Benedikt XVI Predigten 98

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AN DIE MITGLIEDER DES GERICHTSHOFES DER RÖMISCHEN ROTA ANLÄSSLICH DER ERÖFFNUNG DES GERICHTSJAHRES Clementina-Saal

Samstag, 27. Januar 2007




Liebe Richter, Offiziale und Mitarbeiter des Gerichtshofes der Römischen Rota!

Es ist mir eine besondere Freude, euch erneut anläßlich der Eröffnung des Gerichtsjahres zu begegnen. Ich begrüße sehr herzlich das Kollegium der Richter, angefangen beim Dekan, Bischof Antoni Stankiewicz, dem ich für die Worte danke, mit denen er unsere Begegnung eingeleitet hat. Dann begrüße ich die Offiziale, die Anwälte und die anderen Mitarbeiter dieses Gerichtshofes sowie die Mitglieder des »Studio Rotale« und alle Anwesenden. Ich ergreife gern die Gelegenheit, um euch erneut meine Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen und gleichzeitig die große Bedeutung eures kirchlichen Amtes in einem so wichtigen Bereich wie dem der Justiz noch einmal zu betonen. Ich bin mir der wertvollen Arbeit bewußt, die ihr im Namen und im Auftrag des Apostolischen Stuhles mit Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit auszuführen berufen seid. Eure delikate Aufgabe des Dienstes an der Wahrheit in der Gerechtigkeit wird gestützt von den ehrwürdigen Traditionen dieses Gerichtshofes, zu deren Achtung jeder von euch sich persönlich verpflichtet fühlen muß.

Im vorigen Jahr, bei meiner ersten Begegnung mit euch, habe ich versucht, Wege darzulegen, um die scheinbare Gegensätzlichkeit zwischen der Einrichtung des Ehenichtigkeitsprozesses und dem echten pastoralen Anliegen zu überwinden. In dieser Hinsicht trat die Liebe zur Wahrheit als Konvergenzpunkt zwischen der den Prozeß betreffenden Untersuchung und dem pastoralen Dienst an den Menschen hervor. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß in den Ehenichtigkeitsverfahren die den Prozeß betreffende Wahrheit die »Wahrheit der Ehe« selbst voraussetzt. Der Ausdruck »Wahrheit der Ehe« verliert jedoch seine existentielle Relevanz in einem kulturellen Kontext, der vom Relativismus und vom Rechtspositivismus geprägt ist, die die Ehe als eine bloße gesellschaftliche Formalisierung der affektiven Bande betrachten. Infolgedessen wird die Ehe nicht nur kontingent, so wie es die menschlichen Gefühle sein können, sondern sie erscheint als eine rechtliche Überstruktur, die der menschliche Wille nach Gutdünken manipulieren und sogar seiner heterosexuellen Natur berauben könnte.

Diese Sinnkrise der Ehe macht sich auch in der Denkweise vieler Gläubiger bemerkbar. Die praktischen Auswirkungen dessen, was ich als »Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches« in bezug auf die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils bezeichnet habe (vgl. Ansprache an das Kardinalskollegium und die Mitglieder der Römischen Kurie beim Weihnachtsempfang, 22.12.2005; in O.R. dt Dt 2, v. 13.1.2006, S. 10), sind im Bereich der Ehe und der Familie besonders stark zu spüren. In der Tat nehmen einige an, daß die Lehre des Konzils über die Ehe und konkret die Beschreibung dieser Institution als »intima communitas vitae et amoris« (Pastorale Konstitution Gaudium et spes GS 48) dazu führen müsse, die Existenz eines unauflöslichen Ehebandes zu leugnen, da es sich dabei um ein »Ideal« handle, zu dem die »normalen Christen« nicht »verpflichtet« werden könnten. Auch in gewissen kirchlichen Kreisen hat sich nämlich die Überzeugung verbreitet, der zufolge das pastorale Wohl der Menschen in irregulärer ehelicher Situation einer Art kanonischer Regulierung bedürfe, unabhängig von der Gültigkeit oder Nichtigkeit ihrer Ehe, unabhängig also von der »Wahrheit« über ihre persönliche Lebenssituation. Der Weg der Ehenichtigkeitserklärung wird als Rechtsmittel betrachtet, um dieses Ziel zu erreichen, dies in der Folge einer Logik, in der das Recht zur Formalisierung subjektiver Forderungen wird. Diesbezüglich muß vor allem unterstrichen werden, daß das Konzil die Ehe gewiß als »intima communitas vitae et amoris« beschreibt; gemäß der Tradition der Kirche aber wird diese Gemeinschaft durch eine Gesamtheit von Prinzipien göttlichen Rechts bestimmt, die ihren wahren und bleibenden anthropologischen Sinn festlegen (vgl. ebd.).

In treuer hermeneutischer Kontinuität mit dem Konzil bewegten sich dann das Lehramt Pauls VI. und Johannes Pauls II. wie auch die Herausgabe der »Codices«, des lateinischen »Codex« ebenso wie des Gesetzbuches der katholischen Ostkirchen. Von diesen Instanzen wurden nämlich, auch hinsichtlich der Ehelehre und der Ehedisziplin, die Bemühungen um die »Reform« oder um die »Erneuerung unter Wahrung der Kontinuität « vorangebracht (vgl. Ansprache an das Kardinalskollegium und die Mitglieder der Römischen Kurie beim Weihnachtsempfang, 22.12.2005; in O.R. dt Dt 2, v. 13.1.2006, S. 11). Diese Bemühungen haben sich auf der Grundlage der unbestrittenen Voraussetzung entwickelt, daß die Ehe eine eigene Wahrheit besitzt, zu deren Entdeckung und Vertiefung Vernunft und Glaube gemeinsam harmonisch beitragen: also die vom Wort Gottes erleuchtete menschliche Erkenntnis über den geschlechtlichen Unterschied zwischen Mann und Frau, mit ihrem tiefen Verlangen nach gegenseitiger Ergänzung, endgültiger Hingabe und Ausschließlichkeit.

Die anthropologische und heilbringende Wahrheit der Ehe wird – auch in ihrer rechtlichen Dimension – bereits in der Heiligen Schrift dargelegt. Die Antwort Jesu gegenüber jenen Pharisäern, die ihn nach seiner Meinung fragten in bezug auf die Rechtmäßigkeit des Entlassens der Frau aus der Ehe, ist sehr gut bekannt: »Habt ihr nicht gelesen, daß der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Frau geschaffen hat und daß er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein? Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen« (Mt 19,4–6). Die Zitate aus dem Buch Genesis (1,27; 2,24) zeigen die eheliche Wahrheit des »Anfangs« wieder auf, jene Wahrheit, deren Fülle sich auf die Vereinigung Christi mit der Kirche bezieht (vgl. Eph 5,30–31) und die Gegenstand so umfassender und tiefer Reflexionen von seiten Papst Johannes Pauls II. in seinen Katechesereihen über die menschliche Liebe im göttlichen Heilsplan gewesen ist. Von dieser dualen Einheit des menschlichen Paares ausgehend kann man eine echte Rechtsanthropologie der Ehe ausarbeiten. In diesem Sinne sind die abschließenden Worte Jesu besonders erleuchtend: »Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.« Gewiß ist jede Ehe Frucht des freien Willens des Mannes und der Frau, aber ihre Freiheit setzt die ihrer Männlichkeit bzw. Weiblichkeit innewohnende natürliche Fähigkeit in die Tat um. Die Vereinigung geschieht kraft des Planes Gottes, der sie als Mann und Frau geschaffen hat und der ihnen die Macht verleiht, diese natürlichen, einander ergänzenden Dimensionen ihrer Personen für immer zu vereinen. Die Unauflöslichkeit der Ehe hängt nicht von der endgültigen Verpflichtung der Kontrahenten ab, sondern sie gehört zum Wesen des »mächtigen Bandes, das vom Schöpfer festgelegt wurde« (Johannes Paul II., Katechese vom 21.11.1979, 2; O.R. dt Dt 48, S. 2). Die Partner müssen sich endgültig verpflichten, eben weil die Ehe im Schöpfungs- und Erlösungsplan so beschaffen ist. Und die wesentliche rechtliche Natur der Ehe liegt eben in diesem Band, das für den Mann und für die Frau eine Erfordernis der Gerechtigkeit und der Liebe darstellt, der sie sich, zu ihrem eigenen Wohl und zum Wohl aller, nicht entziehen können, ohne im Widerspruch zu dem zu stehen, was Gott selbst an ihnen getan hat.

Es ist nötig, diesen Aspekt zu vertiefen, und zwar nicht nur in Anbetracht eurer Aufgabe als Kanonisten, sondern auch, weil das Gesamtverständnis der Institution der Ehe auch Klarheit in bezug auf seine rechtliche Dimension einschließen muß. Die Auffassungen über das Wesen der ehelichen Beziehung können jedoch radikal voneinander abweichen. Für den Positivismus wäre die rechtliche Natur der ehelichen Beziehung nichts weiter als das Resultat der Anwendung einer menschlichen Norm, die formal gültig und wirksam ist. Auf diese Weise steht die menschliche Wirklichkeit des ehelichen Lebens und der ehelichen Liebe außerhalb der »Rechtsinstitution« Ehe. Es entsteht eine Kluft zwischen Recht und menschlichem Leben, die jede Möglichkeit einer anthropologischen Grundlegung des Rechts radikal ausschließt.

Ganz anders ist die traditionelle Auffassung der Kirche in bezug auf das Verständnis der rechtlichen Dimension der ehelichen Vereinigung, die der Lehre Jesu, der Apostel und der Kirchenväter folgt. Der hl. Augustinus zum Beispiel zitiert den hl. Paulus und sagt mit Nachdruck: »Cui fidei [coniugali] tantum iuris tribuit Apostolus, ut eam potestatem appellarent, dicens: Mulier non habet potestatem corporis sui, sed vir; similiter autem et vir non habet potestatem corporis sui, sed mulier (1Co 7,4)« (De bono coniugali 4,4). Der hl. Paulus, der im Brief an die Epheser das »mystérion mega« der ehelichen Liebe in seiner Beziehung zur Vereinigung Christi mit der Kirche so tiefgreifend darlegt (5,22–31), zögert nicht, auf die Ehe die stärksten Rechtsbegriffe anzuwenden, um die rechtliche Bindung darzulegen, die die Eheleute in ihrer sexuellen Dimension miteinander vereint. So ist auch für den hl. Augustinus in jedem der drei Güter (»proles«, »fides«, »sacramentum«),s die den Kernpunkt seiner Ehelehre darstellt, die rechtliche Natur wesentlich.

Angesichts der subjektivistischen und anarchischen Relativierung der sexuellen Erfahrung bekräftigt die Tradition der Kirche klar die rechtliche Natur der Ehe, das heißt ihre von Natur aus gegebene Zugehörigkeit zum Bereich der Gerechtigkeit in den zwischenmenschlichen Beziehungen. In dieser Hinsicht verknüpft sich das Recht wirklich mit dem Leben und der Liebe wie ein ihm innewohnendes »Gebot«. Daher verweist, wie ich in meiner ersten Enzyklika geschrieben habe, der Eros »von der Schöpfung her den Menschen auf die Ehe, auf eine Bindung, zu der Einzigkeit und Endgültigkeit gehören. So, nur so erfüllt sich seine innere Weisung« (Deus caritas Est 11). Liebe und Recht können sich so bis zu dem Punkt vereinen, daß schließlich Ehemann und Ehefrau einander die Liebe schulden, die sie spontan füreinander empfinden: Die Liebe ist in ihnen die Frucht ihres freien Wollens des Wohles des jeweils anderen und des Wohles der Kinder. Und das ist im übrigen auch ein Erfordernis der Liebe zum eigenen wahren Wohl.

Das ganze Wirken der Kirche und der Gläubigen im Bereich der Familie muß auf dieser Wahrheit über die Ehe und auf der ihr innewohnenden rechtlichen Dimension gründen.Trotzdem kann die relativistische Mentalität, wie ich vorhin sagte, in mehr oder weniger offener oder heimtückischer Form auch in die kirchliche Gemeinschaft eindringen. Ihr seid euch der Aktualität dieser Gefahr bewußt, die manchmal in einer verzerrten Auslegung der geltenden kanonischen Normen zutage tritt. Es ist nötig, auf diese Tendenz mit Mut und Vertrauen durch eine ständige Anwendung der »Hermeneutik der Erneuerung unter Wahrung der Kontinuität« zu reagieren und sich nicht von Wegen der Auslegung verführen zu lassen, die einen Bruch mit der Tradition der Kirche einschließen. Diese Wege entfernen sich vom wahren Wesen der Ehe ebenso wie von der ihr innewohnenden rechtlichen Dimension und versuchen, unter verschiedenen, mehr oder weniger attraktiven Namen eine Fälschung der ehelichen Wirklichkeit zu verbergen. Man gelangt so zu der Behauptung, daß in einer Paarbeziehung nichts richtig oder falsch sei, sondern daß alles nur der Verwirklichung des subjektiven Bestrebens des einzelnen Partners entweder entspricht oder nicht. So gesehen schwankt die Idee von der »Ehe ›in facto esse‹« zwischen einer rein faktischen Beziehung und einer rechtspositivistischen Fassade, ohne das Wesen der Ehe als in sich vorhandenes Band der Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau zu berücksichtigen.

Der Beitrag der kirchlichen Gerichte zur Überwindung der Sinnkrise in bezug auf die Ehe innerhalb von Kirche und Zivilgesellschaft mag einigen vielleicht als nebensächlich und veraltet vorkommen. Eben weil jedoch die Ehe eine ihr innewohnende rechtliche Dimension besitzt, ist es ein Zeugnis von hohem Wert und eine große Hilfe für alle, kluge und überzeugte Diener der Gerechtigkeit auf diesem delikaten und äußerst wichtigen Gebiet zu sein. Ihr, liebe Richter, seid in einem Bereich tätig, in dem die Verantwortung für die Wahrheit in unserer Zeit besonders spürbar ist. Indem ihr eurer Aufgabe treu bleibt, sorgt ihr dafür, daß euer Handeln sich harmonisch einfügt in eine globale Wiederentdeckung der Schönheit jener »Wahrheit über die Ehe« – die Wahrheit des »Anfangs« –, die Jesus uns in ganzer Fülle gelehrt hat und die der Heilige Geist uns im Heute der Kirche ständig in Erinnerung ruft.

Diese Überlegungen, liebe Richter, Offiziale und Mitarbeiter, wollte ich eurer Aufmerksamkeit anempfehlen, in der Gewißheit, in euch Richter und in der Justiz Tätige zu finden, die bereit sind, eine Lehre von so großer Wichtigkeit und so großem Ernst anzunehmen und sie sich zu eigen zu machen. Allen und jedem einzelnen drücke ich meine Freude aus, im vollen Vertrauen, daß der Gerichtshof der Römischen Rota, ein wirksamer und angesehener Ausdruck der Rechtsweisheit der Kirche, auch weiterhin konsequent sein nicht einfaches »munus« ausführen wird, im Dienst des göttlichen Planes, den der Schöpfer und der Erlöser durch die Institution der Ehe verfolgen. Indem ich den göttlichen Beistand auf eure Bemühungen herabrufe, erteile ich allen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.
Februar 2007


AN DIE GRÜNDUNGSMITGLIEDER DER STIFTUNG FÜR INTERRELIGIÖSE UND INTERKULTURELLE

FORSCHUNG UND DIALOG Donnerstag, 1. Februar 2007

Liebe Freunde,


Es ist mir eine Freude, nachdem ich eines der Gründungsmitglieder der Stiftung für interreligiöse und interkulturelle Forschung und Dialog gewesen bin, erneut mit Ihnen zusammenzutreffen und Sie heute im Vatikan zu empfangen. Einen besonderen Gruß richte ich an Seine Königliche Hoheit, Prinz Hassan von Jordanien, und es freut mich sehr, ihm bei dieser Gelegenheit zu begegnen.

Mein Dank gilt Ihrem Präsidenten, Seiner Eminenz dem Metropoliten Damaskinos von Andrinopel, der mir das erste Ergebnis Ihrer Arbeit vorgelegt hat: die vereinigte Ausgabe in ihrer Originalsprache und in chronologischer Reihenfolge der drei heiligen Bücher der drei monotheistischen Religionen. Dies war in der Tat das erste Vorhaben, das wir bei der gemeinsamen Schaffung dieser Stiftung festgelegt haben, um »einen spezifischen und positiven Beitrag zum Dialog zwischen den Kulturen und den Religionen zu leisten«.

Schon mehrfach habe ich in der Folge der Konzilserklärung Nostra aetate und im Sinne meines lieben Vorgängers Papst Johannes Pauls II. darauf hingewiesen, daß wir – Juden, Christen und Muslime – aufgerufen sind, die Bande, die uns einen, anzuerkennen und zu entwickeln. Darin liegt der Grundgedanke, der uns zur Gründung dieser Stiftung geführt hat; ihre Zielsetzung besteht darin, »nach der wesentlichsten und authentischsten Botschaft [zu suchen], die die drei monotheistischen Religionen, also Judentum, Christentum und Islam, an die Welt des 21. Jahrhunderts richten können«, um dem interreligiösen und interkulturellen Dialog einen neuen Impuls zu geben durch die gemeinsame Forschung und durch die Herausstellung und Verbreitung dessen, was in unserem jeweiligen geistigen Erbe zur Festigung der brüderlichen Beziehungen zwischen unseren Glaubensgemeinschaften beiträgt. Aus diesen Gründen hat sich die Stiftung zunächst vorgenommen, ein Referenzwerk auszuarbeiten, das dabei hilft, die Mißverständnisse und Vorurteile zu überwinden, und der künftigen Arbeit eine gemeinsame Grundlage bietet. So haben Sie diese schöne Ausgabe der drei Bücher zuwege gebracht, die am Ursprung von religiösen Überzeugungen stehen; sie schaffen Kulturen, die die Völker tief prägen und in deren Schuld wir heute stehen.

Das erneute Lesen und, für manche, die Entdeckung der Texte, die viele Menschen auf der ganzen Welt als heilig verehren, verpflichten zur gegenseitigen Achtung im vertrauensvollen Dialog. Die Menschen von heute erwarten von uns eine Botschaft der Eintracht und Zuversicht und die konkrete Äußerung unseres gemeinsamen Willens, ihnen bei der Verwirklichung ihres berechtigten Wunsches, in Gerechtigkeit und Frieden zu leben, zu helfen. Sie haben ein Recht darauf, von uns das entschlossene Zeichen eines neuen Verständnisses und einer verstärkten Zusammenarbeit zu erwarten, gemäß der Zielsetzung der Stiftung, die »auf diese Weise der Welt ein Zeichen der Hoffnung und die Verheißung des göttlichen Segens, der die karitative Tätigkeit stets begleitet«, bieten möchte.

Die Arbeiten der Stiftung werden zu einem wachsenden Bewußtsein für all die Dinge beitragen, die in den unterschiedlichen Kulturen unserer Zeit der göttlichen Weisheit entsprechen und der Würde des Menschen dienen, um alles, was den Namen Gottes mißbraucht und die Menschlichkeit des Menschen entstellt, deutlicher zu erkennen und entschiedener abzulehnen. Wir sind demnach zum gemeinschaftlichen Nachdenken aufgerufen, zu einer Arbeit der Vernunft, die ich mit euch von ganzem Herzen ersehne, um das Geheimnis Gottes im Licht unserer religiösen Traditionen und unserer jeweiligen Weisheiten zu erforschen, um so die Werte zu unterscheiden, die die Männer und Frauen aller Völker der Erde erleuchten können, was immer ihre Kultur und Religion auch sein mögen.

Deshalb ist es wertvoll, daß wir nun – dank Ihrer Tätigkeit – über ein gemeinsames Referenzwerk verfügen. So können wir Fortschritte machen im interreligiösen und interkulturellen Dialog, der heute wichtiger ist denn je: ein echter, die Unterschiede respektierender, mutiger, geduldiger und ausdauernder Dialog. Er bezieht seine Kraft aus dem Gebet und nährt sich von der Hoffnung, welche in all jenen wohnt, die an Gott glauben und ihr Vertrauen in Ihn setzen.

Unsere jeweiligen religiösen Traditionen betonen alle den heilig5en Charakter des Lebens und die Würde des Menschen. Wir glauben, daß Gott unsere Vorhaben segnen wird, wenn sie zum Wohl aller seiner Kinder beitragen und es ihnen ermöglichen, einander zu achten in einer weltumspannenden Brüderlichkeit. Zusammen mit allen Menschen guten Willens sehnen wir uns nach Frieden. Daher wiederhole ich mit Nachdruck: interkulturelle und interreligiöse Forschung und Dialog sind keine Option, sondern eine lebenswichtige Notwendigkeit unserer Zeit.

Der Allmächtige segne Ihre Tätigkeit und gewähre Ihnen und Ihren Angehörigen seinen reichen Segen!



AN DIE GEMISCHTE INTERNATIONALE KOMMISSION FÜR DEN

THEOLOGISCHEN DIALOG ZWISCHEN DER KATHOLISCHEN KIRCHE UND DEN ORIENTALISCH-ORTHODOXEN KIRCHEN Donnerstag, 1. Februar 2007



Liebe Brüder in Christus!

Mit großer Freude begrüße ich euch, die Mitglieder der Gemischten Internationalen Kommission für den Theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orientalischorthodoxen Kirchen, zu eurer IV. Vollversammlung.

Herzliche brüderliche Grüße übermittle ich durch euch auch meinen ehrwürdigen Brüdern, den Oberhäuptern der orientalischen orthodoxen Kirchen: Seiner Heiligkeit Papst Shenouda III., Seiner Heiligkeit Patriarch Zakka I. Iwas, Seiner Heiligkeit Katholikos Karekin II., Seiner Heiligkeit Katholikos Aram I., Seiner Heiligkeit Patriarch Paulus, Seiner Heiligkeit Patriarch Antonios I. und Seiner Heiligkeit Baselios Marthoma Didymus I.

Euer Treffen zum Thema »Die Verfassung und die Sendung der Kirche« ist für unseren gemeinsamen Weg zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft von großer Bedeutung. Die katholische Kirche und die orientalischen orthodoxen Kirchen teilen ein kirchliches Erbe, das in die apostolische Zeit und die ersten Jahrhunderte des Christentums zurückreicht. Dieses »Erbe der Erfahrung« sollte unsere Zukunft gestalten und »unseren Weg zur Wiederfindung der vollen Gemeinschaft leiten« (vgl. Ut unum sint UUS 56).

»Geht in die ganze Welt hinaus und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen« (Mc 16,15), das ist der Auftrag, den der Herr Jesus uns anvertraut hat. Viele Menschen warten auch heute noch darauf, daß ihnen die Wahrheit des Evangeliums gebracht wird.

Möge ihr Durst nach der Frohen Botschaft uns bestärken, intensiv für jene Einheit zu arbeiten und zu beten, die die Kirche braucht, um ihre Sendung in der Welt dem Gebet Jesu entsprechend zu erfüllen: »So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich« (Jn 17,23).

Viele von euch kommen aus Ländern des Nahen Ostens. Die schwierige Situation, die die einzelnen Menschen und die christlichen Gemeinschaften in der Region leben, ist für uns alle ein Grund zu tiefer Sorge. Christliche Minderheiten haben große Schwierigkeiten, in einem so unbeständigen geopolitischen Panorama zu überleben und sind oft versucht, auszuwandern. Unter diesen Umständen wird von den Christen aller Traditionen und Gemeinschaften des Nahen Ostens verlangt, in der Kraft des Geistes Christi mutig und entschlossen zu sein (vgl. Weihnachtsbotschaft an die Katholiken des Nahen Ostens, 21. Dezember 2006). Möge die Fürsprache und das Vorbild der zahlreichen Märtyrer und Heiligen, die in jenen Ländern ein mutiges Zeugnis für Christus gegeben haben, die christlichen Gemeinschaften in ihrem Glauben stützen und festigen! Vielen Dank für eure Anwesenheit heute und für euren unermüdlichen Einsatz auf dem Weg des Dialogs und der Einheit. Möge der Heilige Geist eure Beratungen begleiten. Euch allen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.

FEST DER DARSTELLUNG DES HERRN

XI. TAG DES GEWEIHTEN LEBENS


Petersdom
Freitag, 2. Februar 2007




Liebe Brüder und Schwestern!

Gern komme ich zu der Begegnung mit euch am Ende der Eucharistiefeier, die euch auch dieses Jahr aus einem für euch so bedeutsamen Anlaß in dieser Basilika zusammengeführt hat. Denn ihr, Angehörige von Kongregationen, Instituten, Gesellschaften des Apostolischen Lebens und neuen Formen des geweihten Lebens, bildet einen besonders wichtigen Bestandteil des Mystischen Leibes Christi. Die Liturgie des heutigen Tages erinnert an die Darstellung des Herrn im Tempel, ein Fest, das von meinem verehrten Vorgänger Johannes Paul II. als »Tag des geweihten Lebens« ausgewählt wurde. Mit lebhafter Freude richte ich an jeden einzelnen von euch meinen herzlichen Gruß, angefangen bei Herrn Kardinal Franc Rodé, dem Präfekten eures Dikasteriums, dem ich für die herzlichen Worte danke, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich grüße sodann den Sekretär und alle Mitglieder der Kongregation, die ihre Aufmerksamkeit einem lebenswichtigen Bereich der Kirche widmet. Der heutige Feiertag eignet sich bestens dazu, gemeinsam den Herrn um das Geschenk einer immer stärkeren und wirksameren Präsenz der Ordensmänner und Ordensfrauen und der geweihten Personen in der Kirche zu bitten, die auf den Straßen der Welt unterwegs ist.

Liebe Brüder und Schwestern, das Fest, das wir heute feiern, erinnert uns daran, daß euer Zeugnis für das Evangelium, um tatsächlich wirksam zu sein, aus einer vorbehaltlosen Antwort auf die Initiative Gottes entspringen muß, der euch durch einen besonderen Akt der Liebe für sich geweiht hat. Wie die greisen Simeon und Hanna inständig vor ihrem Tod den Messias zu sehen begehrten und von ihm »zu allen sprachen, die auf Erlösung Jerusalems warteten« (Lc 2,26 Lc 2,38), so ist auch in unserer Zeit besonders unter den Jugendlichen der Wunsch verbreitet, Gott zu begegnen. Diejenigen, die von Gott für das geweihte Leben auserwählt wurden, machen sich dieses tiefe geistliche Verlangen endgültig zu eigen. In ihnen wohnt in der Tat nur eine Erwartung: die Erwartung des Reiches Gottes: daß Gott in unserem Willen, in unseren Herzen, in der Welt herrsche; in ihnen brennt ein einziger Durst nach Liebe, den allein der Ewige zu stillen vermag. Durch ihr Beispiel verkünden sie einer oft orientierungslosen Welt, die aber in Wirklichkeit immer mehr auf der Suche nach einem Sinn ist, daß Gott der Herr des Daseins ist, daß seine »Huld besser ist als das Leben« (Ps 63,4). Dadurch, daß sie den Gehorsam, die Armut und die Keuschheit wählen, zeigen sie, daß alle Verbundenheit und Liebe zu den Dingen und zu den Menschen nicht imstande ist, das Herz endgültig zu befriedigen; daß das irdische Dasein ein mehr oder weniger langes Warten auf die Begegnung mit dem göttlichen Bräutigam »von Angesicht zu Angesicht« ist, ein Warten, das mit stets wachsamem Herzen gelebt werden muß, um bereit zu sein, ihn zu erkennen und zu empfangen, wenn er kommen wird.

Das geweihte Leben stellt also seiner Natur nach eine totale und endgültige, bedingungslose und leidenschaftliche Antwort an Gott dar (vgl. Vita consecrata VC 17). Und wenn die geweihte Person auf alles verzichtet, um Christus nachzufolgen, wenn sie das hingibt, was ihr am teuersten ist, und jedes Opfer auf sich nimmt, dann wird auch sie, so wie es beim göttlichen Meister geschehen ist, dessen Spuren sie folgt, notwendigerweise zum »Zeichen des Widerspruchs«, weil ihre Art zu denken und zu leben häufig im Gegensatz zur Logik der Welt steht, wie sie sich in den Medien präsentiert ? fast immer. Die geweihte Person wählt Christus, ja sie läßt sich von ihm vorbehaltlos »erobern«. Angesichts eines solchen Mutes sind viele Menschen, die nach Wahrheit dürsten, betroffen und angezogen von dem, der nicht zögert, das Leben, das eigene Leben für das hinzugeben, woran er glaubt. Ist das etwa nicht die radikale Treue gemäß dem Evangelium, zu der auch in unserer Zeit jede geweihte Person berufen ist? Wir danken dem Herrn dafür, daß so viele Ordensmänner und Ordensfrauen, so viele geweihte Personen in jedem Winkel der Welt weiterhin Gott und den Brüdern ein höchstes und treues Zeugnis der Liebe geben, ein Zeugnis, das sich nicht selten mit dem Blut des Martyriums färbt. Wir danken Gott auch dafür, daß diese Vorbilder weiterhin im Herzen vieler junger Menschen das Verlangen wecken, Christus für immer auf engste und totale Weise zu folgen.

Liebe Brüder und Schwestern, vergeßt niemals, daß das geweihte Leben ein Gottesgeschenk ist und daß es an erster Stelle der Herr ist, der es seinen Plänen entsprechend zu einem glücklichen Ende führt. Diese Gewißheit, daß uns der Herr trotz unserer Schwächen zu einem glücklichen Ende führt, diese Gewißheit soll euch Trost sein, indem sie euch angesichts der unvermeidlichen Schwierigkeiten des Lebens und der vielfältigen Herausforderungen der heutigen Zeit vor der Versuchung der Entmutigung bewahrt. In der Tat, in der schweren Zeit, in der wir leben, können nicht wenige Institute ein Gefühl von Verwirrung verspüren angesichts der Schwächen, die sie in ihrem Inneren finden, und wegen der vielen Hindernisse, denen sie bei der Erfüllung ihrer Sendung begegnen. Jenes Jesuskind, das heute im Tempel dargestellt wird, ist heute unter uns lebendig und hilft uns auf unsichtbare Weise, auf daß wir getreu mit ihm am Werk des Heils mitarbeiten; und es läßt uns nicht im Stich.

Die heutige Liturgie ist besonders eindrucksvoll, weil sie vom Symbol des Lichtes gekennzeichnet ist. Die feierliche Lichterprozession, die ihr zu Beginn der Eucharistiefeier durchgeführt habt, verweist auf Christus, das wahre Licht der Welt, das in der Nacht der Geschichte erstrahlt und jeden erleuchtet, der die Wahrheit sucht. Liebe Männer und Frauen des geweihten Lebens, laßt euch von dieser Flamme erfassen und sie durch euer Leben erstrahlen, damit überall ein Teil des von Jesus ausgestrahlten Glanzes, des Glanzes der Wahrheit, leuchte. Indem ihr euch ausschließlich ihm weiht (vgl. Vita consecrata VC 15), gebt ihr Zeugnis von der Faszination der Wahrheit Christi und der Freude, die aus der Liebe zu ihm entspringt. In der Kontemplation und im Handeln, in der Einsamkeit und in der Brüderlichkeit, im Dienst an den Armen und Geringsten, in der persönlichen Begleitung und in den modernen Areopagen sollt ihr bereit sein zu verkünden und zu bezeugen, daß Gott Liebe ist, daß es schön ist, ihn zu lieben. Maria, die »Tota pulchra«, lehre euch, diese Faszination Gottes, die aus euren Worten und euren Handlungen durchscheinen soll, an die Männer und Frauen von heute weiterzugeben. Mit meiner dankbaren Wertschätzung für den Dienst, den ihr der Kirche leistet, versichere ich euch meines ständigen Gedenkens im Gebet und segne euch alle von Herzen.

AN DIE TEILNEHMER DER

WELTKONFERENZ DER SÄKULARINSTITUTE Clementina-Saal

Samstag, 3. Februar 2007




Liebe Brüder und Schwestern!

Ich bin glücklich, heute unter euch zu sein, Mitglieder der Säkularinstitute, mit denen ich zum ersten Mal seit meiner Wahl auf den Stuhl des Apostels Petrus zusammentreffe. Ich begrüße euch alle herzlich. Ich begrüße Herrn Kardinal Franc Rodé, Präfekt der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, und danke ihm für die Worte der Zuneigung und geistigen Nähe, die er auch in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich begrüße Kardinal Cottier und den Sekretär eurer Kongregation. Mein Gruß gilt auch der Präsidentin der Weltkonferenz der Säkularinstitute, die sich zum Sprachrohr der Gefühle und Erwartungen von euch allen gemacht hat, die ihr aus verschiedenen Ländern, aus allen Kontinenten hier zusammengekommen seid, um ein internationales Symposion über die Apostolische Konstitution Provida Mater Ecclesia abzuhalten.

Wie bereits gesagt wurde, sind 60 Jahre seit jenem 2. Februar 1947 vergangen, als mein Vorgänger Pius XII. diese Apostolische Konstitution promulgierte und so einer in den vorangegangenen Jahrzehnten vorbereiteten Erfahrung eine theologisch-rechtliche Gestalt gab und in den Säkularinstituten eine der unzähligen Gaben anerkannte, mit denen der Heilige Geist den Weg der Kirche begleitet und sie zu allen Zeiten erneuert. Jener Rechtsakt bildete nicht etwa den Zielpunkt als vielmehr den Ausgangspunkt eines Weges, der zu einer neuen Form der Weihe führen sollte: der Weihe gläubiger Laien und Diözesanpriester, die dazu berufen sind, gerade jene »Weltlichkeit«, in die sie durch ihren Lebensstand oder den pastoralen Dienst eingebunden sind, mit einer dem Evangelium entsprechenden Radikalität zu leben. Ihr seid heute hier, um jenen vor 60 Jahren begonnenen Weg weiter zu umreißen, der euch in Christus Jesus als immer leidenschaftlichere Träger des Sinnes der Welt und der Geschichte erkennbar macht. Eure Leidenschaft entsteht daraus, daß ihr die Schönheit Christi entdeckt habt, die Schönheit seiner einmaligen Art, das Leben zu lieben, ihm zu begegnen, es zu heilen, es zu erfreuen, ihm Trost zu spenden. Und euer Leben will diese Schönheit besingen, damit euer Sein in der Welt Zeichen eures Seins in Christus sei.

Eure Eingliederung in die menschlichen Angelegenheiten zu einem theologischen Ort zu machen ist in der Tat das Geheimnis der Menschwerdung (»Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab«: Jn 3,16). Das Heilswerk erfüllt sich nicht im Gegensatz zur Geschichte der Menschen, sondern in ihr und durch sie. Diesbezüglich stellt der Brief an die Hebräer fest: »Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn« (1,1–2a). Die erlösende Heilstat ist im Rahmen der Zeit und der Geschichte geschehen und wurde als Gehorsam gegenüber dem Plan Gottes erfahren, der in das aus seinen Händen hervorgegangene Werk eingeschrieben ist. Und noch einmal ist es der Text des Hebräerbriefes, der das herausstellt: »Zunächst sagt er: ›Schlacht- und Speiseopfer, Brand- und Sündopfer forderst du nicht, du hast daran kein Gefallen‹, obgleich sie doch nach dem Gesetz dargebracht werden; dann aber hat er gesagt: ›Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun‹« (10,8–9a). Diese Psalmworte, die der Brief an die Hebräer in dem innertrinitarischen Dialog ausgedrückt sieht, sind Worte des Sohnes, der zum Vater sagt: »Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun.« Und so verwirklicht sich die Menschwerdung: »Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun.« Der Herr bezieht uns in seine Worte ein, so daß sie zu unseren Worten werden: Ja, ich komme mit dem Herrn, mit dem Sohn, um deinen Willen zu tun.

So zeichnet sich mit aller Klarheit der Weg eurer Heiligung ab: die selbstlose Treue zu dem im offenbarten Wort zum Ausdruck gebrachten Heilsplan, die Solidarität mit der Geschichte, das Suchen nach dem Willen des Herrn, der in das von seiner Vorsehung gelenkte menschliche Geschehen eingeschrieben ist. Und gleichzeitig sind die Kennzeichen des Sendungsauftrages in der Welt festzustellen: das Zeugnis der menschlichen Tugenden wie »Gerechtigkeit, Friede und Freude« (Rm 14,17), das »rechtschaffene Leben«, von dem Petrus in seinem Ersten Brief (2,12) spricht und damit das Wort des Meisters anklingen läßt: »So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen« (Mt 5,16). Zum weltlichen Sendungsauftrag gehört außerdem der Einsatz für den Aufbau einer Gesellschaft, die in den verschiedenen Bereichen die Würde der menschlichen Person und die für ihre volle Verwirklichung unverzichtbaren Werte anerkennen soll: von der Politik bis zur Wirtschaft, von der Erziehung bis zum Einsatz im Gesundheitswesen, von der Verwaltung der Dienstleistungen bis hin zur wissenschaftlichen Forschung. Jede vom Christen gelebte eigene und spezifische Wirklichkeit, die eigene Arbeit und die eigenen konkreten Interessen finden, auch wenn sie ihre relative Beschaffenheit bewahren, ihre Endabsicht darin, daß sie sich demselben Ziel anschließen, für das der Sohn Gottes in die Welt gekommen ist. Fühlt euch daher von jedem Schmerz, von jeder Ungerechtigkeit ebenso auf den Plan gerufen wie von jeder Suche nach Wahrheit, nach Schönheit und nach Güte, nicht weil ihr die Lösung für alle Probleme hättet, sondern weil jede Bedingung, in der ein Mensch lebt oder stirbt, für euch eine Gelegenheit darstellt, das Heilswerk Gottes zu bezeugen. Das ist euer Sendungsauftrag. Eure Weihe hebt einerseits die besondere Gnade hervor, die euch für die Verwirklichung der Berufung vom Heiligen Geist zuteil wird, und verpflichtet euch andererseits zu einer totalen Fügsamkeit des Geistes, des Herzens und des Willens gegenüber dem Plan Gottes des Vaters, offenbart in Christus Jesus, zu dessen radikaler Nachfolge ihr berufen worden seid.

Jede Begegnung mit Christus verlangt einen tiefen Gesinnungswandel, aber für manche ist – so wie es bei euch der Fall war – die Forderung des Herrn besonders anspruchsvoll: alles verlassen, weil in eurem Leben Gott alles ist und alles sein wird. Es geht nicht einfach um eine andere Art, mit Christus in Beziehung zu treten und eure Treue zu ihm auszudrücken, sondern um eine Entscheidung für Gott, der von euch ein absolut totales Vertrauen in ihn fordert. Das eigene Leben dem Leben Christi anzugleichen, indem man in seine Worte eindringt, das eigene Leben durch die Übung der evangelischen Räte dem Leben Christi anzugleichen, ist ein grundlegendes und verbindliches Merkmal, das in seiner Besonderheit von »Alpinisten des Geistes«, wie der verehrte Papst Paul VI. euch nannte (vgl. Ansprache an die Teilnehmer am I. Internationalen Kongreß der Säkularinstitute: Insegnamenti, VIII, 1970, S. 939), konkrete Einsätze und Gesten fordert.

Der weltliche Charakter eurer Weihe hebt einerseits die Mittel hervor, mit denen ihr euch um ihre Verwirklichung bemüht, das heißt jene Mittel, die jedem Mann und jeder Frau eigen sind, die in gewöhnlichen Verhältnissen in der Welt leben, und andererseits die Form ihrer Entfaltung als einer tiefen Beziehung zu den Zeichen der Zeit, zu deren Unterscheidung im Licht des Evangeliums ihr persönlich und gemeinsam aufgerufen seid. Schon oft ist gerade bei dieser Unterscheidung maßgeblich euer Charisma festgestellt worden, so daß ihr gleichsam Laboratorien für den Dialog mit der Welt sein könnt, jene »Versuchslaboratorien, in denen die Kirche die konkreten Möglichkeiten ihrer Beziehungen zur Welt einer Probe unterzieht« (Paul VI., Ansprache an die Teilnehmer an der Weltkonferenz der Säkularinstitute, 25.8.1976, in O.R. Dt 36,3 Dt 36,9 Dt 36, Dt 2). Genau hier entsteht die anhaltende Aktualität eures Charismas, weil diese Unterscheidung nicht von außerhalb der Wirklichkeit, sondern aus ihrem Inneren, durch ein volles Involviertsein in sie, erfolgen soll. Das geschieht durch die Alltagsbeziehungen, die ihr in den familiären und gesellschaftlichen Verbindungen, in der beruflichen Tätigkeit, im Gefüge des Gemeinwesens und der kirchlichen Gemeinschaft knüpft. Die Begegnung mit Christus, das Sich- Hineinstellen in seine Nachfolge macht uns offen und drängt uns zur Begegnung mit jedermann, denn wenn sich Gott nur in der trinitarischen Gemeinschaft verwirklicht, wird auch der Mensch nur in der Gemeinschaft seine Erfülltheit finden.

Von euch wird nicht verlangt, besondere Lebensformen, besondere Formen apostolischer Verpflichtung oder sozialer Einsätze einzurichten, außer jenen, die in den persönlichen Beziehungen, die Quellen prophetischen Reichtums sind, entstehen können. Euer Leben sei wie der Sauerteig, der das ganze Mehl durchsäuert und aufgehen läßt (vgl. Mt Mt 13,33): manchmal still und verborgen, aber immer konstruktiv und ermutigend und fähig, Hoffnung hervorzubringen. Der Ort eures Apostolats ist daher alles Menschliche. Dies betrifft nicht nur das Leben innerhalb der christlichen Gemeinschaft, wo die Beziehung gestärkt wird durch das Hören des Wortes und das sakramentale Leben, aus dem ihr schöpft, um eure aus der Taufe rührende Identität zu stützen. Der Ort eures Apostolats ist, wie gesagt, alles Menschliche sowohl innerhalb der christlichen Gemeinschaft als auch in der Zivilgesellschaft. In letzterer verwirklicht sich die Beziehung in der Suche nach dem Gemeinwohl, im Dialog mit allen, die berufen sind, Zeugnis zu geben von jener christlichen Anthropologie, die in einer vom multikulturellen und multireligiösen Klima desorientierten und verwirrten Gesellschaft ein Sinnangebot darstellt.

Ihr kommt aus verschiedenen Ländern; verschieden sind die kulturellen, politischen und auch religiösen Verhältnisse, in denen ihr lebt, arbeitet, alt werdet. In allen Situationen sucht ihr die Wahrheit, die menschliche Offenbarung Gottes im Leben. Wir wissen, es ist ein langer Weg, dessen Gegenwart unruhig, dessen Ausgang aber sicher ist. Verkündet die Schönheit Gottes und seiner Schöpfung. Seid nach dem Vorbild Christi der Liebe gehorsam, sanftmütige und barmherzige Männer und Frauen, fähig, die Wege der Welt zurückzulegen, indem ihr nur Gutes tut. Euer Leben soll in den Mittelpunkt die Seligpreisungen stellen und so der menschlichen Logik widersprechen, um ein bedingungsloses Vertrauen in Gott zum Ausdruck zu bringen, der will, daß der Mensch glücklich ist. Die Kirche braucht auch euch, um ihre Sendung zu vollenden. Seid Samen der Heiligkeit, der mit vollen Händen in die Ackerfurchen der Geschichte ausgesät wird. Da ihr in dem unentgeltlichen und wirksamen Handeln verwurzelt seid, durch das der Geist des Herrn die menschlichen Geschicke lenkt, könnt ihr Früchte echten Glaubens erbringen, indem ihr durch euer Leben und euer Zeugnis Gleichnisse für Hoffnung schreibt, und zwar durch die Werke, die von der »Phantasie der Liebe« angeregt wurden (vgl. Johannes Paul II. Apostol. Schreiben Novo millennio ineunte, 50).

Mit diesen Wünschen versichere ich euch meines beständigen Gebetes und erteile euch zur Unterstützung eurer Initiativen im Apostolat und in der Nächstenliebe einen besonderen Apostolischen Segen.

AN DIE BISCHÖFE, DIE DER FOKOLARBEWEGUNG UND DER GEMEINSCHAFT "SANT'EGIDIO" NAHESTEHEN Clementina-Saal

Donnerstag, 8. Februar 2007




Verehrte Brüder im Bischofsamt!

Ich freue mich, euch zu dieser Sonderaudienz zu empfangen, und begrüße euch, die ihr aus verschiedenen Ländern der Welt kommt, alle herzlich. Dabei denke ich besonders auch an diejenigen, die hier bei uns sind und anderen Kirchen angehören. Einige von euch nehmen an dem jährlichen Treffen der Bischöfe teil, die der Fokolar-Bewegung nahestehen; das Thema der diesjährigen Tagung lautet: »Der gekreuzigte und verlassene Christus, Licht in der kulturellen Nacht«. Gern ergreife ich diese Gelegenheit, um an Chiara Lubich meine Glückwünsche und meinen Segen zu übermitteln, den ich auf alle Mitglieder der von ihr gegründeten Bewegung ausweite. Andere nehmen am 9. Treffen von Bischöfen teil, die der Gemeinschaft Sant’Egidio nahestehen; auf dem Programm steht die Auseinandersetzung mit einem höchst aktuellen Thema: »Die Globalisierung der Liebe«. Ich begrüße Msgr. Vincenzo Paglia und mit ihm Prof. Andrea Riccardi und die ganze Gemeinschaft, die sich am Jahrestag ihrer Gründung heute Abend zu einer festlichen Eucharistiefeier in der Lateranbasilika versammeln wird. Es liegen mir hier nicht alle Namen vor, aber ich grüße natürlich von Herzen euch alle, liebe Brüder, Bischöfe, Kardinäle und alle lieben Mitbrüder der orthodoxen Kirche.

Liebe Brüder im Bischofsamt, ich möchte euch vor allem sagen, daß eure Nähe zu den beiden Bewegungen, die die Vitalität dieser neuen Zusammenschlüsse von Gläubigen hervorhebt, darüber hinaus jener Gemeinschaft unter den Charismen Ausdruck verleiht, die ein typisches »Zeichen der Zeit« ist. Mir scheint, daß diese Begegnungen der Charismen der kirchlichen Einheit in der Verschiedenheit der Gaben ein sehr ermutigendes und wichtiges Zeichen sind. Das nachsynodale Apostolische Schreiben Pastores gregis stellt fest, daß »die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Bischöfen … weit über den institutionellen Rahmen hinausgehen« (Nr. 59). Das geschieht auch bei Treffen wie den eurigen, wo nicht nur Kollegialität, sondern eine bischöfliche Brüderlichkeit erfahrbar wird, die sich aus dem Teilhaben an den von den Bewegungen geförderten Idealen dazu angespornt fühlt, die Gemeinschaft der Herzen zu vertiefen, den gegenseitigen Beistand stärker und jenes Bemühen gemeinschaftlicher zu machen, die Kirche als Ort des Gebets und der Liebe, als Haus der Barmherzigkeit und des Friedens, sichtbar werden zu lassen. Mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. bezeichnete die in diesen Jahren entstandenen Bewegungen und Neuen Gemeinschaften als ein von der Vorsehung bestimmtes Geschenk des Heiligen Geistes an die Kirche, um wirksam auf die Herausforderungen unserer Zeit zu antworten. Ihr wißt, daß auch ich dieser Überzeugung bin. Als ich noch Professor und dann Kardinal war, hatte ich Gelegenheit, diese meine Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, daß die Bewegungen wirklich ein Geschenk des Heiligen Geistes an die Kirche sind. Und gerade in der Begegnung der Charismen zeigen sie den Reichtum der Gaben sowie der Einheit im Glauben.

Wie könnte man zum Beispiel die außergewöhnliche Pfingstvigil des vergangenen Jahres vergessen, die die einstimmige Teilnahme vieler kirchlicher Bewegungen und Gemeinschaften verzeichnen konnte? In mir ist noch immer die Ergriffenheit lebendig, die ich bei der Teilnahme an einer derart intensiven spirituellen Erfahrung auf dem Petersplatz empfunden habe. Ich wiederhole euch, was ich damals zu den aus allen Teilen der Welt zusammengeströmten Gläubigen gesagt habe, daß nämlich die Vielgestaltigkeit und die Einheit der Charismen und Dienstämter im Leben der Kirche untrennbar zusammengehören. Der Heilige Geist will die Vielgestaltigkeit der Bewegungen im Dienst des einen Leibes, der eben die Kirche ist. Und er verwirklicht das durch das Dienstamt derjenigen, die er zur Leitung der Kirche Gottes eingesetzt hat: die Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri. Diese Einheit und Vielfalt, die im Volk Gottes besteht, wird in gewisser Weise gerade auch am heutigen Tag offenkundig, wo viele Bischöfe, die zwei verschiedenen, durch eine starke missionarische Dimension gekennzeichneten kirchlichen Bewegungen nahestehen, hier mit dem Papst vereint sind. In der reichen westlichen Welt, wo trotz des Vorhandenseins einer relativistischen Kultur dennoch zugleich eine verbreitete Sehnsucht nach Spiritualität nicht fehlt, geben eure Bewegungen Zeugnis von der Freude am Glauben und der Schönheit des Christseins in großer ökumenischer Offenheit. In den ausgedehnten rückständigen Gebieten der Erde vermitteln sie die Botschaft der Solidarität und machen sich zu Nächsten der Armen und Schwachen durch jene menschliche und göttliche Liebe, die ich in der Enzyklika Deus caritas est wieder in die Aufmerksamkeit aller rücken wollte. Aus der Gemeinschaft zwischen Bischöfen und Bewegungen kann daher ein gesunder Impuls für ein neues Engagement der Kirche in der Verkündigung und im Zeugnis des Evangeliums der Hoffnung und der Liebe in allen Teilen der Welt entspringen.

Von der Herzmitte ihrer Spiritualität, das heißt vom gekreuzigten und verlassenen Christus her, hebt die Fokolar-Bewegung das Charisma und den Dienst der Einheit hervor, der sich in den verschiedenen sozialen und kulturellen Bereichen verwirklicht, wie zum Beispiel im ökonomischen Bereich mit der »Wirtschaft der Gemeinschaft«, und durch die Wege des Ökumenismus und des interreligiösen Dialogs. Die Gemeinschaft Sant’Egidio stellt das Gebet und die Liturgie in den Mittelpunkt ihrer Existenz, um denen, die problematische Situationen und soziale Ausgrenzung erleben, nahezustehen. Gemeinsam »einer des anderen Last tragen« Für den Christen ist der Mensch, auch wenn er fernsteht, niemals ein Fremder. Gemeinsam ist es möglich, sich mit stärkerem Engagement den Herausforderungen zu stellen, die uns am Beginn des dritten Jahrtausends nachdrücklich auf den Plan rufen: Ich denke in erster Linie an die Suche nach Gerechtigkeit und Frieden und an die Dringlichkeit, eine brüderlichere und solidarischere Welt aufzubauen, angefangen bei den Ländern, aus denen einige von euch kommen und die von blutigen Konflikten heimgesucht werden. Ich beziehe mich besonders auf Afrika, den Kontinent, der mir sehr am Herzen liegt und von dem ich hoffe, daß er endlich eine Zeit stabilen Friedens und echter Entwicklung erleben möge. Die bevorstehende Synode der afrikanischen Bischöfe wird sicherlich eine günstige Gelegenheit sein, um die große Liebe offenbar zu machen, die Gott den geliebten afrikanischen Völkern zuteil werden läßt.

Liebe Freunde, die echte Brüderlichkeit, die zwischen euch und den Bewegungen, denen ihr nahesteht, besteht, drängt euch dazu, gemeinsam »einer des anderen Last« zu tragen (Ga 6,2), wie der Apostel empfiehlt, vor allem was die Evangelisierung, die Liebe zu den Armen und das Anliegen des Friedens betrifft. Der Herr möge eure geistlichen und apostolischen Initiativen immer fruchtbar machen. Ich begleite euch mit meinem Gebet und erteile euch, die ihr hier anwesend seid, der Fokolar-Bewegung und der Gemeinschaft Sant’Egidio und den eurer pastoralen Sorge anvertrauten Gläubigen gern den Apostolischen Segen.

AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER VON KOLUMBIEN BEIM HL. STUHL, HERRN JUAN GÓMEZ MARTÍNEZ


Freitag, 9. Februar 2007




Herr Botschafter!

1. Gern nehme ich aus Ihren Händen das Schreiben entgegen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Kolumbien beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich heiße Sie sehr herzlich zu dieser Begegnung willkommen, mit der Sie Ihre Mission antreten, und ich danke Ihnen für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben, sowie für den ehrerbietigen Gruß, den der Herr Präsident, Dr. Álvaro Uribe Vélez, mir durch Sie übermitteln ließ, als Ausdruck der geistigen Nähe des kolumbianischen Volkes zum Papst.

Exzellenz, Sie vertreten von nun an eine Nation beim Heiligen Stuhl, die sich in ihrer Geschichte durch ihre katholische Identität ausgezeichnet hat. Ihre Worte erinnern mich an die lebhafte Zuneigung und kindliche Verbundenheit der Kolumbianer gegenüber dem Nachfolger Petri, Frucht eines tiefverwurzelten christlichen Glaubenserlebnisses; und sie lassen mich einmal mehr feststellen, daß dies darüber hinaus in der Wertschätzung der Gläubigen gegenüber den Bischöfen und ihren Mitarbeitern sichtbar wird, wenn es um die Erhaltung der von den Vorfahren ererbten Traditionen und Tugenden geht.

2. Die bemerkenswerten Anstrengungen, die Ihr Land für die Suche nach Frieden und Wiederversöhnung unternommen hat und die mit dem Bemühen einhergehen, den Fortschritt und solidere demokratische Einrichtungen zu fördern, sind vor der Welt nicht unbeachtet geblieben. Lobenswert sind die Ziele, die für eine größere Sicherheit und gesellschaftliche Stabilität sowie in der Bekämpfung der Armut erreicht worden sind. Hervorzuheben ist auch die ständige Sorge im Erziehungsbereich, wodurch der Zugang aller Bürger zu den Lehrangeboten der Schulen und Universitäten gefördert wird; denn die Erziehung ist das Fundament einer menschlicheren und solidarischeren Gesellschaft. Dennoch bestehen in Ihrem Land, wie Sie erwähnt haben, weiterhin komplexe Verhältnisse auf politischem und sozialem Gebiet.

Ich weiß um die Herausforderungen, die das Vorantreiben eines Friedensdialogs mit sich bringt, der notwendig ist, um die vielfältig lauernden Gefahren abzuwägen, die auf diesem Weg immer wieder auftauchen. Außerdem bestehen nach wie vor weitere Probleme in der Gesellschaft, die gegen die Würde der Menschen, die Einheit der Familien, eine gerechte wirtschaftliche Entwicklung und eine annehmbare Lebensqualität verstoßen. Mit den Erfolgen ebenso wie mit den Schwierigkeiten vor Augen ermutige ich alle Kolumbianer, ihre Anstrengungen fortzusetzen, um die Eintracht und das harmonische Wachstum der Nation zu erreichen. Diese Bestrebungen lassen sich nur dann voll verwirklichen, wenn Gott als der Mittelpunkt des Lebens und der menschlichen Geschichte betrachtet wird.

3. Ich weiß es daher zu schätzen, daß Eure Exzellenz die wichtige Arbeit der katholischen Kirche für die nationale Wiederversöhnung unterstrichen hat. Außer der direkten Beteiligung einiger Bischöfe, Priester und Ordensleute an den Aktionen, die zum Aufbau des Friedens in die Wege geleitet wurden, erhob in der Tat die Kirche ihre Stimme auch in den für das Leben Kolumbiens entscheidenden Momenten, indem sie an die unersetzbaren Grundlagen des wahren menschlichen Fortschritts und des friedlichen Zusammenlebens erinnerte und die Katholiken und die Menschen guten Willens aufforderte, den Weg der Vergebung und der gemeinsamen Verantwortung für die Wiederherstellung der Gerechtigkeit zu befolgen.

4. Als Hirt der universalen Kirche kann ich es nicht versäumen, Eurer Exzellenz gegenüber meine Besorgnis wegen einiger Gesetze zum Ausdruck zu bringen, die sehr delikate Fragen betreffen, wie die Weitergabe und Verteidigung des Lebens, Krankheit und Alter, die Identität der Familie und die Achtung der Ehe. Bezüglich dieser Themen wird die katholische Kirche sowohl im Licht der natürlichen Vernunft wie der aus dem Evangelium stammenden moralischen und geistlichen Prinzipien weiterhin unaufhörlich die unveräußerliche Hoheit der Würde des Menschen verkünden. Es ist notwendig, auch an die Verantwortung der in den Gesetzgebungsorganen, in der Regierung und in der Verwaltung der Justiz vertretenen Laien zu appellieren, damit die Gesetze immer Ausdruck der Prinzipien und Werte sind, die im Einklang mit dem Naturrecht stehen und das echte Gemeinwohl fördern.

5. Der Beginn Ihrer Mission beim Heiligen Stuhl bietet mir die Gelegenheit, an das zu erinnern, was ich schon im vergangenen Monat in meiner Ansprache an das Diplomatische Korps beim Heiligen Stuhl gesagt habe. Als ich über verschiedene Länder sprach, bezog ich mich auch auf »Kolumbien, wo der lange interne Konflikt eine humanitäre Krise ausgelöst hat, von der vor allem die Flüchtlinge betroffen sind. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um das Land zu befrieden, den Familien ihre entführten Angehörigen zurückzugeben, Millionen Menschen wieder Sicherheit und ein normales Leben zu gewähren. Solche Signale werden allen Vertrauen schenken, einschließlich denen, die in den bewaffneten Kampf verwickelt waren« (8.1.2007; in O.R. dt., Nr. 3, 19.1.2007, S. 8).

Es ist mein brennender Wunsch, daß in Ihrem Land dieser grausamen Geißel der Entführungen, die die Würde und die Rechte der Menschen in so schwerwiegender Weise verletzen, ein Ende gesetzt werden möge. Ich begleite jene, die sich zu Unrecht ihrer Freiheit beraubt sehen, mit meinem Gebet und drücke ihren Familien meine Nähe aus im festen Vertrauen auf ihre rasche Befreiung.

Diesbezüglich sind die zahlreichen dem Dienst der Nächstenliebe gewidmeten Einrichtungen, unter Befolgung der Pastoralpläne der Bischofskonferenz und der Diözesen, dazu aufgerufen, den Notleidenden, insbesondere den in Kolumbien so zahlreichen Vertriebenen sowie den Opfern der Gewalt humanitäre Hilfe zu leisten. Auf diese Weise geben sie auch Zeugnis vom Bemühen der Kirche, die immer im Rahmen ihrer eigenen Sendung und in den Lebensverhältnissen der Nation Urheberin von Gemeinschaft und Hoffnung ist.

6. Zum Abschluß dieser Begegnung möchte ich Ihnen nochmals meinen inständigen Wunsch bekunden, daß sich in Ihrer Heimat der so sehr ersehnte Friede und die Wiederversöhnung festigen mögen. Ich bitte Gottvater, daß er alle zu diesem Zweck unternommenen Anstrengungen fruchtbar werden lasse. Ich rufe auch die Fürsprache Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz von Chiquinquirá auf das geliebte kolumbianische Volk, auf den Herrn Präsidenten und alle übrigen Regierungsverantwortlichen und besonders auf Eure Exzellenz und Ihre verehrte Familie herab, während ich Ihnen allen Erfolg bei der Erfüllung der hohen Mission wünsche, mit der Sie betraut worden sind.

AN EINE GRUPPE FINANZMINISTER UND ANDERER PERSÖNLICHKEITEN BEI DER PRÄSENTATION

DES PROJEKTS "ADVANCE MARKET COMMITMENT" Freitag, 9. Februar 2007



Meine Damen und Herrn!

Mit Freude begrüße ich Sie, die Finanzminister Italiens, Großbritanniens, Kanadas und Rußlands, die anderen Minister, bedeutende internationale Verantwortliche und Persönlichkeiten, einschließlich der Königin von Jordanien und des Präsidenten der Weltbank.

Herrn Minister Tommaso Padoa Schioppa danke ich für seine im Namen aller gesprochenen freundlichen Worte. Unser heutiges Treffen ist sehr zu begrüßen, denn es ist Teil der Einführung eines Pilotprogramms für die Entwicklung und Produktion von Impfstoffen zur Bekämpfung pandemischer Krankheiten, die für ärmere Länder zugänglich gemacht werden sollen. Diese lobenswerte Initiative mit dem Namen »Advance Market Commitment« soll dazu beitragen, eine der dringlichsten Herausforderungen präventiver Gesundheitspflege zu lösen, ein Problem, das vor allem Nationen betrifft, die bereits an Armut und schwerer Not leiden. Ein weiteres Verdienst ist, daß im Rahmen dieser Initiative öffentliche Einrichtungen mit dem privaten Sektor zusammengebracht werden, dies in dem Bestreben, die wirksamsten Mittel und Wege für den Eingriff auf diesem Gebiet zu finden.

Unser Treffen findet kurz vor dem Welttag der Kranken statt, der alljährlich am 11. Februar, am Fest Unserer Lieben Frau in Lourdes, gefeiert wird. Für die Kirche ist es eine Gelegenheit, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Not der Leidenden zu lenken. In diesem Jahr konzentriert sie sich vor allem auf die unheilbar Kranken, die sich oft in der Endphase ihres Lebens befinden. Voll und ganz unterstütze ich in diesem Kontext eure Bemühungen für dieses neue Programm und sein Ziel, die wissenschaftliche Forschung zur Entdeckung neuer Impfstoffe zu fördern. Solche Impfstoffe sind dringend notwendig, um zu verhindern, daß vor allem in den meistgefährdeten Regionen unserer Welt Millionen von Menschen, einschließlich zahlloser Kinder, jedes Jahr an Infektionskrankheiten sterben. In diesem Zeitalter globalisierter Märkte sind wir alle von der wachsenden Kluft zwischen dem Lebensstandard in den wohlhabenden, technologisch hochentwickelten Ländern und dem der unterentwickelten Länder mit anhaltender und sogar zunehmender Armut betroffen.

Die heute gestartete kreative und vielversprechende Initiative versucht, dieser Tendenz entgegenzuwirken. Ihr Ziel ist es, »zukünftige« Märkte für Impfstoffe zu schaffen, in erster Linie solche, die zur Vorbeugung der Kindersterblichkeit dienen. Ich versichere Sie der vollen Unterstützung des Heiligen Stuhls für dieses humanitäre Projekt, das von jenem Geist menschlicher Solidarität inspiriert ist, den unsere Welt braucht, um jede Form von Egoismus zu überwinden und die friedliche Koexistenz der Völker zu fördern. Wie ich in meiner Botschaft zum diesjährigen Weltfriedenstag sagte, ist jeder Dienst an den Armen ein Dienst am Frieden, denn »an der Wurzel nicht weniger Spannungen, die den Frieden bedrohen, liegen sicherlich die vielen ungerechten Ungleichheiten, die tragischerweise noch in der Welt vorhanden sind« (Nr. 6).

Verehrte Damen und Herrn, ich werde für einen jeden von Ihnen beten, auf daß der Allmächtige Gott Ihren Anstrengungen zur Erfüllung dieser wichtigen Arbeit beistehe. Von Herzen erbitte ich seinen Segen der Weisheit, der Kraft und des Friedens.



AN EINE DELEGATION DER PARISER

"AKADEMIE FÜR MORAL- UND POLITIKWISSENSCHAFTEN" Samstag, 10. Februar 2007



Herr Ständiger Sekretär,
Herr Kardinal,
liebe Freunde, Akademiemitglieder, meine Damen und Herren!

Mit Freude empfange ich Sie heute, Mitglieder der Akademie für Moral- und Politikwissenschaften. An erster Stelle danke ich dem Ständigen Sekretär, Herrn Michel Albert, für die Worte, mit denen er sich zum Sprecher Ihrer Delegation gemacht hat, sowie für die Medaille zur Erinnerung an meine Aufnahme als assoziiertes ausländisches Mitglied Ihrer erlesenen Institution.

Die Akademie für Moral- und Politikwissenschaften ist ein Ort des Austausches und der Debatte, der den Bürgern insgesamt und dem Gesetzgeber Denkanstöße anbietet, die helfen sollen, »die für das Gemeinwohl und die Entfaltung des einzelnen geeignetsten Formen politischer Organisation zu finden«. Im Mittelpunkt der Überlegungen und Handlungen der Obrigkeiten und der Bürger müssen immer zwei Elemente stehen: die Achtung vor jedem Menschen und die Suche nach dem Gemeinwohl. In der heutigen Welt ist es dringlicher denn je, die Aufmerksamkeit unserer Zeitgenossen erneut auf diese beiden Elemente zu lenken. Die Entwicklung des Subjektivismus hat zur Folge, daß jeder dazu neigt, sich für den einzigen Bezugspunkt zu halten und zu meinen, das, was er denke, habe Wahrheitscharakter; so drängt sie uns dazu, die Gewissen auf der Grundlage der fundamentalen Werte zu formen, die nicht verhöhnt werden können, ohne den Menschen und die Gesellschaft selbst in Gefahr zu bringen, sowie auf der Grundlage der objektiven Entscheidungskriterien, die einen Akt der Vernunft voraussetzen.

Wie ich in meinem Vortrag vor Ihrer Akademie im Jahr 1995 über das Thema »Der Neue Bund« unterstrichen habe, ist der Mensch »von Natur aus ein auf Beziehung ausgerichtetes Geschöpf « und dazu aufgerufen, sich jeden Tag mehr für seine Brüder und Schwestern im Menschsein verantwortlich zu fühlen. Die von Gott schon im ersten Text der Heiligen Schrift gestellte Frage muß unaufhörlich im Herzen jedes Menschen widerhallen: »Wo ist dein Bruder?« Der Sinn für die Brüderlichkeit und Solidarität und der Sinn für das Gemeinwohl beruhen auf der Wachsamkeit hinsichtlich der Brüder und hinsichtlich der Gestaltung der Gesellschaft, die jedem einen Platz gibt, damit er in Würde leben, ein Dach über dem Kopf und das nötige Auskommen für sich und die Familie, für die er zu sorgen hat, haben kann. In diesem Geist ist der Antrag zu den Menschenrechten und der freien Meinungsäußerung, die zu den Grundrechten gehört, zu verstehen, über den Sie im vergangenen Oktober abgestimmt haben. Ihr Anliegen war immer, daß die grundlegende Würde der einzelnen Menschen und der menschlichen Gruppen nicht verhöhnt und auch ihr religiöser Glaube respektiert werde.

Es sei mir gestattet, vor Ihnen auch die Erinnerung an die Gestalt von Andrej Dmitrijewitsch Sacharow wachzurufen, in dessen Nachfolge ich meinen Platz in der Akademie eingenommen habe. Diese edle Persönlichkeit erinnert uns daran, daß es im persönlichen wie im öffentlichen Leben notwendig ist, den Mut zu haben, die Wahrheit zu sagen und ihr zu folgen, frei zu sein in bezug auf die uns umgebende Welt, die oft dazu neigt, ihre Anschauungen und die zu übernehmenden Verhaltensweisen aufzudrängen. Die echte Freiheit besteht darin, daß man auf dem Weg der Wahrheit vorangeht, gemäß der eigenen Berufung und im Wissen, daß jeder vor seinem Schöpfer und Erlöser Rechenschaft über sein Leben ablegen müssen wird.

Es ist wichtig, daß wir den jungen Menschen einen solchen Weg vorschlagen können, indem wir sie daran erinnern, daß wahre Entfaltung nicht um jeden Preis zu haben ist, und sie einladen, sich nicht damit zufrieden zu geben, allen sich bietenden Moden zu folgen. So werden sie mit Mut und Beharrlichkeit den Weg der Freiheit und des Glücks unterscheiden können, der voraussetzt, daß eine Reihe von Anforderungen gelebt wird und die Anstrengungen, Opfer und Entsagungen vollbracht werden, die für rechtes Handeln notwendig sind.

Eine der Herausforderungen für unsere Zeitgenossen und insbesondere für die Jugend besteht darin, ein Leben zu akzeptieren, das sich nicht nur in der Äußerlichkeit, im Schein abspielt, sondern in der Entfaltung des inneren Lebens, einem Ort, wo sich Sein und Tun verbinden, einem Ort der Anerkennung unserer Würde als Kinder Gottes, die zur Freiheit berufen sind, indem sie sich nicht von der Quelle des Lebens trennen, sondern mit ihr verbunden bleiben. Was das Herz des Menschen erfreut, ist, sich als Söhne und Töchter Gottes zu erkennen, ist ein schönes und gutes Leben unter dem Blick Gottes; gleiches gilt für die Siege, die über das Böse und gegen die Lüge errungen werden. Indem wir jeden entdecken lassen, daß sein Leben einen Sinn hat und daß er dafür verantwortlich ist, öffnen wir den Weg zum Reifwerden der Menschen sowie zu einem versöhnten Menschsein, das auf das Gemeinwohl bedacht ist.

Der russische Gelehrte Sacharow ist dafür ein Vorbild; während in der Zeit des Kommunismus seine äußere Freiheit eingeschränkt wurde, erlaubte es ihm seine innere Freiheit, die ihm keiner nehmen konnte, das Wort zu ergreifen, um mit beharrlicher Entschlossenheit seine Mitbürger im Namen des Gemeinwohls zu verteidigen. Auch heutzutage ist es wichtig, daß sich der Mensch nicht von äußeren Ketten behindern läßt, wie etwa vom Relativismus, vom Streben nach Macht und Profit um jeden Preis, von der Droge, von ungeordneten Gefühlsbeziehungen, von der Verwirrung im Bereich der Ehe, von der Nichtanerkennung des Menschen in allen Phasen seiner Existenz, von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende, die zur Meinung führt, es gebe Stadien, in denen der Mensch nicht wirklich existiere. Wir müssen den Mut haben, unsere Zeitgenossen daran zu erinnern, was der Mensch und was das Menschsein ist. Ich fordere die zivilen Obrigkeiten und die Personen, die eine Aufgabe bei der Weitergabe der Werte haben, auf, immer diesen Mut zur Wahrheit über den Menschen zu haben.

Lassen Sie mich zum Abschluß unserer Begegnung den Wunsch aussprechen, daß die Akademie der Moral- und Politikwissenschaften durch ihre Arbeiten, zusammen mit anderen Institutionen, immer den Menschen helfen könne, ein besseres Leben einzurichten und eine Gesellschaft aufzubauen, wo es schön ist, als Brüder zu leben. Dieser Wunsch verbindet sich mit dem Gebet, das ich für Sie, für Ihre Familien und für alle Mitglieder der Akademie der Moral- und Politikwissenschaften zum Herrn erhebe.



AN DIE ITALIENISCHE FREIWILLIGENORGANISATION "MISERICORDIE D’ITALIA" Audienzenhalle

Samstag, 10. Februar 2007




Liebe Freunde der »Misericordie d’Italia«!

Mit Freude empfange ich euch und richte meinen herzlichen Willkommensgruß an alle hier Anwesenden. Ich bin dankbar für diesen Besuch, der mir Gelegenheit gibt, euch besser kennenzulernen. Ich grüße den Präsidenten eurer Konföderation und danke Kardinal Antonelli für die freundlichen Worte, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat. Die »Misericordie« sind – wie gebührend betont werden muß – die weltweit älteste Form des organisierten Freiwilligendienstes. Sie gehen auf die Initiative des heiligen Märtyrers Petrus von Verona zurück, der 1244 in Florenz einige Bürger jeden Alters und aller Gesellschaftsschichten versammelte, um in absoluter Anonymität und vollkommen unentgeltlich »Gott durch barmherzige Werke an den Mitmenschen zu ehren«. Heute besteht die Konföderation der »Misericordie d’Italia« aus über 700 »Bruderschaften« – wie ihr sie so vielsagend nennt –, die vor allem in der Toskana, aber auch im übrigen Staatsgebiet, insbesondere in den Regionen Mittel- und Süditaliens vertreten sind. Zu ihnen gehören auch die zahlreichen Blutspendergruppen, die sogenannten »Fratres«. Eure wohltätige Organisation zählt über 100.000 Freiwillige, die ständig im Bereich des Gesundheitswesens tätig sind. Die Vielfältigkeit eurer Initiativen ist nicht nur eine Antwort auf die Erfordernisse der Gesellschaft, sondern auch ein Zeichen jenes Eifers, jener »Phantasie« der Nächstenliebe, die von einem pulsierenden Herzen ausgeht, dessen »Motor« die Liebe zu notleidenden Menschen ist.

Gerade dafür verdient ihr Anerkennung: Mit eurer Gegenwart und euren Initiativen tragt ihr dazu bei, das Evangelium der Liebe Gottes unter allen Menschen zu verbreiten. Wie könnten wir dabei nicht an den eindrucksvollen Abschnitt des Evangeliums denken, in dem der hl. Matthäus von der endgültigen Begegnung mit dem Herrn spricht? Dann, so hat Jesus selbst gesagt, wird der Richter der Welt uns fragen, ob wir im Laufe unseres Lebens den Hungernden zu essen und den Dürstenden zu trinken gegeben haben, ob wir die Fremden aufgenommen und den Bedürftigen die Tore unseres Herzens geöffnet haben. Mit einem Wort, beim Letzten Gericht wird Gott uns fragen, ob wir auf abstrakte Weise geliebt haben oder vielmehr in konkreter, tätiger Form (vgl. Mt 25,31–46). Und es berührt mich immer wieder zutiefst, wenn ich von neuem diese Zeilen lese über Jesus, den Menschensohn und letzten Richter, der uns in diesem Tun vorausgeht, indem er selbst Mensch wird, arm und durstig, und uns schließlich umarmt und an sein Herz drückt. So tut Gott das, was wir seinem Willen entsprechend tun sollen: offen zu sein für andere und die Liebe nicht mit Worten, sondern mit Taten zu leben. Gerne wiederholte der hl. Johannes vom Kreuz, daß wir am Ende unseres Lebens nach unserer Liebe gerichtet werden. Wie notwendig ist es doch, daß auch heute, ja vor allem heute, in unserer von zahlreichen menschlichen und spirituellen Herausforderungen geprägten Zeit, die Christen durch Taten und Werke die barmherzige Liebe Gottes verkünden! Jeder Getaufte sollte ein »gelebtes Evangelium« sein. Viele Menschen, denen es nicht leichtfällt, Christus und seine anspruchsvolle Lehre anzunehmen, sind jedoch empfänglich für das Zeugnis derer, die seine Botschaft durch konkrete Nächstenliebe vermitteln. Die Liebe ist eine Sprache, die unmittelbar zum Herzen spricht und es dem Vertrauen öffnet. So wie sich der hl. Petrus an die ersten Christen wandte, fordere auch ich euch auf, stets bereit zu sein, »jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt« (1P 3,15).

Einen weiteren Gedanken möchte ich noch hinzufügen: Eure Vereinigung ist ein typisches Beispiel dafür, wie wichtig es ist, die eigenen christlichen Wurzeln in Italien und in Europa zu bewahren. Eure Bruderschaften, die »Misericordie«, sind eine lebendige und lebhafte, überaus realistische Präsenz dieser christlichen Wurzeln. Heutzutage sind die »Misericordie« keine kirchliche Vereinigung, aber ihre Wurzeln sind eindeutig christlich, was der Name »Misericordie« selbst zum Ausdruck bringt, und was auch die bereits erwähnte Tatsache verdeutlicht, daß euer Ursprung auf die Initiative eines Heiligen zurückgeht. Nun, um weiterhin Früchte zu tragen, müssen die Wurzeln lebendig und stark bleiben. Deshalb bietet ihr euren Mitgliedern regelmäßige Schulungs- und Ausbildungsmöglichkeiten an, um die menschlichen und christlichen Grundlagen eurer Tätigkeit immer mehr zu vertiefen. Es besteht nämlich die Gefahr, daß der Freiwilligendienst zu bloßem Aktivismus wird. Wenn hingegen die spirituelle Kraft lebendig bleibt, kann er anderen weit mehr als die bloßen materiellen Notwendigkeiten vermitteln: Er kann dem notleidenden Mitmenschen jenen Blick der Liebe schenken, den er braucht (vgl. Deus caritas Est 18).

Schließlich möchte ich noch einen dritten Aspekt hervorheben, der Grund zur Anerkennung gibt: Zusammen mit anderen Freiwilligenvereinigungen übt ihr eine wichtige erzieherische Funktion aus, indem ihr die Empfänglichkeit für die erhabensten Werte wie Brüderlichkeit und selbstlose Unterstützung der Notleidenden aufrechterhaltet. Vor allem können junge Menschen von der Erfahrung im Freiwilligendienst profitieren, denn, wenn er gut gestaltet ist, wird er für sie eine »Schule des Lebens«, die ihnen hilft, dem eigenen Leben einen höheren Sinn und Wert und größere Fruchtbarkeit zu schenken. Mögen die »Misericordie« sie anregen, in der Dimension des Dienstes am Nächsten zu wachsen und eine große Wahrheit des Evangeliums zu entdecken, daß nämlich »geben seliger [ist] als nehmen« (Ac 20,35 vgl. Deus caritas Est 30).

Liebe Freunde, morgen, am 11. Februar, dem Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes, feiern wir nunmehr zum fünfzehnten Mal den Welttag der Kranken. In diesem Jahr richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf all jene, die an unheilbaren Krankheiten leiden. Vielen von ihnen widmet auch ihr, liebe Freunde, euren Dienst. Die Jungfrau Maria, die Mutter der Barmherzigkeit, möge über jede eurer Bruderschaften, ja über jedes einzelne Mitglied der »Misericordie d’Italia« wachen. Möge sie euch helfen, eure Aufgabe mit wahrer Liebe zu erfüllen und so zur Verbreitung der Liebe Gottes, Quelle des Lebens für jeden Menschen, in aller Welt beitragen. Euch, die ihr hier versammelt seid, und allen »Misericordie« Italiens wie den Blutspendern »Fratres« erteile ich von Herzen meinen Segen.

AN HERRN LUIS PARÍS CHAVERRI,

NEUER BOTSCHAFTER VON COSTA RICA BEIM HL. STUHL Samstag, 10. Februar 2007



Herr Botschafter!

1. Gern empfange ich Sie zu dieser Audienz, bei der Sie mir das Beglaubigungsschreiben überreichen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter Costa Ricas beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden.

Ich danke Ihnen aufrichtig für die freundlichen Worte, die Sie bei diesem feierlichen Akt an mich gerichtet haben, mit dem Sie die Ihnen von Ihrer Regierung übertragene Mission beginnen. Ich bitte Sie, dem Herrn Präsidenten der Republik, Dr. Óscar Arias, meinen ehrerbietigen Gruß bestellen zu lassen, in Erwiderung seines Grußes, den Sie mir übermittelt haben und mit dem er die Nähe und die Zuneigung des Volkes von Costa Rica zum Nachfolger Petri zum Ausdruck bringt.

2. Costa Rica besitzt eine starke religiöse Prägung, die den Glauben seines Volkes mehr als fünf Jahrhunderte nach seiner Evangelisierung widerspiegelt. In diesem Sinn bemüht sich die katholische Kirche, getreu ihrer Sendung, allen Menschen die Heilsbotschaft zu bringen, und gemäß ihrer Soziallehre die ganzheitliche Entwicklung des Menschen und die Verteidigung seiner Würde zu fördern. Die Kirche tut dies, indem sie zur Stärkung der Grundwerte beiträgt, damit die Gesellschaft Stabilität und Eintracht genießen kann, wie es ihrer großen Sehnsucht nach einem Leben in Frieden, Freiheit und Demokratie entspricht.

Veranlaßt von ihrem Wunsch, die Botschaft des Evangeliums lebendig zu erhalten, arbeiten die verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften in so wichtigen Bereichen zusammen wie der Bildung, der Betreuung benachteiligter Bevölkerungsgruppen, dem Gesundheitsdienst und der Förderung des Menschen als Staatsbürger und Kind Gottes.

Daher beobachten die Bischöfe von Costa Rica mit Aufmerksamkeit und Sorge die in dem Land herrschenden sozialen Verhältnisse, wie die zunehmende Verarmung, die öffentliche Unsicherheit und die Gewalt in den Familien; dazu kommt eine starke Zuwanderung aus den Nachbarländern.

Angesichts von nicht selten konfliktreichen Situationen und zur Verteidigung des Gemeinwohls bieten sie ihre Mitarbeit bei Initiativen an, die die Verständigung und Versöhnung begünstigen und zur Förderung der Gerechtigkeit und Solidarität führen, indem sie, wenn nötig, den nationalen Dialog unter den für das öffentliche Leben Verantwortlichen fördern.

Andererseits soll, wie Seine Exzellenz betont hat, der genannte Dialog jede Form von Gewalt in ihren verschiedenen Äußerungen ausschließen und dazu beitragen, durch die Zusammenarbeit aller eine menschlichere Zukunft aufzubauen.

Unter diesem Gesichtspunkt muß daran erinnert werden, daß eine Verbesserung der sozialen Situation nicht durch ausschließliche Anwendung der notwendigen technischen Maßnahmen herbeigeführt wird, sondern daß es auch der Förderung von Reformen bedarf, bei denen im Hinblick auf die Person, die Familie und die Gesellschaft ethische Erwägungen berücksichtigt werden.

Darum müssen die sittlichen Grundwerte, wie Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit und Verantwortung für das Gemeinwohl gepflegt werden. Auf diese Weise wird sich der persönliche und kollektive Egoismus sowie die in vielen Bereichen verbreitete Korruption vermeiden lassen, die jeglichen Fortschritt verhindern.

3. Es ist wohl bekannt, daß die Zukunft einer Nation auf den Frieden, Frucht der Gerechtigkeit (vgl. Jc 3,18), gegründet sein muß und so eine Gesellschaft aufgebaut wird, die, angefangen bei den Verantwortlichen für das politische, parlamentarische, administrative und rechtliche Leben, Eintracht, Ausgeglichenheit und die Achtung der Person sowie die Verteidigung ihrer Grundrechte fördert.

Lobenswert sind in dieser Hinsicht die Initiativen, die die Regierung von Costa Rica auf internationaler Ebene ergriffen hat, um den Frieden und die Menschenrechte in der Welt zu fördern; gleiches gilt für die traditionelle Nähe zu den vom Heiligen Stuhl auf verschiedenen internationalen Foren vertretenen Positionen über so bedeutsame Fragen wie die Verteidigung des menschlichen Lebens und die Förderung von Ehe und Familie.

Alle Costaricaner müssen mit den Qualitäten, die sie auszeichnen, durch ihr Mitwirken an einer politischen Stabilität, die allen Bürgern die Teilnahme am öffentlichen Leben gestattet, Hauptakteure und Urheber des Fortschritts des Friedens sein. Jeder Einzelne ist, seiner Fähigkeit und seinen persönlichen Möglichkeiten entsprechend, dazu aufgerufen, seinen Beitrag zum Wohl des Vaterlandes zu leisten, das auf einer gerechteren Sozialordnung beruht, an der der einzelne in höherem Maß teilnehmen kann.

Dafür bietet die Morallehre der Kirche etliche Werte und Orientierungen an, die, wenn sie besonders von denen, die im Dienst der Nation arbeiten, berücksichtigt werden, sehr hilfreich sind, um auf angemessene Weise den Bedürfnissen und Wünschen der Bürger entgegenzukommen.

Das schmerzliche und weitverbreitete Problem der Armut mit seinen schwerwiegenden Konsequenzen im Bereich der Erziehung, der Gesundheit und des Wohnraums ist eine drängende Herausforderung für die Regierenden und Verantwortlichen der öffentlichen Einrichtungen im Hinblick auf die Zukunft der Nation. Es bedarf einer tiefgehenden Gewissensbildung, die es erlaubt, sich mit Entschlossenheit der gegenwärtigen Situation in allen ihren Dimensionen zu stellen und so an einem echten Einsatz für das Wohl aller mitzuwirken.

Wie in anderen Teilen der Welt mangelt es den Armen auch hier an den primären Gütern, und sie finden nicht die Mittel, die für ihre Förderung und ganzheitliche Entwicklung nötig sind. Das betrifft vor allem die Zuwanderer auf der Suche nach einer Verbesserung ihrer Lebenslage.

Angesichts dessen bemüht sich die Kirche, auf der Grundlage ihrer Soziallehre Initiativen zur Beseitigung von Situationen der Marginalisierung, die viele notleidende Brüder und Schwestern betreffen, ins Leben zu rufen und zu fördern, denn die Sorge um den sozialen Bereich ist auch Teil ihres Handelns in der Evangelisierung (vgl. Johannes Paul II., Sozialenzyklika Sollicitudo Rei Socialis, Nr. 41). 4.

Herr Botschafter, vor dem Ende dieser Begegnung möchte ich Ihnen meine besten Wünsche aussprechen, daß die Mission, die heute beginnt, fruchtbar und erfolgreich sein möge. Ich bitte Sie noch einmal, meine Empfindungen und Hoffnungen dem Herrn Präsidenten der Republik und den übrigen Autoritäten Ihres Landes zu übermitteln, und rufe gleichzeitig den Segen Gottes und den Schutz der Patronin des Landes, »Nuestra Señora de los Ángeles«, auf Sie, auf Ihre werte Familie und Ihre Mitarbeiter und auf alle geliebten Söhne und Töchter Costa Ricas herab.
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Benedikt XVI Predigten 98