« (Jn 8,32). Der Gute Hirt, der seine Herde nie allein läßt, wacht über seine Schafe und schützt sie allezeit. Haltet nach seinem Beispiel euer Volk auch weiterhin von den Gefahren fern, die es bedrohen, und führt es auf sichere Weiden. Ich bete dafür, daß die Menschen eurem Rat folgen mögen, damit das Antlitz der Erde erneuert werde (vgl. Ps Ps 104,30) und der Geist Gottes wahrhaft die Einheit eurer Nation wahren möge durch den Frieden, der euch zusammenhält (vgl. Ep 4,3).

Indem ich nun zum Abschluß meiner heutigen Ansprache an euch komme, möchte ich euch das Bild der Apostel in Erinnerung rufen, die im Abendmahlssaal mit Maria, der Mutter des Herrn, versammelt sind und um das Kommen des Heiligen Geistes beten – die gleiche Szene, die ihr im letzten Abschnitt eures bereits erwähnten Pastoralbriefes so schön beschreibt. In jenem Dokument habt ihr euer Volk ermutigt, zum Gebet in den Familien und in kleinen christlichen Gemeinschaften zusammenzukommen. Ich weiß, daß auch ihr weiterhin gemeinsam und in Gemeinschaft mit dem Klerus und den Laien die Gaben des Geistes für die Kirche in eurem Land erbitten werdet. Der Geist ist »eine Kraft, die das Herz der kirchlichen Gemeinschaft verwandelt, damit sie in der Welt eine Zeugin für die Liebe des Vaters ist, der die Menschheit in seinem Sohn zu einer einzigen Familie machen will« (Deus caritas Est 19).

Auch ich bete darum, daß der Geist in Fülle über euch alle ausgegossen werde, und vertraue euch und eure Priester, Ordensleute und Laien der Fürsprache Marias, Mutter der Kirche, an und erteile von Herzen meinen Apostolischen Segen als Unterpfand der Gnade und Kraft in unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus.

AN DIE VERTRETER DER GEMEINDE CASTELGANDOLFO Samstag, 30. September 2006

Liebe Brüder und Schwestern!


Meine Zeit in der Sommerresidenz in Castelgandolfo geht zu Ende, und bevor ich in den Vatikan zurückkehre, möchte ich all jenen von Herzen danken, die auf verschiedene Weise dazu beigetragen haben, meinen Aufenthalt gewinnbringend und erholsam zu machen. Mit Freude begegne ich daher heute euch allen und richte an jeden meinen dankbaren Gruß. Ich grüße zunächst den Bischof von Albano, Marcello Semeraro, und danke ihm für die Aufmerksamkeit, die er mir stets entgegenbringt. Ich grüße den Pfarrer von Castelgandolfo und die Pfarrgemeinde. Einen herzlichen Gruß richte ich an die Jesuiten der vatikanischen Sternwarte und an die Gemeinschaften der Ordensleute und der Laien, Männer und Frauen, die in Castelgandolfo anwesend sind. In diesen Monaten habe ich ihre geistliche Nähe gespürt und danke ihnen von Herzen. Ich wünsche allen, daß sie mit erneuerter Großherzigkeit dem Ruf Gottes entsprechen und ihre Kräfte im Dienst des Evangeliums einsetzen mögen.

Mein ehrerbietiger Gruß ergeht auch an den Herrn Bürgermeister, an die Stadtverwaltung und den Stadtrat. Durch den Herrn Bürgermeister möchte ich in meinen Gruß die gesamte Einwohnerschaft von Castelgandolfo einschließen, die auf vielerlei Weise ihre Aufmerksamkeit mir gegenüber zeigt und gegenüber denen, die gemeinsam mit mir die Sommermonate in Castelgandolfo verbringen. Weithin bekannt sind darüber hinaus die Zuvorkommenheit und Gastfreundlichkeit der Einwohner von Castelgandolfo gegenüber den zahlreichen Pilgern und Besuchern, die den Papst besuchen kommen, besonders zum sonntäglichen Angelus.

Meine dankbare Wertschätzung und mein herzlicher Gruß gilt dem medizinischen Personal und den Angestellten der verschiedenen Dienste des Governatorats, die unter sicher nicht geringen Opfern ihre Anwesenheit und ihre fachkundigen Dienste gewährleistet haben. Mit Hochachtung grüße ich die Polizeibeamten der italienischen Ordnungskräfte, die mit der vatikanischen Gendarmerie und der Päpstlichen Schweizergarde gut zusammengearbeitet haben. Auf diese Weise konnten sie mir und meinen Mitarbeitern einen ruhigen und sicheren Aufenthalt gewährleisten, ebenso wie einen geordneten Zugang der Besucher und Pilger zum Apostolischen Palast. Und ich darf die Offiziere und Piloten des 31. Geschwaders der Luftwaffe nicht vergessen, die auf zuvorkommende Weise dafür sorgen, daß ich mich mit dem Hubschrauber fortbewegen kann. Allen und jedem einzelnen gilt mein aufrichtiger Dank, den ich bekräftige mit der Versicherung eines ständigen Gebetsgedenkens für jeden von euch, liebe Freunde, für eure Familienangehörigen und für die euch nahestehenden Menschen.

An diesem Tag, einem Samstag, der der Gottesmutter geweiht ist, rufe ich auf jeden ihren mütterlichen Schutz herab, während ich euch noch einmal für euer Gebet danke. Ich wünsche euch allen, für euch selbst, für eure Arbeit und für eure Pläne aufrichtig alles Gute. Von Herzen erteile ich mit diesen Wünschen euch und euren Angehörigen den Apostolischen Segen als Unterpfand reicher himmlischer Gaben.
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AN DAS PERSONAL DER PÄPSTLICHEN VILLEN Castelgandolfo

Samstag, 30. September 2006

Liebe Brüder und Schwestern!


Auch in diesem Jahr geht mein Sommeraufenthalt in Castelgandolfo zu Ende. Ich danke dem Herrn, daß ich diese Monate der Ruhe und Erholung an einem so schönen Ort der »Castelli Romani« verbringen durfte. Mein Dank gilt euch allen, die ihr gewissermaßen zur »Familie« des Papstes gehört, wenn er in Castelgandolfo wohnt. Tag für Tag hatte ich Gelegenheit, eure Hingabe und eure Großherzigkeit zu schätzen. Dafür danke ich euch, während ich euch alle herzlich grüße. Mein Gruß richtet sich zunächst an den stets aufmerksamen und fürsorglichen Dr. Saverio Petrillo, den Generaldirektor der Päpstlichen Villen. Ihm gilt mein aufrichtiger Dank, auch für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Dann schließe ich in meine Dankesworte diejenigen ein, die auf verschiedene Weise in den Päpstlichen Villen Dienst leisten. Ich bitte Gott, liebe Freunde, daß er euch den Einsatz und die Treue, mit denen ihr die euch anvertrauten Aufgaben ausführt, vergelten möge. In meinen herzlichen Dank schließe ich gern eure Familien ein sowie alle, die euch nahestehen.

Meinerseits versichere ich, daß ich es nicht versäumen werde, für jeden von euch und für alle eure Anliegen zu beten, und bitte euch, im Gebet an mich zu denken. Der Herr, der reich ist an Güte und Erbarmen und es denen, die auf ihn vertrauen, niemals an seiner Hilfe fehlen läßt, sei stets euer fester Halt. Über euch wache mit mütterlichem Schutz die Jungfrau Maria, die wir im Monat Oktober durch das Rosenkranzgebet auf besondere Weise anrufen werden. Sie begleite euch und eure Familien in jedem Augenblick. Mit diesen Empfindungen segne ich euch, eure Familienangehörigen und alle euch nahestehenden Menschen von Herzen.
Oktober 2006


AN DIE PILGER AUS DEN DIÖZESE DER ROMAGNA Audienzenhalle

Samstag, 7. Oktober 2006




Liebe Pilger aus der Romagna!

Mit großer Freude heiße ich euch willkommen. Ich begrüße alle herzlich, zunächst den Erzbischof von Ravenna-Cervia, Giuseppe Verucchi, dem ich für die freundlichen Worte danke, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Zusammen mit ihm grüße ich die Bischöfe von Faenza- Modigliana, Forlì-Bertinoro, Imola, Cesena- Sarsina und Rimini sowie den emeritierten Erzbischof von Ravenna-Cervia, Luigi Amaducci. Einen ganz besonderen und ehrerbietigen Gruß richte ich an die Kardinäle Ersilio Tonini und Pio Laghi, die sich dieser Begegnung angeschlossen haben; sie zählt zu den »großen Augenblicken« eurer Wallfahrt zu den Gräbern der Apostel. Mein herzlicher Gruß gilt darüber hinaus nicht nur den hier Anwesenden, sondern auch jenen, die in euren Diözesen im Geiste mit uns verbunden sind, insbesondere den Kindern und Jugendlichen, den Familien, den Einsamen und denjenigen, die sich in Not befinden. Jeden versichere ich meiner geistlichen Nähe im Gebet.

Liebe Brüder und Schwestern, ihr seid heute ganz besonders zahlreich hier erschienen, um euch voll Dankbarkeit an jenen Pastoralbesuch zu erinnern, den mein Vorgänger, der Diener Gottes Johannes Paul II., eurer geliebten Heimat vor 20 Jahren, im Mai 1986, abstattete. Auf diese Begegnung habt ihr euch in einer bedeutsamen Gebetsstunde vorbereitet, angeleitet von den Worten des ehrwürdigen Kardinals Tonini, der am Nachmittag der festlichen Eucharistiefeier vorstehen wird, die im Petersdom vorgesehen ist. Es freut mich, daß ihr aus diesem willkommenen Anlaß jene Ansprachen wieder zur Hand genommen habt, die der geliebte Johannes Paul II. während seiner unvergeßlichen Apostolischen Pilgerreise in die Romagna hielt. Seine Worte haben sich in eure Herzen und in eure Erinnerung eingeprägt. Für eure schönen und lebendigen Diözesangemeinschaften ist die Wiederaufnahme seiner wertvollen Lehre daher eine einzigartige Gelegenheit; sie regt zum Nachdenken an und zur Vertiefung der echten und einander verbundenen Gemeinschaft unter allen Gliedern der jeweiligen Teilkirchen; sie lädt dazu ein, euren Weg vereint mit euren Hirten und dem Nachfolger Petri zu gehen; sie ermutigt die Mitglieder eurer Diözesen, den gemeinsamen Evangelisierungsauftrag mit neuem Schwung fortzusetzen und das Evangelium der Hoffnung in unserer Zeit zu bezeugen.

Wie Johannes Paul II. betonte, kann dieser verpflichtende Sendungsauftrag nur mit Gottes Hilfe und durch die überzeugte und mutige Aufwertung jenes geistlichen Erbes erfüllt werden, das die Bevölkerung der Romagna im Laufe der Jahrhunderte zu wahren und zu verteidigen verstanden hat. In dieser Bevölkerung erkannte der Papst »eine menschliche und christliche Gemeinschaft voll tatkräftigem Eifer, die sich ihrer Rolle innerhalb der Gesellschaft im gegenwärtigen Augenblick der Geschichte bewußt ist; eine Gemeinschaft von Christen, die, wie es der Tradition der Katholiken in der Romagna entspricht, die Festigkeit des Glaubens und den Mut zum sozialen Zeugnis, die Treue zur kirchlichen Gemeinschaft und die Loyalität gegenüber der zivilen Gesellschaft weiterhin vereinen will« (Ansprache von Papst Johannes Paul II. an die Jugendlichen der Romagna im Hippodrom von Ravenna Am 11 Am 1986). Mögen euch diese Worte meines verehrten Vorgängers anspornen, euch nicht entmutigen zu lassen durch die Schwierigkeiten, denen auch eure Region in unserer Zeit gegenübersteht. 20 Jahre nach jenem bedeutenden Ereignis fehlt es in der Romagna wie auch anderswo nämlich nicht an Herausforderungen und Problemen für jene, die ihren Glauben konsequent leben wollen und bemüht sind, ihn mit den Anforderungen des täglichen Lebens zu vereinbaren. Ich denke an die Krisen, die viele Familien bedrohen, an den wachsenden Bedarf an Berufungen zum Priesteramt und zum Ordensleben angesichts des besorgniserregenden zahlenmäßigen Rückgangs und des zunehmenden Alters der Priester. Auch denke ich an die vielen Gefahren einer konsumorientierten und säkularisierten Gesellschaft, die immer mehr Menschen zu beeinflussen versucht, indem sie sie dazu verleitet, sich nach und nach von den Werten des Glaubens im familiären, bürgerlichen und politischen Leben zu lösen.

Es handelt sich um Herausforderungen, denen begegnet werden muß, ohne den Mut zu verlieren, im Vertrauen auf die zahlreichen Gründe zur Hoffnung, die gottlob nicht fehlen. Es gibt beispielsweise viele Menschen, die danach verlangen, ihrem Dasein einen Sinn und einen beständigen Wert zu geben, Männer und Frauen, die den Wunsch haben nach einer starken und aufrichtigen religiösen Suche. In dieser Hinsicht ist das aktuell, was Johannes Paul II. damals zu den Jugendlichen sagte – und heute wiederhole ich es für euch, liebe Brüder und Schwestern: »Dies ist der Augenblick, um die Freude des Christseins in Fülle zu leben. Bezeugt diese Freude vor der Welt. Christus begleitet euch, er, der Auferstandene, über den der Tod keine Macht mehr hat, weil Christus ihn für immer besiegt hat. Möge Christus, der ewig jung ist, euch stützen und leiten – heute, morgen, jederzeit!« (ebd.). Die Freude des Christseins bezeugen: Das sei eure gemeinsame Aufgabe. Setzt zu diesem Zweck die kirchliche Gemeinschaft fort, ja verstärkt sie noch und seid hochherzige Träger jenes Evangelisierungsauftrags, den der Herr euch anvertraut, indem ihr die Weisungen beherzigt, die aus dem jetzt bereits 20 Jahre zurückliegenden denkwürdigen Besuch hervorgegangen sind und die auch durch die Gnade der heutigen Wallfahrt bekräftigt werden.

Möge die allerseligste Jungfrau Maria, die wir heute unter dem Titel der Muttergottes vom Rosenkranz verehren, euch auf eurem geistlichen und pastoralen Weg auch weiterhin begleiten und führen. Meinerseits versichere ich euch meines Gebetsgedenkens beim Herrn und segne von Herzen euch, eure Familien, eure Pfarrgemeinden und Ordensgemeinschaften sowie alle euch nahestehenden Menschen.

AN DIE KANADISCHEN BISCHÖFE

DER WESTLICHEN KIRCHENPROVINZEN

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Montag, 9. Oktober 2006


Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

»Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; … dein Bruder … lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden« (Lc 15,32). Mit brüderlicher Zuneigung heiße ich euch – die Bischöfe der Katholischen Bischofskonferenz der westlichen Kirchenprovinzen von Kanada – willkommen, und ich danke Bischof Wiesner für die guten Wünsche, die er mir in eurem Namen ausgesprochen hat. Ich erwidere sie herzlich und versichere euch und diejenigen, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, meiner Gebete und meiner Fürsorge. Eure Begegnung mit dem Nachfolger Petri schließt die Besuche »ad limina Apostolorum« der Kanadischen Bischofskonferenz ab. Trotz der immer stärker verweltlichten Atmosphäre, in der ihr euren Dienst ausübt, enthalten eure Berichte vieles, was euch ermutigen kann. Insbesondere freut es mich, den Eifer und die Hochherzigkeit eurer Priester zu sehen, die selbstlose Hingabe der Ordensleute in euren Diözesen und die wachsende Bereitschaft der Laien, in Familie und Schule, am Arbeitsplatz und im öffentlichen Leben immer mutiger Zeugnis zu geben von der Wahrheit und der Liebe Christi. [Der Heilige Vater hatte auf englisch begonnen und sagte dann auf französisch:]

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist einer der am meisten geschätzten Abschnitte der Heiligen Schrift. Das tiefgreifende Bild der Barmherzigkeit Gottes und das große Verlangen des Menschen nach Umkehr und Versöhnung sowie nach der Heilung zerbrochener Beziehungen sprechen Männer und Frauen aller Zeiten an. Der Mensch ist häufig versucht, seine Freiheit zu leben, indem er sich von Gott entfernt. So stellen wir durch die Erfahrung des verlorenen Sohnes in der Geschichte und gleichzeitig in unserem eigenen Leben fest, daß die Suche nach Freiheit, wenn sie außerhalb von Gott stattfindet, zu einem negativen Ergebnis führt: zum Verlust der Würde als Person, zu moralischer Verwirrung und zu sozialem Zerfall. Die leidenschaftliche Liebe des Vaters zur Menschheit hingegen besiegt den menschlichen Hochmut. Sie ist eine frei geschenkte und vergebende Liebe, die die Menschen tiefer in die Gemeinschaft der Kirche Christi einführt. Sie gibt wirklich allen Völkern die Einheit in Gott, und sie versöhnt Gerechtigkeit und Liebe, wie es durch Christus in vollendeter Weise am Kreuz offenbar wird (vgl. Deus caritas Est 10). [Der Papst sagte dann wieder auf englisch:]

Was ist über den älteren Bruder zu sagen? Steht er nicht in gewisser Weise für uns alle, Männer und Frauen, und vielleicht besonders für jene, die sich traurigerweise von der Kirche entfernen? Mit der rationalen Begründung seiner Haltung und seines Handelns erregt er in gewisser Weise Mitleid, aber letztlich offenbart sie seine Unfähigkeit, bedingungslose Liebe zu verstehen. Er ist unfähig, in seinem Denken die Grenzen der natürlichen Gerechtigkeit zu überschreiten; er ist und bleibt gefangen in Neid und Hochmut, distanziert von Gott, isoliert von den anderen und mit sich selbst unzufrieden.

Liebe Mitbrüder, eure Betrachtung der drei Personen in diesem Gleichnis – der Vater in seinem überreichen Erbarmen, der jüngere Sohn in seiner Freude, daß ihm vergeben wurde, und der ältere Bruder in seiner tragischen Isolierung – bestärke euch in eurem Wunsch, dem Schwinden des Sündenbewußtseins entgegenzutreten, auf das ihr in euren Berichten Bezug genommen habt. Diese pastorale Priorität spiegelt eure große Hoffnung wider, daß die Gläubigen die grenzenlose Liebe Gottes als eine Aufforderung erfahren mögen, ihre kirchliche Einheit zu vertiefen und die Spaltung und Zersplitterung zu überwinden, unter denen die Familien und Gemeinschaften von heute so oft leiden. Aus diesem Blickwinkel heraus versteht man die Verantwortung des Bischofs, auf die zerstörerische Präsenz der Sünde hinzuweisen, sofort als einen Dienst der Hoffnung: Die Gläubigen werden darin bestärkt, das Böse zu meiden und nach der Vollkommenheit der Liebe und der Fülle des christlichen Lebens zu streben.

Deshalb möchte ich eure Förderung des Sakraments der Buße loben. Obwohl dieses Sakrament oft nur auf Gleichgültigkeit stößt, bewirkt es doch die vollständige Heilung, nach der wir verlangen. Eine neue Wertschätzung dieses Sakraments wird bestätigen, daß die im Beichtstuhl verbrachte Zeit aus Bösem Gutes hervorbringt, vom Tod zum Leben erweckt und das barmherzige Antlitz des Vaters wieder offenbart.

Um das Geschenk der Versöhnung zu erfassen, ist eine eingehende Reflexion darüber notwendig, auf welche Weise der Mensch im Herzen zu Umkehr und Buße geführt werden kann (vgl. Reconciliatio et paenitentia RP 23). Während Manifestationen der Sünde im Übermaß vorhanden sind – Geldgier und Korruption, Treubruch in Beziehungen und Ausbeutung von Menschen –, ist das persönliche Sündenbewußtsein geschwunden. Hinter dieser Abschwächung des Sündenbewußtseins und der entsprechenden Verminderung des Bedürfnisses, die Vergebung der Sünden zu suchen, steht letztlich eine Abschwächung unseres Gottesverhältnisses (vgl. Ansprache des Heiligen Vaters bei der ökumenischen Vesper in Regensburg, 12. September 2006; in O.R. dt., Nr. 38, 22.9.2006, S. 7).

Es überrascht nicht, daß dieses Phänomen besonders ausgeprägt ist in Gesellschaften, die gekennzeichnet sind von einer nachaufklärerischen weltlichen Ideologie. Wo Gott aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen wird, verflüchtigt sich das Bewußtsein, Gott zu beleidigen – das eigentliche Sündenbewußtsein. Ebenso verschwinden dann, wenn der absolute Wert der sittlichen Normen relativiert wird, die Kategorien von Gut und Böse zusammen mit der persönlichen Verantwortung. Das Bedürfnis des Menschen, die Sünde zu erkennen und ihr gegenüberzutreten, verringert sich dennoch in Wirklichkeit nicht, unabhängig davon, wie sehr der einzelne – wie der ältere Bruder – das Gegenteil rational begründen mag, wie uns der hl. Johannes sagt: »Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre« (1Jn 1,8). Das ist ein wesentlicher Teil der Wahrheit über den Menschen. Wenn das Bedürfnis, die Vergebung zu suchen und die Bereitschaft zu vergeben in Vergessenheit geraten, entsteht statt dessen eine erschreckende Kultur der Vorwürfe und des Streitens. Dieses üble Phänomen kann jedoch bekämpft werden. Dem Licht der heilbringenden Wahrheit Christi zu folgen bedeutet, mit dem Vater zu sagen: »Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen …; denn dein Bruder war verloren und ist wiedergefunden worden« (Lk 15,31–32).

Der dauerhafte Frieden und die Harmonie, die die einzelnen, die Familien und die Gesellschaft so sehr herbeisehnen, untermauern euer Bemühen, die Versöhnung und das Verständnis mit den vielen »First-Nations«-Gemeinschaften, die es in eurer Region gibt, zu vertiefen. Es ist viel erreicht worden. Ich habe mich gefreut, durch euch von der Arbeit des »Catholic Aboriginal Council for Reconciliation« und von den Zielsetzungen des »Amerindian Fund« zu erfahren. Solche Initiativen wecken Hoffnung und geben Zeugnis von der Liebe Christi, die uns drängt (vgl. 2Co 5,14). Aber es muß noch viel getan werden. Deshalb ermutige ich euch, die Ursachen, die den sozialen und geistlichen Nöten der Gläubigen unter den Ureinwohnern und den damit verbundenen Schwierigkeiten zugrunde liegen, verständnisvoll und entschlossen in Angriff zu nehmen. Die Verpflichtung gegenüber der Wahrheit öffnet den Weg zu einer dauerhaften Versöhnung durch den heilenden Prozeß, um Vergebung zu bitten und Vergebung zu gewähren – zwei unverzichtbare Bausteine für den Frieden. Auf diese Weise wird unser Gedächtnis gereinigt, in unsere Herzen zieht Frieden ein, und unsere Zukunft ist erfüllt von einer begründeten Hoffnung auf den Frieden, der der Wahrheit entspringt.

Mit brüderlicher Zuneigung teile ich mit euch diese Überlegungen, und ich versichere euch meines Gebets, während ihr Sorge tragt, daß die heiligende und versöhnende Sendung der Kirche in euren kirchlichen und zivilen Gemeinschaften immer sichtbarer wird und immer mehr Wertschätzung erfährt. Mit diesen Empfindungen vertraue ich euch Maria, der Mutter Jesu, und der Fürsprache der sel. Kateri Tekakwitha an. Euch und den Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien eurer Diözesen erteile ich mit Freude meinen Apostolischen Segen.

AN EINE DELEGATION DER "ANTI-DEFAMATION LEAGUE" Donnerstag, 12. Oktober 2006



Liebe Freunde!

Es freut mich, die Delegation der »Anti-Defamation-League« im Vatikan begrüßen zu können. Bei zahlreichen Anlässen habt ihr meinen Vorgänger Papst Johannes Paul II. besucht, und es ist mir eine Freude, die Begegnungen mit Gruppen, die das jüdische Volk vertreten, fortzusetzen.

In unserer heutigen Welt stehen die Verantwortlichen der Religionen, der Politik, der akademischen Welt und der Wirtschaft vor der ernsthaften Herausforderung, den Stand des Dialogs zwischen Völkern und Kulturen zu verbessern. Dies auf wirksame Weise zu tun, erfordert eine Vertiefung unseres gegenseitigen Verstehens und einen gemeinsamen Einsatz für den Aufbau einer Gesellschaft, in der immer mehr Gerechtigkeit und Frieden herrschen. Wir müssen einander besser kennenlernen und müssen kraft dieses gegenseitigen Entdeckens Beziehungen nicht nur der Toleranz, sondern der wahren Achtung aufbauen. Juden, Christen und Muslime besitzen nämlich zahlreiche gemeinsame Überzeugungen, und es gibt viele Bereiche der humanitären und sozialen Arbeit, in denen wir zusammenarbeiten können und müssen.

Die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils Nostra Aetate erinnert uns daran, daß die jüdischen Wurzeln des Christentums uns verpflichten, die Konflikte der Vergangenheit zu überwinden und neue Bande der Freundschaft und Zusammenarbeit zu schaffen. Vor allem erklärt sie, daß die Kirche alle Haßausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben, beklagt (vgl. Nr. 4). In den vier Jahrzehnten, die seit der Erklärung vergangen sind, wurden zahlreiche positive Fortschritte gemacht und auch einige erste, vielleicht noch zu zaghafte Schritte zu einem offeneren Gespräch über religiöse Themen. Genau auf dieser Ebene des aufrichtigen und freimütigen Austauschs und Dialogs werden wir die Grundlage und die Motivation für eine festgefügte und fruchtbare Beziehung finden.

Möge der Ewige, unser Vater im Himmel, alle Bemühungen segnen, die darauf ausgerichtet sind, die Welt von jedem Mißbrauch der Religion als Rechtfertigung des Hasses oder der Gewalt zu befreien. Möge er euch alle segnen, eure Familien und Gemeinschaften.



AN DIE BISCHÖFE AUS SAMBIA

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Freitag, 14. Oktober 2006

Meine lieben Brüder in Christus!


Es ist mir eine Freude, euch, die Bischöfe von Sambia, zu dieser brüderlichen Begegnung im Rahmen eures Besuches »ad limina Apostolorum« willkommen zu heißen. Insbesondere danke ich Erzbischof Telesphore George Mpundu, der eure Verbundenheit mit dem Heiligen Stuhl und mit mir als Nachfolger Petri zum Ausdruck gebracht hat. Ich danke für eure guten Wünsche, die ich gern erwidere. Unsere Gespräche haben mich zu einer besseren Kenntnis der katholischen Kirche in eurem Land geführt: ihrer Freuden, ihrer Schwierigkeiten und ihrer Hoffnungen. Durch euch grüße und umarme ich den Klerus, die Ordensleute und die Laien von Sambia. In Deutschland hatte ich kürzlich Gelegenheit zu sagen: »Als betende Menschen, als von seinem Licht Erfüllte, kommen wir zu den anderen, ziehen sie in unser Gebet und so in die Gegenwart Gottes hinein, der dann das Seine tut« (Begegnung mit den Priestern und Ständigen Diakonen im Dom zu Freising, 14. September 2006; in O.R. dt., Nr. 38, 22.9.2006, S. 11). Deshalb ermutige ich euch, eure Gläubigen anzuspornen, sich dem Gebet und der Heiligung zu widmen und den Schatz eines Lebens zu entdecken, das auf den Glauben an Christus gebaut ist. Mögen sie alle Menschen, denen sie begegnen, dazu einladen, diesen Schatz mit ihnen zu teilen!

Das Licht der Heiligkeit, das in denen leuchtet, die diesen Schatz gefunden haben, wird im Augenblick der Taufe entzündet. In der Taufe befreit Christus den Glaubenden von der Herrschaft der Sünde, indem er ihn von einem Dasein freimacht, das von Angst und Aberglauben erfüllt ist, und ihn zu einem neuen Leben ruft. »Liebe Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes … Jeder, der dies von ihm erhofft, heiligt sich, so wie Er heilig ist« (1 Joh 3,2–3). Denn der Christ hat sein Vertrauen in Christus gesetzt und kann stets sicher sein, daß dieser seine Gebete hört und beantwortet. In eurem Bestreben, die Gläubigen zu einem wirklich heiligen Leben anzuleiten, vergewissert euch, daß ihr ihnen den Wert des Gebets vermittelt und sie in der Praxis des Gebets unterweist, besonders im liturgischen Gebet, in dem die Kirche in erhabenster Weise mit Christus, dem Hohenpriester, in seiner ewigen Fürsprache für das Heil der Welt vereint ist. Darüber hinaus ermutigt die katholische Kirche die Gläubigen, volkstümliche Frömmigkeitsformen zu pflegen. Vermittelt deshalb eurem Volk stets den Wert der Fürsprache der Heiligen, die Jesu große Freunde sind (vgl. Joh 12,20–22), und besonders der Fürsprache seiner Mutter Maria, die stets darauf achtet, was wir brauchen (vgl. Joh 2,1–11).

Meine lieben bischöflichen Mitbrüder, ich bin sicher, daß ihr euer Leben auch weiterhin mit hochherziger Liebe dem Volk Gottes in Sambia widmen werdet. Der Herr hat euch erwählt, euer Volk auf dem Weg zur Heiligkeit zu führen und zu bewahren. Tut das durch weise Ratschläge, feste Entschlossenheit und väterliche Liebe. In seinem Kommentar zum Brief des hl. Paulus an Titus drückt der hl. Hieronymus es so aus: »Der Bischof soll in allen Sorgen, die die Seele beunruhigen können, Ruhe bewahren. Er soll nicht zum Zorn neigen, sich nicht von Traurigkeit überwältigen lassen und nicht von Angst gequält sein« (vgl. V. 8–9, PL 26, 603b–42). Das gilt besonders für euren Umgang mit euren priesterlichen Mitbrüdern, die manchmal durch die zahllosen Versuchungen in der heutigen Gesellschaft irregeführt werden können. Als Hirten und Väter eurer Mitarbeiter im Weinberg sollt ihr ihnen immer die Freude vermitteln, dem Herrn zu dienen und dabei innerlich losgelöst zu sein von den Dingen der Welt. Sagt ihnen, daß sie dem Herzen des Papstes nahe und in seine täglichen Gebete eingeschlossen sind. Mit euch ermutige ich sie, fest im wahren Glauben zu stehen und sich mit lebendiger Hoffnung auf den glücklichen Besitz des makellosen und unvergänglichen Erbes zu freuen, das Jesus Christus für uns erworben hat (vgl. 1P 1,4).

Wir glauben, daß die Kirche heilig ist. Wenn ihr eure Priester ermahnt, ein ihrer Berufung entsprechendes heiliges Leben zu führen, wenn ihr die hochherzige Liebe und Treue in der Ehe predigt und wenn ihr alle auffordert, Werke der Barmherzigkeit zu üben, dann ruft ihnen die Worte des Herrn in Erinnerung: »Ihr seid das Licht der Welt … So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen« (Mt 5,14–16). Heiligkeit ist ein göttliches Geschenk, das in der Liebe zu Gott und zum Nächsten offenbar wird. Liebe Mitbrüder, zeigt eurem Volk das schöne Antlitz Christi, indem ihr ein Leben führt, das von wahrer Liebe geprägt ist. Zeigt das Erbarmen Christi besonders gegenüber den Armen, den Flüchtlingen, den Kranken und allen, die leiden. Verkündet gleichzeitig in eurer Lehre auch weiterhin die Notwendigkeit der Ehrlichkeit, der Liebe innerhalb der Familie, der Disziplin und der Treue: All dies hat entscheidende Auswirkungen auf das Wohl und die Stabilität der Gesellschaft.

Euer Besuch in Rom ist ein sichtbares Zeichen eurer persönlichen Suche nach Heiligkeit und eures brennenden Wunsches, Verkünder des Evangeliums zu sein, indem ihr dem heroischen Beispiel der Apostel Petrus und Paulus folgt. Der hl. Matthäus formuliert den kirchlichen Missionsauftrag folgendermaßen: »Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,19–20). Diese Worte sind eine Quelle großer Hoffnung für alle, die ihre Kräfte im Apostolischen Dienst einsetzen. Sie erinnern uns an die immerwährende tätige Gegenwart des lebendigen Christus in seiner heiligen katholischen Kirche. Ich lade euch und alle, die mit euch in eurem Dienst zusammenarbeiten, dazu ein, über diese Worte nachzudenken und euer Vertrauen auf den Herrn zu erneuern. Wenn ihr nach Hause zurückkehrt, nehmt meine herzlichen Grüße für das Volk eures Landes mit. Möge euer Zeugnis als Menschen, die von der Hoffnung auf die Auferstehung erfüllt sind, euer Volk zu einer immer tieferen Erkenntnis der Freude führen, die der Herr uns verheißen hat. Jedem von euch und allen, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.

AN DIE TEILNEHMER DER PILGERFAHRT

DER PATER-PIO-GEBETSGRUPPEN Petersplatz

Samstag, 14. Oktober 2006




Meine Herren Kardinäle,
verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude begegne ich euch auf diesem Platz, auf dem in den Jahren 1999 und 2002 die denkwürdigen Feiern der Selig- und der Heiligsprechung von Pater Pio von Pietrelcina stattgefunden haben. Heute seid ihr zahlreich hier zusammengekommen aus Anlaß des 50. Jahrestages eines beachtlichen und wesentlichen Teils seines Werkes: der »Casa Sollievo della Sofferenza«. Ich empfange euch herzlich und grüße jeden von euch mit Zuneigung: Erzbischof Umberto D’Ambrosio, dem ich für seine freundlichen Worte danke; die Kapuziner des Heiligtums und der Provinz; die Leiter, die Ärzte, die Krankenschwestern und Krankenpfleger sowie das Personal des Krankenhauses; die Mitglieder der Gebetsgruppen, die aus allen Teilen Italiens und auch aus anderen Ländern kommen; und die Pilger aus der Diözese Manfredonia-Vieste-San Giovanni Rotondo. Ihr bildet alle zusammen eine große geistliche Familie, weil ihr euch als Söhne und Töchter von Pater Pio betrachtet, eines einfachen Mannes, eines »armen Ordensbruders«, wie er selbst sagte, dem Gott die ewige Botschaft seiner gekreuzigten Liebe zur ganzen Menschheit anvertraut hat.

Als Haupterben seines Zeugnisses hütet ihr, liebe Kapuziner, das Heiligtum »Santa Maria delle Grazie« und die neue große Kirche, die nach dem hl. Pio von Pietrelcina benannt ist. In erster Linie seid ihr es, die jene Gnadenstätten beleben, die jedes Jahr das Ziel von Millionen von Pilgern sind. Durch das Vorbild von Pater Pio und seine Fürsprache angespornt und getragen, sollt ihr euch bemühen, ihn nachzuahmen, um allen Menschen zu helfen, eine tiefe geistliche Erfahrung zu leben, die ihren Mittelpunkt in der Betrachtung des gekreuzigten Christus besitzt, des Verkünders und Mittlers der barmherzigen Liebe des himmlischen Vaters.

Dem von Nächstenliebe brennenden Herzen von Pater Pio entsprang die »Casa Sollievo della Sofferenza«, die bereits in ihrem Namen die zugrunde liegende Idee offenbart, aus der heraus sie entstanden ist, sowie das Programm, das zu verwirklichen ihr Ziel ist. Pater Pio wollte sie »Casa« – »Haus« oder »Zuhause« – nennen, weil die Kranken, besonders die Armen, sich dort wohlfühlen sollten, aufgehoben in familiärer Atmosphäre, und sie in diesem Haus »Sollievo« –»Linderung« – ihres Leidens finden sollten, eine Linderung, die zwei sich überschneidenden Kräften zu verdanken ist: dem Gebet und der Wissenschaft. Das war die Idee des Gründers, die man immer vor Augen haben sollte und die sich alle, die in dem Krankenhaus arbeiten, zu eigen machen müssen. Der Glaube an Gott und die wissenschaftliche Forschung wirken zusammen mit demselben Ziel, das sich am besten mit den Worten Jesu selbst ausdrücken läßt: »damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« (Jn 10,10). Ja, Gott ist Leben und will, daß der Mensch von jedem leiblichen und geistlichen Leiden geheilt werde. Daher kümmerte sich Jesus unermüdlich um die Kranken und kündigte durch ihre Heilung das schon nahe Reich Gottes an. Aus demselben Grund hat die Kirche dank der Charismen vieler heiliger Männer und Frauen diesen prophetischen Dienst Christi durch unzählige Initiativen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und des Dienstes an den Leidenden fortgesetzt und ihn im Laufe der Jahrhunderte verbreitet.

Während die wissenschaftliche und die technologische Dimension zum Krankenhaus gehört, erstreckt sich dagegen das Gebet auf das ganze Werk von Pater Pio. Es ist sozusagen das übergreifende Element: die Seele jeder Initiative, die geistliche Kraft, die alles bewegt und alles nach der Ordnung der Liebe, die letztlich Gott selber ist, ausrichtet. Gott ist Liebe. Deshalb möchte ich eure Aufmerksamkeit auf das grundlegende Wortpaar lenken, das im Mittelpunkt meiner Enzyklika steht: Gottesliebe und Nächstenliebe (vgl. Deus caritas est, 16–18). Pater Pio war vor allem ein »Mann Gottes«. Von Kindheit an hat er sich von ihm gerufen gefühlt und »mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft« (Dt 6,5) geantwortet. So konnte die göttliche Liebe von seiner bescheidenen Person Besitz ergreifen und ihn zu einem auserwählten Werkzeug ihrer Heilspläne machen. Gelobt sei Gott, der zu allen Zeiten einfache und hochherzige Seelen auswählt, um Großes zu tun (vgl. Lk 1,48–49)! Alles in der Kirche kommt von Gott, und ohne ihn kann nichts Bestand haben. Die Werke von Pater Pio sind ein außerordentliches Beispiel für diese Wahrheit: Die »Casa Sollievo« kann man durchaus ein »Wunder« nennen. Wer konnte sich nach menschlichem Ermessen vorstellen, daß neben dem kleinen Kloster von San Giovanni Rotondo sich einmal eines der größten und modernsten Krankenhäuser Süditaliens erheben werde? Wer – wenn nicht der Mann Gottes, der die Wirklichkeit mit den Augen des Glaubens und mit einer großen Hoffnung sieht, weil er weiß, daß für Gott nichts unmöglich ist?

Eben darum ist das Fest der »Casa Sollievo della Sofferenza« zugleich das Fest der Pater-Pio- Gebetsgruppen, also jenes Teiles seines Werkes, der ständig an Gottes Herz »anpocht«, wie ein Heer von Menschen, die sich der Fürsprache und der Sühne widmen, um für die Kirche und die Welt die notwendigen Gnaden zu erlangen. Liebe Freunde, die Entstehung eurer Gebetsgruppen geht auf den Winter 1942 zurück, als der Zweite Weltkrieg Italien, Europa und die Welt erschütterte. Am 17. Februar jenes Jahres richtete mein verehrter Vorgänger, Papst Pius XII., einen Aufruf an das christliche Volk, daß viele zum gemeinsamen Gebet für den Frieden zusammenkommen sollten. Pater Pio forderte seine geistlichen Söhne und Töchter dazu auf, sofort auf den Aufruf des Stellvertreters Christi zu antworten. So entstanden die Gebetsgruppen; das Organisationszentrum war die noch im Bau befindliche »Casa Sollievo della Sofferenza«. Dies ist ein Bild, das ein beredtes Symbol ist und bleibt: das Werk von Padre Pio als eine große »Baustelle«, beseelt vom Gebet und bestimmt zur tätigen Nächstenliebe. Die Gebetsgruppen haben sich in den Pfarreien, Klöstern und Krankenhäusern verbreitet, und heute gibt es von ihnen mehr als 3000 auf allen Kontinenten. Ihr vertretet sie zahlreich hier an diesem Tag! Jene ursprüngliche Antwort auf den Aufruf des Papstes hat das Wesen eures geistlichen »Netzes« für immer geprägt: Euer Gebet erfolgt, wie es in den Statuten heißt, »mit der Kirche, für die Kirche und in der Kirche« (Vorwort), es muß gelebt werden in voller Treue zum Lehramt, im bereitwilligen Gehorsam gegenüber dem Papst und den Bischöfen, unter der Leitung des vom Bischof ernannten Priesters. Die Statuten schreiben auch einen wesentlichen Einsatz der Gebetsgruppen vor, nämlich die »wirkliche und tatkräftige Nächstenliebe, um den Leidenden und Bedürftigen Linderung zu verschaffen, als praktische Umsetzung der Gottesliebe« (ebd.). Hier haben wir wieder das Wortpaar Gebet und Liebe, Gott und der Nächste. Das Evangelium läßt keine Ausflüchte zu: Wer sich dem Gott Jesu Christi zuwendet, wird dazu angespornt, den Brüdern zu dienen, und umgekehrt entdeckt derjenige, der sich den Armen widmet, in ihnen das geheimnisvolle Antlitz Gottes.

Liebe Freunde, die Zeit ist um, und der Augenblick ist gekommen, die Begegnung zu beenden. Ich möchte euch mein aufrichtiges »Dankeschön« hinterlassen für die Unterstützung, die ihr mir mit eurem Gebet leistet. Der Herr möge es euch vergelten! Gleichzeitig erbitte ich für die Arbeitsgemeinschaft der »Casa Sollievo della Sofferenza« die besondere Gnade, stets dem Geist und dem Plan von Pater Pio treu zu bleiben. Ich vertraue dieses Gebet der himmlischen Fürsprache von Pater Pio und der Jungfrau Maria an. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch allen und euren Lieben von Herzen den Apostolischen Segen.
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