Benedikt XVI Predigten 96

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AN HERRN MUAMMER DOGAN AKDUR,

NEUER BOTSCHAFTER DER TÜRKEI BEIM HL. STUHL


Freitag, 19. Januar 2007




Herr Botschafter!

Mit Freude empfange ich Eure Exzellenz im Vatikan aus Anlaß der Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Türkei beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden.

Ich danke Ihnen für die freundlichen Worte, die Sie mir seitens Seiner Exzellenz Herrn Ahmet Necdet Sezer, Präsident der Republik, überbracht haben, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihm meinerseits meine herzlichen Wünsche für ihn persönlich und für seine Mitbürger entbieten. Es ist mir ein Anliegen, bei dieser Gelegenheit noch einmal den türkischen Obrigkeiten und der Bevölkerung meine Dankbarkeit für die Aufnahme zum Ausdruck zu bringen, die sie mir während meiner Pastoralreise im vergangenen Dezember bereitet haben.

Die unvergeßliche Erfahrung, die mich auf den Spuren meiner Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul II. nach Ankara, Ephesus und Istanbul führte, hat es mir ermöglicht, mich von den seit langem bestehenden guten Beziehungen zwischen Ihrem Land und dem Heiligen Stuhl zu überzeugen. Bei meinen verschiedenen Begegnungen mit den politischen Autoritäten habe ich immer wieder betont, daß die katholische Kirche in der türkischen Gesellschaft verwurzelt ist – dank des denkwürdigen Erbes der ersten christlichen Gemeinden Kleinasiens und dank des unersetzlichen Beitrags der ersten ökumenischen Konzilien zum Leben der Gesamtkirche, aber auch durch die heutige Existenz christlicher Gemeinschaften, die zwar Minderheiten sind, aber an ihrem Land hängen und sich um das Gemeinwohl der ganzen Gesellschaft bemühen und ihren Beitrag zum Aufbau der Nation leisten wollen.

Die katholische Kirche erfreut sich der Religionsfreiheit, die die türkische Verfassung allen Gläubigen garantiert; sie wünscht sich aber die Zubilligung eines anerkannten Rechtsstatus und die Einrichtung einer offiziellen Dialoginstanz zwischen der Bischofskonferenz und den staatlichen Behörden, um verschiedene Probleme, die auftreten können, zu regeln und die guten Beziehungen zwischen beiden Seiten zu fördern. Ich zweifle nicht daran, daß Ihre Regierung alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um in diesem Sinn weiter voranzukommen.

Im Laufe meiner denkwürdigen Reise habe ich mehrfach, vor allem bei meinem Besuch der Blauen Moschee von Istanbul, den Respekt der katholischen Kirche für den Islam und die Wertschätzung des Papstes und der Gläubigen für die muslimischen Gläubigen bekundet. In der heutigen Welt, in der sich die Spannungen zu verschärfen scheinen, ist der Heilige Stuhl der Überzeugung – die mit der von Ihnen vorhin geäußerten Ansicht übereinstimmt –, daß sich die Gläubigen der verschiedenen Religionen bemühen sollten, zusammen für den Frieden zu arbeiten, indem sie mit der Absage an die Gewalt beginnen, die in der Vergangenheit allzu oft unter dem Vorwand religiöser Motivationen angewandt wurde, und sich gegenseitig besser kennen- und respektieren lernen, um eine immer brüderlichere Gesellschaft aufzubauen.

Die Religionen können ihre Anstrengungen auch vereinen, um sich für die Achtung des als Ebenbild des Allmächtigen geschaffenen Menschen einzusetzen und die grundlegenden Werte, die das Leben der Menschen und der Gesellschaften leiten, erkennbar zu machen. Der notwendige Dialog zwischen den religiösen Autoritäten auf allen Ebenen beginnt im Alltagsleben mit der gegenseitigen Wertschätzung und dem Respekt, die die Gläubigen jeder Religion dadurch einander entgegenbringen, daß sie dasselbe Leben teilen und zusammen für das Gemeinwohl arbeiten. Wie ich kürzlich in Ankara gesagt habe, anerkennt der Heilige Stuhl die besondere Stellung der Türkei und ihre geographische und historische Funktion als Brücke zwischen dem asiatischen und dem europäischen Kontinent und als Schnittpunkt zwischen den Kulturen und Religionen. Er weiß den Einsatz Ihres Landes innerhalb der internationalen Gemeinschaft für den Frieden zu schätzen, vor allem sein Bemühen um die Wiederaufnahme von Verhandlungen im Nahen Osten und sein aktuelles Engagement im Libanon, um beim Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Landes zu helfen und einen konstruktiven Dialog zwischen allen wesentlichen Teilen der libanesischen Gesellschaft zu ermöglichen.

Der Heilige Stuhl verfolgt stets mit großer Aufmerksamkeit die Diskussionen und Anstrengungen, die von den Nationen unternommen werden, um unter sich – manchmal mit Hilfe von Drittländern und regionalen oder internationalen Autoritäten – die aus der Vergangenheit ererbten Konfliktsituationen zu regeln; dies gilt ebenso für die Aktivitäten, die in politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Vereinigungen oder Verbänden für die gegenseitige Annäherung der Länder unternommen werden. Die Mondialisierung des Austausches, die im Wirtschafts- und Finanzbereich bereits für alle offenkundig ist, muß natürlich mit gemeinsamen politischen Verpflichtungen auf planetarer Ebene einhergehen, um eine dauerhafte und organisierte Entwicklung zu gewährleisten, die niemanden ausschließt und für die einzelnen Menschen, für die Familien und für die Völker eine ausgewogene Zukunft sicherstellt.

Erlauben Sie mir, Herr Botschafter, durch Sie die katholischen Gemeinden in der Türkei zu grüßen, die ich zu meiner Freude besuchen konnte, besonders jene in Ephesus und in Istanbul. Den Bischöfen, den Priestern und allen Gläubigen spreche ich noch einmal die Zuneigung des Nachfolgers Petri und seine Ermutigungen aus, auf daß die katholische Kirche in der Türkei weiterhin durch den Dialog mit allen, besonders mit den gläubigen Muslimen, und durch ihr Engagement im Dienst des Gemeinwohls demütig und treu Zeugnis von der Liebe Gottes gibt. Voll Zuneigung grüße ich auch Seine Heiligkeit Patriarch Bartholomaios I., die Bischöfe und alle Gläubigen der orthodoxen Kirche, mit der uns – bereits in der Erwartung des segensreichen Tages, an dem wir Gäste am selben Tisch Christi sein werden – so viele brüderliche Bande verbinden.

Herr Botschafter, da nun Ihre Mission beim Heiligen Stuhl offiziell beginnt, spreche ich Ihnen meine besten Wünsche für deren glückliche Erfüllung aus. Seien Sie gewiß, bei meinen Mitarbeitern stets aufmerksame Aufnahme und freundliches Verständnis zu finden.

Auf Ihre Exzellenz, Ihre Familie, Ihre Mitarbeiter an der Botschaft sowie auf die Obrigkeiten und das Volk der Türkei rufe ich von Herzen die Fülle des Segens des Allmächtigen herab.

AN EINE ÖKUMENISCHE DELEGATION AUS FINNLAND Freitag, 19. Januar 2007



Liebe Bischöfe Peura und Wróbel,
verehrte Freunde!

Mit Freude begrüße ich euch, die Mitglieder der ökumenischen Delegation aus Finnland, anläßlich eures Besuchs in Rom zum Namensfest des hl. Henrik, dem Schutzpatron eurer Nation.

Eure Anwesenheit hier fällt mit der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen zusammen. Das Thema der Woche – »Er macht, daß die Tauben hören und die Stummen sprechen« (Mc 7,37) – verdeutlicht, wie Jesus uns alle von spiritueller Taubheit befreit und es uns ermöglicht, sein heilbringendes Wort zu hören und es anderen zu verkünden. Dieser Auftrag des gemeinsamen Zeugnisses in Wort und Tat prägt unseren ökumenischen Weg. Indem wir uns Christus nähern und uns zu seiner Wahrheit und seiner Liebe bekehren, nähern wir uns einander.

In jüngster Zeit haben sich die Beziehungen zwischen den Christen in Finnland in einer Weise entwickelt, die für die Zukunft des Ökumenismus große Hoffnung bietet. Bereitwillig beten und arbeiten sie zusammen und geben gemeinsam öffentlich Zeugnis von dem Wort Gottes. Dieses glaubhafte Zeugnis der richtungsweisenden und heilbringenden Wahrheiten des Evangeliums ist es, das alle Männer und Frauen suchen oder zu hören bedürfen. Das erfordert Mut seitens der Christen. Wie ich bei der ökumenischen Vesper während meines Besuchs in Bayern angedeutet habe, »steht eine Abschwächung unseres Gottesverhältnisses hinter diesem Verblassen des Themas der Rechtfertigung und der Vergebung der Sünden. So wird es wohl unsere allererste Aufgabe sein, den lebendigen Gott wieder in unserem Leben und in unserer Zeit und Gesellschaft neu zu entdecken«.

In der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« haben Lutheraner und Katholiken in theologischer Hinsicht erhebliche Fortschritte gemacht. Vieles muß jedoch noch getan werden, und daher ist es ermutigend, daß sich der Nördliche Lutherisch/Katholische Dialog in Finnland und Schweden mit dem Thema »Rechtfertigung im Leben der Kirche« beschäftigt. Ich hoffe und bete, daß diese Gespräche auf wirksame Weise zu der erstrebten vollen und sichtbaren Einheit der Kirche beitragen und gleichzeitig eine stets klarere Antwort auf jene grundlegenden Fragen geben werden, die das Leben und die Gesellschaft betreffen.

In der Gewißheit, daß der Heilige Geist der wahre Hauptakteur der ökumenischen Bestrebungen (vgl. Unitatis redintegratio UR 1,4) ist, wollen wir weiterhin für den Aufbau engerer Bande der Liebe und der Kooperation zwischen Lutheranern und Katholiken in Finnland beten und arbeiten. Für euch und das geliebte finnische Volk erflehe ich Gottes reichen Segen des Friedens und der Freude.



AN DIE KOLLEGSGEMEINSCHAFT DES

"ALMO COLLEGIO CAPRANICA" Freitag, 19. Januar 2007



Herr Kardinal, verehrte Brüder,
Monsignore, Herr Rektor, liebe Alumnen des »Collegio Capranica«!

Mit Freude empfange ich euch wenige Tage vor dem Namensfest eurer Schutzpatronin, der hl. Agnes. Herzlich grüße ich euch alle, angefangen bei Kardinalvikar Camillo Ruini und Erzbischof Pio Vigo, die der Bischöflichen Kommission angehören, die dem Kolleg vorsteht. Ich grüße den Rektor, Msgr. Ermenegildo Manicardi. Ganz besonders willkommen heiße ich euch, liebe Alumnen, die ihr der Gemeinschaft des ältesten kirchlichen Kollegs von Rom angehört.

550 Jahre sind seit jenem 5. Januar 1457 vergangen, als Kardinal Domenico Capranica, Erzbischof von Fermo, das nach ihm benannte Kolleg gründete und ihm all seine Güter wie auch seinen Palast bei »Santa Maria in Aquiro« zuwies, um junge, zum Priesteramt berufene Studenten aufzunehmen. Die entstehende Einrichtung war die erste ihrer Art in Rom. Anfänglich war sie jungen Männern aus Rom und Fermo vorbehalten, später jedoch nahm sie auch Alumnen aus anderen italienischen Regionen und verschiedener Nationalitäten auf. Kardinal Capranica starb kaum zwei Jahre später, aber seine Stiftung hatte nunmehr ihren Weg eingeschlagen, der bis heute andauert und lediglich ein Jahrzehnt lang, von 1798 bis 1807 – während der sogenannten Römischen Republik –, unterbrochen wurde. Zwei Päpste waren Alumnen des »Capranica«: fast vier Jahre lang Papst Benedikt XV., den ihr aufgrund der besonderen Zuneigung, die er eurem Haus stets entgegenbrachte, mit Recht als »Parens alter« betrachtet; und später für kürzere Zeit der Diener Gottes Pius XII. Auch haben meine verehrten Vorgänger, von denen einige euch bei besonderen Gelegenheiten besucht haben, eurem Kolleg stets ihr Wohlwollen gezeigt.

Auch unser heutiges Treffen findet nicht nur im Gedenken der hl. Agnes statt, sondern auch im Kontext eines bedeutenden Jubiläums eurer Institution. In dieser geschichtlichen und spirituellen Perspektive ist es nützlich, sich zu fragen, welche Gründe Kardinal Capranica veranlaßt haben, dieses weise Werk ins Leben zu rufen, und welchen Wert sie für euch heute weiter haben. Vor allem muß daran erinnert werden, daß der Gründer die Kollegien der Universitäten von Padua und Bologna, wo er als Student war, wie auch die Kollegien von Siena, Florenz und Perugia direkt erfahren hatte. Diese Einrichtungen waren entstanden, um in den Studien begabte junge Männer aufzunehmen, die nicht aus reichen Familien stammten. Indem er einige Elemente jener Vorbilder veränderte, entwickelte er ein Modell, das allein der Ausbildung zukünftiger Priester diente, mit bevorzugter Berücksichtigung der weniger wohlhabenden Kandidaten. Auf diese Weise war er den vom Konzil von Trient eingerichteten »Seminarien« um über ein Jahrhundert voraus. Aber noch haben wir nicht die grundlegende Motivation dieser weisen Initiative beleuchtet: sie besteht in der Überzeugung, daß die Qualität des Klerus von der Gründlichkeit der Ausbildung abhängt. Nun, zur Zeit von Kardinal Capranica fehlte eine sorgfältige Auswahl der Anwärter der heiligen Weihen: gelegentlich wurden sie in Literatur und Gesang, nicht aber in Theologie, Moral und Kirchenrecht geprüft, mit vorstellbaren negativen Folgen für die kirchliche Gemeinschaft. In den Statuten seines Kollegs machte der Kardinal es daher den Studenten der Theologie zur Auflage, die besten Autoren, insbesondere Thomas von Aquin, zu vertiefen; Studenten der Rechtswissenschaft mußten sich mit dem Studium der Lehre von Papst Innozenz III. befassen –, alle mit der aristotelischen Ethik. Da ihm der Unterricht des »Studium Urbis« nicht genügte, sorgte er für zusätzliche Stunden der Unterweisung, die von Fachleuten innerhalb des Kollegs selbst gehalten wurden. Diese Gestaltung des Studiums war eingeordnet in den Rahmen einer ganzheitlichen Ausbildung, mit der spirituellen Dimension als Mittelpunkt, die als Pfeiler die Sakramente der täglichen Eucharistie und der mindestens monatlichen Beichte hatte und von den von der Kirche vorgeschriebenen oder empfohlenen Frömmigkeitsübungen getragen war. Von großer Bedeutung war auch die Erziehung zur Nächstenliebe, sowohl im alltäglichen brüderlichen Leben als auch in der Betreuung der Kranken, wie auch das, was wir heute »pastorale Erfahrung« nennen. An Festtagen war nämlich vorgesehen, daß die Alumnen in der Kathedrale oder in anderen Kirchen am Ort Dienst taten. Einen wertvollen Beitrag zur Ausbildung leistete schließlich auch der Gemeinschaftsstil selbst, der durch die starke Beteiligung an den Entscheidungen hinsichtlich des Kollegslebens gekennzeichnet war.

Hier finden wir die gleiche grundlegende Entscheidung, die später – natürlich mit einem tieferen Sinn des Eingebundenseins in die Ortskirche – die diözesanen Seminare prägen wird, nämlich die Entscheidung für eine eingehende menschliche, kulturelle und spirituelle Ausbildung, die den Erfordernissen der jeweiligen Zeiten und Orte entspricht. Liebe Freunde, durch die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria und der hl. Agnes bitten wir den Herrn, daß das »Almo Collegio Capranica« seinen Weg in Treue zu seiner langen Tradition und den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils fortsetzen wird. Euch, liebe Alumnen, wünsche ich, eure Hingabe an Gott und die heilige Kirche jeden Tag aus tiefstem Herzen zu erneuern, euch immer mehr an Christus, den Guten Hirten, anzugleichen, der euch berufen hat, Ihm zu folgen und in seinem Weinberg zu arbeiten. Ich danke euch für diesen willkommenen Besuch, und mit der Versicherung meines Gebets erteile ich euch allen und den euch nahestehenden Personen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.

AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER RUMÄNIENS BEIM HL. STUHL,

MARIUS GABRIEL LAZURCA Samstag, 20. Januar 2007



Herr Botschafter!

Ich freue mich, Eure Exzellenz im Vatikan zur feierlichen Überreichung des Beglaubigungsschreibens zu empfangen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter Rumäniens beim Heiligen Stuhl akkredidiert werden. Ich wäre dankbar, wenn Sie dem Herrn Präsidenten Rumäniens, Seiner Exzellenz Traian Basescu, meine herzlichen Wünsche für seine Person sowie für das Glück und Wohlergehen des rumänischen Volkes übermitteln wollten. Ich bitte Gott, die Anstrengungen jedes einzelnen bei der Arbeit am Aufbau einer immer brüderlicheren und solidarischeren Nation zu begleiten.

Ihr Land, Herr Botschafter, hat sich zu Beginn dieses Jahres mit gutem Recht darüber gefreut, nach langjährigen Bemühungen offiziell in die Europäische Union aufgenommen zu sein. Der Heilige Stuhl, der, wie Sie selbst betont haben, seit langem enge und fruchtbare Beziehungen mit Rumänien unterhält, hat diese neue Situation mit Befriedigung aufgenommen, denn sie bestätigt jeden Tag mehr die Einheit, zu welcher der europäische Kontinent nach der langen, traurigen Periode der Trennung während des Kalten Krieges zurückgefunden hat. Ihr Land hat eine lange, lebendige und fruchtbare christliche Tradition in seiner Kultur und in dem Dynamismus der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und in deren aktiver Teilnahme am Leben der Gesellschaft. Beitrag Rumäniens für das Haus Europa Ich freue mich daher, daß Rumänien, das reich ist an dem »unleugbaren christlichen Erbe dieses Kontinents, das maßgeblich zur Gestaltung des Europas der Nationen und des Europas der Völker beigetragen hat« (Ansprache an das Diplomatische Korps, 8.1.2007; in O.R. dt. Dt 3,19 dt. Dt 3,1 dt. Dt 3, S. Dt 7 ff), seinen originalen Beitrag für das Haus Europa einbringen kann, damit dieses Europa nicht nur eine Wirtschaftsmacht und ein Großmarkt für Konsumgüter ist, sondern zu einem neuen politischen, kulturellen und geistigen Aufschwung finden möge, der eine vielversprechende Zukunft für die jungen Generationen aufzubauen vermag. Wie ich kürzlich dem Diplomatischen Korps in Erinnerung gerufen habe: »Nur wenn die menschliche Person geachtet wird, ist es möglich, den Frieden zu fördern, und nur, wenn der Frieden errichtet wird, werden die Grundlagen für einen authentischen ganzheitlichen Humanismus gelegt. Hier findet die Sorge so vieler unserer Zeitgenossen gegenüber der Zukunft eine Antwort« (ebd.).

Seit Jahren bemüht sich Ihr Land aktiv um eine tiefgreifende Erneuerung und Umgestaltung der Gesellschaft und ist darauf bedacht, die Wunden der Vergangenheit zu heilen und es allen zu ermöglichen, sich der Grundfreiheiten zu erfreuen und in den Genuß des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts zu gelangen. Ich freue mich darüber und ermutige die politisch Verantwortlichen, sorgfältig auf die Bedürfnisse einer tatkräftigen Solidarität zwischen allen Schichten der Bevölkerung zu achten, um zu vermeiden, daß durch die Globalisierung ein immer größerer Graben aufbricht zwischen den Bürgern, die mit gutem Recht Zugang zu den Wohltaten der wirtschaftlichen Entwicklung haben, und denjenigen, die sich zunehmend an den Rand gedrängt, ja aus diesem Prozeß überhaupt ausgeschlossen sehen, wie man das leider in vielen modernen Gesellschaften beobachtet. Ebenso notwendig ist es, allen den gleichen Zugang zu einer unabhängigen und transparenten Justiz zu garantieren, die in der Lage ist, wirksam gegen all jene vorzugehen, die das Gemeinwohl nicht achten oder die Gesetze zu ihrem eigenen Vorteil manipulieren. In dieser Perspektive wünsche ich auch eine erneuerte Sorge für die ärmeren Familien, damit sie ihre Kinder in Würde aufwachsen lassen können.

Ich freue mich auch über die Fortschritte, die Ihre Regierung in dem delikaten Umgang mit der Rückerstattung der bei den Religionsgemeinschaften konfiszierten Güter gemacht hat. Es ist eine langwierige, von der Justiz und der Gerechtigkeit gebotene Arbeit, die es allen anerkannten Religionen ermöglichen soll, ihren legitimen Platz in der rumänischen Gesellschaft zu finden. Desgleichen wünsche ich mir, daß die Vorschriften zur Regelung der Religionsfreiheit, die ein Grundrecht darstellt, voll respektiert werden, insbesondere was die griechisch-katholische Kirche anbelangt. Ich weiß, daß die katholische Kirche ihrerseits immer bereit ist, mit den zuständigen Behörden in einem Geist des Dialogs die Möglichkeiten zu prüfen, um eventuelle Schwierigkeiten, die in den gegenseitigen Beziehungen auftauchen können, zu überwinden. Das wird für den sozialen Frieden sehr hilfreich sein. In diesem Zusammenhang muß ich allerdings meine Beunruhigung hinsichtlich des Falls der Sankt Josefs- Kathedrale in Bukarest zum Ausdruck bringen, zu deren Gunsten das Erzbistum Bukarest bei den zuständigen staatlichen Stellen zahlreiche Schritte unternommen hat, um das historische Erbe, das die Kathedrale darstellt, und die Glaubenswerte, für die sie steht, nicht nur für die katholische Gemeinschaft, sondern für die ganze rumänische Bevölkerung zu bewahren.

Der Besuch von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1999 in Ihrem Land hat, wie Sie sagten, »die Herzen und den Geist der Rumänen« geprägt. Er hat insbesondere einen neuen Aufschwung der Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und der rumänisch-orthodoxen Kirche ermöglicht. Während ich Seine Seligkeit Teoctist, den orthodoxen Patriarchen Rumäniens, der seinerseits die Kirche von Rom im Jahr 2002 besucht hat, durch Ihre Vermittlung herzlich grüßen lasse, spreche ich den Wunsch aus, daß die katholischen und die orthodoxen Gläubigen weiter immer brüderlichere Beziehungen im Alltagsleben knüpfen und daß ebenso auf allen Ebenen die Gelegenheiten zum Dialog vorankommen mögen. Ganz besonders wünsche ich mir, daß die Europäische Ökumenische Versammlung, die im kommenden September in Sibiu stattfinden soll, eine wichtige Etappe auf dem gemeinsam eingeschlagenen Weg zur Einheit darstellen könne.

Gestatten Sie mir, daß ich auch die um ihre Hirten vereinte katholische Gemeinschaft Rumäniens grüße. Sie hatte, wie mein Vorgänger sagte, »die providentielle Gelegenheit, seit Jahrhunderten die beiden Traditionen, die lateinische und die byzantinische, sich nebeneinander entwickeln zu sehen; zusammen verschönern sie das Antlitz der einen Kirche« (Johannes Paul II., Ansprache an die Bischöfe Rumäniens bei ihrem Ad limina-Besuch, 1. März 2003); dieser Umstand verpflichtet sie, besonders von der katholischen Einheit Zeugnis zu geben, und qualifiziert sie in ganz besonderer Weise dazu, für den Ökumenismus zu arbeiten. Ich weiß, daß die katholischen Gläubigen besonders auf geistiger und sozialer Ebene aktiv am Leben des Landes teilnehmen, und ich ermutige sie lebhaft, den unersetzlichen Platz, den die Familie in der Gesellschaft hat, mutig zu bezeugen.

In diesem Augenblick, da Eure Exzellenz Ihr Amt beim Heiligen Stuhl offiziell antreten, spreche ich Ihnen meine besten Wünsche für die erfolgreiche Erfüllung Ihrer Mission aus. Seien Sie gewiß, Herr Botschafter, bei meinen Mitarbeitern stets aufmerksames Entgegenkommen und freundliches Verständnis zu finden.

Auf Sie selbst, auf Ihre Familie, auf Ihre Mitarbeiter an der Botschaft und auf das ganze rumänische Volk rufe ich von ganzem Herzen die Fülle des göttlichen Segens herab.
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AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DER

PÄPSTLICHEN KOMMISSION FÜR LATEINAMERIKA Clementina-Saal

Samstag, 20. Januar 2007

Meine Herren Kardinäle,

liebe Brüder im Bischofsamt!

Es ist für mich eine Freude, die Berater und Mitglieder der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, die zu ihrer Vollversammlung zusammengekommen sind, zu empfangen und von Herzen zu begrüßen. Ihrem Präsidenten, Kardinal Giovanni Battista Re, danke ich für seine freundlichen Worte, die den Empfindungen von euch allen und dem tiefen Wunsch Ausdruck geben, euren Eifer zu erneuern, der pilgernden Kirche in Lateinamerika »cum Petro et sub Petro« zu dienen, nach dem Vorbild Christi, dem Guten Hirten, der seine Schafe liebt und sich für sie hingibt.

In Anbetracht der Herausforderungen, die sich für die Evangelisierung zu Beginn dieses dritten Jahrtausends stellen, wurde als Gegenstand der Reflexion dieses Treffens das Thema »Familie und christliche Erziehung in Lateinamerika« gewählt, dies in besonderem Einklang mit dem unvergeßlichen Internationalen Familientreffen, das im vergangenen Sommer in Valencia, Spanien, stattgefunden hat. Es war ein schönes Ereignis, das ich mit den katholischen Familien aus aller Welt, von denen viele aus Lateinamerika kamen, teilen konnte.

Eure Anwesenheit hier erinnert mich an die V. Generalversammlung des Lateinamerikanischen und Karibischen Episkopats, die ich in Aparecida, Brasilien, einberufen habe und mit Freude eröffnen werde. Den Heiligen Geist, der seiner Kirche stets beisteht, bitte ich, daß die Herrlichkeit Gottes, des barmherzigen Vaters, und die österliche Gegenwart seines Sohnes die Arbeiten dieses wichtigen kirchlichen Ereignisses erleuchten und lenken möge, damit es Zeichen, Zeugnis und Kraft der Gemeinschaft für die gesamte Kirche in Lateinamerika sei.

Wie die vier vorherigen ist auch diese Konferenz dazu berufen, der Evangelisierung neuen Impuls zu geben in dieser weiten, überwiegend katholischen Region der Welt, in der ein Großteil der Gemeinschaft der Gläubigen lebt. Die Heilsbotschaft muß vollständig verkündet werden, damit sie die Wurzeln der Kultur durchtränken und im heutigen geschichtlichen Moment Lateinamerikas Fleisch annehmen kann, um besser ihren Bedürfnissen und legitimen Erwartungen zu entsprechen.

Gleichzeitig muß die Würde jedes Menschen stets als grundlegendes Kriterium sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Projekte anerkannt und verteidigt werden, damit sie nach dem Plan Gottes zur Entwicklung der Geschichte beitragen. Die lateinamerikanische Geschichte bietet effektiv zahlreiche Zeugnisse von Männern und Frauen, die Christus auf radikale Art und Weise treu gefolgt sind und – von jenem alles verzehrenden göttlichen Feuer erfüllt – die christliche Identität ihrer Völker geprägt haben. Ihr Leben ist ein Vorbild und eine Aufforderung, ihrem Beispiel zu folgen.

Die lateinamerikanische Kirche steht vor enormen Herausforderungen: der kulturelle Wandel, erzeugt von einer sozialen Kommunikation, die Denkweisen und Gewohnheiten von Millionen Menschen bedingt; Migrationsströme mit zahlreichen Auswirkungen auf das Familienleben und die religiöse Praxis in der neuen Umgebung; wiederauftauchende Fragen, wie die Völker ihr geschichtliches Erbe und ihre demokratische Zukunft annehmen müssen; Globalisierung, Säkularismus, wachsende Armut und Umweltschäden vor allem in den Großstädten wie auch Gewalt und Drogenhandel.

Angesichts all dessen erkennen wir die Dringlichkeit einer Neuevangelisierung, die uns dazu treibt, die Werte unseres Glaubens zu vertiefen, damit sie Lebenssaft seien und die Identität dieser geliebten Völker formen, die einst das Licht des Evangeliums empfangen haben. Das gewählte Thema für die Reflexionen dieser Konferenz ist daher ein angemessener Leitfaden: »Jünger und Missionare Jesu Christi, damit unsere Völker in ihm das Leben haben«. Die V. Generalversammlung muß in der Tat dafür sorgen, daß jeder Christ ein wahrer Jünger Jesu Christi werde, von ihm ausgesandt als Apostel, und – wie Papst Johannes Paul II. gesagt hat – als Apostel »gewiß nicht einer Re-Evangelisierung, sondern vielmehr einer Neu-Evangelisierung. Neu in ihrem Eifer, in ihren Methoden und in ihrer Ausdrucksweise«, damit sich die Frohbotschaft im Leben und im Bewußtsein aller Menschen Lateinamerikas verwurzle (vgl. Ansprache bei der Eröffnung der 19. Versammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates, Port-au-Prince, Haiti, 9. März 1983).

Liebe Brüder, die Männer und Frauen Lateinamerikas dürsten sehr nach Gott. Wenn man im Leben der Gemeinschaften das Gefühl hat, eine Waise Gottvaters zu sein, dann wird die Arbeit der Bischöfe, der Priester und der anderen Pastoralarbeiter lebenswichtig, die wie Christus die Tatsache bezeugen, daß Gottvater stets die in seinem Sohn offenbarte fürsorgende Liebe ist. Wenn sich der Glaube nicht vom Gebet und von der Betrachtung des göttlichen Wortes nährt, wenn das sakramentale Leben stockt, dann gedeihen Sekten und neue pseudo-religiöse Gruppen, die zahlreiche Katholiken veranlassen, sich von der Kirche zu entfernen. Wenn ihre tiefsten Wünsche keine Antworten erhalten, Antworten, die sie in dem gemeinsamen Glaubensleben finden könnten, entstehen auch Situationen spiritueller Leere. Grundlegend für das Werk der Evangelisierung ist es, stets daran zu erinnern, daß der Vater und der Sohn zu Pfingsten den Heiligen Geist ausgesandt haben und daß eben dieser Geist dem Leben der Kirche weiterhin Antrieb gibt. Wesentlich ist daher das Gefühl der Zugehörigkeit zur Kirche, wo der Christ wachsen und reifen kann in der Gemeinschaft mit seinen Brüdern, Kinder desselben Gottes und Vaters.

»Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich« (Jn 14,6). Wie mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben Ecclesia in America schrieb, »ist Jesus Christus die endgültige Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens und auf die grundlegenden offenen Fragen, die auch heutzutage so viele Menschen des amerikanischen Kontinents beschäftigen « (Nr. 10). Nur wenn sie ihre Liebe zu Jesus Christus intensiv leben und sich dem karitativen Dienst hochherzig widmen, werden seine Jünger beredte und glaubhafte Zeugen jener unermeßlichen Liebe sein, die Gott jedem Menschen entgegenbringt. Indem sie mit der gleichen Liebe Gottes lieben, werden sie so zur Umformung der Welt beitragen und in ihr eine neue Zivilisation errichten, die der geliebte Papst Paul VI. zu Recht »die Zivilisation der Liebe« (vgl. Ansprache zum Abschluß des Heiligen Jahres, 25. Dezember 1975) nannte.

Wesentlich für die Zukunft der Kirche in Lateinamerika und in der Karibik ist, daß die Christen die den Jüngern Jesu eigene Lebensweise vertiefen und annehmen: ein einfaches und freudiges Leben mit einem festen, tief in ihren Herzen verwurzelten und von dem Gebet und den Sakramenten genährten Glauben. Vor allem nährt sich der christliche Glaube von der sonntäglichen Feier der Eucharistie, in der sich eine gemeinschaftliche, einzigartige und besondere Begegnung mit Christus, mit seinem Leben und Wort verwirklicht.

Der wahre Jünger wächst und reift in der Familie, in der Gemeinschaft der Pfarrei und der Diözese; er wird zum Missionar, wenn er die Person Christi und sein Evangelium in allen Bereichen verkündet: in der Schule, der Wirtschaft, der Kultur, der Politik und den sozialen Kommunikationsmitteln. Vor allem die häufig auftretenden Phänomene der Ausbeutung und Ungerechtigkeit, der Korruption und Gewalttätigkeit sind ein dringender Aufruf an die Christen, ihren Glauben konsequent zu leben, um eine sorgfältige Bildung in Lehre und Spiritualität bemüht zu sein und so zum Aufbau einer gerechteren, menschlicheren und christlichen Gesellschaft beizutragen.

Es ist eine wichtige Pflicht, die Christen zum Einsatz zu ermutigen, von ihrem Geist des Glaubens und der Liebe beseelt unermüdlich den in Armut oder in den sich selbst überlassenen peripheren Zonen lebenden Menschen neue Gelegenheiten zu bieten, damit sie aktive Protagonisten ihrer eigenen Entwicklung werden können, indem ihnen eine Botschaft des Glaubens, der Hoffnung und Solidarität gebracht wird.

Abschließend komme ich zum Thema eures in diesen Tagen stattfindenden Treffens über die christliche Familie zurück, jenen besonderen Bereich für das Leben und die Weitergabe des Glaubens und der Tugenden. In der häuslichen Umgebung wird der Schatz des Glaubens bewahrt; hier wird den Kindern das Geschenk des Lebens zuteil, hier fühlen sie sich geliebt so, wie sie sind, und lernen die Werte kennen, die ihnen helfen werden, als Kinder Gottes zu leben. Wenn die Familie das Geschenk des Lebens annimmt, wird sie so der geeignete Raum, um auf das Geschenk der Berufung zu antworten (vgl. Angelus, Valencia, 8. Juli 2006), vor allem jetzt, da so dringend die Notwendigkeit zu spüren ist, daß der Herr Arbeiter für seine Ernte sendet.

Bitten wir Maria, Vorbild als Mutter in der Heiligen Familie und Mutter der Kirche, Stern der Evangelisierung, die kirchlichen Gemeinschaften Lateinamerikas und der Karibik mit ihrer mütterlichen Fürsprache zu lenken und den Teilnehmern an der V. Generalversammlung zu helfen, die geeignetsten Wege zu finden, damit jene Völker das Leben in Christus haben und in dem sogenannten »Kontinent der Hoffnung« eine Zukunft aufbauen, die eines jeden Mannes und einer jeden Frau würdig ist. Euch alle bestärke ich in eurer Arbeit und erteile von Herzen meinen Apostolischen Segen.

AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER DER REPUBLIK MONTENEGRO, ANTUN SBUTEGA Montag, 22. Januar 2007


Herr Botschafter!

Es ist für mich Anlaß zu besonderer Freude, das Schreiben entgegenzunehmen, mit dem Seine Exzellenz Herr Filip Vujanovic, Präsident der Republik Montenegro, Sie als ersten Botschafter beim Apostolischen Stuhl akkreditiert. Seien Sie willkommen! Die heutigen Empfindungen des Nachfolgers Petri haben einen weit in die Zeit zurückreichenden Ursprung und nähren sich von einem Gedächtnis, das einen in den Jahrhunderten nie unterbrochenen Dialog zwischen der montenegrinischen Bevölkerung und dem Bischof von Rom erneut aufnimmt. Durch Sie, Herr Botschafter, möchte ich zunächst dem Herrn Präsidenten der Republik, mit dem ich vor kurzem zusammentreffen konnte, meine aufrichtige Genugtuung aussprechen; gleiches gilt für die anderen Autoritäten des Staates und die ganze Zivilgesellschaft von Montenegro, die in ihrer ethnischen Pluralität einen direkten und herzlichen Dialog mit dem Heiligen Stuhl hat aufnehmen wollen.

Wie Sie wissen, hat die Frohe Botschaft die Lande, die heute die Republik bilden, zu der Sie gehören, schon zu apostolischen Zeiten erreicht. Diese Bande geistlicher Art wurden durch das Apostolat der Benediktinermönche weiter verstärkt, so daß es während des Pontifikats des großen Papstes Gregor VII. zur öffentlichen Anerkennung der Unabhängigkeit des Reiches der Duklja kam, als Fürst Mihailo vom Stuhl Petri die Königsinsignien erhielt. Im Laufe der wechselhaften Ereignisse der Jahrhunderte haben die im heutigen Crna Gora lebenden Völker stets ein dynamisches und freundschaftliches Verhältnis zu ihren Nachbarvölkern bewahrt und auf diese Weise interessante Beiträge zum Leben verschiedener Nationen Europas geleistet, darunter nicht zuletzt Italien, dem sie im vergangenen Jahrhundert sogar eine Königin stellten.

Die alten Dokumente sprechen von einem fruchtbaren Dialog zwischen dem Apostolischen Stuhl und Fürst Nikola von Montenegro; dieser Dialog führte 1886 zum Abschluß eines Abkommens, durch das für die geistlichen Bedürfnisse der katholischen Bürger gesorgt wurde, die von der damaligen Hauptstadt Cetinje abhingen. Die Weitsicht der von diesem Staatsoberhaupt gefaßten Beschlüsse in bezug auf die Anerkennung der Rechte eines Teils seiner Mitbürger löst heute noch unsere Bewunderung aus und hebt die Notwendigkeit hervor, die objektiven Anforderungen der religiösen Praxis eines jeden Menschen gebührend zu berücksichtigen. Jedem Katholiken sind die Vorrechte des Staates wohl bekannt, gleichzeitig aber ist er sich ebenso seiner Pflichten gegenüber den Geboten des Evangeliums bewußt. Herr Botschafter, denkt man über die vergangenen Jahrhunderte nach, als die evangelische Heilsbotschaft das Gebiet von Montenegro erreichte und die östliche und westliche Tradition umfaßte, so kennzeichnete sich Ihr Vaterland immer als bevorzugter Ort jener ökumenischen Begegnung, die sich alle wünschen. Auch die Begegnung zwischen Christen und Muslimen fand in Montenegro überzeugende Formen der Verwirklichung.

Man muß auf diesem Weg vorangehen, und die Kirche hofft, daß auf ihm alle zusammenkommen, um ihre Bemühungen im Dienst des angeborenen Adels des Menschen zu vereinen. Die Kirche betrachtet dies in der Tat als einen bedeutenden Teil ihres Auftrags im Dienst am Menschen in der Gesamtheit seines Denkens, Tuns und Planens unter Achtung der Traditionen, die ein Land als solches identifizieren. Ich bin sicher, daß Montenegro es auf europäischer Ebene nicht an einem aktiven Beitrag sowohl im zivilen als auch im politischen, sozialen, kulturellen und religiösen Bereich fehlen lassen wird.

Eine der Prioritäten, über die die neue unabhängige, von Ihnen vertretene Republik gegenwärtig mit Sicherheit nachdenkt, ist die Stärkung des Rechtsstaats in den unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens durch das Ergreifen von Maßnahmen, die den tatsächlichen Genuß all jener Rechte gewährleisten, die in den grundlegenden Gesetzen des Staates vorgesehen sind. Dies wird in den Bürgern das Wachstum des sozialen Vertrauens fördern, und es wird ihnen ermöglicht, sich frei zu fühlen, ihre gerechtfertigten Ziele zu verfolgen, dies sowohl als einzelne als auch im Rahmen der Gemeinschaften, zu denen sie sich ihrem Entschluß folgend zusammengeschlossen haben. Das wird sich dann in eine allgemeine Reifung in der Kultur der Legalität umsetzen.

Montenegro gehört zur Familie der europäischen Nationen, zu deren Gunsten es – trotz seiner kleinen Ausmaße – seinen großherzigen Beitrag geleistet hat und weiter leisten möchte. Die vor über einem Jahrhundert realisierte volle Anerkennung der Existenz und der Zielsetzungen der katholischen Gemeinschaft im Kontext der montenegrinischen Gesellschaft erwies sich als nützlich für die Souveränität des Staates und willkommen für die spezifische Sendung der Kirche. Wie könnte man nicht in Anbetracht jener spezifischen historischen Umstände auf die respektvolle Haltung der orthodoxen Kirche jener Zeit hinweisen, die sich einer Einigung mit dem Apostolischen Stuhl nicht widersetzte? Sie erkannte vielmehr in diesem Schritt ein nützliches Mittel, um dem Volk in seinen spirituellen Bedürfnissen zu helfen. Es ist zu wünschen, daß sich diese christliche Einstellung weiterentfalten kann.

Wie in der Vergangenheit möchte der Apostolische Stuhl auch heute seine Wertschätzung, Zuneigung und Achtung für die edlen Völker in Montenegro bekräftigen, dies auch durch die Fortführung eines brüderlichen Dialogs mit der Orthodoxie, die im Land so präsent und lebendig ist. Die tausendjährigen Beziehungen gegenseitiger Hochachtung bezeugen diese Einstellung. Auch heute muß man diese konstruktive Haltung vertiefen, um den Völkern, die Sie hier heute würdig vertreten, bestmöglich zu dienen. Mit großer geistiger Aufgeschlossenheit schauen sie zugleich nach Osten und nach Westen und bilden eine Brücke zwischen der einen und der anderen Sphäre. Wie in vergangenen Jahrhunderten ist es möglich, in großer Herzlichkeit jene Vereinbarungen zu treffen, die von Vorteil sind für das Land und die katholische Gemeinschaft, ohne im mindesten die berechtigten Ansprüche anderer Religionsgemeinschaften zu verletzen. Das ist der Weg, den das heutige Europa eingeschlagen hat und den Ihr Land mit so viel Hoffnung gehen möchte.

Herr Botschafter, das Beglaubigungsschreiben, das Sie mir heute vorlegen, ist ein Zeichen des positiven Willens, mit der eigenen, spezifischen Identität zum internationalen Leben beizutragen. In diesem Sinne werden Sie im Apostolischen Stuhl einen Gesprächspartner finden, der die Geschichte, die Gegenwart und die Wünsche Ihres Volkes gut kennt. Bei mir und meinen qualifizierten Mitarbeitern werden Sie auf der Grundlage der tausendjährigen, herzlichen gegenseitigen Beziehungen Aufmerksamkeit und Beachtung finden. Ich bitte Sie, den Sie akkreditierenden Autoritäten meine Hochachtung und Dankbarkeit zu übermitteln und meine aufrichtigen Wünsche für Wohlstand, Frieden und Fortschritt für alle Einwohner von Montenegro weiterzugeben, auf die ich die Fülle des Segens des Allerhöchsten herabrufe.

AN DIE MITGLIEDER DES ORDENTLICHEN RATES

DER BISCHOFSSYNODE Donnerstag, 25. Januar 2007



Liebe und verehrte Brüder!

Danke für euren Besuch. Ich begrüße euch alle herzlich, angefangen beim Generalsekretär der Bischofssynode, dem ich für die Worte danke, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat. Unter seiner Leitung habt ihr euch zum fünften Mal versammelt, um den Weisungen zu entsprechen, die im Anschluß an die XI. Ordentliche Generalversammlung vorgesehen sind, und um mit den Vorbereitungen auf die nächste Versammlung zu beginnen. Ich empfange euch mit dem Gruß des Völkerapostels, dessen außerordentlicher Bekehrung wir heute gedenken: »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus« (1Co 1,3). Jesus ist der oberste Hirte der Kirche, und in seinem Namen und Auftrag tragen wir Sorge, seine Herde zu behüten, mit voller Verfügbarkeit bis hin zur völligen Hingabe unseres Lebens.

Die kommende XII. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode wird unter dem Thema stehen: »Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche«. Niemandem entgeht die Wichtigkeit eines solchen Themas, das im übrigen aus der Befragung der Hirten der Teilkirchen als das am häufigsten verlangte Thema hervorgegangen ist. Schon seit langem ist dies ein erwünschtes Thema. Und das ist leicht zu verstehen, denn das geistliche Wirken, das das Leben und die Sendung der Kirche zum Ausdruck bringt und nährt, gründet notwendigerweise auf dem Wort Gottes. Das Wort Gottes, das für alle Jünger des Herrn bestimmt ist – wie uns die Gebetswoche für die Einheit der Christen in Erinnerung gerufen hat ,– erfordert darüber hinaus besondere Verehrung und Gehorsam, damit es auch als dringender Aufruf zur vollen Gemeinschaft derer, die an Christus glauben, aufgenommen wird.

Über das oben genannte Thema habt ihr mit Einsatz gearbeitet, und ihr seid bereits bei der Endphase der Abfassung der »Lineamenta« angelangt, einem Dokument, das Antwort geben will auf das von den Hirten sehr stark wahrgenommene Bedürfnis, den Kontakt mit dem Wort Gottes in der Betrachtung und im Gebet immer mehr zu fördern. Ich bin euch dankbar für die anerkennenswerte Arbeit, die ihr gemeinsam mit dem Generalsekretariat der Bischofssynode und einer kompetenten Gruppe von Fachleuten jetzt zum Abschluß bringt. Und sehr interessant fand ich die kurze Exposition, die Sie mir gegeben haben und der ich eure Arbeit entnehmen konnte. Ich bin sicher, daß die »Lineamenta«, wenn sie erst einmal veröffentlicht sind, als wertvolles Instrument dienen werden, damit die ganze Kirche die Thematik der nächsten Synodenversammlung vertiefen kann. Ich wünsche von Herzen, daß dies dabei helfen möge, die Wichtigkeit des Wortes Gottes im Leben eines jeden Christen und einer jeden kirchlichen wie auch zivilen Gemeinschaft wiederzuentdecken, auch den missionarischen Dynamismus neu zu entdecken, der dem Wort Gottes innewohnt. Es ist, wie der Brief an die Hebräer in Erinnerung ruft, lebendig und kraftvoll (vgl. 4,12), und es erleuchtet unseren Weg auf der irdischen Pilgerfahrt hin zur vollen Erfüllung des Reiches Gottes.

Vielen Dank noch einmal, liebe Brüder, für euren heutigen Besuch. Ich versichere euch eines besonderen Gebetsgedenkens für eure Anliegen und rufe auf euch den mütterlichen Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria herab, die der Welt Jesus Christus gebar, das fleischgewordene lebendige Wort. Als Zeichen der Dankbarkeit und als Wunsch des Beistandes des Heiligen Geistes bei der kommenden Beratung der universalen Kirche erteile ich euch allen den Apostolischen Segen und schließe darin gerne auch diejenigen ein, die eurer Hirtensorge anvertraut sind.
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