Benedikt XVI Predigten 255

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XVII. WELTTAG DER KRANKEN

HL. MESSE FÜR DIE KRANKEN

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.

WÄHREND DER BEGEGNUNG MIT DEN KRANKEN Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes

Petersdom - Mittwoch 11. Februar 2009




Liebe Kranke,
liebe Brüder und Schwestern!

Diese Begegnung hat einen besonderen Wert und eine besondere Bedeutung, denn sie findet am Welttag der Kranken statt, der heute, am Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes, begangen wird. Meine Gedanken gehen zu jenem Heiligtum, dem auch ich anläßlich des 150. Jahrestages der Erscheinungen vor der hl. Bernadette einen Besuch abgestattet habe. Diese Pilgerreise ist mir lebhaft in Erinnerung, besonders die Begegnung mit den Kranken, die bei der Grotte von Massabielle versammelt waren. Ich bin sehr gern gekommen, um euch zum Abschluß der Eucharistiefeier zu begrüßen, bei der Kardinal Javier Lozano Barragán, der Präsident des Päpstlichen Rats für die Pastoral im Krankendienst, den Vorsitz hatte: An ihn richte ich einen herzlichen Gruß. Zusammen mit ihm begrüße ich die anwesenden Bischöfe, die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die freiwilligen Helfer, die Pilger und besonders die lieben Kranken sowie alle, die tagtäglich für sie sorgen. Es ist immer ergreifend, bei dieser Gelegenheit hier in der Petersbasilika jene typische Atmosphäre des Gebets und der marianischen Spiritualität, die das Heiligtum von Lourdes kennzeichnet, nachzuempfinden. Ich danke euch für diesen Ausdruck des Glaubens und der Liebe zu Maria; ich danke allen, die dieses Ereignis gefördert und organisiert haben, insbesondere der »UNITALSI« und der »Opera Romana Pellegrinaggi«.

Dieser Tag lädt dazu ein, die Kranken die geistliche Nähe der Kirche noch stärker spüren zu lassen. Die Kirche ist, wie ich in der Enzyklika Deus caritas est geschrieben habe, Gottes Familie in der Welt, in der niemand Not leiden darf, vor allem nicht aus Mangel an Liebe (vgl. Nr. 25b). Gleichzeitig wird uns heute die Gelegenheit geschenkt, über die Erfahrung der Krankheit und des Schmerzes nachzudenken und ganz allgemein über den Sinn des Lebens, das vollkommene Verwirklichung finden muß, auch wenn es dem Leiden unterworfen ist. In der Botschaft zum heutigen Weltgebetstag habe ich die kranken Kinder in den Vordergrund gestellt, die schwächsten und wehrlosesten Geschöpfe. Wahrhaftig, wenn man bereits angesichts eines leidenden Erwachsenen keine Worte findet, was soll man dann sagen, wenn ein kleines, unschuldiges Kind von der Krankheit betroffen ist? Wie kann man auch in so schwierigen Situationen die barmherzige Liebe Gottes spüren, der seine Kinder in der Prüfung nie verläßt?

Diese manchmal sehr beunruhigenden Fragen stellen sich oft. Auf rein menschlicher Ebene gibt es in der Tat darauf keine angemessenen Antworten, denn Schmerz, Krankheit und Tod sind in ihrer Bedeutung für unseren Verstand unergründlich. Das Licht des Glaubens kommt uns jedoch zu Hilfe. Das Wort Gottes offenbart uns, daß auch diese Übel auf geheimnisvolle Weise vom göttlichen Heilsplan »umschlossen« werden; der Glaube hilft uns, das menschliche Leben auch dann schön und vollkommen lebenswert zu finden, wenn es von der Krankheit geschwächt ist. Gott hat den Menschen für die Glückseligkeit und für das Leben geschaffen, während Krankheit und Tod als Folge der Sünde in die Welt gekommen sind. Aber der Herr hat uns nicht uns selbst überlassen. Er, der Vater des Lebens, ist der Arzt des Menschen schlechthin; er beugt sich ohne Unterlaß liebevoll über die leidende Menschheit. Jesus, so das Evangelium, »trieb mit seinem Wort die Geister aus und heilte alle Kranken« (Mt 8,16). Das zeigt uns den Weg der Umkehr und des Glaubens als Voraussetzungen, um die Heilung an Leib und Geist zu erlangen. Dies ist die Heilung, die der Herr immer will, die Heilung an Leib und Seele in ganzheitlicher Liebe; daher treibt er mit seinem Wort die Geister aus. Sein Wort ist Wort der Liebe, reinigendes Wort: Es vertreibt die Geister der Furcht, der Einsamkeit, des Widerstands gegen Gott, weil es so unsere Seele reinigt und inneren Frieden schenkt. So schenkt es uns den Geist der Liebe und die Heilung, die von innen heraus beginnt. Aber Jesus hat nicht nur gesprochen: Er ist das fleischgewordene Wort. Er hat mit uns gelitten, er ist gestorben. Durch sein Leiden und seinen Tod hat er unsere Schwachheit bis ins Letzte angenommen und verwandelt. Eben darum »heißt leiden besonders empfänglich und offen werden für das Wirken der heilbringenden Kräfte Gottes, die der Menschheit in Christus dargeboten werden«, wie der Diener Gottes Johannes Paul II. im Apostolischen Schreiben Salvifici doloris schrieb (Nr. 23).

Liebe Brüder und Schwestern, wir werden uns immer mehr bewußt, daß das Leben des Menschen kein uns zur Verfügung stehendes Gut ist, sondern ein kostbarer Schatz, den es mit jeder nur möglichen Sorgfalt zu bewahren und zu pflegen gilt, vom seinem ersten Augenblick an bis zu seinem letzten natürlichen Ende. Das Leben ist ein Geheimnis, das in sich selbst schon Verantwortung, Liebe, Geduld, Wohltätigkeit verlangt, von seiten aller und eines jeden Menschen. Noch notwendiger ist es, die Kranken und Leidenden mit Fürsorge und Achtung zu umgeben. Das ist nicht immer einfach; wir wissen jedoch, wo wir den Mut und die Geduld schöpfen können, um den Wechselfällen des irdischen Lebens zu begegnen, insbesondere den Krankheiten und jeder Art von Leiden. Für uns Christen liegt in Christus die Antwort auf das Rätsel des Schmerzes und des Todes. Die Teilnahme an der heiligen Messe – ihr habt gerade daran teilgenommen – nimmt uns hinein in das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung. Jede Eucharistiefeier ist das fortdauernde Gedächtnis des gekreuzigten und auferstandenen Christus, der die Macht des Bösen durch die Allmacht seiner Liebe besiegt hat. In der »Schule« des eucharistischen Christus können wir also lernen, das Leben immer zu lieben und unsere scheinbare Machtlosigkeit angesichts der Krankheit und des Todes anzunehmen.

Mein verehrter und geliebter Vorgänger Johannes Paul II. wollte, daß der Welttag der Kranken mit dem Gedenktag der Unbefleckten Jungfrau in Lourdes zusammenfällt. An jenen heiligen Ort ist unsere himmlische Mutter gekommen, um uns daran zu erinnern, daß wir nur vorübergehend auf dieser Erde sind und daß die wahre und endgültige Wohnstatt des Menschen der Himmel ist. Nach diesem Ziel müssen wir alle streben. Das Licht, das »aus der Höhe« kommt, möge uns helfen, auch die Erfahrung des Leidens und des Sterbens zu verstehen und ihr Sinn und Wert zu verleihen. Bitten wir Unsere Liebe Frau, ihren mütterlichen Blick auf jeden Kranken und auf seine Familie zu richten, um ihnen zu helfen, mit Christus die Last des Kreuzes zu tragen. Ihr, der Mutter der Menschheit, wollen wir die Armen, die Leidenden und die Kranken der ganzen Welt anvertrauen und dabei besonders an die leidenden Kinder denken. Mit diesen Empfindungen ermutige ich euch, stets auf den Herrn zu vertrauen, und segne euch von Herzen.

AN HERRN TIMOTHY ANDREW FISCHER,

NEUER BOTSCHAFTER AUSTRALIENS BEIM HL. STUHL Donnerstag, 12. Februar 2009



Herr Botschafter!

Mit besonderer Freude heiße ich Sie im Vatikan willkommen und nehme das Beglaubigungsschreiben entgegen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter Australiens beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich möchte Sie freundlicherweise bitten, der Generalgouverneurin, Frau Quentin Bryce, sowie der Regierung und dem Volk Ihrer Nation meinen Dank für ihre Grüße zu übermitteln. Mit lebhaften Erinnerungen an meinen jüngsten Besuch in Ihrem schönen Land versichere ich Sie meiner Gebete für das Wohlergehen des Landes, und ganz besonders möchte ich jedem einzelnen der trauernden Menschen und Familien in Victoria, die bei den Buschbränden der letzten Wochen geliebte Angehörige verloren haben, mein tiefempfundenes Beileid zukommen lassen.

Die Berufung Eurer Exzellenz zum ersten residierenden Botschafter Australiens beim Heiligen Stuhl kennzeichnet eine willkommene neue Ära in unseren diplomatischen Beziehungen und schafft eine gute Gelegenheit, das gegenseitige Verständnis zu vertiefen und unsere bereits bestehende wichtige Zusammenarbeit zu intensivieren.

Der Umgang der Kirche mit der Zivilgesellschaft ist in ihrer Überzeugung verankert, daß der menschliche Fortschritt – sei es als einzelne oder als Gemeinschaften – von der Anerkennung der jedem Menschen eigenen übernatürlichen Berufung abhängt. Von Gott erhalten Männer und Frauen ihre wesenhafte Würde (vgl. Gen Gn 1,27) und die Fähigkeit, die Wahrheit und das Gute zu suchen. Im Rahmen dieser breiten Perspektive können wir den heute so vorherrschenden Tendenzen zum Pragmatismus und Konsequentialismus entgegentreten, die sich nur mit den Symptomen und Auswirkungen von Konflikten, sozialer Zersplitterung und moralischer Zweideutigkeit, nicht aber mit deren Wurzeln auseinandersetzen. Wenn die geistliche Dimension der Menschheit zum Leuchten gebracht wird, werden Herzen und Sinne der einzelnen zu Gott und zu den Wundern des menschlichen Lebens hingezogen: zum Sein selbst, zu Wahrheit, Schönheit, moralischen Werten und anderen Menschen. Auf diese Weise kann eine sichere Grundlage gefunden werden, um die Gesellschaft zu einen und eine Aussicht auf Hoffnung zu unterstützen.

Der Weltjugendtag war ein Ereignis von einzigartiger Bedeutung für die universale Kirche und für Australien. Noch immer ist der Nachhall der Anerkennung in Ihrer Nation und weltweit zu vernehmen.

Jeder Weltjugendtag ist vor allem ein geistliches Ereignis, bei dem junge Menschen, von denen nicht alle eng mit der Kirche verbunden sind, in einer intensiven Erfahrung des Betens, Lernens und Zuhörens Gott begegnen und so zur Glaubenserfahrung im Tun kommen. Selbst die Einwohner von Sydney ließen sich, wie Eure Exzellenz bemerkte, von der ungetrübten Freude der Pilger inspirieren. Ich bete dafür, daß diese junge Generation der Christen in Australien und überall auf der Welt ihren Enthusiasmus auf alles, was wahr und gut ist, lenken wird, indem sie quer durch alles Spaltende Freundschaften knüpfen und Orte lebendigen Glaubens in unserer und für unsere Welt, Stätten der Hoffnung und der tätigen Nächstenliebe schaffen.

Herr Botschafter, die kulturelle Mannigfaltigkeit bedeutet eine große Bereicherung für das gesellschaftliche Gefüge des heutigen Australien. Jahrzehntelang wurde jene so verschieden zusammengesetzte Gesamtheit durch die Ungerechtigkeiten getrübt, die von der indigenen Bevölkerung so schmerzvoll erduldet wurden. Durch die Vergebungsbitte von Premierminister Rudd im vergangenen Jahr hat sich ein tiefer Gesinnungswandel vollzogen. Im Geist der Versöhnung erneuert können jetzt beide Seiten, die staatlichen Behörden und die Verantwortlichen der Aborigines, mit Entschlossenheit und Leidenschaft die vielen Herausforderungen angehen, die vor ihnen liegen. Ein weiteres Beispiel für den Wunsch Ihrer Regierung, Achtung und Verständnis unter den Kulturen zu fördern, ist deren lobenswertes Bemühen, den interreligiösen Dialog und die Zusammenarbeit sowohl bei sich als auch in der Region zu erleichtern. Derartige Initiativen helfen, das kulturelle Erbe zu bewahren, sie fördern die öffentliche Dimension der Religion und entzünden die wahren Werte, ohne die das Herz der bürgerlichen Gesellschaft bald verdorren würde.

Die diplomatische Aktivität Australiens im Pazifik, in Asien und in jüngster Zeit in Afrika hat viele Facetten und ist im Wachsen begriffen. Allgemein bekannt und respektiert sind die aktive Unterstützung der Millenniums-Entwicklungsziele durch die Nation, zahlreiche regionale Partnerschaften, Initiativen zur Stärkung des Atomsperrvertrags und das nachdrückliche Eintreten für eine gerechte Wirtschaftsentwicklung. Und während sich die Licht- und Schattenseiten der Globalisierung zunehmend und auf immer komplexere Weise über unsere Welt ausbreiten, zeigt sich Ihre Nation dazu bereit, auf eine wachsende Anzahl verschiedener Herausforderungen grundsätzlich, verantwortungsvoll und auf innovative Weise zu antworten. Dazu gehört nicht zuletzt die Bedrohung der Schöpfung selbst durch den Klimawandel.

Vielleicht ist es mehr denn je zuvor in unserer menschlichen Geschichte notwendig, die grundlegende Beziehung zwischen Schöpfer, Schöpfung und Geschöpf zu bedenken und zu achten. Von dieser Erkenntnis her können wir einen allgemeinen sittlichen Kodex entdecken, der aus Normen besteht, die in dem vom Schöpfer dem Wesenskern jedes Menschen eingeschriebenen Naturgesetz verwurzelt sind.

In meiner diesjährigen Botschaft zum Weltfriedenstag lenkte ich besondere Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit eines ethischen Ansatzes für die Schaffung positiver Partnerschaften zwischen den Märkten, der Zivilgesellschaft und den Staaten (vgl. Nr. 12). Diesbezüglich vermerke ich mit Interesse den Beschluß der australischen Regierung, Beziehungen der Zusammenarbeit herzustellen, die auf Werten wie Gerechtigkeit, gute Regierung und Sinn für die regionale Nachbarschaft beruhen.

Eine echte sittliche Haltung gehört wesentlich zu jeder verantwortlichen, respektvollen und das Soziale einschließenden Entwicklungspolitik. Die Ethik gebietet eine mitleidsvolle und großherzige Antwort auf die Armut; sie verlangt dringend, daß protektionistische Interessen zugunsten eines fairen Zugangs der armen Länder zu den entwickelten Märkten aufgegeben werden, und sie macht das Drängen der Geberländer auf Vertrauenswürdigkeit und Transparenz in der Verwendung der finanziellen Hilfe seitens der Empfängerländer verständlich.

Die Kirche ihrerseits hat eine lange Tradition im Gesundheitswesen, wo für sie der ethische Zugang zu den besonderen Nöten jedes einzelnen Menschen im Vordergrund steht. Besonders in den ärmeren Ländern betreiben religiöse Orden und kirchliche Organisationen – einschließlich vieler australischer Missionare – ein breites Netzwerk von Spitälern und Kliniken, oft in entlegenen Gegenden, wo die Staaten nicht in der Lage waren, ihre eigene Bevölkerung zu versorgen. Besonders wichtig ist die medizinische Betreuung der Familien, einschließlich der hochwertigen geburtshelferischen Versorgung der Frauen. Was für eine Ironie ist es da, wenn manche Gruppen durch Hilfsprogramme die Abtreibung als eine Form der »Gesundheitsfürsorge für Mütter« fördern: Indem sie ein Leben zerstören, geben sie vor, die Lebensqualität zu verbessern.

Exzellenz, ich bin sicher, daß Ihre Ernennung die bereits bestehenden Bande der Freundschaft zwischen Australien und dem Heiligen Stuhl weiter festigen wird. Wenn Sie Ihre neue Verantwortung wahrnehmen, werden Sie in dem großen Bereich der Ämter der Römischen Kurie die Bereitschaft finden, Sie bei der Erfüllung Ihrer Pflichten zu unterstützen. Auf Sie und Ihre Familie sowie auf Ihre Mitbürger rufe ich von Herzen die reichen Segnungen des allmächtigen Gottes herab.

AN DIE MITGLIEDER DER "CONFERENCE OF PRESIDENTS

OF MAJOR AMERICAN JEWISH ORGANISATIONS" Donnerstag, 12. Februar 2009



Liebe Freunde!

Ich freue mich, Sie alle heute zu empfangen, und ich danke Rabbi Arthur Schneier und Herrn Alan Solow für die Grußworte, die sie in Ihrer aller Namen an mich gerichtet haben. Ich erinnere mich sehr gut an die verschiedenen Gelegenheiten, bei denen ich im Rahmen meines Besuchs in den Vereinigten Staaten im letzten Jahr einigen von Ihnen in Washington und New York begegnen konnte. Rabbi Schneier, Sie haben mich nur wenige Stunden vor Ihrem Pesach-Fest sehr freundlich in der Park-East-Synagoge empfangen. Ich freue mich, daß ich jetzt die Gelegenheit habe, Ihnen hier in meinem Haus Gastfreundschaft zu erweisen. Begegnungen wie diese versetzen uns in die Lage, uns unsere gegenseitige Hochachtung zu bekunden. Sie sollen wissen, daß Sie heute hier im Haus Petri, im Haus des Papstes, herzlich willkommen sind.

Mit Dankbarkeit blicke ich auf die verschiedenen Gelegenheiten im Laufe vieler Jahre zurück, bei denen ich Zeit mit meinen jüdischen Freunden verbringen konnte. Meine Besuche bei Ihren Gemeinden in Washington und New York waren zwar nur kurz, aber dennoch waren sie Erfahrungen brüderlicher Hochachtung und aufrichtiger Freundschaft. Eine ebensolche Erfahrung war mein Besuch in der Kölner Synagoge, der erste Besuch dieser Art während meines Pontifikats. Es war für mich sehr bewegend, diese Augenblicke mit der jüdischen Gemeinde in der Stadt zu verbringen, die ich so gut kenne – der Stadt, in der die erste jüdische Ansiedlung in Deutschland beheimatet war, deren Wurzeln bis in die Zeit des Römischen Kaiserreiches zurückreichen.

Ein Jahr später, im Mai 2006, habe ich das Vernichtungslager in Auschwitz-Birkenau besucht. Wie sollte man diese erschütternde Erfahrung jemals in Worte fassen können? Als ich das Eingangstor zu diesem Ort des Grauens, dem Schauplatz unsäglichen Leidens, durchschritt, dachte ich an die unermeßliche Zahl Gefangener – so viele von ihnen Juden –, die denselben Weg in die Gefangenschaft gegangen waren, in Auschwitz und in all den anderen Gefangenenlagern.

Diese Kinder Abrahams, schmerzerfüllt und erniedrigt, hatten nur wenig, was ihnen Kraft gab, außer ihrem Glauben an den Gott ihrer Väter, einem Glauben, den wir Christen mit Ihnen, unseren Brüdern und Schwestern, teilen.

Wie können wir beginnen, das ungeheure Ausmaß dessen zu erfassen, was in diesen abscheulichen Gefängnissen geschehen ist? Die gesamte Menschheit empfindet tiefe Scham über die grausame Brutalität, die Ihrem Volk damals entgegengebracht wurde.

Gestatten Sie mir, das in Erinnerung zu rufen, was ich bei jenem traurigen Anlaß sagte: »Die Machthaber des Dritten Reiches wollten das jüdische Volk als ganzes zertreten, es von der Landkarte der Menschheit tilgen; auf furchtbare Weise haben sich da die Psalmworte bestätigt: ›Wie Schafe werden wir behandelt, die zum Schlachten bestimmt sind‹« (O.R. dt., Nr. 22, 2.6.2006; S.7).

Unsere heutige Begegnung findet im Rahmen Ihres Besuchs in Italien statt, der mit Ihrer jährlichen »Leadership Mission« nach Israel verbunden ist.

Auch ich bereite mich darauf vor, Israel zu besuchen, ein Land, das sowohl den Christen als auch den Juden heilig ist, da dort die Wurzeln unseres Glaubens liegen. In der Tat erhält die Kirche ihre Nahrung aus der Wurzel des edlen Ölbaums, des Volkes Israel, in das die Zweige vom wilden Ölbaum der Heiden eingepfropft wurden (vgl. Röm 11,17–24). Von den frühesten Tagen des Christentums an waren unsere Identität und jeder Aspekt unseres Lebens und Gottesdienstes stets eng mit der altehrwürdigen Religion unserer Väter im Glauben verbunden.

Die 2000jährige Geschichte der Beziehung zwischen dem Judentum und der Kirche hat viele verschiedene Phasen durchlaufen; manche von ihnen bergen schmerzliche Erinnerungen.

Jetzt, da wir in der Lage sind, einander im Geiste der Versöhnung zu begegnen, dürfen die Schwierigkeiten der Vergangenheit uns nicht davon abhalten, einander die Hand der Freundschaft zu reichen. Gibt es etwa irgendeine Familie, die nie Spannungen irgendwelcher Art erleiden mußte? Die Erklärung Nostra aetate des Zweiten Vatikanischen Konzils hat einen Meilenstein auf dem Weg zur Versöhnung gesetzt, und sie hat ganz klar die Grundsätze umrissen, die das Vorgehen der Kirche in bezug auf die christlich-jüdischen Beziehungen seither bestimmen.

Die Kirche ist zutiefst und unwiderruflich darauf verpflichtet, jeden Antisemitismus zurückzuweisen und auch weiterhin gute und dauerhafte Beziehungen zwischen unseren beiden Gemeinschaften aufzubauen. Wenn es ein bestimmtes Bild gibt, das diese Verpflichtung zum Ausdruck bringt, dann ist es der Augenblick, als mein geliebter Vorgänger Papst Johannes Paul II. an der Klagemauer in Jerusalem stand und Gott um Vergebung bat für all das Unrecht, das das jüdische Volk erleiden mußte. Ich mache mir dieses Gebet hiermit zu eigen: »Gott unserer Väter, du hast Abraham und seine Nachkommen auserwählt, deinen Namen zu den Völkern zu tragen: Wir sind zutiefst betrübt über das Verhalten aller, die im Laufe der Geschichte deine Söhne und Töchter leiden ließen. Wir bitten um Verzeihung und wollen uns dafür einsetzen, daß echte Brüderlichkeit herrsche mit dem Volk des Bundes« (O.R. dt., Nr. 13, 31.3.2000; S.1).

Der Haß und die Verachtung gegenüber Männern, Frauen und Kindern, die in der Shoah zum Ausdruck kamen, waren ein Verbrechen gegen Gott und gegen die Menschheit. Das sollte jedem klar sein, besonders jenen, die in der Überlieferung der Heiligen Schriften stehen, nach denen jeder Mensch als Abbild Gottes geschaffen ist, ihm ähnlich (vgl. Gen 1,26–27). Es steht außer Frage, daß jede Verleugnung oder Schmälerung dieses schrecklichen Verbrechens untragbar und ganz und gar inakzeptabel ist. Kürzlich habe ich in einer Generalaudienz noch einmal bekräftigt, die Shoah müsse »eine Mahnung [sein] gegen das Vergessen, gegen die Leugnung oder die Verharmlosung. Denn Gewalt, die gegen einen einzigen Menschen ausgeübt wird, wird gegen alle verübt« (O.R. dt., Nr. 6, 6.2.2009; S. 3).

Dieses schreckliche Kapitel in unserer Geschichte darf niemals in Vergessenheit geraten.

Erinnerung – so heißt es zu Recht – ist »memoria futuri«: eine Mahnung an uns im Hinblick auf die Zukunft und eine Aufforderung, die Versöhnung zu suchen. Sich erinnern bedeutet, alles zu tun, was in unserer Macht steht, um eine jegliche Wiederholung einer solchen Katastrophe innerhalb der Menschheitsfamilie durch den Bau von Brücken dauerhafter Freundschaft zu verhindern. Ich bete inständig darum, daß die Erinnerung an dieses entsetzliche Verbrechen unsere Entschlossenheit stärken möge, die Wunden zu heilen, die allzulange die Beziehungen zwischen Christen und Juden entstellt haben. Es ist mein inniger Wunsch, daß die Freundschaft, derer wir uns jetzt erfreuen, immer stärker werden möge, auf daß die unwiderrufliche Verpflichtung der Kirche auf achtungsvolle und harmonische Beziehungen mit dem Volk des Bundes reiche Frucht trage.
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KONZERT ANLÄSSLICH DES 80. JAHRESTAGES

DES STAATES DER VATIKANSTADT

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.

Audienzenhalle

Donnerstag, 12. Februar 2009




Meine Herren Kardinäle,
verehrte Brüder im Bischofs- und im Priesteramt,
sehr geehrte Damen und Herren!

Zum Abschluß dieses schönen Abends freue ich mich, Sie alle herzlich zu begrüßen, die Sie an diesem Konzert teilgenommen haben, das anläßlich des 80. Jahrestages der Gründung des Staates der Vatikanstadt veranstaltet wurde. Mein Gruß gilt den religiösen, zivilen und militärischen Autoritäten sowie den hochgeschätzten Persönlichkeiten, mit einem besonderen Gedanken an die Bischöfe der Römischen Kurie und die Mitarbeiter der verschiedenen Ämter des Governatorats, die hier zusammengekommen sind, um auch mit dieser Veranstaltung dieses so bedeutsamen Jahrestages zu gedenken. Vor allem möchte ich gegenüber Kardinal Giovanni Lajolo, Präsident der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt, meine tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, auch für die Worte der Zuneigung und der Verehrung, die er vor Beginn des Konzertes an mich gerichtet hat. In meinen Gruß schließe ich den Generalsekretär, Bischof Renato Boccardo, ein sowie die anderen Verantwortlichen des Governatorats und danke selbstverständlich allen, die auf verschiedene Weise zur Organisation und Durchführung dieses musikalischen Ereignisses beigetragen haben.

Ich bin sicher, die Empfindungen aller Anwesenden zum Ausdruck zu bringen, wenn ich ein besonderes Wort des Dankes und der Wertschätzung an die Mitglieder des »RTE Concert Orchestra« (Orchester des irischen Radio- und Fernsehsenders) richte sowie an die Sänger des Chores »Our Lady’s Choral Society« aus Dublin, den Dirigenten Proinnsias O’Duinn, den Chorleiter Paul Ward und die Solisten. Einen besonderen Gruß möchte ich den zahlreichen Gläubigen aus Dublin vorbehalten, die den Chor aus ihrer Stadt begleiten.

Uns wurde die Aufführung einiger Ausschnitte aus dem berühmten Oratorium »Messias« von Georg Friedrich Händel geboten, das dank einer reichen Anthologie von biblischen Texten des Alten und des Neuen Testaments – die gleichsam die Struktur der gesamten Partitur bilden – eine ergreifende geistliche Atmosphäre zu schaffen vermag. Chor und Orchester haben uns eindrucksvoll die Gestalt des Messias Christus im Licht der alttestamentarischen messianischen Prophezeiungen vor Augen gestellt. Die Mannigfaltigkeit des musikalischen Kontrapunkts und die Harmonie des Gesangs haben uns so geholfen, das große und tiefe Mysterium des christlichen Glaubens zu betrachten. Erneut ist offensichtlich geworden, wie Musik und Gesang dank ihrer geschickten Verknüpfung mit dem Glauben im religiösen Bereich hohen pädagogischen Wert haben. Musik kann als Kunst eine besonders großartige Art und Weise sein, Christus zu verkünden, denn der Musik gelingt es, mit der ihr eigenen Ausdruckskraft sein Mysterium wahrnehmbar werden zu lassen.

Dieses Konzert, mit dem eines für den Staat der Vatikanstadt bedeutsamen Jahrestages gedacht werden soll, reiht sich ein in das Programm des aus diesem Anlaß organisierten Kongresses zum Thema »Ein kleines Territorium für eine große Mission«. Sicherlich ist jetzt nicht der Augenblick für eine Rede über dieses historische Ereignis, zu dem verschiedene Experten auf dem Kongreß ihren kompetenten Beitrag unter Berücksichtigung zahlreicher Aspekte leisten werden. Außerdem werde ich am kommenden Samstag Gelegenheit haben, den Teilnehmern an diesen Studientagen zu begegnen und mein Wort an sie zu richten. Es liegt mir aber am Herzen, auch bei diesem Anlaß all denen zu danken, die dazu beigetragen haben, einen für die katholische Kirche so bedeutsamen Jahrestag in feierlicher Weise zu begehen. Gedenkt man der 80 Jahre der Civitas Vaticana, so spürt man das Bedürfnis, die Verdienste all derer zu würdigen, die in diesen acht Jahrzehnten die Protagonisten der Geschichte eines kleinen Stücks Erde waren und sind. An erster Stelle möchte ich an die Hauptperson erinnern, meinen verehrten Vorgänger Pius XI. Er hat sich, als er die Unterzeichnung der Lateranverträge und vor allem die Gründung des Staates der Vatikanstadt verkündete, auf Worte des hl. Franz von Assisi beziehen wollen. Er sagte, daß die neue Souveränität für die Kirche wie für den Poverello »jenes bißchen an Leib« war, »das nötig ist, um die Seele zusammenzuhalten« (vgl. Ansprache vom 11. Februar 1929). Bitten wir den Herrn, der die Geschicke des »Schiffes Petri« in den nicht immer ruhigen Wechselfällen der Geschichte sicher lenkt, auch weiterhin über diesen kleinen Staat zu wachen. Bitten wir ihn vor allem, mit der Macht seines Heiligen Geistes dem beizustehen, der am Steuer des Schiffes steht, dem Nachfolger des hl. Petrus, damit er treu und wirksam sein Amt als Fundament der Einheit der katholischen Kirche ausüben kann, die im Vatikan ihr sichtbares Zentrum hat und sich bis ans Ende der Welt ausdehnt. Dieses Gebet vertraue ich der Fürsprache Mariens an, der Unbefleckten Jungfrau und Mutter der Kirche, und während ich im Namen der Anwesenden den Initiatoren dieses Abends, den ausgezeichneten Orchestermusikern, Sängern und besonders den Solisten erneut von Herzen danke, versichere ich jeden eines Gebetsgedenkens und rufe auf alle den Segen Gottes herab.

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AN DIE BISCHÖFE VON NIGERIA

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Samstag, 14. Februar 2009



Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Mit großer Freude heiße ich euch, die Bischöfe von Nigeria, zu eurem »Ad-limina«-Besuch an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus willkommen. Als Nachfolger Petri schätze ich diese Begegnung, die unser Band der Gemeinschaft und brüderlichen Liebe stärkt und uns miteinander die heilige Verantwortung erneuern läßt, die wir in der Kirche ausüben. Ich danke Erzbischof Job für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Meinerseits möchte ich euch und allen Gläubigen Nigerias gern meine Gefühle der Hochachtung und Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.

Liebe Brüder, seit eurem letzten »Ad-limina«- Besuch hat Gott der Allmächtige die Kirche in eurem Land mit reichlichem Wachstum gesegnet. Das wird insbesondere an der Zahl neuer Christen sichtbar, die Christus in ihren Herzen empfangen haben und voller Freude die Kirche als »die Säule und das Fundament der Wahrheit« (1Tm 3,15) annehmen. Die steigenden Zahlen der Priester- und Ordensberufungen sind gleichfalls ein deutliches Zeichen für das Wirken des Geistes unter euch. Für diese Gnaden danke ich Gott und spreche euch und den Priestern, den Ordensleuten und Katechisten, die im Weinberg des Herrn arbeiten, meine Anerkennung aus.

Die Ausbreitung der Kirche verlangt besondere Sorgfalt bei der Planung auf Diözesanebene und bei der Ausbildung des Personals durch weiterführende Ausbildungsaktivitäten, um die notwendige Glaubensvertiefung eures Volkes zu erleichtern (vgl. Johannes Paul II., Ecclesia in Africa, 76). Aus euren Berichten ersehe ich, daß ihr euch darüber im klaren seid, welche wesentlichen Schritte dafür vorzunehmen sind: die Kunst des Gebets lehren, zur Teilnahme an der Liturgie und an den Sakramenten ermutigen, eine weise und angemessene Predigttätigkeit, Katechismusunterricht, geistliche und moralische Unterweisung und Führung. Auf diesem Fundament gründend wird der Glaube zur christlichen Tugend und läßt lebendige Pfarreien und einen hochherzigen Dienst für die größere Gemeinschaft entstehen. Ihr selbst müßt zusammen mit euren Priestern die Gläubigen führen durch Demut, Loslösung von irdischen Bestrebungen, Gebet, Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes und durch Transparenz bei der Leitung. Auf diese Weise werdet ihr zu einem Zeichen Christ, des Guten Hirten.

Die Feier der Liturgie ist eine bevorzugte Quelle der Erneuerung christlichen Lebens. Ich lege euch nahe, in euren Bemühungen zwischen den Momenten der Betrachtung und den äußeren Gesten der Teilnahme und Freude im Herrn das richtige Gleichgewicht zu halten. Dafür muß der liturgischen Ausbildung der Priester und der Vermeidung liturgiefremder Auswüchse entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet werden. Geht auf diesem Weg weiter und denkt daran, daß der Dialog der Liebe und Verehrung des Herrn durch die Praxis der eucharistischen Anbetung in Pfarreien, Ordensgemeinschaften und an anderen geeigneten Orten wesentlich gesteigert wird (vgl. Sacramentum caritatis, 67).

Die kommende Bischofssynode für Afrika wird sich unter anderem mit dem Thema der ethnischen Konfliktsituation auseinandersetzen. Das wunderbare Bild vom Himmlischen Jerusalem, die Versammlung unzähliger Männer und Frauen aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern, die durch das Blut Christi erlöst worden sind (vgl. Offb Ap 5,9), macht euch Mut, euch der Herausforderung des ethnischen Konflikts zu stellen, wo immer er auftritt, auch in der Kirche. Ich spreche denjenigen von euch, die außerhalb der Grenzen eurer eigenen Region oder Sprachgruppe eine pastorale Sendung angenommen haben, meine Wertschätzung aus und danke den Priestern und dem Volk, die euch freundlich aufnahmen und unterstützten. Eure Bereitschaft, auf eure Mitmenschen einzugehen, ist ein beredtes Zeichen dafür, daß es in der Kirche als der neuen Familie aller derer, die an Christus glauben (vgl. Mk 3,31–35), keinen Platz für irgendeine Form von Spaltung gibt. Katechumenen und Neubekehrte müssen unterwiesen werden, diese Wahrheit anzunehmen, während sie sich zu Christus und einem Leben christlicher Liebe verpflichten. Alle Gläubigen, besonders die Seminaristen und Priester, werden an Reife und Hochherzigkeit wachsen, wenn sie zulassen, daß die Botschaft des Evangeliums jede mögliche Verengung auf lokale Sichtweisen klärt und überwindet. Eine kluge und ausgewogene Auswahl der Seminaristen ist für das geistliche Wohl eures Landes lebenswichtig. Ihre persönliche Formung muß durch eine geregelte geistliche Anleitung, durch die sakramentale Versöhnung, durch Gebet und Meditation über die Heilige Schrift sichergestellt werden. Im Wort Gottes werden die Seminaristen und Priester die Werte finden, die einen guten Priester auszeichnen, der sich mit Leib und Geist dem Herrn geweiht hat (vgl. 1Co 7,34). Stark in der Gnade, die ihnen in Christus Jesus geschenkt ist (vgl. 2Tm 2,1), werden sie lernen, den Menschen, die ihrer Sorge anvertraut sind, mit persönlicher Hingabe und pastoraler Liebe zu dienen.

Hervorheben möchte ich die Aufgabe des Bischofs, die wichtige soziale und kirchliche Wirklichkeit von Ehe und Familienleben zu unterstützen. Unter Mitarbeit gut vorbereiteter Priester und Laien, Fachleute und Ehepaare werdet ihr verantwortungsvoll und mit Eifer eurer Sorge in diesem pastoral vordringlichen Bereich nachkommen (vgl. Johannes Paul II. , Familiaris consortio FC 73). Ehevorbereitungskurse für engagierte Paare und allgemeine und spezifische katechetische Unterweisung über den Wert des menschlichen Lebens, über Ehe und Familie werden eure Gläubigen für die Herausforderungen stärken, vor die sie sich durch die gesellschaftlichen Veränderungen gestellt sehen. Versäumt es auch nicht, Vereine oder Bewegungen zu ermutigen, die Ehepaaren wirksam beistehen, ihre Glaubens- und Eheverpflichtungen zu leben.

Als einen wichtigen Dienst an der Nation habt ihr euer Engagement für den interreligiösen Dialog, besonders mit dem Islam, an den Tag gelegt, wodurch mit Geduld und Ausdauer feste Beziehungen gegenseitiger Achtung, Freundschaft und praktischer Zusammenarbeit mit Menschen anderer Religionen angebahnt werden. Dank eurer Anstrengungen als eifrige und unermüdliche Förderer guter Absichten wird die Kirche zu einem sichtbareren Zeichen und Werkzeug der Gemeinschaft mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheit werden (vgl. Lumen gentium LG 1).

Sehr anerkennenswert ist euer Bemühen, aus den katholischen Prinzipien verständige Stellungnahmen zu den derzeitigen nationalen Problemen abzuleiten. Das vom Schöpfer in das Herz jedes Menschen eingeschriebene Naturgesetz (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 2009, 8) und das richtig verstandene und auf die bürgerlichen und politischen Wirklichkeiten angewandte Evangelium schränken in keiner Weise den Bereich rechtsgültiger politischer Optionen ein. Sie stellen im Gegenteil eine Garantie für alle Menschen dar, frei und in ihrer Würde als Personen geachtet zu leben und sich geschützt zu fühlen vor jeder ideologischen Manipulierung und vor jedem Übergriff, der auf der Grundlage des Rechts des Stärkeren verübt wird (vgl. Ansprache an die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission, 5. Dezember 2008). Setzt voll Vertrauen in den Herrn weiterhin eure bischöfliche Autorität ein im Kampf gegen ungerechte Praktiken und Korruption und gegen alle Ursachen und Formen von Diskriminierung und Kriminalität, besonders gegen die entwürdigende Behandlung der Frauen und die beklagenswerte Praxis der Entführungen. Indem ihr die katholische Soziallehre fördert, bietet ihr eurem Land euren zuverlässigen Beitrag und helft mit bei der Festigung einer nationalen Ordnung, die auf Solidarität und auf eine Kultur der Menschenrechte gegründet ist.

Meine lieben Brüder im Bischofsamt, mit den Worten des Apostels Paulus mahne ich euch: »Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe« (1 Kor 16,13–14). Bitte, überbringt meine Grüße eurem geliebten Volk, besonders den vielen Gläubigen, die durch Gebet und Leiden in der Hoffnung von Christus Zeugnis geben (vgl. Spe salvi, Nr. 35 und 36). Meine herzliche Zuneigung gilt auch allen jenen, die in der Familie, in den Pfarreien und Missionsstationen, im Erziehungsbereich, in der Gesundheitsfürsorge und in anderen Bereichen der christlichen Nächstenliebe dienen.

Während ich euch und alle, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, den Gebeten des sel. Cyprian Michael Iwene Tansi und dem mütterlichen Schutz Mariens, Mutter der Kirche, anvertraue, erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen.

AN DIE TEILNEHMER DER STUDIENTAGUNG ZUM

80. JAHRESTAG DER GRÜNDUNG

DES STAATES DER VATIKANSTADT Samstag, 14. Februar 2009



Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist mir eine große Freude, Sie alle, Organisatoren, Referenten und Teilnehmer der Studientagung zum 80. Jahrestag der Gründung des Staates der Vatikanstadt, hier begrüßen zu dürfen. »Ein kleines Territorium für eine große Mission« lautet das Thema Ihrer gemeinsamen Reflexion über den geistlichen und zivilen Wert dieses kleinen souveränen Staates, der ganz im Dienst der großen Sendung steht, die Jesus Christus dem Apostel Petrus und dessen Nachfolgern anvertraut hat. Ich danke Herrn Kardinal Giovanni Lajolo nicht nur für die Grußworte, die er in Ihrem Namen an mich gerichtet hat, sondern auch für den Einsatz, mit dem er und seine Mitarbeiter vom Governatorat die Feier dieses bedeutenden 80. Jahrestages des Bestehens und der Aktivität des Vatikanstaates ermöglicht haben.

Sehr gefreut habe ich mich über die Initiativen und Gedenkfeiern, die in diesen Tagen dazu beigetragen haben, die Geschichte und Physiognomie der Civitas Vaticana besser bekannt zu machen. Diese ist heute, 80 Jahre nach ihrer Gründung, ein friedlich zustande gekommenes Staatsgebilde, wenn ihre Daseinsberechtigung und die zahlreichen Aufgaben, die sie zu erfüllen gerufen ist, auch nicht immer ganz verstanden werden. Wer im täglichen Dienst des Heiligen Stuhls steht oder in der Ewigen Stadt lebt, empfindet es als selbstverständlich, daß es mitten in Rom einen souveränen Zwergstaat gibt. Aber nicht alle wissen, daß er das Ergebnis eines sehr schwierigen geschichtlichen Prozesses ist und daß seine Schaffung von hohen Glaubensidealen und einem weitblickenden Bewußtsein um die Zwecke motiviert war, die er erfüllen sollte. Wir könnten also sagen, daß uns der Jahrestag, den wir mit unserer heutigen Zusammenkunft begehen dürfen, einlädt, mit größerem Bewußtsein auf das zu blicken, was der Staat der Vatikanstadt bedeutet und was er ist.

Wenn man an den 11. Februar 1929 zurückdenkt, kommt man nicht umhin, mit tiefer Dankbarkeit jenes Mannes zu gedenken, der nicht nur der Urheber, sondern auch der wichtigste Protagonist der Lateranverträge war: mein Vorgänger Pius XI. Er war der Papst meiner Kindheit, den wir alle sehr verehrt und geliebt haben. Zu Recht wurde sein Name in diesen Tagen oft genannt; war er doch mit seinem klugen Weitblick und eisernen Willen der wahre Gründer und erste Baumeister des Staates der Vatikanstadt. So lassen uns auch die noch andauernden geschichtlichen Studien zu seinem Pontifikat immer deutlicher die Größe dieses Papstes erkennen, der die Kirche durch die schwierige Zeit zwischen den beiden Weltkriegen geführt hat. Mit fester Hand gab er den unzähligen Dimensionen des Wirkens der Kirche neue Impulse: denken wir nur an den Ausbau der Missionstätigkeit; die auf die Ausbildung der Geistlichen verwandte Sorgfalt; die Förderung des Wirkens der Laien in Kirche und Gesellschaft; die intensiven Beziehungen zur zivilen Gemeinschaft. Während seines Pontifikats mußte der »Bibliothekar-Papst« nicht nur den Schwierigkeiten und Verfolgungen Rechnung tragen, denen die Kirche in Ländern wie Mexiko und Spanien ausgesetzt war, sondern auch dem Kampf, den ihr die totalitären Regime – Nationalsozialismus und Faschismus – bescherten, die in jenen Jahren entstehen und sich konsolidieren konnten. Unvergeßlich ist in Deutschland seine Enzyklika Mit brennender Sorge als klare Absage an den Nationalsozialismus. Das weise und mit Entschlossenheit vorangetriebene Werk dieses Papstes, der für die Kirche nur jene Freiheit wollte, die sie für die uneingeschränkte Erfüllung ihrer Sendung brauchte, ruft unweigerlich Staunen hervor. Auch der infolge der Lateranverträge und besonders des Staatsvertrages entstandene Staat der Vatikanstadt wurde von Pius XI. als ein Werkzeug betrachtet, das die notwendige Unabhängigkeit von jeder menschlichen Macht garantieren und der Kirche und ihrem Obersten Hirten die Möglichkeit geben konnte, den von Jesus Christus, dem Herrn, empfangenen Auftrag anzunehmen. Wie nützlich und vorteilhaft dieses kleine, aber vollständige Staatsgebilde nicht nur für den Heiligen Stuhl und die Kirche, sondern auch für Rom und die ganze Welt war, zeigte sich schon knappe zehn Jahre später, als der Zweite Weltkrieg ausbrach; ein Krieg, der mit seiner Gewalt und seinem Leid bis zu den Toren des Vatikans vordrang.

Man kann also sagen, daß sich der Vatikanstaat in den acht Jahrzehnten seines Bestehens als ein anpassungsfähiges Werkzeug erwiesen hat, das sowohl den Anforderungen gewachsen ist, die die Sendung des Papstes an ihn stellte und weiter stellt, als auch den Bedürfnissen der Kirche und der in ständiger Veränderung begriffenen Gesellschaft. Gerade deshalb konnte es unter der Leitung meiner verehrten Vorgänger – vom Diener Gottes Pius XII. bis zu Papst Johannes Paul II. – zu einer auch heute noch vor aller Augen voranschreitenden kontinuierlichen Anpassung der Normen, Strukturen und Mittel dieses einzigartigen Staates kommen, der um das Grab des Apostels Petrus entstand. Der bedeutende Jahrestag, den wir in diesen Tagen begehen, erfüllt uns mit tiefer Dankbarkeit dem Herrn gegenüber, der die Geschicke seiner Kirche in dem oft stürmischen Meer der Geschichte lenkt und seinem Stellvertreter auf Erden bei der Ausübung seines Amtes als »Christianae religionis summus Antistes« zur Seite steht. Meine Dankbarkeit gilt auch all jenen, die im Leben des Staates der Vatikanstadt eine wichtige Rolle gespielt haben und heute noch spielen: Einige davon sind bekannt, viele aber haben ihren demütigen und wertvollen Dienst in aller Stille versehen. Mit Dankbarkeit denke ich an die Mitglieder der derzeitigen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft des Governatorats und der anderen Strukturen des Staates der Vatikanstadt und spreche damit stellvertretend für das gesamte Volk Gottes. Gleichzeitig möchte ich auch all jene, die in den verschiedenen Büros und vatikanischen Einrichtungen arbeiten, ermutigen, ihren Dienst nicht nur aufrichtig und professionell zu versehen, sondern auch in dem immer stärkeren Bewußtsein, daß ihre Arbeit einen wertvollen Dienst an der Sache des Reiches Gottes darstellt.

Die Civitas Vaticana ist in Wahrheit auf den Landkarten dieser Welt ein fast unsichtbarer Punkt, ein winziger, wehrloser Staat ohne furchteinflößende Streitkräfte, scheinbar unbedeutend für die großen Strategien der internationalen Geopolitik. Und doch war und ist dieser deutlich sichtbare Standort der absoluten Unabhängigkeit des Heiligen Stuhls Ausgangspunkt für ein konstantes Werk der Solidarität und des Gemeinwohls. Oder stimmt es etwa nicht, daß man gerade deshalb von überall mit so großem Interesse auf dieses kleine Fleckchen Erde blickt? Der Vatikanstaat, der nicht nur über Schätze des Glaubens, sondern auch der Geschichte und der Kunst verfügt, stellt für die ganze Menschheit ein wertvolles Erbe dar. Aus der Tiefe seines Herzens, wo neben dem Grab des hl. Petrus der Papst wohnt, erhebt sich die unablässige Botschaft eines wahren sozialen Fortschritts, der Hoffnung, der Aussöhnung und des Friedens. Nachdem er den 80. Jahrestag seiner Gründung feiern konnte, schreitet unser Staat nun mit noch größerem apostolischem Eifer voran. Möge die Vatikanstadt immer mehr eine wahre »Stadt auf dem Berg« sein und leuchten dank der Überzeugungen und des großzügigen Einsatzes derer, die hier im Dienst der kirchlichen Sendung des Nachfolgers Petri wirken. Mit dieser Hoffnung erbitte ich den mütterlichen Schutz Marias und die Fürsprache der hll. Petrus und Paulus wie auch der anderen Märtyrer, die diesen Boden mit ihrem Blut geheiligt haben, und erteile allen Anwesenden meinen Segen, in den ich gerne auch die große Familie des Staates der Vatikanstadt einschließe.

AN DIE GEMEINSCHAFT DES PÄPSTLICHEN KOLLEGS

PIO LATINO AMERICANO IN ROM Donnerstag, 19. Februar 2009

Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt,
lieber Pater Rektor, liebe Obere, Schwestern und Alumnen
des Päpstlichen Kollegs Pio Latino Americano in Rom!

1. Ich danke für die freundlichen Worte, die Msgr. Carlos José Ñáñez, Erzbischof von Córdoba und Präsident der Bischöflichen Kommission für das Päpstliche Kolleg Pio Latino Americano, in euer aller Namen an mich gerichtet hat. Es freut mich, euch im Rahmen der Feierlichkeiten zum 150. Jahrestag der Gründung dieser verdienstvollen Einrichtung zu empfangen.

Am 27. November 1858 begann der fruchtbare Weg dieses Kollegs als wertvolles Ausbildungszentrum zunächst für Seminaristen und dann, seit mehr als drei Jahrzehnten, für Diakone und Priester. Heute fühlen sich über 4000 Alumnen als Mitglieder dieser großen Familie. Sie alle haben diese »Alma Mater« mit tiefer Liebe zu schätzen gewußt, da sich diese seit ihren Anfängen durch ein Klima der Einfachheit, der freundlichen Aufnahme, des Gebets und der Treue zum Lehramt des Papstes ausgezeichnet hat. Dies trägt nachdrücklich dazu bei, daß bei den Studierenden die Liebe zu Christus und der Wunsch wächst, der Kirche demütig zu dienen, wobei sie immer die größere Ehre Gottes und das Wohl der Seelen suchen.

2. Ihr, liebe Alumnen des Kollegs Pio Latino Americano, seid Erben dieses reichen menschlichen und geistlichen Erbes, das durch ein ernsthaftes Studium der verschiedenen kirchlichen Lehrfächer und durch das frohe Erleben der Universalität der Kirche weitergegeben und bereichert werden soll. Hier, in dieser Stadt, verkündeten die Apostel Petrus und Paulus mutig das Evangelium und legten die festen Grundlagen, um es für die ganze Welt zu verkünden, in Erfüllung des Auftrags des Meisters: »Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,19–20).

Ihr seid selbst Frucht dieser wunderbaren Aussaat der heilbringenden Botschaft Christi im Lauf der Geschichte. Ihr kommt in der Tat aus verschiedenen Ländern, in denen vor mehr als 500 Jahren einige mutige Missionare Jesus, unseren Erlöser, bekannt gemacht haben. Auf diese Weise öffneten sich jene Völker durch die Taufe dem Leben der Gnade, das sie zu Adoptivkindern Gottes gemacht hat, und empfingen außerdem den Heiligen Geist, der ihre Kulturen befruchtet hat, indem er sie reinigte und die Samen, die das fleischgewordene Wort in sie eingesenkt hatte, aufgehen ließ und sie so auf die Wege des Evangeliums ausrichtete (vgl. Ansprache zur Eröffnung der V. Generalkonferenz der Bischofskonferenzen von Lateinamerika und der Karibik, 13. Mai 2007 in Aparecida).

In Rom habt ihr, in unmittelbarer Nähe der Kathedra des Apostelfürsten, eine bevorzugte Gelegenheit, euer Herz als wahre Apostel zu stählen, deren ganzes Sein und Tun fest im Herrn verankert ist, der für euch immer Grundlage, Wegweiser und Ziel eurer Anstrengungen sein muß. Außerdem ermöglicht euch das Kolleg, eure menschliche und priesterliche Erfahrung brüderlich zu teilen, und bietet euch eine günstige Gelegenheit, ständig offen zu sein, für das Kennenlernen anderer Kulturen und ihrer kirchlichen Ausdrucksformen. Das wird euch helfen, mit Weitblick und Seelengröße glaubwürdige Jünger Jesu Christi und unerschrockene Sendboten seines Wortes zu sein. Auf diese Weise werdet ihr am besten dazu befähigt werden, Männer Gottes, die ihn innerlich kennen, hochherzige Arbeiter in seinem Weinberg und eifrige Spender der Liebe Jesu Christi für die Ärmsten zu sein.

3. Eure Bischöfe haben euch an das Päpstliche Kolleg Pio Latino Americano entsandt, damit ihr von der Weisheit des gekreuzigten Christus erfüllt werdet, so daß ihr nach der Rückkehr in eure Diözese diesen Schatz im Rahmen der verschiedenen Aufgaben, die euch anvertraut werden, anderen zur Verfügung stellen könnt. Das verlangt von euch, daß ihr die Zeit eures Aufenthalts in Rom gut nützt. Die Ausdauer beim Studium und die gewissenhafte Forschung lassen euch nicht nur die Geheimnisse des Glaubens und die Wahrheit über den Menschen im Licht des Evangeliums und der Überlieferung der Kirche erkunden; sie werden in euch außerdem ein geistliches Leben fördern, das im Wort Gottes verwurzelt ist und stets vom unvergleichlichen Reichtum der Sakramente genährt wird.

4. Die Liebe und Verbundenheit gegenüber dem Apostolischen Stuhl ist eines der wichtigsten Merkmale der Völker Lateinamerikas und der Karibik. Deshalb erinnert mich meine Begegnung mit euch an die Tage, die ich in Aparecida verbrachte, als ich tief ergriffen die Bekundungen der Kollegialität und brüderlichen Gemeinschaft im Bischofsamt der Vertreter der Bischofskonferenzen jener edlen Länder erlebte. Mit meiner Anwesenheit dort wollte ich die Bischöfe in ihrer Reflexion über einen grundlegenden Aspekt zur Wiederbelebung des Glaubens der pilgernden Kirche in jenen geliebten Ländern ermutigen: Alle unsere Gläubigen dahin zu führen, »Jünger und Missionare Jesu Christi zu sein, damit unsere Völker in ihm das Leben haben«.

Ich lade euch ein, euch voll Enthusiasmus von diesem Geist beseelen zu lassen, der sich in der Dynamik zeigt, mit der jene Diözesen die »kontinentale Mission« begonnen haben oder gerade beginnen. Es handelt sich dabei um eine Initiative, die in Aparecida angeregt wurde und die es erleichtern soll, katechetische und pastorale Programme in Gang zu bringen, die für die Bildung und Entwicklung christlicher Gemeinschaften zur Evangelisierung und Mission bestimmt sind.

Begleitet diese Vorhaben mit eurem inständigen Gebet, damit die Gläubigen Jesus Christus kennenlernen, sich ihm hingeben und ihn immer mehr nachahmen, indem sie häufig an den Sonntagsmessen in ihren jeweiligen Gemeinschaften teilnehmen und von ihm Zeugnis geben, so daß sie zu wirksamen Werkzeugen jener »Neuevangelisierung« werden, zu der mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Johannes Paul II., wiederholt aufgefordert hat.

5. Zum Abschluß dieser Begegnung möchte ich noch einmal allen Anwesenden meinen herzlichen Dank aussprechen, im besonderen der Bischöflichen Kommission für das Kolleg, die den Auftrag hat, seine Alumnen zu ermutigen und ihren Sinn für die Verbundenheit und Treue zum Römischen Papst und zu ihren Bischöfen zu stärken. Gleichzeitig möchte ich durch die Oberen des Kollegs der Gesellschaft Jesu, der mein Vorgänger, der hl. Pius X., die ständige Leitung dieser hervorragenden Einrichtung anvertraut hat, sowie den Ordensfrauen und dem Personal, die diese jungen Männer mit Aufmerksamkeit und Freude betreuen, meine dankbare Anerkennung aussprechen. Mit Dankbarkeit denke ich auch an alle, die dieses kirchliche Werk durch ihre wirtschaftliche Hilfe finanzieren und es durch ihre Hochherzigkeit und mit ihrem Gebet unterstützen.

6. Ich vertraue euch alle und jeden einzelnen von euch sowie eure Familien und Heimatgemeinden den Händen der allerseligsten Jungfrau Maria, Unserer Lieben Frau von Guadalupe, an, auf daß ihr mütterlicher Schutz euch in euren Aufgaben liebevoll beistehe und euch helfe, in ihrem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus, der gebenedeiten Frucht ihres Leibes, tiefer Wurzel zu fassen.
Vielen Dank!

AN DIE TEILNEHMER DER 31. VORSTANDSSITZUNG

DES INTERNATIONALEN FONDS FÜR

LANDWIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG (IFAD) Freitag, 20. Februar 2009

Herr Vorstandsvorsitzender, sehr geehrte Vorstandsmitglieder,

Ständige Vertreter der Mitgliedstaaten,
Verantwortliche des IFAD,
meine Damen und Herren!

Ich freue mich über diese Gelegenheit, Ihnen allen zum Abschluß der Feierlichkeiten anläßlich des 30. Jahrestages der Gründung des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung zu begegnen. Ich danke dem scheidenden Vorsitzenden, Herrn Lennart Båge, für seine freundlichen Worte und spreche Herrn Kanayo Nwanze zu seiner Wahl in dieses hohe Amt meine besten Wünsche aus. Ich danke Ihnen allen, daß Sie heute hierhergekommen sind, und versichere Sie meines Gebets für Ihre wichtige Arbeit zur Förderung der Entwicklung in den ländlichen Gebieten. Ihre Arbeit ist heute besonders wichtig angesichts der negativen Auswirkungen der gegenwärtigen Preisinstabilität bei den Agrarerzeugnissen auf die Ernährungssicherung. Das verlangt neue und weitblickende Strategien im Kampf gegen die Armut auf dem Land und die Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum. Wie Sie wissen, teilt der Heilige Stuhl vollkommen Ihren Einsatz, Armut und Hunger zu überwinden und den ärmsten Völkern der Welt zu Hilfe zu kommen. Ich hoffe, daß die Feier des Jahrestages der IFAD für Sie ein Ansporn sein möge, diese lobenswerten Ziele in den kommenden Jahren mit erneuerter Kraft und Entschlossenheit zu verfolgen.

Von seinen ersten Tagen an hat der Internationale Fonds eine vorbildliche Form der Zusammenarbeit und Mitverantwortung zwischen Nationen erlangt, die sich in verschiedenen Entwicklungsphasen befinden.

Wenn wohlhabende Länder und Entwicklungsländer zusammenkommen, um gemeinsame Entscheidungen zu fällen und besondere Maßstäbe für den Budgetbeitrag eines jeden Landes zum Fonds festzulegen, dann kann man wirklich sagen, daß die verschiedenen Mitgliedstaaten auf gleicher Ebene zusammenkommen und ihre Solidarität miteinander sowie ihren gemeinsamen Einsatz zur Beseitigung von Armut und Hunger zum Ausdruck bringen. In einer Welt, die in zunehmendem Maße von wechselseitigen Abhängigkeiten geprägt ist, sind gemeinsame Entscheidungsfindungsprozesse dieser Art sehr wichtig, wenn die internationalen Angelegenheiten mit Fairneß und Weitblick geführt werden sollen.

Ebenso lobenswert ist der Nachdruck, den der IFAD auf die Förderung von Arbeitsmöglichkeiten in ländlichen Gemeinden legt. Dadurch sollen diese auf lange Sicht in die Lage versetzt werden, von der Hilfe von außen unabhängig zu werden. Die Unterstützung örtlicher Erzeuger dient dem Wirtschaftsaufbau und trägt zur Gesamtentwicklung der betroffenen Nation bei. In diesem Sinne können die »Agrarkredit«-Projekte, die zur Unterstützung von Kleinbauern und Landarbeitern ohne eigenes Land entworfen wurden, der Gesamtwirtschaft Auftrieb geben und größere Ernährungssicherheit für alle schaffen.

Diese Projekte helfen auch indigenen Gemeinschaften, auf ihrem eigenen Grund und Boden zu gedeihen und im Einklang mit ihrer traditionellen Kultur zu leben, anstatt gezwungen zu sein, ihre gewohnte Umgebung zu verlassen, um Arbeit zu suchen in übervölkerten Städten mit Unmengen von sozialen Problemen, wo sie oft erbärmliche Lebensbedingungen ertragen müssen.

Das besondere Verdienst dieses Ansatzes ist, daß er dem Agrarsektor seinen ihm rechtmäßig zustehenden Platz in der Wirtschaft und im Sozialgefüge der Entwicklungsländer zurückgibt. Hier können die Nichtregierungsorganisationen einen wertvollen Beitrag leisten, von denen einige eng mit der katholischen Kirche verbunden und darum bemüht sind, deren Soziallehre anzuwenden. Das Subsidiaritätsprinzip verlangt, daß jede Gesellschaftsgruppe freiwillig ihren eigenen Beitrag zum Gemeinwohl leisten kann. Nur allzuoft bleibt den Landarbeitern in den Entwicklungsländern diese Möglichkeit verwehrt, wenn ihre Arbeitskraft habgierig ausgebeutet wird und ihre Erzeugnisse weit entfernten Märkten zugeführt werden und der örtlichen Gemeinschaft wenig oder gar kein Nutzen daraus entsteht.

Vor fast 50 Jahren sagte mein Vorgänger, der selige Papst Johannes XXIII., in bezug auf die Landarbeit, die Bauern »müßten von der Überzeugung durchdrungen sein: die Arbeit, die sie tun, hat ihre besondere Ehre; sie vollzieht sich im weiten Raum von Gottes freier Natur; … diese Arbeit hat ihren eigenen Adel« (Mater et magistra, 144–145). Alle menschliche Arbeit ist Teilhabe an der schöpferischen Vorsehung des allmächtigen Gottes, aber für die Landarbeit gilt dies in ganz besonderer Weise. Eine wirklich menschliche Gesellschaft wird den Beitrag, den der Agrarsektor leistet, stets zu schätzen und angemessen zu entlohnen wissen. Wenn er entsprechend unterstützt und ausgestattet wird, hat er das Potential, eine Nation aus der Armut herauszuholen und die Grundlagen für wachsenden Wohlstand zu legen.

Meine Damen und Herren, zusammen mit unserem Dank für das, was in den letzten 30 Jahren erreicht wurde, bedarf es einer erneuerten Entschlossenheit, in Eintracht und Solidarität mit all den verschiedenen Elementen der Menschheitsfamilie zu handeln, um heute und in Zukunft einen gerechten Zugang zu den Ressourcen der Erde zu gewährleisten. Die Motivation dazu kommt aus der Liebe: Liebe zu den Armen, Liebe, die keine Ungerechtigkeit und keinen Mangel dulden kann, Liebe, die nicht ruhen will bis Armut und Hunger aus unserer Mitte verbannt sind.

Das Ziel, extreme Armut und Hunger auszurotten und Ernährungssicherheit und Entwicklung in den ländlichen Gebieten zu fördern, ist durchaus nicht zu ehrgeizig oder unrealistisch, sondern wird in diesem Zusammenhang zu einem für die ganze internationale Gemeinschaft verbindlichen Gebot. Ich bete inständig darum, daß die Arbeit von Organisationen wie der Ihren auch weiterhin wesentlich dazu beitragen möge, dieses Ziel zu erreichen.

Ich danke Ihnen und ermutige Sie, die gute Arbeit, die Sie tun, beharrlich fortzusetzen, und vertraue Sie der immerwährenden Sorge unseres liebenden Vaters an, der Himmel und Erde und alles, was darinnen ist, geschaffen hat. Gott segne Sie alle!

AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DER

PÄPSTLICHEN KOMMISSION FÜR LATEINAMERIKA


Freitag, 20. Februar 2009




Meine Herren Kardinäle,
liebe Brüder im Bischofsamt!

1. Herzlich begrüße ich die Berater und Mitglieder der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, die bei ihrer Vollversammlung über »die aktuelle Situation der Priesterausbildung in den Seminaren« jenes Kontinents nachgedacht haben. Ich danke für die Worte, die der Präsident der Kommission, Herr Kardinal Giovanni Battista Re, im Namen aller an mich gerichtet hat und mir dabei die Hauptlinien der Arbeiten und pastoralen Empfehlungen vorlegte, die sich bei diesem Treffen abgezeichnet haben.

2. Ich danke Gott für die kirchlichen Früchte dieser Päpstlichen Kommission seit ihrer Errichtung im Jahr 1958, als Papst Pius XII. die Notwendigkeit sah, ein Amt des Heiligen Stuhls zu schaffen, um angesichts des Mangels an Priestern und Missionaren die für die Kirche in Lateinamerika entfaltete Arbeit zu intensivieren und enger zu koordinieren. Mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. unterstützte und stärkte diese Initiative mit dem Ziel, die besondere Hirtensorge des Nachfolgers Petri für die pilgernden Kirchen in jenen geliebten Ländern hervorzuheben. In dieser neuen Etappe der Kommission kann ich nicht umhin, mit herzlicher Dankbarkeit die Arbeit zu erwähnen, die von ihrem langjährigen Vizepräsidenten, Bischof Cipriano Calderón Polo, geleistet wurde, der vor kurzem verstorben ist und den der Herr für seinen selbstlosen und treuen Dienst für die Kirche belohnen wird.

3. Im vergangenen Jahr habe ich viele Bischöfe aus Lateinamerika und der Karibik zu ihrem »Ad limina«-Besuch empfangen. Ich habe mit ihnen über die reale Situation der ihnen anvertrauten Teilkirchen gesprochen und konnte dabei die Hoffnungen und Schwierigkeiten ihres apostolischen Amtes näher kennenlernen. Ich begleite sie alle mit meinem Gebet, damit sie ihren Dienst am Volk Gottes weiterhin mit Treue und Freude erfüllen können, indem sie gegenwärtig die »kontinentale Mission« voranbringen, die als Frucht der V. Generalkonferenz der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik in Gang gebracht wurde (vgl. Schlußdokument, Nr. 362).

Ich hege eine dankbare Erinnerung an meinen Aufenthalt in Aparecida, als wir eine Erfahrung intensiver kirchlicher Gemeinschaft erlebten, mit dem einzigen Wunsch, das Evangelium demütig aufzunehmen und es großzügig auszusäen. Das gewählte Thema – »Jünger und Missionare Jesu Christi, damit unsere Völker in ihm das Leben haben« – gibt bestimmt weiter die Richtung an für die Anstrengungen der Mitglieder der Kirche in jenen geliebten Nationen.

Als ich den Mitgliedern der Römischen Kurie eine Bilanz meiner Apostolischen Reise nach Brasilien vortrug, fragte ich mich: »Hat Aparecida gut daran getan, der Jüngerschaft Jesu Christi und der Evangelisierung die Priorität zu geben auf der Suche nach Leben für die Welt? War es vielleicht eine falsche Wendung nach innen?« Und ich habe mit völliger Gewißheit geantwortet: »Nein! Aparecida hat richtig entschieden, weil gerade durch die neue Begegnung mit Jesus Christus und seinem Evangelium, nur so die Kräfte geweckt werden, die uns instand setzen, auf die Herausforderungen der Zeit die rechte Antwort zu geben« (Ansprache an die Römische Kurie, 21; in O.R. dt., Nr. 1, 4.1.2008, S. 5; Dezember 2007). Diese persönliche Begegnung mit dem Herrn, die durch das Hören seines Wortes und die Teilnahme an der Eucharistie genährt wird, bleibt ebenso grundlegend wie die Notwendigkeit, unsere eigene Christuserfahrung mit großer Begeisterung weiterzugeben. 4. Wir Bischöfe, Nachfolger der Apostel, müssen als erste die ungeschuldete und liebevolle Berufung durch den Herrn, wie er sie an die ersten Jünger richtete (vgl. Mk 1,16–20), immer lebendig erhalten. Wie sie sind auch wir dazu auserwählt worden, »bei ihm zu sein« (vgl. Mk Mc 3,14), seine Worte anzunehmen und seine Kraft zu empfangen und so zu leben wie er, indem wir allen Völkern die Frohe Botschaft vom Reich Gottes verkünden.

Für uns alle war das Priesterseminar eine entscheidende Zeit der Unterscheidung und Vorbereitung. Dort wurde im tiefgehenden Dialog mit Christus unser Wunsch, uns tief in ihm zu verwurzeln, immer stärker. In jenen Jahren haben wir gelernt, uns in der Kirche wie in unserem eigenen Haus zu fühlen, begleitet von Maria, der Mutter Jesu und unserer geliebten Mutter, die stets dem Willen Gottes gehorsam war. Deshalb freut es mich, daß diese Vollversammlung ihre Aufmerksamkeit auf die aktuelle Situation der Priesterseminare in Lateinamerika gerichtet hat.

5. Um Priester nach dem Herzen Christi zu bekommen, muß man das Vertrauen mehr auf das Wirken des Heiligen Geistes setzen als auf menschliche Strategien und Kalküle und voll Glauben den Herrn, den »Herrn der Ernte«, bitten, daß er zahlreiche und heiligmäßige Priesterberufungen aussende (vgl. Lk Lc 10,2), wobei wir mit dieser Bitte immer die Liebe und Nähe zu all jenen verbinden, die sich in Erwartung der heiligen Weihen im Priesterseminar befinden. Der Bedarf an Priestern, um sich mit den Herausforderungen der heutigen Welt auseinanderzusetzen, darf aber andererseits weder zur Aufgabe einer klaren Auslese der Kandidaten noch zur Vernachlässigung der notwendigen, ja strengen Forderungen verleiten, damit ihr Ausbildungsprozeß wirklich dazu hilft, sie zu vorbildlichen Priestern zu machen.

6. Folglich müssen die pastoralen Empfehlungen dieser Versammlung ein unerläßlicher Bezugspunkt sein, um die Arbeit der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik in diesem heiklen Bereich der Priesterausbildung zu erhellen. Heutzutage ist es notwendiger denn je, daß die Seminaristen mit der richtigen Absicht und ohne jedes andere Interesse das Priestertum anstreben und sich einzig und allein von dem Willen leiten lassen, glaubwürdige Jünger und Missionare Jesu Christi zu sein, die ihn in Gemeinschaft mit ihren Bischöfen durch ihren Dienst und ihr Lebenszeugnis gegenwärtig machen. Dafür ist es von größter Wichtigkeit, daß man sich sorgfältig um ihre menschliche, geistliche, intellektuelle und pastorale Ausbildung sowie um die entsprechende Auswahl ihrer Ausbilder und Professoren kümmert, die sich durch ihre akademische Befähigung, ihren priesterlichen Geist und ihre Treue zur Kirche auszeichnen müssen, so daß sie den jungen Männern das einprägen können, was das Volk Gottes braucht und von seinen Hirten erwartet.

7. Ich vertraue dem mütterlichen Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria die Initiativen dieser Vollversammlung an und erbitte von ihr, daß sie all diejenigen, die sich auf das Priesteramt vorbereiten, begleite auf ihrem Weg auf den Spuren ihres göttlichen Sohnes, Jesus Christus, unseres Erlösers. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen.
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Benedikt XVI Predigten 255