Benedikt XVI Predigten 197

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ROSENKRANZGEBET

Basilika "Santa Maria Maggiore"
Samstag, 3. Mai 2008

Liebe Brüder und Schwestern!


Am Ende dieses Mariengebets möchte ich euch alle sehr herzlich grüßen und euch für eure Teilnahme danken. Ich grüße insbesondere Herrn Kardinal Bernard Francis Law, Erzpriester dieser wunderschönen Basilika »Santa Maria Maggiore«. Sie ist in Rom die Marienkirche schlechthin, in der die Bevölkerung der Stadt mit großer Liebe die Ikone von Maria »Salus Populi Romani« verehrt. Gern habe ich die an mich ergangene Einladung angenommen, am ersten Samstag im Mai das Rosenkranzgebet zu leiten gemäß der schönen Tradition, die ich seit meiner Kindheit pflege. In der Erfahrung meiner Generation lassen die Maiabende schöne Erinnerungen aufkommen, die mit den abendlichen Andachten verbunden sind, in denen Unsere Liebe Frau verehrt wird. Wie sollte man jemals das Rosenkranzgebet in der Pfarrei, in den Höfen der Häuser oder in den Stadtvierteln vergessen?

Heute bekräftigen wir gemeinsam, daß das Rosenkranzgebet keine Frömmigkeitsübung ist, die der Vergangenheit angehört, als sei es ein Gebet aus anderen Zeiten, an das man mit Nostalgie zurückdenkt. Vielmehr erfährt der Rosenkranz gleichsam einen neuen Frühling. Das ist zweifellos eines der beredtesten Zeichen der Liebe, die die jungen Generationen Jesus und seiner Mutter Maria entgegenbringen. In der heutigen Welt, in der soviel Zerstreuung herrscht, hilft dieses Gebet, Christus in den Mittelpunkt zu stellen, so wie es die Jungfrau Maria tat, die all das, was über ihren Sohn gesagt wurde, und auch das, was er tat und sagte, in ihrem Herzen bedachte. Wenn man den Rosenkranz betet, durchlebt man noch einmal die wichtigen und bedeutsamen Augenblicke der Heilsgeschichte; man durchläuft die verschiedenen Etappen der Sendung Christi. Durch Maria wird das Herz auf das Geheimnis Christi ausgerichtet. Christus wird in den Mittelpunkt unseres Lebens, unserer Zeit und unserer Städte gestellt durch die Betrachtung seiner freudenreichen, lichtreichen, schmerzhaften und glorreichen heiligen Geheimnisse und durch das Nachdenken über sie. Maria möge uns helfen, die Gnade in uns aufzunehmen, die aus diesen Geheimnissen ausströmt, auf daß sie durch uns die Gesellschaft »tränken« kann, angefangen bei den Alltagsbeziehungen, und sie reinigt von so vielen negativen Kräften, indem sie sie für die Neuheit Gottes öffnet. Wenn der Rosenkranz richtig gebetet wird – nicht mechanisch und oberflächlich, sondern mit tiefem Glauben –, dann bringt er in der Tat Frieden und Versöhnung. Er trägt in sich die heilende Macht des heiligsten Namens Jesu, der mit Glauben und Liebe in der Mitte jedes »Gegrüßet seist du Maria« angerufen wird.

Liebe Brüder und Schwestern, wir wollen Gott danken, der uns gewährt hat, am heutigen Abend eine so schöne Stunde der Gnade zu erleben. An den kommenden Abenden dieses Marienmonats wollen wir uns, auch wenn wir fern sind voneinander, einander dennoch nahe und im Gebet vereint sein. Bleiben wir besonders an diesen Tagen, in denen wir uns auf das Hochfest Pfingsten vorbereiten, mit Maria vereint und bitten wir für die Kirche um eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes. Möge die allerseligste Jungfrau Maria wie an den Ursprüngen den Gläubigen jeder christlichen Gemeinschaft helfen, ein Herz und eine Seele zu sein. Ich vertraue euch die dringlichsten Anliegen meines Dienstamtes an, die Bedürfnisse der Kirche, die großen Probleme der Menschheit: den Frieden in der Welt, die Einheit der Christen, den Dialog zwischen allen Kulturen. Und im Hinblick auf Rom und Italien lade ich euch ein, für die pastoralen Ziele der Diözese zu beten und für die solidarische Entwicklung dieses geliebten Landes. Dem neuen Bürgermeister von Rom, Herrn Abgeordneten Gianni Alemanno, der, wie ich sehe, hier anwesend ist, wünsche ich einen fruchtbringenden Dienst für das Wohl der ganzen Stadtgemeinschaft. Euch allen, die ihr hier versammelt seid, und jenen, die über Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind, insbesondere den Kranken, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.


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AUDIENZ FÜR DIE KATHOLISCHE AKTION ITALIENS

Petersplatz
Sonntag, 4. Mai 2008

Liebe Kinder, Jugendliche und Erwachsene der Katholischen Aktion!


Es ist für mich eine große Freude, euch heute hier auf dem Petersplatz zu empfangen, wo in der Vergangenheit nicht wenige aus eurer verdienstvollen Vereinigung dem Nachfolger Petri begegnet sind. Danke für diesen Besuch. Herzlich grüße ich alle, die aus ganz Italien hierhergekommen sind, wie auch die Mitglieder des Internationalen Forums aus vierzig Ländern der Welt. In besonderer Weise grüße ich den nationalen Präsidenten, Prof. Luigi Alici, dem ich für die tiefempfundenen Worte danke, die er an mich gerichtet hat, den Generalassistenten Bischof Domenico Sigalini sowie die nationalen und diözesanen Verantwortlichen. Ich danke euch auch für das besondere Geschenk, das ihr mir durch eure Vertreter überreichen wolltet und das eure Solidarität gegenüber den Bedürftigsten bezeugt. Aufrichtige Dankbarkeit bringe ich gegenüber dem Präsidenten der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, zum Ausdruck, der für euch die heilige Messe gefeiert hat.

Ihr seid nach Rom in der geistlichen Begleitung eurer zahlreichen Heiligen, Seligen und Diener Gottes gekommen: Männer und Frauen, Jugendliche und Kinder, Erzieher und Geistliche Assistenten, die reich an christlichen Tugenden waren und in den Reihen der Katholischen Aktion aufgewachsen sind, die in diesen Tagen ihr 140jähriges Bestehen begeht. Die wunderbare Schar der Gesichter, die symbolisch den Petersplatz umfassen, ist ein greifbares Zeugnis einer Heiligkeit, die reich an Licht und Liebe ist. Diese Zeugen, die Jesus mit all ihren Kräften nachgefolgt sind und sich für die Kirche und das Reich Gottes aufgeopfert haben, stellen euren authentischsten Personalausweis dar. Ist es etwa nicht auch heute für euch Kinder, Jugendliche und Erwachsene möglich, aus eurem Leben ein Zeugnis der Gemeinschaft mit dem Herrn zu machen, damit es sich in ein wahres Meisterwerk an Heiligkeit verwandelt? Ist nicht gerade dies das Ziel eurer Vereinigung? Das wird gewiß möglich sein, wenn die Katholische Aktion weiterhin ihren tiefen Wurzeln des Glaubens treu bleibt, die von einer vollen Zustimmung zum Wort Gottes, einer unbedingten Liebe zur Kirche, einer wachsamen Teilnahme am zivilen Leben und einem beständigen Einsatz für die Bildung genährt sind. Liebe Freunde, antwortet in einer Weise, die eurem Stand als Laien am meisten angemessen ist, großherzig auf diesen Ruf zur Heiligkeit! Laßt euch weiterhin von den drei großen »Aufträgen« inspirieren, die euch mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. im Jahr 2004 in Loreto anvertraut hat: Kontemplation, Gemeinschaft, Mission.

Die Katholische Aktion entstand als eine eigene Vereinigung von gläubigen Laien, die sich durch eine besondere und direkte Verbindung mit dem Papst auszeichnete und bald zu einer wertvollen Form der »Mitarbeit der Laien am hierarchischen Apostolat« wurde, die das II. Vatikanische Konzil »nachdrücklich« empfahl und deren unverzichtbare »Merkmale« es aufzeigte (vgl. Dekret Apostolicam actuositatem AA 20). Diese ihre Berufung bleibt auch heute noch gültig. Ich ermutige euch somit, großherzig in eurem Dienst an der Kirche fortzufahren. Indem ihr deren allgemeine apostolische Zielsetzung annehmt, im Geist inniger Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri und der tätigen, gemeinsam mit den Hirten getragenen Verantwortung, verkörpert ihr in einem fruchtbaren Gleichgewicht zwischen der universalen Kirche und der Ortskirche eine Sicht des Dienstes, der euch dazu ruft, einen unablässigen und unersetzbaren Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten.

Dieser weite kirchliche Atem, der das Charisma eurer Vereinigung ausmacht, ist kein Zeichen einer ungewissen oder überholten Identität; er weist eurer Berufung als Laien vielmehr eine große Verantwortung zu: erleuchtet und getragen vom Heiligen Geist und stets verwurzelt im Weg der Kirche, seid ihr dazu aufgerufen, mutig immer neue Synthesen zwischen der Verkündigung des Heiles Christi an den Menschen unserer Zeit und der Förderung des ganzheitlichen Wohles des Menschen und der ganzen Menschheitsfamilie zu suchen.

In meiner Ansprache vom Oktober 2006 vor dem IV. Nationalen Kongreß der katholischen Kirche in Verona habe ich hervorgehoben, daß die Kirche in Italien »eine sehr lebendige Wirklichkeit und nach wie vor sehr präsent unter den Menschen jeden Alters und Lebensstandes [ist]. Die christlichen Traditionen sind oft noch verwurzelt und bringen weiterhin Frucht hervor, während ein großer Einsatz für die Evangelisierung und die Katechese stattfindet, der sich insbesondere an die jungen Generationen richtet, aber jetzt auch immer mehr an die Familien« (Ansprache von Papst Benedikt XVI. in Verona; in O.R. dt., Nr. 43, 27.10.2006, S.7). Wie sollte man in dieser weitreichenden Gegenwart nicht auch ein diskretes und fühlbares Zeichen der Katholischen Aktion sehen? Die geliebte italienische Nation hat in der Tat immer auf Männer und Frauen zählen können, die in eurer Vereinigung herangebildet wurden und bereit sind, selbstlos der Sache des Gemeinwohls für die Errichtung einer gerechten Ordnung der Gesellschaft und des Staates zu dienen. Lebt also immer eurer Taufe entsprechend, die euch in den Tod und in die Auferstehung Christi eingetaucht hat, für das Heil eines jeden Menschen, dem ihr begegnet, und einer Welt, die nach Frieden und Wahrheit dürstet. Seid »des Evangeliums würdige Bürger« und »Diener der christlichen Weisheit für eine menschlichere Welt«: so lautet das Thema eurer Versammlung, und dies ist der Auftrag, den ihr heute vor der ganzen italienischen Kirche annehmt, die hier durch euch, eure Geistlichen Assistenten, die Bischöfe und deren Präsidenten vertreten ist.

In einer missionarischen Kirche, die vor einem Erziehungsnotstand steht, wie er heute in Italien festzustellen ist, sollt ihr, die ihr ihre Diener seid und sie liebt, unermüdliche Verkünder und gut vorbereitete sowie großherzige Erzieher sein; in einer Kirche, die auch zu sehr anspruchsvollen Beweisen der Treue gerufen und der Versuchung ausgesetzt ist, sich anzupassen, sollt ihr mutige Zeugen und Propheten evangeliumsgemäßer Radikalität sein; in einer Kirche, die tagtäglich mit einer relativistischen, hedonistischen und konsumorientierten Mentalität konfrontiert ist, sollt ihr den Raum der Vernünftigkeit im Zeichen eines Glaubens ausweiten, der mit der Vernunft einhergeht, sowohl im Bereich einer breiten Volkskultur als auch in jenem der immer besser ausgearbeiteten und überdachten Forschung; in einer Kirche, die zum Heroismus der Heiligkeit ruft, sollt ihr furchtlos Antwort geben, immer im Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes.

Liebe Freunde der Katholischen Aktion Italiens, ihr seid nicht allein auf dem Weg, den ihr vor euch habt: eure Heiligen begleiten euch. Weitere Personen haben eine bedeutende Rolle in eurer Vereinigung eingenommen: Ich denke zum Beispiel unter anderem an Giuseppe Toniolo und Armida Barelli. Angeregt von diesen Vorbildern eines gelebten Christentums wollt ihr ein außerordentliches Jahr begehen, ein Jahr, das wir als Jahr der Heiligkeit bezeichnen könnten, während dessen ihr euch dafür einsetzt, die Lehren des Evangeliums ins konkrete Leben umzusetzen. Ich ermutige euch in diesem Vorhaben. Verstärkt das Gebet, gestaltet eure Lebensführung entsprechend den ewigen Werten des Evangeliums und laßt euch dabei von der Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, führen. Der Papst begleitet euch mit einem steten Gedenken im Herrn, während er von Herzen euch, die ihr hier seid, und der ganzen Vereinigung seinen Apostolischen Segen spendet.
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AN DIE PÄPSTLICHE SCHWEIZERGARDE Montag, 5. Mai 2008


Herr Kommandant,
liebe Schweizergardisten, sehr geehrte Familienangehörige!

Aus Anlaß der jährlichen Zeremonie der Vereidigung, die morgen stattfinden wird, ist es mir eine Freude, mit Euch allen zusammenzutreffen, um den neuen Rekruten meine herzlichen Glückwünsche auszusprechen und dem gesamten Korps der Päpstlichen Schweizergarde meine Zuneigung und Wertschätzung zu übermitteln. Mein besonderer Gruß gilt dem Kommandanten und dem Kaplan, denen ich mein Gebet für ihren anspruchsvollen Dienst zusichere. Liebe Gardisten, mit Freude grüße ich zudem die Autoritäten aus der Schweiz und die zahlreichen Familienangehörigen, die in diesen Tagen durch ihre Gegenwart Euer kleines Gardequartier im Vatikan mit Freude erfüllen. Besonders freue ich mich darüber, so viele Kinder empfangen zu können: Sie sind die schönste Zier Eurer Familien und erinnern uns an die besondere Vorliebe, die Jesus den Kleinen entgegenbrachte.

... auf deutsch: Vor zwei Jahren, im Jahr 2006, wurde mit festlichen Veranstaltungen die Fünfhundertjahrfeier der Gründung Eurer Truppe begangen. Dies war eine gute Gelegenheit, einen Blick auf Eure Geschichte zu werfen und dabei die großen Veränderungen des gesellschaftlichen Umfelds zu erfassen, in dem die Jahrhunderte hindurch der Heilige Stuhl gemäß dem Auftrag, den Christus dem Apostel Petrus anvertraut hat, lebt und wirkt. Gerade vor dem Hintergrund dieser eindrucksvollen Entwicklung tritt das noch mehr hervor, was sich nicht ändert – so auch die Identität Eurer kleinen, aber qualifizierten Truppe, die dazu ausersehen ist, über die Sicherheit der Person des Papstes und seines Wohnsitzes zu wachen. Nach fünf Jahrhunderten ist der Geist unverändert, der junge Schweizer dazu bringt, ihr schönes Land zu verlassen, um für den Heiligen Vater im Vatikan Dienst zu leisten. Mit derselben Liebe legt Ihr für die katholische Kirche Zeugnis ab, und zwar mehr als mit Worten mit Eurer Person, die dank der typischen Uniform an den Eingängen zum Vatikan und bei den Papstaudienzen gut erkenntlich ist. Eure historischen Uniformen sprechen zu Pilgern und Touristen aus allen Teilen der Welt über etwas, das sich trotz allem nicht ändert, nämlich über Euren Einsatz, Gott zu dienen, indem Ihr dem »Diener seiner Diener« dient.

... auf französisch: Mein besonderer Gruß geht nun an Euch, liebe neue Hellebardiere. Strebt vor allem danach, den christlichen und kirchlichen Geist in Euch aufzunehmen, der die Grundlage und Antriebskraft jeder von Euch ausgeführten Tätigkeit ist. Vertieft insbesondere Euer Gebet und Euer geistliches Leben, indem Ihr Euch auf die wertvolle Gegenwart Eures Kaplans stützt. Seid offen, bescheiden und loyal. Bemüht Euch auch, die zwischen Euch bestehenden Unterschiede hinsichtlich der Persönlichkeit und des Charakters wertzuschätzen, denn auch mit Uniform ist jeder eine einzigartige Person, die von Gott berufen ist, seinem Reich der Liebe und des Friedens zu dienen. Wie Ihr wißt, ist die Schweizergarde auch eine Schule des Lebens, und im Laufe ihrer Erfahrungen im Vatikan haben viele Eurer Vorgänger ihre Berufung entdecken können: in einer christlichen Ehe, im Priestertum oder im geweihten Leben. Dafür wollen wir Gott loben und Eurem Korps unsere Wertschätzung aussprechen.

... auf italienisch: Liebe Freunde, ich danke Euch allen für die Großherzigkeit und Hingabe, mit der Ihr Euren Dienst für den Papst verrichtet. Der Herr möge Euch dies vergelten und Euch reiche himmlische Gaben gewähren. Ich vertraue Euch dem mütterlichen Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria an, die wir im Maienmonat mit besonderer Frömmigkeit verehren. Einem jeden von Euch, den hier anwesenden Autoritäten und hohen Persönlichkeiten, Euren Familienangehörigen sowie allen Euren Lieben erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.

NACH DEM KONZERT DES CHINESISCHEN PHILHARMONISCHEN ORCHESTERS UND DES CHORES DES OPER VON SHANGHAI Audienzenhalle

Mittwoch, 7. Mai 2008




Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde!

Wir haben uns erneut zu einem weiteren musikalischen Ereignis von hohem Rang hier in der »Aula Paolo VI« versammelt. Für mich und für uns alle hat dies einen besonderen Wert und eine besondere Bedeutung, denn dieses Konzert wird vom Chinesischen Philharmonischen Orchester und vom Chor der Oper von Shanghai veranstaltet und aufgeführt; dieses Konzert bringt uns in gewisser Weise mit der lebendigen Wirklichkeit der chinesischen Welt in Berührung. Ich danke dem Orchester und dem Chor für dieses willkommene Geschenk und spreche den Veranstaltern und Künstlern meinen Glückwunsch dafür aus, daß sie mit großer Kompetenz, Finesse und Eleganz ein musikalisches Werk aufgeführt haben, das zum künstlerischen Erbe der Menschheit gehört. In einer Gruppe so begnadeter Künstler spiegelt sich die großartige kulturelle und musikalische Tradition Chinas wider, und die von ihnen dargebotene Aufführung hilft uns, die Geschichte eines Volkes mit seinen Werten und seinen edlen Bestrebungen besser zu verstehen. Habt herzlichen Dank für dieses Geschenk! Danke auch für das musikalische Stück, das ihr nun gleich im Anschluß aufführen werdet. Mein aufrichtiger Dank geht neben den Veranstaltern und Künstlern auch an all jene, die auf verschiedene Weise an der Realisierung dieser in gewisser Hinsicht wirklich einzigartigen Veranstaltung mitgewirkt haben.

... auf englisch: Es ist bemerkenswert, daß diese Aufführung eines der bedeutendsten Werke Mozarts durch chinesische Künstler deren charakteristisches musikalisches Talent und die Musik des Westens zusammenführt. Dirigent Long Yu mit seinem Orchester, die Solisten und der Chor des Opernhauses von Shanghai haben sich dieser Herausforderung meisterhaft gestellt. Musik und Kunst im allgemeinen können als bevorzugtes Instrument der Begegnung, des gegenseitigen Kennenlernens und der Wertschätzung zwischen verschiedenen Völkern und Kulturen dienen; sie ist ein allen zugängliches Mittel, um die universale Sprache der Kunst zur Geltung zu bringen.

Ich möchte einen weiteren Aspekt hervorheben. Mit Freude nehme ich das Interesse wahr, das euer Orchester und euer Chor an der europäischen geistlichen Musik zeigt. Daraus wird ersichtlich, daß es möglich ist, in unterschiedlichen kulturellen Kontexten erhabene Zeugnisse des Geistes zu genießen und wertzuschätzen wie etwa das »Requiem« von Mozart, das wir soeben gehört haben, gerade weil die Musik die universalen menschlichen Empfindungen zum Ausdruck bringt, einschließlich der religiösen Empfindungen, die die Grenzen der einzelnen Kulturen übersteigen.

... auf italienisch: Ich möchte abschließend ein Wort sagen über den Ort, an dem wir uns heute abend versammelt haben. Es ist die große Audienzhalle, in der der Papst seine Gäste empfängt und all jenen begegnet, die ihn besuchen kommen. Sie ist wie ein offenes Fenster zur Welt, ein Ort, an dem sich Menschen aus allen Teilen der Welt treffen, ein jeder mit seiner Geschichte und seiner Kultur, die hier alle mit Wertschätzung und Zuneigung empfangen werden. Wenn ich heute abend euch, liebe Künstler aus China, empfange, möchte ich im Geiste euer ganzes Volk empfangen, und ich denke dabei in besonderer Weise an eure Mitbürger, die den Glauben an Jesus teilen und dem Nachfolger Petri in besonderer Weise geistlich verbunden sind. Das »Requiem« ist aus diesem Glauben heraus entstanden als Gebet zu Gott, dem gerechten und barmherzigen Richter, und gerade deswegen berührt es das Herz aller Menschen und wird zum Zeichen eines universalen Humanismus. Ich danke euch erneut für dieses willkommene Geschenk und grüße durch euch alle Bewohner Chinas, die sich im Hinblick auf die bevorstehenden Olympischen Spiele darauf vorbereiten, ein Ereignis von hohem Wert für die gesamte Menschheit zu erleben.

... auf chinesisch:

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[Ich danke euch allen und wünsche euch alles Gute!]
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AN EINE DELEGATION DES MELKITISCHEN GRIECHISCH-KATHOLISCHEN PATRIARCHATS Donnerstag, 8. Mai 2008



Eure Seligkeit,
liebe Brüder im Bischofsamt,
liebe Söhne und Töchter der melkitischen griechisch-katholischen Kirche!

Mit Freude empfange ich euch, die ihr eine Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel unternommen habt. Mein besonderer Gruß gilt Seiner Seligkeit Gregorios III., dem ich für seine liebenswürdigen Worte danke, die Zeugnis geben von der Lebendigkeit der melkitischen Kirche trotz aller Schwierigkeiten der sozialen und politischen Situation, die eure Region erlebt. Ich richte meinen brüderlichen Gruß auch an die anwesenden Bischöfe und euch alle, liebe Freunde, die ihr aus verschiedenen Ländern des Vorderen Orients und aus der melkitischen Diaspora der ganzen Welt gekommen seid, wo ihr auf eure Weise die Universalität der katholischen Kirche bezeugt.

Im Blick auf die unmittelbar bevorstehende Eröffnung des Jahres, das ich dem hl. Paulus widmen wollte, kann ich nicht umhin, daran zu denken, daß sich der Sitz eures Patriarchats in der Stadt Damaskus befindet. Auf dem Weg dorthin hat der Apostel das Ereignis erlebt, das sein Leben verwandelt und die Pforten des Christentums für alle Völker geöffnet hat. Ich möchte euch daher ermutigen, daß aus diesem Anlaß eine intensive Pastoral euren Diözesen, euren Pfarrgemeinden und allen Gläubigen neuen Elan schenke, die Person Christi durch eine erneute Lektüre der paulinischen Schriften immer besser und innerlicher kennenzulernen. Das wird ein fruchtbares Zeugnis vor den Menschen von heute ermöglichen. Ein solcher Elan ist auch eine Garantie für eine blühende Zukunft der melkitischen Kirche.

In dieser Hinsicht hat die Bischofssynode eine Rolle von grundlegender Bedeutung, um die evangeliumsgemäße Dynamik der Gemeinschaften und ihre Einheit ebenso zu gewährleisten wie das gute Funktionieren der kirchlichen Angelegenheiten in den Patriarchatskirchen. Es ist daher ratsam, immer wenn es das Recht erfordert – vor allem wenn es sich um Fragen handelt, die die Bischöfe selbst betreffen – dieser ehrwürdigen Einrichtung, und nicht nur der ständigen Synode, den Platz einzuräumen, der ihr gebührt.

Ich weiß um den ökumenischen Einsatz der melkitischen katholischen Kirche und die brüderlichen Beziehungen, die ihr mit euren orthodoxen Brüdern aufgebaut habt, und ich freue mich darüber. Der Einsatz für die Suche nach der Einheit aller Jünger Christi ist eine dringende Verpflichtung, die sich aus dem brennenden Wunsch der Herrn selbst ergibt. Wir müssen daher alles in unserer Macht Stehende tun, um die Mauern der Trennung und des Mißtrauens niederzureißen, die uns daran hindern, ihn zu verwirklichen. Wir dürfen jedoch nicht die Tatsache aus dem Blick verlieren, daß die Suche nach Einheit eine Aufgabe ist, die nicht nur eine Teilkirche betrifft, sondern die ganze Kirche, in der Achtung der ihr eigenen Natur. Wie auch die Enzyklika Ut unum sint unterstreicht, ist die Einheit zudem nicht die Frucht menschlicher Aktivität, sondern in erster Linie ein Geschenk des Heiligen Geistes. Bitten wir deshalb den Heiligen Geist, dessen Herabkunft auf die Apostel wir in wenigen Tagen feiern werden, daß er uns helfe, alle gemeinsam für die Suche nach der Einheit tätig zu sein.

Eure Seligkeit, liebe Brüder und Schwestern, ich schätze auch die guten Beziehungen, die ihr zu den Muslimen unterhaltet, zu ihren Verantwortlichen und ihren Institutionen, sowie die konkreten Bemühungen, damit die möglicherweise auftretenden Probleme im Geist des brüderlichen, aufrichtigen und objektiven Dialogs gelöst werden. Ich freue mich also, feststellen zu können, daß die melkitische Kirche sich gemäß dem Zweiten Vatikanischen Konzil gemeinsam mit den Muslimen dazu verpflichtet hat, aufrichtig das gegenseitige Verstehen zu suchen sowie gemeinsam zum Wohl aller die soziale Gerechtigkeit, moralische Werte, Frieden und Freiheit zu fördern und zu verteidigen.

Schließlich wird die Kirche bei der Erfüllung ihrer Sendung im unruhigen und mitunter dramatischen Kontext des Nahen Ostens mit Situationen konfrontiert, in denen die Politik eine Rolle spielt, die für ihren eigenen Weg nicht unwichtig ist. Deshalb ist es wichtig, daß sie Kontakte zu den politischen Autoritäten, den Institutionen und verschiedenen Parteien unterhält. Dennoch kommt es nicht dem Klerus zu, sich im politischen Leben zu engagieren. Das bleibt Aufgabe der Laien. Die Kirche aber ist dazu verpflichtet, allen das Licht des Evangeliums aufzuzeigen, damit alle sich dafür einsetzen, dem Gemeinwohl zu dienen und der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, damit sich endlich vor den Völkern dieser geliebten Region der Weg des Friedens eröffnen kann.

Eure Seligkeit, am Ende unserer Begegnung vertraue ich die melkitische griechisch-katholische Kirche der Fürsprache der Jungfrau Maria und dem Schutz aller Heiligen des Ostens an. Ich bitte Gott, eurer Patriarchatskirche die Kraft und das Licht zu schenken, damit sie ihre Sendung in Frieden und Ruhe erfüllen kann, und erteile euch sowie den Bischöfen und allen Gläubigen eures Patriarchats von Herzen den Apostolischen Segen.
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ÖKUMENISCHE BEGEGNUNG ZWISCHEN PAPST BENEDIKT XVI. UND PATRIARCH KAREKIN II., KATHOLIKOS ALLER ARMENIER Freitag, 9. Mai 2008


Eure Heiligkeit,
liebe Brüder in Christus!

Mit tiefempfundener Freude heiße ich Eure Heiligkeit und die hohe Delegation, die Sie begleitet, willkommen. Herzlich begrüße ich die Bischöfe, Priester und Laien, die die weltweite Familie des Katholikats aller Armenier vertreten. Wir kommen im Namen unseres Herrn Jesus Christus zusammen, der seinen Jüngern zugesagt hat: »Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen« (Mt 18,20). Möge der Geist der brüderlichen Liebe und des Dienstes, den Jesus seine Jünger gelehrt hat, unser Herz und unseren Verstand erleuchten, wenn wir unsere Grußworte austauschen, Gespräche führen und uns zum Gebet versammeln.

Dankbar erinnere ich mich an die Besuche von Katholikos Vasken I. und Katholikos Karekin I. bei der Kirche von Rom und ihr herzliches Verhältnis zu meinen verehrten Vorgängern Papst Paul VI. und Papst Johannes Paul II. Ihr Bemühen um die christliche Einheit eröffnete eine neue Ära in den Beziehungen zwischen uns. Mit besonderer Freude erinnere ich mich an den Besuch Eurer Heiligkeit in Rom im Jahr 2000 und an Ihre Begegnung mit Papst Johannes Paul II. Der ökumenische Gottesdienst in der Vatikanischen Basilika, in dessen Mittelpunkt die feierliche Übergabe einer Reliquie des hl. Gregor des Erleuchters stand, war eines der denkwürdigsten Ereignisse des Großen Jubiläumsjahres in Rom. Papst Johannes Paul II. erwiderte jenen Besuch mit seiner Reise nach Armenien im Jahr 2001, wo Sie ihn im Heiligen Etschmiadzin freundlich als Gast aufnahmen. Der herzliche Empfang, den Sie ihm aus diesem Anlaß bereiteten, steigerte seine Wertschätzung und Achtung für das armenische Volk noch weiter. Die Eucharistiefeier, die Papst Johannes Paul II. an dem großen Altar im Freien innerhalb der Mauern des Heiligen Etschmiadzin zelebrierte, war ein weiteres Zeichen für das wachsende Sich-gegenseitig-Annehmen, in Erwartung des Tages, wo es uns möglich sein wird, an dem einen Tisch des Herrn gemeinsam Eucharistie zu feiern.

Morgen abend wird jeder von uns in den uns eigenen Traditionen die liturgische Feier des Pfingstfestes beginnen. Fünfzig Tage nach der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus werden wir aufrichtig zum Vater beten und ihn bitten, den Heiligen Geist zu senden, den Geist, dessen Aufgabe es ist, uns in der göttlichen Liebe zu bewahren und uns in die ganze Wahrheit einzuführen. In besonderer Weise wollen wir für die Einheit der Kirche beten. Zu Pfingsten hat der Heilige Geist aus den vielen Sprachen der Menschenmassen, die sich in Jerusalem drängten, eine einzige Stimme gemacht, um den Glauben zu bekennen. Es ist der Heilige Geist, der die Einheit der Kirche bewirkt. Der Weg zur Wiederherstellung der vollen und sichtbaren Gemeinschaft unter allen Christen mag lang und schwierig erscheinen. Viel bleibt zu tun, um die tiefen und schmerzhaften Trennungen zu heilen, die den Leib Christi entstellen. Doch der Heilige Geist führt weiterhin die Kirche auf überraschende und oft unerwartete Weise. Er vermag Türen zu öffnen, die verschlossen sind; er kann zu Worten inspirieren, die in Vergessenheit geraten sind, und Beziehungen heilen, die in Brüche gegangen sind. Wenn unser Herz und unser Verstand offen sind für den Geist der Gemeinschaft, kann Gott wieder Wunder wirken in der Kirche und die Bande der Einheit neu stärken. Das Bemühen um die christliche Einheit ist ein Akt des gehorsamen Vertrauens in das Wirken des Heiligen Geistes, der die Kirche zur vollen Verwirklichung des Planes Gottvaters im Einklang mit dem Willen Christi führt.

Die jüngste Geschichte der apostolischen armenischen Kirche ist in den kontrastreichen Farben von Verfolgung und Märtyrertum, Dunkelheit und Hoffnung, Erniedrigung und geistlicher Wiedergeburt geschrieben worden. Eure Heiligkeit und Ihre Delegation haben diese gegensätzlichen Erfahrungen in Ihren Familien und in Ihrem eigenen Leben persönlich durchgemacht. Die Wiedererlangung der Freiheit für die Kirche in Armenien war für uns alle eine Quelle großer Freude. Auf euren Schultern lag die enorme Aufgabe des Wiederaufbaus der Kirche. Ich kann nur meine große Anerkennung für die bemerkenswerten pastoralen Ergebnisse aussprechen, die in so kurzer Zeit sowohl innerhalb wie außerhalb Armeniens erzielt worden sind: bei der Erziehung der Jugend, der Ausbildung des neuen Klerus, beim Bau neuer Kirchen und der Errichtung von Gemeindezentren, der karitativen Hilfe für die Bedürftigen und bei der Förderung christlicher Werte im sozialen und kulturellen Leben. Dank eurer pastoralen Führung leuchtet in Armenien wieder das glorreiche Licht Christi, und die erlösenden Worte des Evangeliums können wieder gehört werden. Natürlich steht ihr noch vor großen Herausforderungen im sozialen, kulturellen und geistlichen Bereich. In diesem Zusammenhang muß ich die Schwierigkeiten erwähnen, die die Menschen in Armenien in jüngster Zeit durchlitten haben, und spreche ihnen auf ihrer Suche nach Gerechtigkeit, Frieden und Förderung des Gemeinwohls die vom Gebet getragene Unterstützung der katholischen Kirche aus.

In unserem ökumenischen Dialog hat es wichtige Fortschritte gegeben bei der Klärung der Kontroversen in der Lehre, die uns traditionell trennten, besonders im Hinblick auf Fragen der Christologie. Viel erreicht wurde während der letzten fünf Jahre durch die Arbeit der »Gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den altorientalischen Kirchen«; das Katholikat aller Armenier ist Vollmitglied dieser Kommission. Ich danke Eurer Heiligkeit für die Unterstützung der Arbeit der Gemischten Kommission und für den wertvollen Beitrag Ihrer Vertreter hierzu. Beten wir darum, daß uns die Tätigkeit der Kommission der vollen und sichtbaren Gemeinschaft näherbringt und daß der Tag kommen wird, an dem unsere Einheit im Glauben eine gemeinsame Feier der Eucharistie ermöglicht. Bis zu jenem Tag werden die Bande zwischen uns am besten gefestigt durch Übereinkünfte zu pastoralen Themen, die im Einklang stehen mit der bereits erreichten Übereinstimmung in der Lehre. Der theologische Dialog kann nur dann zur Einheit führen, die der Herr für seine Jünger wünscht, wenn er vom Gebet getragen und von wirksamer Zusammenarbeit unterstützt wird.

Heiligkeit, liebe Freunde:

Im 12. Jahrhundert sprach Nerses von Lambron zu einer Gruppe armenischer Bischöfe. Er schloß seine berühmte Ansprache vor der Synode über die Wiederherstellung der christlichen Einheit mit visionären Worten, die uns noch heute tief berühren: »Ihr habt recht, ehrwürdige Väter: Es ist verdienstvoll, daß man über die vergangenen Tage der Zwietracht weint. Doch heute ist der Tag, den der Herr zu einem frohen Freudentag gemacht hat […]. Laßt uns darum beten, daß unser Herr uns in noch größerer Fülle Einfühlsamkeit und Freundlichkeit gewähre und daß Er auf Erden durch den Tau des Heiligen Geistes diese Saat aufgehen lasse: Vielleicht können wir dank seiner Kraft auch Früchte hervorbringen, auf daß wir den Frieden der Kirche Christi, den wir uns heute vornehmen, morgen tatsächlich herstellen.« Das ist auch mein Gebetswunsch anläßlich Ihres Besuches. Ich danke Ihnen sehr herzlich und versichere Sie meiner tiefen Liebe im Herrn.

AN DIE BISCHÖFE AUS UNGARN ANLÄSSLICH IHRES

"AD-LIMINA"-BESUCHES Samstag, 10. Mai 2008

Liebe und verehrte Mitbrüder im Bischofsamt!


Mit großer Freude empfange ich euch alle, die Hirten der Kirche in Ungarn, anläßlich eures Besuchs »ad limina Apostolorum«. Ich begrüße euch sehr herzlich und danke Kardinal Péter Erdö für die Worte, die er im Namen der gesamten Bischofskonferenz an mich gerichtet hat. Er hat mir gegenüber eure brüderlichen Empfindungen zum Ausdruck gebracht, für die ich euch herzlich danke. Darüber hinaus hat er die wichtigsten Merkmale der katholischen Gemeinschaft und der Gesellschaft in eurem Land klar umrissen und hat das zusammengefaßt, was ich in diesen Tagen bei den Begegnungen mit einem jeden von euch erfahren habe. So steht, liebe Brüder, das euch anvertraute Volk jetzt im Geiste vor uns, mit seinen Freuden und seinen Plänen, mit seinen Schmerzen, seinen Problemen und seinen Hoffnungen. Und wir beten vor allem darum, daß durch die Fürsprache der hll. Petrus und Paulus die Gläubigen die Kraft finden können, ihren Weg zur Fülle des Gottesreiches beharrlich fortzusetzen, auch mit der Hilfe des Apostolischen Stuhls, der den Vorsitz in der Liebe hat.

Leider hat die lange Zeit unter dem kommunistischen Regime die ungarische Bevölkerung so tief geprägt, daß die Folgen immer noch spürbar sind: Insbesondere haben viele eine gewisse Schwierigkeit, den anderen zu vertrauen, was bezeichnend ist für Menschen, die lange in einer Atmosphäre des Mißtrauens gelebt haben. Das Gefühl der Unsicherheit wird noch verstärkt durch die schwierige wirtschaftliche Konjunktur, zu deren Verbesserung ein unbesonnener Konsumismus nicht beiträgt. Die Menschen, einschließlich der Katholiken, stehen im allgemeinen unter dem Einfluß jener »Schwäche« des Denkens und des Willens, die in unserer Zeit sehr verbreitet ist. Wie ihr selbst bemerkt habt, ist es heute oft schwierig, auf theologischer und geistlicher Ebene ernsthaft in die Tiefe zu gehen, weil nicht selten die intellektuelle Ausbildung einerseits und der objektive Bezug zu den Glaubenswahrheiten andererseits unzureichend sind. Gewiß muß die Kirche in diesem Zusammenhang Lehrmeisterin sein, sie muß sich dabei aber immer und vor allem als Mutter zeigen, um das gegenseitige Vertrauen und die Hoffnung zu fördern.

Die erste Realität, die leider die Folgen der weit verbreiteten Säkularisierung zu tragen hat, ist die Familie, die sich auch in Ungarn in einer schweren Krise befindet. Das zeigt der beachtliche Rückgang der Zahl der Eheschließungen und die erschreckende Zunahme der Scheidungen, die sehr oft frühzeitig erfolgen. Die Zahl der sogenannten »De-facto-Partnerschaften« vervielfacht sich. Zu Recht habt ihr die öffentliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften kritisiert, weil sie nicht nur der Lehre der Kirche, sondern auch der ungarischen Verfassung widerspricht. Diese Situation hat zusammen mit der mangelnden Unterstützung kinderreicher Familien zu einem drastischen Geburtenrückgang geführt, der noch dramatischer wird durch die weit verbreitete Praxis der Abtreibung. Natürlich stellt die Krise der Familie eine enorme Herausforderung für die Kirche dar. Die eheliche Treue und ganz allgemein die Werte, auf denen die Gesellschaft gründet, stehen auf dem Spiel. Nach der Familie werden daher natürlich die jungen Menschen von dieser Schwierigkeit in Mitleidenschaft gezogen. In den Städten werden sie von neuen Vergnügungsangeboten angezogen, und in den Dörfern sind sie oft sich selbst überlassen. Ich spreche euch daher meine aufrichtige Anerkennung aus für die vielfältigen Initiativen, die die Kirche – trotz der beschränkten Mittel, über die sie verfügt – ins Leben ruft, um die Welt der Jugendlichen durch Bildungsangebote und freundschaftliche Begegnungen, die ihre Verantwortung wecken sollen, zu beleben. Ich denke zum Beispiel an die Aktivität der Chöre, die zu den lobenswerten Initiativen der Pfarreien zur Verbreitung der Kirchenmusik gehört. Im Hinblick auf die Aufmerksamkeit gegenüber den jungen Generationen ist auch eure Unterstützung der katholischen Schule lobenswert, insbesondere der Katholischen Universität von Budapest. Ich wünsche, daß diese stets in der Lage sein möge, ihre ursprüngliche Identität zu wahren und zu entfalten. Ich ermutige euch zur Fortsetzung der Bemühungen in der Schul- und Universitätspastoral ebenso wie bei der Evangelisierung der Kultur, die sich in unseren Tagen auch der sozialen Kommunikationsmittel bedient, in deren Bereich eure Kirche in letzter Zeit bedeutende Fortschritte gemacht hat.

Verehrte Brüder, um den Glauben des Volkes lebendig zu erhalten, versucht ihr zu Recht, den Wert traditioneller Initiativen hervorzuheben und sie zeitgemäß zu gestalten, wie die Pilgerreisen und die Verehrung der ungarischen Heiligen, insbesondere der hl. Elisabeth, des hl. Emmerich und natürlich des hl. Stephan. Im Zusammenhang mit den Pilgerreisen schätze ich den noch immer andauernden Brauch, zum Stuhl Petri zu pilgern (bezeichnenderweise gibt es in der Basilika des Apostels eine eindrucksvolle Ungarische Kapelle), und freue mich zu erfahren, daß die Pilgerreisen nach Mariazell, Tschenstochau, Lourdes, Fatima und zum neuen Heiligtum der Göttlichen Barmherzigkeit in Krakau, wo eure Bischofskonferenz kürzlich ebenfalls eine »Ungarische Kapelle« errichten ließ, immer häufiger werden. Im 20. Jahrhundert hat es in eurer Gemeinschaft nicht an heroischen Glaubenszeugen gefehlt: Ich fordere euch auf, ihr Gedächtnis zu bewahren, damit die Leiden, die sie mit christlichem Geist auf sich genommen haben, auch weiterhin den Mut und die Treue der Gläubigen und aller, die sich für Wahrheit und Gerechtigkeit einsetzen, anspornen mögen.

Eine weitere Sorge teile ich mit euch: den Priestermangel und die heutzutage daraus folgende Überlastung der Amtsträger der Kirche durch die Pastoralarbeit. Vor diesem Problem stehen wir in vielen Ländern Europas. Es muß jedoch dafür gesorgt werden, daß die Priester ihr eigenes geistliches Leben angemessen nähren, damit sie trotz der Schwierigkeiten und der dringend notwendigen Arbeit nicht den Mittelpunkt ihrer Existenz und ihres Dienstes verlieren und damit sie so das Wesentliche vom Nebensächlichen unterscheiden können, indem sie die richtigen Prioritäten im täglichen Handeln erkennen. Es muß immer wieder betont werden, daß die freudige Treue zu Christus, die der Priester inmitten seiner Gläubigen bezeugt, stets der wirksamste Ansporn ist, um in den jungen Menschen die Sensibilität für den eventuellen Ruf Gottes zu wecken. Insbesondere ist es grundlegend, daß die Sakramente der Eucharistie und der Buße mit größter Beharrlichkeit und Frömmigkeit vor allem von den Priestern selbst gelebt und dann von ihnen mit Großherzigkeit den Gläubigen gespendet werden. Unverzichtbar ist auch die Ausübung der priesterlichen Brüderlichkeit, um jede gefährliche Isolierung zu vermeiden. Ebenso wichtig ist es, Mut zu machen für gute und respektvolle Beziehungen zwischen den Priestern und den Laien, gemäß der Lehre des Konzilsdekrets Presbyterorum ordinis. Auch die Beziehungen zwischen dem Klerus und den Ordensleuten, die bereits gut sind, sollten weiter gefördert werden. In diesem Zusammenhang möchte ich den weiblichen Ordensgemeinschaften meine Ermutigung aussprechen, die mit demütiger Diskretion wertvolle Arbeit unter den Ärmsten leisten.

Verehrte Brüder, trotz der Säkularisierung bleibt die katholische Kirche für sehr viele Ungarn die Religionsgemeinschaft, der sie angehören, oder wenigstens ein wichtiger Bezugspunkt. Daher ist es äußerst wünschenswert, daß die Beziehungen zu den staatlichen Autoritäten von respektvoller Zusammenarbeit geprägt sind, auch dank der bilateralen Verträge, über deren korrekte Einhaltung eine eigens dazu bestimmte paritätische Kommission wacht. Das nützt dem Wohl der ganzen ungarischen Gesellschaft, insbesondere im Bereich von Bildung und Kultur. Die Kirche leistet dank ihres Einsatzes in den Schulen und im Sozialdienst einen beachtlichen Beitrag zur zivilen Gemeinschaft. Wie sollte man also nicht wünschen, daß ihre Aktivitäten von den öffentlichen Einrichtungen unterstützt werden, vor allem zum Nutzen der minderbemittelten Gesellschaftsschichten? Trotz der derzeitigen allgemeinen ökonomischen Schwierigkeiten werden von kirchlicher Seite die Bemühungen im Dienst der Bedürftigen nicht nachlassen.

Verehrte Brüder, wie sollte ich abschließend nicht sagen, daß die Einheit, die euch im Befolgen der kirchlichen Lehre auszeichnet, mir inneren Frieden und Trost gibt? Möge sie stets erhalten bleiben und sich entfalten! Ich freue mich auch, daß ihr in letzter Zeit vermehrte Kontakte pflegt zu den Bischofskonferenzen der Nachbarländer, insbesondere zur Slowakei und Rumänien, wo es ungarische Minderheiten gibt. Ich stimme dieser Aktionslinie von Herzen zu, die aufrichtig vom Geist des Evangeliums beseelt ist und zugleich weise Sorge trägt für ein harmonisches Zusammenleben. Es ist gewiß nicht einfach, die Spannungen zu überwinden, aber der von der Kirche eingeschlagene Weg ist richtig und vielversprechend. Für diese und für jede andere eurer pastoralen Initiativen sichere ich euch meine Unterstützung zu; insbesondere denke ich in diesem Augenblick an das »Jahr der Bibel«, das ihr in Übereinstimmung mit der bevorstehenden Ordentlichen Versammlung der Bischofssynode für das Jahr 2008 ins Leben gerufen habt. Das ist auch für euch eine sehr günstige Gelegenheit, die bereits guten Beziehungen zu den christlichen Brüdern der anderen Konfessionen zu vertiefen. Ich danke Gott für seinen immerwährenden Beistand und rufe auf euch und auf euren Dienst den mütterlichen Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria herab. Meinerseits begleite ich euch mit dem Gebet und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen, in den ich gern eure Diözesangemeinschaften und die ganze ungarische Nation einschließe.

AN DIE TEILNEHMER AM INTERNATIONALEN KONGRESS DER PÄPSTLICHEN LATERANUNIVERSITÄT ANLÄSSLICH DES 40. JAHRESTAGES DER ENZYKLIKA "HUMANAE VITAE" Samstag, 10. Mai 2008

Verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,

liebe Brüder und Schwestern!

Mit besonderer Freude empfange ich euch zum Abschluß eurer Arbeiten, die der Reflexion über ein altes und stets neues Problem gewidmet waren: die Verantwortung und die Achtung gegenüber dem Entstehen des menschlichen Lebens. Ich begrüße insbesondere Bischof Rino Fisichella, den Rektor der Päpstlichen Lateranuniversität, die diesen internationalen Kongreß veranstaltet hat, und danke ihm für das Grußwort, das er an mich gerichtet hat. Ebenso begrüße ich die geschätzten Referenten und Dozenten sowie alle Teilnehmer, die mit ihrem Beitrag diese arbeitsintensiven Tage bereichert haben. Euer Beitrag fügt sich fruchtbringend in die wissenschaftliche Arbeit zu diesem so kontroversen und für die Zukunft der Menschheit doch so entscheidenden Thema ein, die in den letzten Jahrzehnten angewachsen ist.

Bereits das Zweite Vatikanische Konzil wandte sich in der Konstitution Gaudium et spes an die Wissenschaftler und forderte sie auf, ihre Kräfte zu vereinen, um eine Einheit des Wissens und eine fundierte Gewißheit über die Bedingungen, die eine »sittlich einwandfreie Geburtenregelung« (Gaudium et spes GS 52) fördern können, zu erlangen. Mein Vorgänger seligen Angedenkens, der Diener Gottes Paul VI., veröffentlichte am 25. Juli 1968 die Enzyklika Humanae vitae. Dieses Dokument wurde schnell zu einem Zeichen des Widerspruchs. Ausgearbeitet im Licht einer schwierigen Entscheidung, ist es ein bedeutsamer und mutiger Schritt, um die Kontinuität der Lehre und der Überlieferung der Kirche zu bekräftigen. Über diesen oft mißverstandenen Text wurde viel diskutiert, auch weil er in die Anfangszeit tiefgreifender Proteste fiel, die das Leben ganzer Generationen geprägt haben. 40 Jahre nach ihrer Veröffentlichung zeigt diese Lehre nicht nur ihre unveränderte Wahrheit auf, sondern sie offenbart auch die Weitsicht, mit der man dem Problem begegnete. Die eheliche Liebe wird nämlich innerhalb eines ganzheitlichen Prozesses beschrieben, der nicht bei der Trennung von Seele und Leib haltmacht und auch nicht dem bloßen oft flüchtigen und vergänglichen Gefühl unterworfen ist, sondern Sorge trägt um die Einheit der Person und die vollkommene Gemeinschaft der Eheleute, die sich in der gegenseitigen Annahme einander hingeben im Versprechen treuer und ausschließlicher Liebe, das einer wirklich freien Entscheidung entspringt. Wie könnte eine solche Liebe sich dem Geschenk des Lebens verschließen? Das Leben ist immer ein unschätzbares Geschenk; bei seinem Entstehen nehmen wir jedes Mal die Macht des schöpferischen Wirkens Gottes wahr, der dem Menschen vertraut und ihn so beruft, durch die Kraft der Hoffnung die Zukunft aufzubauen.

Das Lehramt der Kirche kann sich nicht seiner Pflicht entziehen, auf immer neue und tiefere Weise über die Grundprinzipien nachzudenken, die Ehe und Fortpflanzung betreffen. Was gestern wahr gewesen ist, bleibt auch heute wahr. Die Wahrheit, die in der Enzyklika Humanae vitae zum Ausdruck gebracht wird, ändert sich nicht. Im Gegenteil, gerade im Licht der neuen wissenschaftlichen Errungenschaften wird ihre Lehre immer aktueller und fordert dazu heraus, über den ihr innewohnenden Wert nachzudenken. Der Schlüssel, der einen konsequenten Zugang zu ihren Inhalten verschafft, ist und bleibt die Liebe. In meiner ersten Enzyklika Deus caritas est habe ich geschrieben: »Der Mensch wird dann ganz er selbst, wenn Leib und Seele zu innerer Einheit finden … Aber es lieben nicht Geist oder Leib — der Mensch, die Person, liebt als ein einziges und einiges Geschöpf, zu dem beides gehört« (Nr. 5). Ohne diese Einheit geht der Wert der Person verloren und man gerät in die große Gefahr, den Leib als bloße »Sache« zu betrachten, die man kaufen und verkaufen kann (vgl. ebd.). In einer Kultur, die dem Haben größeren Wert beimißt als dem Sein, läuft das menschliche Leben Gefahr, seinen Wert zu verlieren. Wenn die Ausübung der Sexualität zur Droge wird, die dem Partner eigene Wünsche und Interessen auferlegen will, ohne die Zeiten der geliebten Person zu respektieren, dann gilt es nicht mehr nur die wahre Auffassung von der Liebe zu verteidigen, sondern in erster Linie die Würde der Person selbst. Als Gläubige dürfen wir niemals zulassen, daß die Herrschaft der Technik die Qualität der Liebe und die Heiligkeit des Lebens entwertet.

Nicht zufällig beruft sich Jesus, wenn er über die menschliche Liebe spricht, auf das, was Gott am Anfang der Schöpfung gewirkt hat (vgl. ). Seine Lehre verweist auf einen ungeschuldeten Akt Gottes. Durch ihn wollte der Schöpfer nicht nur den Reichtum seiner Liebe, die sich öffnet und allen hinschenkt, zum Ausdruck bringen, sondern auch ein Urbild formen, auf das das Handeln der Menschheit ausgerichtet sein soll. In der Fruchtbarkeit der ehelichen Liebe nehmen Mann und Frau am Schöpfungsakt des Vaters teil und machen sichtbar, daß am Ursprung ihres Ehelebens ein echtes »Ja« steht, das in Gegenseitigkeit ausgesprochen und wirklich gelebt wird und das stets offen bleibt gegenüber dem Leben. Dieses Wort des Herrn dauert in seiner tiefen Wahrheit unverändert fort und kann durch die verschiedenen und manchmal sogar widersprüchlichen Theorien nicht ausgelöscht werden, die im Laufe der Jahre aufeinander gefolgt sind. Das natürliche Sittengesetz, das der Anerkennung der wahren Gleichheit zwischen Personen und Völkern zugrunde liegt, sollte als die Quelle erkannt werden, an der sich auch die Beziehung der Eheleute untereinander und ihre Verantwortung, Kinder zu zeugen, ausrichten muß. Die Weitergabe des Lebens ist in die Natur eingeschrieben, und ihre Gesetze sind eine ungeschriebene Norm, auf die alle Bezug nehmen müssen. Jeder Versuch, den Blick von diesem Grundsatz abzuwenden, bleibt unfruchtbar und schafft keine Zukunft.

Es ist dringend notwendig, daß wir einen Bund wiederentdecken, der stets fruchtbar war, als er geachtet wurde; Vernunft und Liebe stehen bei ihm an erster Stelle. Ein scharfsinniger Meister wie Wilhelm von Saint-Thierry konnte Worte schreiben, deren tiefe Gültigkeit wir auch in unserer Zeit verspüren: »Wenn sie einander aushelfen, dann belehrt die Vernunft die Liebe und erleuchtet die Liebe die Vernunft. Die Vernunft schmiegt sich der Regung der Liebe ein, und die Liebe läßt sich die Grenzen der Vernunft gefallen. Auf diese Weise vermögen sie Großes« (Über die Natur und Würde der Liebe, 25). Was ist dieses »Große«, das wir erleben können? Es ist das Entstehen der Verantwortung für das Leben, die die Selbsthingabe eines Menschen an den anderen fruchtbar macht. Es ist Frucht einer Liebe, die in voller Freiheit denken und entscheiden kann, ohne sich vom eventuell verlangten Opfer über die Maßen beeinflussen zu lassen. Hier entspringt das Wunder des Lebens, das die Eltern in sich selbst wahrnehmen, indem sie das, was in ihnen und durch sie geschieht, als etwas Außerordentliches erfahren. Keine mechanische Technik kann den gegenseitigen Liebesakt der beiden Eheleute ersetzen, der Zeichen eines größeren Geheimnisses ist, durch das sie als Protagonisten an der Schöpfung beteiligt sind.

Leider wird man jedoch immer häufiger Zeuge trauriger Ereignisse, die die Jugendlichen betreffen, deren Reaktionen zeigen, daß sie die Geheimnisse des Lebens und die gefährlichen Auswirkungen ihres Handelns nicht richtig kennen. Die dringende Notwendigkeit der Erziehung, auf die ich oft Bezug nehme, beinhaltet vorrangig das Thema des Lebens. Ich wünsche wirklich, daß vor allem den jungen Menschen ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, damit sie lernen können, was der wahre Sinn der Liebe ist, und durch eine geeignete Sexualerziehung darauf vorbereitet werden, ohne sich durch oberflächliche Botschaften ablenken zu lassen, die es verhindern, zum Wesentlichen der Wahrheit, die auf dem Spiel steht, zu gelangen. Es macht einer Gesellschaft, die sich auf freiheitliche und demokratische Grundsätze beruft, keine Ehre, falsche Illusionen im Bereich der Liebe zu vermitteln oder über die wahre Verantwortung, die man durch die Ausübung der eigenen Sexualität übernehmen muß, hinwegzutäuschen. Die Freiheit muß mit Wahrheit und Verantwortung verbunden sein, mit der Kraft der Hingabe an den anderen, die auch das Opfer einschließt; ohne diese Elemente wächst die menschliche Gemeinschaft nicht, und es droht die Gefahr, sich in einem Kreis des alles erstickenden Egoismus zu verschließen.

Die in der Enzyklika Humanae vitae zum Ausdruck gebrachte Lehre ist nicht einfach. Sie entspricht jedoch der grundlegenden Struktur, durch die das Leben seit der Schöpfung der Welt stets weitergegeben wird, unter Achtung der Natur und ihren Anforderungen entsprechend. Die Achtung gegenüber dem menschlichen Leben und die Wahrung der Würde der Person machen es notwendig, daß wir nichts unversucht lassen, um alle an der echten Wahrheit der verantwortlichen ehelichen Liebe teilhaben zu lassen, in vollkommener Treue gegenüber dem Gesetz, das in das Herz jedes Menschen eingeschrieben ist. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch allen den Apostolischen Segen.



AN HERRN MORDECHAY LEWY, NEUER BOTSCHAFTER ISRAELS BEIM HL. STUHL Montag, 12. Mai 2008

Exzellenz!


Ich freue mich, Sie zu Beginn Ihrer diplomatischen Mission willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter des Staates Israel beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte und bitte Sie, Präsident Shimon Peres meine hochachtungsvollen Grüße zu übermitteln und ihn meiner Gebete für die Bevölkerung Ihres Landes zu versichern.

Noch einmal möchte ich meine herzlichen und guten Wünsche anläßlich der Sechzigjahrfeier des Staates Israel aussprechen. Der Heilige Stuhl schließt sich Ihrem Dank an den Herrn an, daß die Hoffnung des jüdischen Volkes auf eine Heimat im Land seiner Väter erfüllt worden ist, und hofft, bald eine Zeit noch größerer Freude zu sehen, wenn der Konflikt mit den Palästinensern endlich durch einen gerechten Frieden gelöst wird. Der Heilige Stuhl schätzt die diplomatischen Beziehungen zu Israel, die vor 15 Jahren aufgenommen wurden, besonders und freut sich auf die Weiterentwicklung des wachsenden Respekts sowie der zunehmenden Hochachtung und Zusammenarbeit, die uns verbinden.

Zwischen dem Staat Israel und dem Heiligen Stuhl gibt es zahlreiche Bereiche von gegenseitigem Interesse, die gewinnbringend sondiert werden können. Wie Sie hervorgehoben haben, sollte das jüdisch-christliche Erbe uns dazu anregen, die Führung bei der Förderung vieler Formen sozialer und humanitärer Maßnahmen auf der ganzen Welt zu übernehmen – nicht zuletzt bei der Bekämpfung jeder Form von Rassendiskriminierung. Ich teile die große Freude Seiner Exzellenz über den kulturellen und akademischen Austausch, der zwischen den katholischen Institutionen auf der ganzen Welt und denen des Heiligen Landes stattfindet, und auch ich hoffe, daß diese Initiativen in den kommenden Jahren weiter entwickelt werden. Der brüderliche Dialog, der auf internationaler Ebene zwischen Christen und Juden geführt wird, bringt viele Früchte hervor und muß engagiert und uneigennützig weitergeführt werden. Die heiligen Städte Rom und Jerusalem stellen eine Quelle des Glaubens und der Weisheit dar, die von zentraler Bedeutung für die westliche Zivilisation ist, und folglich haben die Verbindungen zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl einen tieferen Nachhall als das, was aus der rechtlichen Dimension unserer Beziehungen formal hervorgeht.

Exzellenz, ich weiß, daß Sie meine Sorge über den alarmierenden Rückgang der christlichen Bevölkerung durch Auswanderung aus dem Nahen Osten, einschließlich Israels, teilen. Natürlich leiden nicht nur die Christen unter den Auswirkungen von Unsicherheit und Gewalt, die aus den verschiedenen Konflikten in der Region resultieren, doch sie sind derzeit in vielerlei Hinsicht besonders gefährdet. Ich bete, daß infolge der wachsenden Freundschaft zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl Wege gefunden werden, um die christliche Gemeinschaft zu beruhigen, so daß sie auf eine sichere und friedliche Zukunft in der Heimat ihrer Vorfahren hoffen kann, ohne den Druck zu verspüren, in andere Teile der Welt ziehen zu müssen, um sich ein neues Leben aufzubauen.

Die Christen im Heiligen Land haben sich lange Zeit guter Beziehungen sowohl zu den Muslimen als auch zu den Juden erfreut. Ihre Präsenz in Ihrem Land und die dortige freie Ausübung des kirchlichen Lebens und der kirchlichen Sendung können wesentlich dazu beitragen, die Spaltungen zwischen den beiden Gemeinschaften zu heilen. Ich bete, daß es so sein möge, und ich lade Ihre Regierung dazu ein, weiterhin nach Wegen zu suchen, sich den guten Willen zu Nutze zu machen, den die Christen sowohl gegenüber den natürlichen Nachkommen des Volkes hegen, das als erstes das Wort Gottes gehört hat, als auch gegenüber unseren muslimischen Brüdern und Schwestern, die seit Jahrhunderten in dem Land gelebt und ihre Religion ausgeübt haben, das alle drei Religionen als »heilig« bezeichnen.

Ich bin mir bewußt, daß die Schwierigkeiten, welche die Christen im Heiligen Land erfahren, auch mit der anhaltenden Spannung zwischen den jüdischen und palästinensischen Gemeinschaften verbunden sind. Der Heilige Stuhl erkennt Israels berechtigtes Bedürfnis nach Sicherheit und Selbstverteidigung an und verurteilt nachhaltig jede Form von Antisemitismus. Er vertritt auch die Ansicht, daß alle Völker einen Anspruch auf Chancengleichheit haben, um sich entwickeln zu können. Dementsprechend möchte ich Ihre Regierung dringend bitten, jede Anstrengung zu unternehmen, um die harten Umstände zu lindern, unter denen die palästinensische Gemeinschaft leidet, und ihnen die notwendige Freiheit zu gewähren, ihren legitimen Geschäften nachzugehen – einschließlich des Aufsuchens der Gebetsstätten –, so daß auch sie sich größeren Friedens und größerer Sicherheit erfreuen können. Natürlich können diese Angelegenheiten nur im weiteren Kontext des Friedensprozesses im Nahen Osten behandelt werden. Der Heilige Stuhl begrüßt die von Ihrer Regierung zum Ausdruck gebrachte Verpflichtung, den in Annapolis von neuem gegebenen Impuls weiterzuverfolgen, und hofft, daß die dort geweckten Hoffnungen und Erwartungen nicht enttäuscht werden. Wie ich in meiner Ansprache vor den Vereinten Nationen in New York jüngst bemerkt habe, ist es notwendig, alle diplomatischen Möglichkeiten zu erkunden und selbst auf das »schwächste Anzeichen von Dialog und Versöhnungswillen « zu achten, wenn langanhaltende Konflikte gelöst werden sollen. Wenn alle Völker im Heiligen Land in Frieden und Eintracht leben, Seite an Seite, in zwei unabhängigen souveränen Staaten, wird der Gewinn für den Weltfrieden unermeßlich sein, und Israel wird wirklich als »Licht für die Völker« (Is 42,6) dienen, ein leuchtendes Beispiel der Konfliktlösung, dem der Rest der Welt folgen könnte.

Viel Arbeit ist darauf verwendet worden, die Vereinbarungen zu formulieren, die bislang zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl unterzeichnet worden sind, und es ist sehr zu hoffen, daß die Verhandlungen über die wirtschaftlichen und steuerlichen Angelegenheiten bald zu einer befriedigenden Lösung geführt werden können. Ich danke Ihnen für Ihre ermutigenden Worte hinsichtlich der Bemühungen der israelischen Regierung, eine positive und rasche Lösung für die verbleibenden Fragen zu finden. Ich weiß, daß ich im Namen vieler spreche, wenn ich die Hoffnung zum Ausdruck bringe, daß diese Vereinbarungen bald in das innere Rechtssystem Israels eingegliedert werden und so eine anhaltende Grundlage für eine fruchtbare Zusammenarbeit bieten. Angesichts des sehr geschätzten persönlichen Interesses Seiner Exzellenz an der Situation der Christen im Heiligen Land weiß ich, daß Sie die Schwierigkeiten verstehen, die durch die anhaltende Ungewißheit hinsichtlich ihrer juridischen Rechte und ihres Rechtsstatus verursacht werden, vor allem was die Frage der Visa für Mitarbeiter der Kirche betrifft. Ich bin sicher, Sie werden alles Ihnen mögliche tun, um die Lösung der verbleibenden Probleme auf eine für alle Parteien annehmbare Weise zu erleichtern. Nur wenn diese Schwierigkeiten überwunden werden, wird es der Kirche möglich sein, ihrer religiösen, moralischen, erzieherischen und karitativen Arbeit in dem Land, in dem sie ihren Ursprung hat, in Freiheit nachzugehen.

Exzellenz, ich bete dafür, daß die diplomatische Mission, die Sie heute beginnen, die freundschaftlichen Verbindungen, die zwischen dem Heiligen Stuhl und Ihrem Land bestehen, weiter stärken wird. Ich versichere Ihnen, daß die verschiedenen Abteilungen der Römischen Kurie stets bereit sind, Ihnen Hilfe und Unterstützung für die Erfüllung Ihrer Aufgaben anzubieten. Mit meinen aufrichtigen guten Wünschen rufe ich auf Sie, Ihre Familie und alle Bewohner des Staates Israel Gottes reichen Segen herab.

AN DIE MITGLIEDER DER ITALIENISCHEN

"BEWEGUNG FÜR DAS LEBEN" Montag, 12. Mai 2008

Liebe Brüder und Schwestern!


Mit großer Freude empfange ich euch heute und begrüße einen jeden von euch ganz herzlich. An erster Stelle grüße ich den Bischof von Piazza Armerina, Michele Pennisi, und die anwesenden Priester. Einen besonderen Gruß richte ich an den Präsidenten der »Bewegung für das Leben«, den Herrn Abgeordneten Carlo Casini, und danke ihm aufrichtig für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich grüße die Mitglieder des nationalen Präsidiums und des Exekutivausschusses der »Bewegung für das Leben«, die Vorsitzenden der Hilfszentren für das Leben und die Verantwortlichen der verschiedenen Dienste, des Projektes »Gemma«, des »Grünen Telefons«, von »SOS Leben« und des »Roten Telefons«. Außerdem grüße ich die Vertreter der »Vereinigung Papst Johannes XXIII.« und einiger europäischer Bewegungen für das Leben. Durch euch, die ihr hier anwesend seid, gehen meine liebevollen Gedanken zu denjenigen, die, auch wenn sie nicht persönlich dabei sein können, doch geistig mit uns vereint sind. Ich denke besonders an die vielen freiwilligen Mitarbeiter, die das hohe Ideal der Förderung und Verteidigung des menschlichen Lebens von seiner Empfängnis an selbstlos und großherzig mit euch teilen.

Euer Besuch findet dreißig Jahre nach der gesetzlichen Freigabe der Abtreibung in Italien statt, und es ist eure Absicht, ein tiefgehendes Nachdenken über die menschlichen und sozialen Auswirkungen anzuregen, die das Gesetz in der zivilen und christlichen Gemeinschaft in diesem Zeitraum hervorgerufen hat. Wenn man auf die letzten drei Jahrzehnte zurückblickt und die heutige Situation betrachtet, muß man erkennen, daß es heute praktisch schwieriger geworden ist, das menschliche Leben zu schützen, weil eine Mentalität einer allmählichen Herabsetzung seines Wertes entstanden ist, die diesen Wert dem Urteil des einzelnen anheimstellt. Als Folge daraus schwindet die Achtung vor der menschlichen Person selbst, also vor dem Wert, der jedem zivilen Zusammenleben zugrunde liegt, unabhängig vom Glauben, zu dem sich der einzelne bekennt.

Gewiß sind die Gründe, die zu schmerzlichen Entscheidungen wie der Abtreibung führen, vielfältig und komplex. Wenn die Kirche einerseits, getreu dem Gebot ihres Herrn, unermüdlich wiederholt, daß der unantastbare Wert der Existenz jedes Menschen seine Wurzeln im Plan des Schöpfers hat, so ermutigt sie andererseits dazu, jede Initiative zur Unterstützung der Frauen und Familien zu fördern, um Bedingungen zu schaffen, die für die Aufnahme des Lebens günstig sind, und zum Schutz der Institution der Familie, die auf der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gründet. Die Zulassung der Schwangerschaftsunterbrechung hat nicht nur die Probleme, die vielen Frauen und zahlreichen Familien Leid bereiten, nicht gelöst, sondern sie hat in unseren ohnehin schon von tiefen Leiden heimgesuchten Gesellschaften eine weitere Wunde aufgerissen.

In diesen Jahren ist – nicht nur von seiten der Kirche – wahrlich viel unternommen worden, um den Bedürfnissen und Schwierigkeiten der Familien entgegenzukommen. Wir können jedoch nicht verhehlen, daß nach wie vor verschiedene Probleme der heutigen Gesellschaft schwer zusetzen, weil viele junge Menschen durch ihre widrigen Lebensbedingungen daran gehindert werden, ihrem Wunsch nach Heirat und Gründung einer Familie nachzukommen. Das Fehlen eines sicheren Arbeitsplatzes; Gesetzgebungen, die hinsichtlich des Schutzes der Mutterschaft Mängel aufweisen; die bisher nicht mögliche Sicherstellung eines angemessenen Unterhalts für die Kinder – das sind einige der Hindernisse, die das Bedürfnis nach fruchtbarer Liebe zu ersticken scheinen, während sie ein wachsendes Mißtrauen in die Zukunft aufkommen lassen. Darum müssen die Anstrengungen vereint werden, damit die verschiedenen Institutionen die Verteidigung des menschlichen Lebens und die vorrangige Aufmerksamkeit für die Familie, in deren Geborgenheit das Leben entsteht und sich entwickelt, wieder ins Zentrum ihrer Tätigkeit rücken. Der Familie muß mit allen gesetzlichen Mitteln geholfen werden, ihre Gründung und ihr erzieherisches Wirken unter den nicht einfachen heutigen sozialen Rahmenbedingungen zu erleichtern.

In diesem Kernbereich der Gesellschaft bleibt es für die Christen ein dringendes und unverzichtbares Einsatzgebiet des Apostolats und des evangeliumsgemäßen Zeugnisses, das Leben in allen seinen Phasen mutig und mit Liebe zu schützen. Darum, liebe Brüder und Schwestern, bitte ich den Herrn, eure Tätigkeit zu segnen, die ihr als »Hilfszentrum für das Leben« und als »Bewegung für das Leben« vollbringt, um auch im Fall von schwierigen Schwangerschaften die Abtreibung zu verhindern, während ihr gleichzeitig auf der Ebene der Erziehung, der Kultur und der politischen Auseinandersetzung tätig seid. Es muß konkret bezeugt werden, daß die Achtung vor dem Leben die erste Gerechtigkeit ist, die es anzuwenden gilt. Für jeden, der das Geschenk des Glaubens besitzt, wird das zu einem unabdingbaren Imperativ, weil der Anhänger Christi aufgerufen ist, zunehmend »Prophet« einer Wahrheit zu sein, die niemals ausgelöscht werden kann: Gott allein ist Herr des Lebens. Jeder Mensch wird von ihm erkannt und geliebt, gewollt und geführt. Hier allein – in der Tatsache, daß jeder Mensch den einzigen Plan Gottes verwirklicht, daß ein jeder von demselben Schöpfungsgedanken Gottes herrührt – besteht die tiefste und große Einheit der Menschheit. Man begreift also, warum es in der Bibel heißt: Wer den Menschen entweiht, entweiht das Eigentum Gottes (vgl. Gen Gn 9,5).

In diesem Jahr wird der 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begangen. Ihr Verdienst war es, unterschiedlichen Kulturen, rechtlichen Ausdrucksformen und institutionellen Modellen zu ermöglichen, nach einem Grundkern von Werten und damit von Rechten zu streben. Wie ich kürzlich bei meinem Besuch bei der UNO den Mitgliedern der Vereinten Nationen in Erinnerung rief, müssen »die Menschenrechte als Ausdruck der Gerechtigkeit respektiert werden und nicht lediglich deshalb, weil sie aufgrund des Willens der Gesetzgeber durchsetzbar sind. Die Förderung der Menschenrechte bleibt daher die wirkungsvollste Strategie, um Ungleichheiten zwischen Ländern und sozialen Gruppen zu beseitigen, wie auch um die Sicherheit zu erhöhen«. Darum ist auch euer Einsatz im politischen Raum als Hilfe und Ansporn für die Institutionen äußerst lobenswert, damit dem Wort »Menschenwürde« volle Anerkennung widerfährt. Eure Initiative im Petitionsausschuß des Europäischen Parlaments – darin bekräftigt ihr die Grundwerte des Rechts auf Leben von der Empfängnis an, auf eine auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründeten Familie, des Rechts jedes empfangenen Menschen darauf, in einer Familie von Eltern geboren und erzogen zu werden – bestätigt weiter den soliden Charakter eures Engagements und die volle Gemeinschaft mit dem Lehramt der Kirche, das von jeher diese Werte als »nicht verhandelbar« verkündet und verteidigt.

Liebe Brüder und Schwestern, bei eurer Begegnung am 22. Mai 1998 mit Johannes Paul II. ermutigte er euch, in eurem Einsatz der Liebe und Verteidigung des menschlichen Lebens nicht nachzulassen, und erinnerte daran, daß durch euch viele Kinder die Freude über das unschätzbare Geschenk des Lebens erfahren konnten. Zehn Jahre danach danke nun ich euch für den Dienst, den ihr der Kirche und der Gesellschaft erwiesen habt. Wie viele Menschenleben habt ihr vor dem Tod gerettet! Setzt diesen Weg fort und habt keine Angst, damit das Lächeln des Lebens auf den Lippen aller Kinder und ihrer Mütter triumphiere. Ich vertraue jeden und jede von euch und die vielen Menschen, denen ihr in den Hilfszentren begegnet, dem mütterlichen Schutz der Jungfrau Maria , Königin der Familie, an, und während ich euch mein Gedenken im Gebet zusichere, segne ich von Herzen euch und alle, die den Bewegungen für das Leben in Italien, in Europa und in der Welt angehören.

AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DES PÄPSTLICHEN RATES DER SEELSORGE FÜR DIE MIGRANTEN UND MENSCHEN UNTERWEGS Donnerstag, 15. Mai 2008


Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Es ist mir eine Freude, euch aus Anlaß der Vollversammlung des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs zu empfangen. Ich begrüße besonders den Präsidenten, Kardinal Renato Raffaele Martino, und danke ihm für die einleitenden Worte zu unserem Treffen und für die facettenreiche Darstellung dieses interessanten Themas, mit dem ihr euch in diesen Tagen auseinandergesetzt habt. Mein Gruß gilt auch dem Sekretär, Erzbischof Agostino Marchetto, dem Untersekretär, den Mitarbeitern und Experten, den Mitgliedern und Konsultoren. Allen danke ich von Herzen für die geleistete Arbeit und ihren Einsatz, das zu konkretisieren, was in diesen Tagen diskutiert und zum Wohl aller Familien sichtbar wurde.

Während meines kürzlichen Besuchs in den Vereinigten Staaten von Amerika hatte ich die Gelegenheit, dieses große Land zur Fortsetzung seiner Aufnahmebereitschaft für jene Brüder und Schwestern zu ermutigen, die im allgemeinen aus armen Ländern dorthin kommen. Ich habe besonders auf das schwerwiegende Problem der Familienzusammenführung aufmerksam gemacht, ein Thema, das ich schon in meiner der Migrantenfamilie gewidmeten Botschaft zum 93. Welttag der Migranten und Flüchtlinge behandelt habe. Ich möchte gern daran erinnern, daß ich bei mehreren Anlässen auf die Ikone der Heiligen Familie als Vorbild für die Migrantenfamilie hingewiesen habe, dabei Bezug nehmend auf das Bild, das mein verehrter Vorgänger Papst Pius XII. in der Apostolischen Konstitution Exsul Familia, der »Magna Charta« der Migrantenseelsorge, verwendet hat (vgl. AAS 44, 1952, p. 649). Ferner hat mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. in seinen Botschaften aus den Jahren 1980, 1986 und 1993 das Engagement der Kirche nicht nur für die Person des Migranten betont, sondern auch für dessen Familie, Gemeinschaft der Liebe und Integrationsfaktor.

Zunächst möchte ich wiederholen, daß die Sorge der Kirche für die Migrantenfamilie dem pastoralen Interesse für die Familie, die ohne festen Wohnsitz unterwegs ist, nichts wegnimmt. Ganz im Gegenteil kann das Bemühen, eine einheitliche Sichtweise und ein einheitliches Vorgehen hinsichtlich der beiden »Flügel« (Migration und Unterwegssein) der menschlichen Mobilität zu bewahren, dazu beitragen, den vollen Umfang des Phänomens zu erfassen und kann zugleich für alle ein Ansporn zu einer spezifischen Pastoral sein, die durch die Päpste gefördert und vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünscht wurde (vgl. Christus Dominus CD 18), angemessen unterstützt durch die von eurem Päpstlichen Rat ausgearbeiteten Dokumente, wie auch durch Kongresse und Versammlungen. Man darf nicht vergessen, daß die Familie – auch die Migrantenfamilie und die Familie unterwegs – die Grundzelle der Gesellschaft darstellt, die nicht zerstört werden darf, sondern die es mit Mut und Geduld zu verteidigen gilt. Sie ist die Gemeinschaft, in der man von Kindheit an lernt, Gott anzubeten und ihn zu lieben, in der die Grundregeln menschlicher und sittlicher Tugenden erlernt werden sowie der richtige Gebrauch der Freiheit in der Wahrheit. Bedauerlicherweise geschieht dies in nicht wenigen Situationen nur unter Schwierigkeiten, besonders im Falle derer, die von dem Phänomen der menschlichen Mobilität betroffen sind.

Außerdem hat die christliche Gemeinschaft für ihre Tätigkeit im Bereich der Aufnahme der Migranten und Menschen unterwegs und für den Dialog mit ihnen einen beständigen Bezugspunkt in der Person Jesu Christi, unseres Herrn. Er hat seinen Jüngern eine goldene Regel hinterlassen, an der sich das eigene Leben ausrichten soll: das neue Gebot der Liebe. Die Liebe, die Christus bis zu seinem Tod, seinem Tod am Kreuz, gelebt hat, gibt er durch das Evangelium und die Sakramente, vor allem die heilige Eucharistie, beständig an seine Kirche weiter. Es ist in dieser Hinsicht sehr bedeutsam, daß die Liturgie die Feier des Ehesakraments im Herzen der Eucharistiefeier vorsieht. Dies zeigt das tiefe Band, das die beiden Sakramente vereint. Die Eheleute sollen ihr Verhalten im Alltag am Vorbild Christi ausrichten, der »die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat« (Ep 5,25): Dieser höchste Liebeserweis wird in jeder Eucharistiefeier vergegenwärtigt. Es ist deshalb geboten, daß die Familienpastoral auf diese sakramentale Grundwahrheit Bezug nimmt. Wer an der heiligen Messe teilnimmt – und es muß deren Feier auch für die Migranten und Menschen unterwegs ermöglicht werden –, entdeckt in der Eucharistie einen eindringlichen Verweis auf die eigene Familie und Ehe. Er wird ermutigt, in der eigenen Situation aus der Sicht des Glaubens zu leben und dazu in der göttlichen Gnade die nötige Kraft zu suchen.

Schließlich entgeht niemandem, daß die räumliche Mobilität des Menschen in der globalisierten Welt ein wichtiges Gebiet für die Neuevangelisierung darstellt. Deshalb möchte ich euch ermutigen, euren pastoralen Einsatz mit neuem Eifer fortzuführen, während ich euch meine geistige Nähe zusichere. Ich begleite euch mit meinem Gebet, damit der Heilige Geist all eure Initiativen fruchtbar werden lasse. Dazu erbitte ich für euch den mütterlichen Schutz der Gottesmutter Maria, Unserer Lieben Frau vom Weg, auf daß sie jedem Mann und jeder Frau helfen möge, ihren Sohn Jesus Christus zu erkennen und von ihm das Geschenk des Heils zu empfangen. Mit diesen Wünschen erteile ich euch und allen, die euch nahestehen, allen Migranten und Menschen unterwegs auf der ganzen Welt sowie ihren Familien von Herzen den Apostolischen Segen.

AN DIE TEILNEHMERINNEN AM KONGRESS DES "ORDO VIRGINUM"

ZUM THEMA "GEWEIHTE JUNGFRÄULICHKEIT IN DER WELT:

EIN GESCHENK IN DER KIRCHE UND FÜR DIE KIRCHE" Donnerstag, 15. Mai 2008


Liebe Schwestern!

1. Mit Freude empfange und begrüße ich eine jede von euch, die ihr durch den »feierlichen Ritus der Anverlobung an Christus« (Ritus der Jungfrauenweihe, 30) geweiht seid, anläßlich der Internationalen Begegnung, zugleich Pilgerfahrt und Kongreß des Ordo Virginum, die euch in diesen Tagen in Rom zusammengeführt hat. Insbesondere begrüße ich Kardinal Franc Rodé und danke ihm für das freundliche Grußwort und seinen Einsatz für die Unterstützung dieser Initiative, während ich an das Organisationskomitee ein herzliches Danke richte. Bei der Wahl des Leitthemas dieser Tage habt ihr euch an einer Aussage von mir inspiriert, die zusammenfaßt, was ich bereits über eure Wirklichkeit als Frauen, die die geweihte Jungfräulichkeit in der Welt leben, sagen konnte: Ein Geschenk in der Kirche und für die Kirche. In diesem Licht möchte ich euch in eurer Berufung bestärken und euch einladen, Tag für Tag in dem Verständnis eines Charismas zu wachsen, das für die Augen des Glaubens so leuchtend und fruchtbar ist, wie es für die Augen der Welt dunkel und unnütz ist.

2. »Ihr sollt dem Namen nach und tatsächlich Mägde des Herrn sein in Nachahmung der Muttergottes« (Ritus der Jungfrauenweihe, 29). Der Stand der Jungfrauen stellt eine besondere Ausdrucksform geweihten Lebens dar, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Kirche wiederaufgeblüht ist (vgl. Apostol. Schreiben Vita consecrata VC 7). Seine Wurzeln sind jedoch sehr alt; sie reichen tief in die Anfänge des evangelischen Lebens zurück, als sich – wie eine unerhörte Neuheit – das Herz einiger Frauen dem Verlangen nach der geweihten Jungfräulichkeit zu öffnen begann: das heißt jenem Verlangen, Gott ihr ganzes Sein zu schenken, was in der Jungfrau von Nazaret und in ihrem »Ja« seine erste außergewöhnliche Verwirklichung gefunden hatte. Das Denken der Kirchenväter erkennt in Maria das Urbild der christlichen Jungfrauen und hebt die Neuheit des neuen Lebensstandes hervor, in den man durch eine freie Liebesentscheidung eintritt.

3. »In dir, Herr, sollen sie alles besitzen, weil sie vor allem dich allein gewählt haben« (Ritus der Jungfrauenweihe, 38). Euer Charisma soll die Intensität, aber auch die Frische der Ursprünge der Kirche widerspiegeln. Es gründet auf der schlichten Einladung im Evangelium: »Wer das erfassen kann, der erfasse es« (Mt 19,12) und auf dem Rat des Paulus bezüglich der Jungfräulichkeit um des Himmelreiches willen (1 Kor 7,25–35). Doch schwingt in ihm das ganze christliche Geheimnis mit. Als euer Charisma entstanden ist, wies es keine besonderen Lebens- und Verhaltensmuster auf, es hat sich aber dann nach und nach institutionalisiert, bis hin zu einer richtiggehenden öffentlichen feierlichen Weihe, die vom Bischof durch einen eindrucksvollen liturgischen Ritus erteilt wurde, der die geweihte Frau zur »sponsa Christi«, zum Bild der als Braut verstandenen Kirche machte.

4. Meine Lieben, eure Berufung ist tiefverwurzelt in der Ortskirche, zu der ihr gehört: es ist die Aufgabe eurer Bischöfe, in euch das Charisma der Jungfräulichkeit zu erkennen, euch zu weihen und euch nach Möglichkeit auf eurem Weg weiter zu begleiten, um »euch die Furcht des Herrn zu lehren«, wozu sie sich während der feierlichen Weiheliturgie verpflichten. Vom Atem der Diözese mit ihren Traditionen, ihren Heiligen, ihren Werten, Grenzen und Schwierigkeiten öffnet ihr euch dem Atem der Weltkirche, vor allem durch das gemeinsame liturgische Gebet, das euch aufgetragen wird, damit »es ununterbrochen in eurem Herzen und auf euren Lippen erklinge« (Ritus der Jungfrauenweihe, 42). Auf diese Weise wird sich euer betendes »Ich« allmählich ausweiten, bis es schließlich im Gebet nur mehr ein großes »Wir« geben wird. Das ist das kirchliche Gebet und die wahre Liturgie. Im Dialog mit Gott öffnet ihr euch dem Dialog mit allen Geschöpfen, denen gegenüber ihr euch als Mütter, Mütter der Kinder Gottes (vgl. Ritus der Jungfrauenweihe, 29), fühlt.

5. Euer an sich wirklich hohes Ideal verlangt jedoch keinerlei besondere äußerliche Veränderung. Normalerweise verbleibt die geweihte Jungfrau in ihrem bisherigen Lebensumfeld. Es ist ein Weg, der anscheinend keine spezifischen Merkmale des religiösen Lebens, vor allem des Gehorsams, aufweist. Aber für euch wird die Liebe zur Nachfolge: euer Charisma schließt eine Ganzhingabe an Christus, eine Angleichung an den Bräutigam ein, die implizit die Erfüllung der evangelischen Räte erfordert, um die Treue zu ihm unversehrt zu bewahren (vgl. Ritus der Jungfrauenweihe, 47). Das Leben mit Christus verlangt Innerlichkeit, aber gleichzeitig öffnet es uns für die Verbindung mit den Brüdern und Schwestern: dahinein mündet eure Sendung. Eine wesentliche »Lebensregel « definiert die Verpflichtung, die jede von euch mit Zustimmung des Bischofs sowohl auf geistlicher Ebene als auch im Lebensbereich übernimmt. Es handelt sich um persönliche Wege. Bei euch gibt es verschiedene Stile und Formen, das Geschenk der geweihten Jungfräulichkeit zu leben, was im Verlauf einer internationalen Begegnung, wie jener, zu der ihr in diesen Tagen versammelt seid, um so offenkundiger wird. Ich fordere euch auf, über den Schein hinauszugehen, indem ihr das Geheimnis der zarten Liebe Gottes, die jede in sich trägt, erfaßt und euch trotz eurer Verschiedenheit als Schwestern erkennt.

6. »Euer Leben sei ein besonderes Zeugnis der Liebe und sichtbares Zeichen des künftigen Reiches« (Ritus der Jungfrauenweihe, 30). Achtet darauf, daß eure Person immer die Würde der Braut Christi ausstrahle, die Neuartigkeit des christlichen Daseins und die frohe Erwartung des künftigen Lebens zum Ausdruck bringe. Auf diese Weise könnt ihr mit eurer ehrenhaften Lebensweise Sterne sein, die Orientierung geben für den Lauf der Welt. Die Entscheidung zum jungfräulichen Leben ist nämlich ein Hinweis auf die Vergänglichkeit der irdischen Wirklichkeit und die Vorwegnahme der künftigen Güter. Seid Zeugen der wachsamen und tätigen Erwartung, der Freude, des Friedens, der dem eigen ist, der sich der Liebe Gottes hingibt. Seid in der Welt präsent und dennoch Pilgerinnen auf dem Weg zum Reich. Die geweihte Jungfrau identifiziert sich nämlich mit jener Braut, die gemeinsam mit dem Geist den Herrn ruft: »Der Geist und die Braut sagen: Komm!« (Ap 22,17).

7. Bevor wir auseinandergehen, vertraue ich euch Maria an. Und ich mache mir die Worte des hl. Ambrosius zu eigen, der die christliche Jungfräulichkeit besungen hat, und richte sie an euch: »In jeder Jungfrau lebe die Seele Mariens, um den Herrn zu preisen; in jeder lebe der Geist Mariens, um im Herrn zu frohlocken. Auch wenn es nur eine leibliche Mutter Christi gibt, so ist dennoch nach dem Glauben Christus die Frucht aller, da jede Seele das Wort Gottes empfängt, vorausgesetzt, daß sie unbefleckt und unversehrt von Lastern mit untadeliger Scham die Keuschheit hütet« (Kommentar zum hl. Lukas 2,26: PL 15,1642).

Mit diesem Wunsch segne ich euch von Herzen.



AN DIE BISCHÖFE VON THAILAND ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Freitag, 16. Mai 2008

Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst!

»Herr, sende deinen Geist aus und erneuere das Antlitz der Erde« (vgl. Ps Ps 104,30). Mit diesen Worten aus der Pfingstantiphon heiße ich euch, die Bischöfe Thailands, herzlich willkommen. Ich danke Bischof Phimphisan für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen gesprochen hat. Ich erwidere sie herzlich und versichere euch meines Gebetes für euch und für all jene, die eurer Hirtensorge anvertraut sind. Euer Besuch an den Gräbern der Apostel ist eine Gelegenheit, euch in eurer Verpflichtung zu stärken, Jesus durch das Zeugnis für die Liebe und Wahrheit seines Evangeliums in zunehmendem Maße in der Kirche sichtbar und in der Gesellschaft bekannt zu machen.

Das Hochfest Pfingsten, das wir vor kurzem gefeiert haben, erinnert uns daran, daß der Geist des Herrn die ganze Welt erfüllt und uns eingibt, allen Völkern Christus zu bringen. In eurem Land erfolgt diese Mission der kleinen katholischen Gemeinde im Rahmen von Beziehungen, besonders zu den Buddhisten. Ihr habt in der Tat gern eure große Hochachtung vor den buddhistischen Klöstern und eure Wertschätzung für den Beitrag geäußert, den sie zum sozialen und kulturellen Leben des thailändischen Volkes leisten.

Das Nebeneinanderleben verschiedener Religionsgemeinschaften entwickelt sich heutzutage vor dem Hintergrund der Globalisierung. Ich sagte kürzlich, daß die Globalisierungskräfte die Menschheit zwischen zwei Extreme gestellt sehen. Einerseits gibt es in zunehmender Zahl wirtschaftliche und kulturelle Bande, die im allgemeinen einen Sinn globaler Solidarität und gemeinsamer Verantwortung für das Wohl der Menschheit fördern. Andererseits gibt es beunruhigende Anzeichen für eine Zersplitterung und einen gewissen Individualismus, in dem der Säkularismus vorherrscht, der das Transzendente und den Sinn für das Heilige an den Rand drängt und die eigentliche Quelle von Harmonie und Einheit im Universum verdunkelt.

Die negativen Aspekte dieses Kulturphänomens, die bei euch und bei anderen Religionsführern in eurem Land Bestürzung auslösen, unterstreichen in der Tat die Bedeutung der interreligiösen Zusammenarbeit. Sie verlangen eine gemeinsame Anstrengung, um die geistliche und moralische Seele eures Volkes zu stützen. In Übereinstimmung mit den Buddhisten könnt ihr das gegenseitige Verständnis fördern, was die Weitergabe von Traditionen an die nachfolgenden Generationen, die Darstellung ethischer Werte, die für die Vernunft erkennbar sind, und die Ehrfurcht für das Transzendente, das Gebet und die Kontemplation betrifft. Diese praktischen Vorgehensweisen und Entscheidungen dienen dem Gemeinwohl der Gesellschaft und sind Nahrung für die innere Natur jedes Menschen. Als Hirten kleiner und verstreuter Herden holt ihr Trost aus der Sendung des Parakleten, der verteidigt, Rat gibt und beschützt (vgl. Joh Jn 14,16). Ermutigt die Gläubigen, all das anzunehmen, was das neue Leben von Pfingsten hervorbringt! Der Geist der Wahrheit erinnert uns daran, daß der Vater und der Sohn in der Welt durch diejenigen gegenwärtig sind, die Christus lieben und an seinem Wort festhalten (vgl. Joh 14,22–23), indem sie seine Jünger werden, die ausgesandt sind, um reiche Frucht zu bringen (vgl. Joh Jn 15,8). Die Ausgießung des Geistes ist daher sowohl ein Geschenk als auch eine Aufgabe; eine Aufgabe, die ihrerseits zu einem Geschenk der Epiphanie wird: zur Darbietung Christi und seiner Liebe für die Welt. In Thailand begegnet man diesem Geschenk besonders durch die Kliniken und Sozialwerke der Kirche sowie durch ihre Schulen, denn dort kann das edle thailändische Volk das Antlitz Jesu Christi erkennen und kennenlernen.

Liebe Brüder, ihr habt richtigerweise bemerkt, daß die katholischen Schulen und Hochschulen einen beachtlichen Beitrag zur intellektuellen Ausbildung zahlreicher junger Thailänder leisten. Sie sollten auch einen hervorragenden Beitrag zur geistlichen und moralischen Erziehung der Jugend leisten. In der Tat sind es diese für die Formung der menschlichen Persönlichkeit ausschlaggebenden Gesichtspunkte, wegen derer sich – sowohl katholische wie buddhistische – Eltern für katholische Schulen entscheiden.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die vielen Ordensmänner und Ordensfrauen hinweisen, die so eifrig und gewissenhaft in den katholischen Schulen eurer Diözesen Dienst leisten. Ihre Rolle sollte in erster Linie keine Verwaltungsaufgabe, sondern Sendung sein. Als Personen des geweihten Lebens sind sie aufgerufen, »Zeugen Christi, Offenbarung der Liebe Gottes in der Welt« zu sein und »den Mut zum Zeugnis und zum ständigen Dialog« zu besitzen, indem sie »der Würde des menschlichen Lebens, der Harmonie der Schöpfung, der Existenz der Völker und dem Frieden« dienen (Kongregation für das katholische Bildungswesen, Personen des geweihten Lebens und ihre Sendung in der Schule, 1–2). Es ist daher von größter Wichtigkeit, daß die Ordensleute mit den Schülern und ihren Familien eng verbunden bleiben, ganz besonders durch den Katechismusunterricht für die katholischen Schüler und alle, die interessiert sind, sowie durch die sittliche Bildung und die Sorge für die geistlichen Bedürfnisse aller in der Schulgemeinschaft. Ich ermutige die Orden in ihrem Engagement für das Erziehungsapostolat, im Vertrauen darauf, daß die Schulgebühren gerecht und transparent sind und die Schulen immer zugänglicher für die Armen werden, die sich so oft nach der treuen Umarmung Christi sehnen.

Ein schönes Beispiel für die Verkündigung der großen Taten Gottes (vgl. Apg Ac 2,11) ist der Dienst, den die Katecheten in euren Gemeinden leisten. Sie haben mit großem Eifer und hochherzig die glühende Überzeugung des hl. Paulus angenommen: »Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1Co 9,16). Diese Aufgabe kann jedoch nicht ihnen allein überlassen werden. Es ist euren Priestern aufgetragen, »den Dienst am Wort Gottes (Verkündigung des Evangeliums und Darlegung des katholischen Glaubens) treu und gewissenhaft zu erfüllen« (Ritus der Priesterweihe, Nr. 102). Diese fundamentale Rolle des Priesters, die, um erfolgreich zu sein, eine gründliche philosophische und theologische Ausbildung erfordert, kann nicht an andere delegiert werden. Genauer gesagt, wenn gut ausgebildete Katecheten mit den Priestern der Pfarrei zusammenarbeiten, werden die Reben des Weinstocks reiche Frucht bringen (vgl. Joh Jn 15,5). Zu diesem Zweck spielen eure Berichte auf verschiedene Aufgaben der Verkündigung an, die Beachtung verdienen, einschließlich der Vorbereitung von nichtkatholischen Eheleuten und der seelsorglichen Betreuung für die vielen katholischen Einzelpersonen und Familien, die, wenn sie aus ländlichen Gegenden in die Städte übersiedeln, Gefahr laufen, den Kontakt zum Pfarrgemeindeleben zu verlieren.

Zum Schluß möchte ich euch meine Anerkennung für die Anstrengungen der ganzen katholischen Gemeinschaft in Thailand aussprechen, die Würde jedes Menschenlebens, besonders des verletzlichsten, zu verteidigen. Besondere Sorge bereitet euch die Geißel des Frauen- und Kinderhandels und die Prostitution. Zweifellos ist die Armut ein Faktor, der diesem Phänomen zugrunde liegt, und ich weiß, daß diesbezüglich durch die Entwicklungsprogramme der Kirche viel erreicht wird. Aber da gibt es noch einen weiteren Aspekt, der anerkannt und kollektiv in Angriff genommen werden muß, wenn gegen diese abscheuliche Ausbeutung wirksam vorgegangen werden soll. Ich spreche von der Trivialisierung der Sexualität in den Medien und in der Unterhaltungsindustrie, die einen Verfall der moralischen Werte anheizt und zur Erniedrigung von Frauen, zu nachlassender Treue in der Ehe und sogar zum Mißbrauch von Kindern führt.

Mit brüderlicher Liebe bringe ich diese Überlegungen vor, verbunden mit dem Wunsch, euch zu stärken in eurem Verlangen, die Flamme des Geistes zu empfangen, so daß ihr mit einer Stimme die Frohe Botschaft Jesu verkünden könnt! Euch allen und euren Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und gläubigen Laien erteile ich mit Freude meinen Apostolischen Segen.

AN DIE TEILNEHMER DES FORUMS DER FAMILIENVEREINIGUNGEN Clementina-Saal

Freitag, 16. Mai 2008



Liebe Brüder und Schwestern!

Danke für euren Besuch, der es mir erlaubt, die Arbeit eurer verdienstvollen Verbände kennenzulernen, die zum Forum der Familienverbände und zur Europäischen Föderation Katholischer Familienverbände gehören. Allen Anwesenden gilt mein herzlicher Gruß. Er ergeht zunächst an den Präsidenten des Forums, Herrn Rechtsanwalt Giovanni Giacobbe, dem ich für die freundlichen Worte danke, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Diese Begegnung findet im Rahmen der alljährlichen Feier des »Internationalen Tages der Familie« statt, der gestern, am 15. Mai, begangen wurde. Um die Bedeutung dieses Ereignisses hervorzuheben, habt ihr einen entsprechenden Kongreß veranstaltet, der unter einem sehr aktuellen Thema steht: »Die Allianz für die Familie in Europa: die tragende Rolle der Verbände«. Er hat das Ziel, die Erfahrungen der verschiedenen Familienverbände einander gegenüberzustellen und so die Regierenden und die öffentliche Meinung zu sensibilisieren für die zentrale Rolle, die der Familie in unserer Gesellschaft zukommt. Wie ihr richtig bemerkt, muß in der Tat ein politisches Handeln, das mit Weitsicht auf die Zukunft ausgerichtet sein soll, die Familie in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit und Planung stellen.

... auf französisch: Wie ihr wißt, feiern wir in diesem Jahr den 40. Jahrestag der Enzyklika Humanae vitae sowie den 25. Jahrestag der Verkündigung der Charta der Familienrechte, die der Heilige Stuhl am 22. Oktober 1983 vorlegte. Diese beiden Dokumente sind dem Geiste nach eng miteinander verbunden. Ersteres geht mutig gegen den Strom der vorherrschenden Kultur und ruft mit Nachdruck die Eigenschaften der Liebe der Eheleute ins Gedächtnis: Sie darf nicht egoistisch sein und muß offen sein für das Leben. Das zweite hebt die unveräußerlichen Rechte hervor, die es der auf der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gründenden Familie gestatten, der natürliche Entstehungsort des menschlichen Lebens zu sein. Insbesondere bietet die Charta der Familienrechte, die vor allem an die Regierungen gerichtet ist, allen Personen, die auf der Ebene des Gemeinwohls Verantwortung tragen, ein Modell und einen Bezugspunkt für die Ausarbeitung einer angemessenen Familiengesetzgebung. Diese Charta ist gleichzeitig an alle Familien gerichtet und lädt sie ein, sich zusammenzuschließen, um ihre Rechte zu verteidigen und zu fördern. In dieser Hinsicht können eure Verbände ein Mittel darstellen, das wirklich in der Lage ist, den Geist dieser Charta der Familienrechte umzusetzen.

... auf deutsch: Der verehrte Papst Johannes Paul II., der mit Recht auch »Papst der Familie« genannt wurde, hob wiederholt hervor, daß »die Zukunft der Menschheit über die Familie geht« (Familiaris consortio FC 86). Er unterstrich oft den unersetzlichen Wert der Institution der Familie, die nach dem Plan Gottes, des Schöpfers und Vaters, besteht. Auch ich habe gleich zu Beginn meines Pontifikats bei der Eröffnung des Kongresses der Diözese Rom zum Thema Familie am 6. Juni 2005 bekräftigt, daß die Wahrheit von Ehe und Familie in der Wahrheit vom Menschen verwurzelt ist und ihre Verwirklichung in der Heilsgeschichte gefunden hat, in deren Mittelpunkt das Wort steht: »Gott liebt sein Volk.« Die biblische Offenbarung ist ja zuallererst Ausdruck einer Liebesgeschichte, nämlich der Geschichte vom Bund Gottes mit den Menschen: Das ist der Grund, warum die Geschichte der Liebe und der Verbindung eines Mannes und einer Frau im Bund der Ehe von Gott als Symbol der Heilsgeschichte übernommen wurde. Genau darum ist die Gemeinschaft des Lebens und der Liebe, die auf der Ehe eines Mannes und einer Frau gründet, die eine Familie bildet, ein unersetzliches Gut für die gesamte Gesellschaft, das nicht mit anderen Formen des Zusammenlebens verwechselt oder gleichgestellt werden darf.

... auf englisch: Wir sind uns der vielen Herausforderungen, denen die Familien heute gegenüberstehen, sehr wohl bewußt, und wir wissen, wie schwierig es unter den gegenwärtigen sozialen Gegebenheiten ist, das Ideal der Treue und Solidarität in der ehelichen Liebe zu erfüllen, Kinder zu erziehen und die Eintracht innerhalb der Familie zu wahren. Während es einerseits – Gott sei Dank – leuchtende Beispiele guter Familien gibt, die offen sind für die Kultur des Lebens und der Liebe, so befindet sich andererseits leider eine wachsende Anzahl von Ehen und Familien in der Krise. Von seiten so vieler Familien, die sich in einem beunruhigend instabilen Zustand befinden, vernehmen wir einen – oft unbewußten – Hilferuf, der eine Antwort erwartet von seiten der zivilen Obrigkeiten, der kirchlichen Gemeinschaften und der verschiedenen Erziehungseinrichtungen. Folglich besteht ein immer dringenderer Bedarf nach einer gemeinsamen Unterstützung der Familien mit jedem zur Verfügung stehenden Mittel, sowohl unter sozialem und wirtschaftlichem als auch unter rechtlichem und geistlichem Gesichtspunkt. In diesem Zusammenhang freue ich mich, einige Initiativen und Vorschläge, die im Laufe eures Kongresses zur Sprache gekommen sind, zu empfehlen und zu ihnen zu ermutigen. Ich denke zum Beispiel an den lobenswerten Einsatz, Bürger zur Unterstützung der Initiative zugunsten einer »familienfreundlichen Steuerpolitik« anzuhalten, um bei den Regierungen auf eine Familienpolitik zu drängen, die den Eltern wirklich die Möglichkeit gibt, Kinder zu haben und sie in der Familie zu erziehen.

... auf italienisch: Die Familie, die als Zelle der Gemeinschaft die Grundlage der Gesellschaft bildet, ist für die Gläubigen gleichsam eine »kleine Hauskirche«, die berufen ist, der Welt die Liebe Gottes zu offenbaren. Liebe Brüder und Schwestern, helft den Familien, sichtbares Zeichen dieser Wahrheit zu sein und die in die menschliche Natur eingeschriebenen und daher der ganzen Menschheit gemeinsamen Werte zu verteidigen: das Leben, die Familie und die Erziehung. Diese Grundsätze entspringen nicht einem Glaubensbekenntnis, sondern der Anwendung der Gerechtigkeit, die die Rechte eines jeden Menschen achtet. Das ist eure Sendung, liebe christliche Familien! Das Vertrauen auf den Herrn und die Gemeinschaft mit ihm im Gebet und in der ständigen Bezugnahme auf sein Wort soll in euch niemals verlöschen. So werdet ihr Zeugen seiner Liebe sein, indem ihr euch nicht nur auf menschliche Fähigkeiten verlaßt, sondern fest auf den Fels gründet, der Gott ist, belebt von der Kraft seines Geistes. Maria, Königin der Familie, möge als leuchtender Stern der Hoffnung den Weg aller Familien der Menschheit leiten. Mit diesen Empfindungen segne ich sehr gern alle hier Anwesenden sowie die Mitglieder der verschiedenen Verbände, die ihr vertretet.

AN DIE BISCHÖFE, DIE AM STUDIENSEMINAR DES PÄPSTLICHEN RATES FÜR DIE LAIEN ÜBER DIE NEUEN KIRCHLICHEN BEWEGUNGEN TEILNEHMEN Samstag, 17. Mai 2008


Herr Kardinal,
verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich über die Begegnung mit euch anläßlich des Studienseminars, das vom Päpstlichen Rat für die Laien einberufen wurde, um über die pastorale Fürsorge gegenüber den kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften nachzudenken. Ich danke den zahlreichen Bischöfen aus allen Teilen der Welt, die daran teilgenommen haben: ihr Interesse und ihre lebhafte Beteiligung haben das volle Gelingen der Arbeiten gewährleistet, die heute ihren Abschluß finden. Ich richte an alle Mitbrüder im Bischofsamt und an alle Anwesenden einen herzlichen Gruß der Gemeinschaft und des Friedens; insbesondere grüße ich Herrn Kardinal Stanislaw Rylko und Bischof Josef Clemens, den Präsidenten bzw. Sekretär des Dikasteriums, und ihre Mitarbeiter.

Der Rat für die Laien organisiert nicht zum ersten Mal für die Bischöfe ein Studienseminar über die Laienbewegungen. Ich erinnere mich gut an das Seminar von 1999: es war die ideale pastorale Fortsetzung der Begegnung meines geliebten Vorgängers Johannes Paul II. mit den Bewegungen und neuen Gemeinschaften, die ein Jahr zuvor am 30. Mai stattgefunden hatte. Als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre wurde ich persönlich in die Debatte einbezogen. Ich hatte Gelegenheit zu einem direkten Dialog mit den Bischöfen, zu einem offenen und brüderlichen Gedankenaustausch über so viele wichtige Fragen. In entsprechender Weise will das jetzige Studienseminar eine Fortsetzung der Begegnung sein, die ich selbst am 3. Juni 2006 mit einer breiten Vertretung von Gläubigen hatte, die über hundert neuen Laiengemeinschaften angehörten. Bei dieser Gelegenheit verwies ich auf die Erfahrung der kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften als das »leuchtende Zeichen der Schönheit Christi und der Kirche, seiner Braut« (vgl. Botschaft an die Teilnehmer des II. Weltkongresses der kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften, 22. Mai 2006; in O.R. dt. Nr. 23, 9.6.2006, S. 5). Ich wandte mich »an die lieben Freunde in den Bewegungen« und forderte sie auf, immer mehr »Schulen der Gemeinschaft zu sein, Gruppen von Menschen, die auf dem Weg sind, auf dem man lernt, in der Wahrheit und in der Liebe zu leben, die Christus uns offenbart und durch das Zeugnis der Apostel vermittelt hat, im Schoße der großen Familie seiner Jünger« (ebd.).

Die kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften sind eine der wichtigsten Neuheiten, die in der Kirche vom Heiligen Geist zur Umsetzung des II. Vatikanischen Konzils erweckt worden sind. Sie verbreiteten sich kurz vor Beginn des Konzils, vor allem aber in den unmittelbar nachfolgenden Jahren, in einer Zeit, die voll begeisternder Hoffnungen, aber auch von schweren Prüfungen gekennzeichnet war. Paul VI. und Johannes Paul II. vermochten es, den unvorhergesehenen Aufbruch der neuen Realitäten im Bereich der Laien, die in verschiedenen und überraschenden Formen der ganzen Kirche Lebendigkeit, Glaube und Hoffnung wiedergaben, anzunehmen und zu unterscheiden, zu ermutigen und zu fördern. Schon damals gaben die neuen Bewegungen Zeugnis von der Freude, der Vernünftigkeit und der Schönheit des Christseins und zeigten sich dankbar für ihre Zugehörigkeit zu dem Geheimnis der Gemeinschaft, das die Kirche ist. Wir haben das Wiedererwachen eines kräftigen missionarischen Aufschwungs miterlebt, der von dem Wunsch geleitet war, allen die wertvolle Erfahrung der Begegnung mit Christus mitzuteilen, die als einzige angemessene Antwort auf die tiefe Sehnsucht des menschlichen Herzens nach Wahrheit und Glück wahrgenommen und gelebt wird.

Muß man sich nicht gleichzeitig dessen bewußt sein, daß eine solche Neuheit noch darauf wartet, im Licht des Planes Gottes und der Sendung der Kirche auf den Schauplätzen unserer heutigen Zeit entsprechend verstanden zu werden? Gerade deshalb gab es von seiten der Päpste in steter Folge zahlreiche Beiträge mit orientierenden Hinweisen, die auf der Ebene vieler Ortskirchen einen zunehmend vertieften Dialog und eine intensivere Zusammenarbeit in Gang gebracht haben. Nicht wenige Vorurteile, Widerstände und Spannungen sind dabei überwunden worden. Zu lösen bleibt die wichtige Aufgabe der Förderung einer reiferen Gemeinschaft aller Glieder der Kirche, damit alle Charismen unter Achtung ihrer je besonderen Eigenart voll und frei zum Aufbau des einen Leibes Christi beitragen können.

Ich habe es sehr zu schätzen gewußt, daß als Entwurf für das Studienseminar die Aufforderung ausgewählt wurde, die ich an eine Gruppe deutscher Bischöfe anläßlich ihres »Ad-limina«- Besuches gerichtet habe und die ich genauso heute an euch alle, Bischöfe so vieler Ortskirchen, richte: »Ich bitte euch, mit viel Liebe auf die Bewegungen zuzugehen« (18. November 2006). Ich könnte eigentlich sagen, daß ich dem nichts mehr hinzuzufügen habe! Die Liebe ist das Erkennungszeichen des Guten Hirten: Sie macht die Ausübung des Dienstes, der euch anvertraut wurde, maßgebend und wirksam. Das liebevolle Zugehen auf die Bewegungen und neuen Gemeinschaften veranlaßt uns, ihre Wirklichkeit ohne oberflächliche Eindrücke oder herabsetzende Urteile adäquat kennenzulernen. Es hilft uns auch zu begreifen, daß die kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften nicht ein zusätzliches Problem oder Risiko darstellen, das zu unseren ohnehin schon schwierigen Aufgaben noch hinzukommt. Nein! Sie sind ein Geschenk des Herrn, eine wertvolle Ressource, um mit ihren Charismen die ganze christliche Gemeinschaft zu bereichern. Darum darf eine vertrauensvolle Aufnahme nicht fehlen, die ihnen im Leben der Ortskirchen Raum geben und ihre Beiträge schätzen soll. Schwierigkeiten oder Mißverständnisse bezüglich einzelner Fragen berechtigen nicht zu einer ausschließenden Haltung. Das »mit viel Liebe« soll zu Umsicht und Geduld inspirieren. Uns Hirten ist es aufgetragen, die Bewegungen und neuen Gemeinschaften aus der Nähe mit väterlicher Sorge herzlich und weise zu begleiten, damit sie die vielen Gaben, die sie in sich tragen und die wir kennen und schätzen gelernt haben, auf geordnete und fruchtbare Weise hochherzig in den Dienst des gemeinsamen Nutzens stellen können: den missionarischen Eifer, die wirkungsvollen Anleitungen zu christlicher Bildung, das Zeugnis der Treue und des Gehorsams gegenüber der Kirche, die Sensibilität für die Bedürfnisse der Armen, der Reichtum an Berufungen.

Die Wahrhaftigkeit der neuen Charismen ist durch ihre Bereitschaft gewährleistet, sich dem Urteil der kirchlichen Autorität zu unterstellen. Zahlreiche kirchliche Bewegungen und neue Gemeinschaften sind bereits vom Heiligen Stuhl anerkannt worden und müssen daher zweifellos als ein Geschenk Gottes für die ganze Kirche betrachtet werden. Andere, die sich noch in der Entstehungsphase befinden, brauchen den Dienst einer noch aufmerksameren und wachsamen Begleitung seitens der Bischöfe der Ortskirchen. Wer zum Dienst der Unterscheidung und Leitung berufen ist, soll nicht den Anspruch erheben, über die Charismen zu herrschen, sondern sich vielmehr vor der Gefahr vorsehen, sie zu ersticken (vgl. 1 Thess 5,19–21), indem er der Versuchung widersteht, das zu vereinheitlichen, was der Heilige Geist vielfältig wollte, um am Aufbau und an der Ausbreitung des einen Leibes Christi mitzuwirken, den derselbe Geist in der Einheit festigt. Der vom Geist Gottes in Christus, dem Haupt der Kirche, geweihte und geleitete Bischof wird die Charismen prüfen und nachweisen müssen, um zu erkennen und zu erschließen, was gut, wahr und schön ist, was zum Wachstum an Heiligkeit der einzelnen und der Gemeinschaften beiträgt. Wenn korrigierende Eingriffe notwendig sind, sollen auch sie »viel Liebe« zum Ausdruck bringen. Die Bewegungen und neuen Gemeinschaften sind stolz auf ihre Freiheit, sich zusammenzuschließen, auf die Treue zu ihrem Charisma, aber sie haben auch bewiesen, sehr wohl zu wissen, daß Treue und Freiheit gewährleistet und gewiß nicht eingeschränkt werden von der kirchlichen Gemeinschaft, deren Diener, Hüter und Führer die Bischöfe in Einheit mit dem Nachfolger des Petrus sind.

Liebe Brüder im Bischofsamt, zum Abschluß dieser Begegnung fordere ich euch auf, in euch die Gabe, die ihr mit eurer Weihe empfangen habt, neu zu beleben (vgl. 2Tm 1,6). Der Geist Gottes helfe uns, die Wunder zu erkennen und zu bewahren, die er selbst in der Kirche für alle Menschen hervorbringt. Der allerseligsten Jungfrau Maria, Königin der Apostel, vertraue ich jede eurer Diözesen an und erteile euch aus ganzem Herzen einen liebevollen Apostolischen Segen; in ihn schließe ich die Priester, die Ordensmänner, Ordensfrauen, die Seminaristen, die Katecheten und alle gläubigen Laien und heute im besonderen die Mitglieder der kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften in den Kirchen ein, die eurer Sorge anvertraut sind.

AN DIE TEILNEHMER AM TREFFEN DES OBERSTEN RATES

DER PÄPSTLICHEN MISSIONSWERKE Samstag, 17. Mai 2008


Herr Kardinal,
verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Es freut mich besonders, mit euch allen zusammentreffen, die ihr direkt in den Päpstlichen Missionswerken engagiert seid, den Einrichtungen im Dienst des Papstes und der Bischöfe der Ortskirchen, um den Missionsauftrag zur Evangelisierung der Völker bis an die Grenzen der Erde zu erfüllen. Herrn Kardinal Ivan Dias, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, danke ich zuerst herzlich für die Worte, die er im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Ich schließe in meinen Gruß den Sekretär und alle Mitarbeiter des Dikasteriums für die Mission, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Männer und Frauen im Laienstand, ein. Meine Lieben, dank eures intensiven Einsatzes wird die Aussage des Konzils, wonach »die ganze Kirche ihrem Wesen nach missionarisch ist«, zutreffende Wirklichkeit. Die Päpstlichen Missionswerke haben das Charisma, unter den Christen die Leidenschaft für das Reich Gottes zu fördern, das durch die Verkündigung des Evangeliums überall gefestigt werden soll. Entstanden aus diesem universalen Geist, waren sie ein wertvolles Instrument in den Händen meiner Vorgänger, die sie in den Rang päpstlicher Werke erhoben und den Bischöfen empfohlen haben, sie in ihren Diözesen einzurichten. Das Zweite Vatikanische Konzil hat ihnen mit Recht den ersten Platz in der missionarischen Zusammenarbeit zuerkannt, »da sie Mittel darstellen, die Katholiken von Kindheit an mit einer wahrhaft universalen und missionarischen Gesinnung zu erfüllen und zur tatkräftigen Sammlung von Hilfsmitteln zum Wohl aller Missionen gemäß den jeweiligen Bedürfnissen anzueifern« (Ad Gentes AGD 38). Das Konzil hat besonders das Wesen und die Sendung der Ortskirche durch die Anerkennung ihrer vollen missionarischen Würde und Verantwortung vertieft.

Die Mission ist eine Aufgabe und Pflicht aller Kirchen, die, um sie zu verwirklichen, wie kommunizierende Gefäße Personen und Ressourcen miteinander teilen. Jede Ortskirche ist das auserwählte Volk in der Völkerwelt, zusammengerufen in der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, um »die Machttaten dessen zu verkünden, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat« (Lumen gentium LG 10). Sie ist der Ort, wo sich der Geist mit der Fülle seiner Charismen zeigt und jedem Gläubigen die Berufung und die Verantwortung für die Mission schenkt. Ihr ist die Mission für die Gemeinschaft aufgetragen. Den Keimen der Entzweiung unter den Menschen, die, wie die tägliche Erfahrung zeigt, aufgrund der Sünde tief in die Menschheit eingegraben sind, setzt die Ortskirche die fruchtbare Kraft der Einheit des Leibes Christi entgegen.

Papst Johannes Paul II. konnte voll Freude sagen: »Es entstanden Ortskirchen mit eigenen Bischöfen, mit Klerus und Laienaposteln… Die Verbindung der Kirchen untereinander bringt einen lebhaften Austausch geistlicher und materieller Güter mit sich… Es zeigt sich insbesondere ein neues Bewußtsein: der Sendungsauftrag gilt für alle Christen, für alle Diözesen und Pfarreien, für die kirchlichen Institutionen und Vereinigungen« (Enzyklika Redemptoris missio RMi 2). Dank ihrer in diesen Jahrzehnten angestellten Überlegungen haben sich die Päpstlichen Missionswerke in den Rahmen der neuen Paradigmen für die Evangelisierung und des ekklesiologischen Modells der Gemeinschaft zwischen den Kirchen eingefügt. Sie sind natürlich päpstliche Werke, aber rechtlich sind sie auch bischöfliche Werke, da sie Werkzeuge in den Händen der Bischöfe sind, um den Missionsauftrag Christi zu erfüllen. »Die Päpstlichen Missionswerke sind nicht nur päpstliche Werke, sondern auch Werke des gesamten Episkopats und des ganzen Gottesvolkes « (Paul VI., Botschaft zum Weltmissionstag 1968). Sie sind das spezifische, vorrangige und wichtigste Werkzeug für die Erziehung zum universalen missionarischen Geist und für die zwischenkirchliche Gemeinschaft und Zusammenarbeit im Dienst der Verkündigung des Evangeliums (vgl. Statut, 18).

Auch in dieser Phase der Geschichte der Kirche, die sich ihrem Wesen nach als missionarisch definiert, sind das Charisma und die Arbeit der Päpstlichen Missionswerke nicht erschöpft und dürfen nicht nachlassen. Der Auftrag, die Menschheit zu evangelisieren, bleibt weiterhin dringend und notwendig. Die Mission ist eine verpflichtende Aufgabe, die man erfüllen muß: »Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde« (1Co 9,16). Der Apostel Paulus, dem die Kirche zum Gedenken an seine Geburt vor 2000 Jahren ein Jubiläumsjahr widmet, hat auf dem Weg nach Damaskus und dann im Laufe des späteren Dienstes verstanden und erfahren, daß Erlösung und Mission Akte der Liebe sind. Es ist die Liebe Christi, die ihn dazu treibt, das Römische Reich zu durchqueren, Verkünder, Apostel und Lehrer des Evangeliums zu sein (vgl. 2Tm 1,11) und allen alles zu werden, um auf jeden Fall einige zu retten (vgl. 1Co 9,22). »Wer das Evangelium verkündet, hat Anteil an der Liebe Christi, der uns geliebt und sich für uns hingegeben hat (vgl. Eph Ep 5,2). Er ist sein Gesandter und bittet im Namen Christi: ›Laßt euch mit Gott versöhnen!‹ (vgl. 2Co 5,20)« (Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Aspekten der Evangelisierung, 11). Es ist die Liebe, die uns drängen muß, allen Menschen offen und mutig die Heilswahrheit zu verkünden (vgl. Gaudium et spes GS 28). Eine Liebe, die überallhin ausstrahlen und das Herz jedes Menschen erreichen soll. Die Menschen warten nämlich auf Christus.

Die Worte Jesu: «Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe» (Mt 28,19–20) stellen noch immer für die ganze Kirche und für jeden einzelnen Christgläubigen einen verpflichtenden Auftrag dar. Dieser apostolische Einsatz ist eine Pflicht und auch ein unverzichtbares Recht, Ausdruck der religiösen Freiheit, die entsprechende ethisch-soziale und ethisch-politische Dimensionen aufweist (vgl. Dignitatis humanae DH 6). Den Päpstlichen Missionswerken ist es aufgetragen, die »Missio ad gentes« zum Paradigma der gesamten pastoralen Tätigkeit zu machen. Ihnen und in besonderer Weise der Päpstlichen Missionsvereinigung obliegt die Aufgabe, «im christlichen Volk das Geheimnis der Kirche bzw. diesen tätigen christlichen Geist zu fördern und immer weiter zu verbreiten» (Paul VI., Graves et increscentes). Ich bin sicher, ihr werdet euch weiterhin mit eurem ganzen Enthusiasmus darum bemühen, damit eure Ortskirchen immer großzügiger ihren Teil der Verantwortung in der Weltmission übernehmen.

Allen erteile ich meinen Segen.
202
Benedikt XVI Predigten 197