Benedikt XVI Predigten 260

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ABSCHLUSS DER EXERZITIEN DER RÖMISCHEN KURIE

Kapelle "Redemptoris Mater"
Samstag, 7. März 2009




Eminenz, liebe, verehrte Mitbrüder!

Es ist eine der schönen Aufgaben des Papstes, »Danke« zu sagen. In diesem Augenblick möchte ich im Namen von uns und euch allen, Ihnen, Eminenz, von Herzen Dank sagen für die Meditationen, die Sie uns geschenkt haben. Sie haben uns geführt, uns erleuchtet und uns geholfen, unser Priestertum zu erneuern. Es handelte sich nicht um theologische Akrobatik. Sie haben uns keine theologischen akrobatischen Akte dargeboten, sondern eine gesunde Lehre, das gute Brot unseres Glaubens.

Beim Hören Ihrer Worte kam mir eine Prophezeiung des Propheten Ezechiel in den Sinn, die der hl. Augustinus ausgelegt hat. Im Buch Ezechiel sagt Gott, der Herr und Hirte, zum Volk: Ich werde meine Schafe auf die Berge Israels führen, auf grüne Auen. Der hl. Augustinus fragt sich, wo diese Berge Israels liegen, was diese grünen Auen sein sollen. Und er sagt: Die Berge Israels, die grünen Auen sind die Heilige Schrift, das Wort Gottes, das uns wahre Nahrung gibt.

Ihre Predigten waren von der Heiligen Schrift durchdrungen, von einer großen Vertrautheit mit dem Wort Gottes, gelesen im Kontext der lebendigen Kirche – von den Vätern bis hin zum Katechismus der Katholischen Kirche – und immer gesehen im Kontext der Lesung, der Liturgie. Und gerade so war die Schrift in ihrer vollen Aktualität gegenwärtig. Ihre Theologie war, wie sie uns gesagt haben, keine abstrakte Theologie, sondern gekennzeichnet von einem gesunden Realismus. Ich habe die konkrete Erfahrung ihres 50jährigen Priestertums, von der Sie gesprochen haben, bewundert, und sie hat mir gefallen. Im Licht dieser Erfahrung haben Sie uns geholfen, unseren Glauben konkret werden zu lassen. Sie haben uns treffende, konkrete Worte für unser Leben, für unser Verhalten als Priester gesagt. Und ich hoffe, daß viele diese Worte lesen und sich zu Herzen nehmen werden.

Sie haben mit der stets faszinierenden und schönen Erzählung der beiden Emmausjünger begonnen, die Jesus folgen. Noch etwas unsicher und schüchtern fragen sie: Meister, wo wohnst du? Und die Antwort, die Sie für uns ausgelegt haben, lautet: »Kommt und seht.« Um zu sehen, müssen wir kommen, müssen wir uns in Bewegung setzen und Jesus folgen, der uns immer vorausgeht. Nur wenn wir gehen und Jesus nachfolgen, können wir auch sehen. Sie haben uns gezeigt, wo Jesus wohnt, wo seine Wohnstatt ist: in seiner Kirche, in seinem Wort, in der heiligsten Eucharistie.
Danke Eminenz, für diese Ihre Führung. Mit neuem Eifer und neuer Freude machen wir uns auf den Weg nach Ostern. Euch allen wünsche ich eine gesegnete Fastenzeit und ein gesegnetes Osterfest.
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BESUCH AUF DEM KAPITOL

Kapitolspalast
Montag, 9. März 2009




Herr Bürgermeister,
Herr Stadtratsvorsitzender,
meine Damen und Herren Assessoren und Räte der Stadt Rom,
verehrte Obrigkeiten,
liebe Freunde!

Wie uns gerade in Erinnerung gerufen wurde, ist es nicht das erste Mal, daß ein Papst hier im Senatorenpalast so herzlich empfangen wird und in diesem ehrwürdigen Ratssaal, in dem die höchsten Vertreter der Stadtverwaltung zusammentreten, das Wort ergreift. Die Annalen vermerken vor allem den kurzen Aufenthalt des sel. Pius IX. auf dem Kapitolsplatz nach dem Besuch der Basilika »Santa Maria in Aracoeli« am 16. September 1870. In sehr viel jüngere Zeit fällt der Besuch Papst Pauls VI. am 16. April 1966, gefolgt von dem meines verehrten Vorgängers Johannes Paul II. am 15. Januar 1998. Diese Gesten bezeugen die Liebe und die Wertschätzung, die die Nachfolger Petri, Hirten der römischen katholischen Gemeinde und der Universalkirche, seit jeher gegenüber Rom hegen, dem Mittelpunkt der lateinischen und christlichen Zivilisation, der »Mutter, die die Völker aufnimmt« (vgl. Prudentius, Peristephanon, c. 11,191) und »Schülerin der Wahrheit« (vgl. Leo der Große, Tract. septem et nonaginta).

Verständlicherweise bewegt es mich daher tief, jetzt im Rahmen meines heutigen Besuchs das Wort zu ergreifen. Ich ergreife es zunächst, um Ihnen, Herr Bürgermeister, meinen Dank zum Ausdruck zu bringen für die freundliche Einladung, das Kapitol zu besuchen, die Sie mir gegenüber zu Beginn Ihres Mandats als oberster Vertreter der Stadt Rom ausgesprochen haben. Ich danke Ihnen auch für die tiefgehenden Worte, mit denen Sie mich im Namen der Anwesenden empfangen haben. Weiterhin gilt mein Gruß dem Herrn Stadtratsvorsitzenden, dem ich für die edlen Empfindungen danke, die er auch im Namen der Kollegen zum Ausdruck gebracht hat. Ich bin den Ausführungen sowohl des Bürgermeisters als auch des Vorsitzenden mit großer Aufmerksamkeit gefolgt und habe aus ihnen den entschiedenen Willen der Verwaltung entnommen, dieser Stadt zu dienen und nach ihrem wahren und ganzheitlichen materiellen, sozialen und geistlichen Wohlergehen zu streben. Abschließend richtet sich mein herzlicher Gruß auch an die Assessoren und Stadträte, an die Regierungsvertreter, die Obrigkeiten und die Persönlichkeiten sowie an die ganze römische Stadtbevölkerung.

Durch meine heutige Anwesenheit auf diesem Hügel, dem Sitz und Wahrzeichen der Geschichte und der Sendung Roms, möchte ich erneut die väterliche Fürsorge des Bischofs zusichern, nicht nur gegenüber den Gliedern seiner katholischen Gemeinde, sondern gegenüber allen Römern und auch gegenüber jenen, die aus verschiedenen Teilen Italiens und der Welt in die Hauptstadt kommen, aus religiösen Gründen oder als Touristen, um hier zu arbeiten oder um hier zu bleiben und sich in das Sozialgefüge der Stadt zu integrieren. Ich bin heute hier, um Sie, die Mitglieder der Stadtverwaltung, in Ihren nicht einfachen Bemühungen im Dienst dieser einzigartigen Metropole zu ermutigen, um die Erwartungen und Hoffnungen der Einwohner zu teilen und ihre Sorgen und Probleme anzuhören, derer Sie sich auf verantwortungsvolle Weise annehmen – hier im Kapitolspalast, dem natürlichen und dynamischen Mittelpunkt der Pläne, die auf der »Baustelle« der Stadt Rom des dritten Jahrtausends mit Eifer vorangetragen werden. Herr Bürgermeister, ich habe in Ihren Worten den festen Vorsatz erkannt, daran zu arbeiten, daß Rom auch weiterhin Leuchtfeuer des Lebens und der Freiheit sein möge, der moralischen Zivilisation und der nachhaltigen Entwicklung, gefördert unter Achtung der Würde eines jeden Menschen und seines religiösen Glaubens. Ich möchte Ihnen und Ihren Mitarbeitern versichern, daß die katholische Kirche wie immer jede kulturelle und soziale Initiative, die darauf ausgerichtet ist, das wahre Wohl jeder Person und der Stadt als Ganzer zu fördern, aktiv unterstützen wird. Zeichen dieser Zusammenarbeit soll das Geschenk des Kompendiums der Soziallehre der Kirche sein, das ich dem Bürgermeister und den anderen Mitgliedern der Stadtverwaltung von Herzen überreiche.

Herr Bürgermeister, Rom war schon immer eine gastfreundliche Stadt. Besonders in den letzten Jahrhunderten hat sie ihre zivilen und kirchlichen Universitäten und Forschungszentren für Studenten aus allen Teilen der Welt geöffnet. Wenn diese dann in ihre Länder zurückkehren, sind sie dazu aufgerufen, in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft ebenso wie in der Kirche Rollen und Aufgaben von hoher Verantwortung zu übernehmen. Diese unsere Stadt steht heute, wie im Übrigen Italien und die ganze Menschheit, nie dagewesenen kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen gegenüber, aufgrund des tiefgreifenden Wandels und der zahlreichen Veränderungen, die in den letzten Jahrzehnten eingetreten sind. Rom wird immer mehr von Menschen bevölkert, die aus anderen Nationen kommen und die anderen Kulturen und religiösen Traditionen angehören. Infolgedessen hat die Stadt jetzt das Gesicht einer multiethnischen und multireligiösen Metropole, in der die Integration manchmal mühsam und schwierig ist. Die katholische Gemeinde wird niemals nachlassen, aus tiefer Überzeugung heraus dazu beizutragen, unter Wahrung der Legalität immer bessere Bedingungen zum Schutz der Grundrechte der Person zu schaffen. Auch ich bin davon überzeugt, daß Rom – wie Sie, Herr Bürgermeister, gesagt haben –, indem es aus den Wurzeln seiner vom antiken Recht und vom christlichen Glauben geprägten Geschichte neue Lebenskraft schöpft, die Kraft finden wird, von allen die Achtung der Regeln des zivilen Zusammenlebens zu fordern und jede Form der Intoleranz und der Diskriminierung zurückzuweisen.

Es sei mir darüber hinaus gestattet anzumerken, daß die Episoden der Gewalt, die von allen mißbilligt werden, tiefere Mißstände zum Ausdruck bringen; ich würde sagen, sie sind Zeichen einer wirklichen spirituellen Armut, die auf dem Herzen des Menschen unserer Zeit lastet. Der Ausschluß Gottes und seines Gesetzes, als Voraussetzung für die Verwirklichung menschlichen Glücks, hat dieses Ziel ganz und gar nicht erreicht; im Gegenteil, er beraubt den Menschen der geistlichen Gewißheiten und der Hoffnung, die notwendig sind, um den täglichen Schwierigkeiten und Herausforderungen zu begegnen. Wenn zum Beispiel bei einem Rad die Mittelachse fehlt, kommt seine Antriebsfunktion abhanden. Ebenso erfüllt die Moral ihren letztendlichen Zweck nicht, wenn ihr Angelpunkt nicht die Ausrichtung auf Gott und die Unterwerfung unter ihn, die Quelle und den Richter alles Guten, ist. Angesichts des besorgniserregenden Rückgangs der menschlichen und geistlichen Ideale, die Rom für die ganze Welt zum »Modell« der Zivilisation gemacht haben, ist die Kirche durch die Pfarrgemeinden und andere kirchliche Wirklichkeiten um eine intensive Bildungs- und Erziehungsarbeit bemüht, die darauf ausgerichtet ist, besonders die neuen Generationen jene ewigen Werte neu entdecken zu lassen. In der postmodernen Zeit muß Rom sich wieder seiner tiefsten Seele bemächtigen, seiner zivilen und christlichen Wurzeln, wenn es sich zum Förderer eines neuen Humanismus machen will, der die Frage nach dem Menschen, dem in seiner ganzen Wirklichkeit erkannten Menschen, in den Mittelpunkt stellt. Der von Gott losgelöste Mensch wäre seiner transzendenten Berufung beraubt. Das Christentum ist Bote einer lichtvollen Botschaft über die Wahrheit des Menschen, und die Kirche, die Verwalterin dieser Botschaft, ist sich ihrer Verantwortung gegenüber der Kultur der Gegenwart bewußt.

Wie viele andere Dinge möchte ich in diesem Augenblick noch sagen! Als Bischof dieser Stadt kann ich nicht vergessen, daß auch in Rom, aufgrund der gegenwärtigen Wirtschaftskrise, die ich vorhin erwähnt habe, die Zahl derer wächst, die durch den Verlust des Arbeitsplatzes in prekären Verhältnissen leben und es nicht schaffen, finanziellen Verpflichtungen, die sie übernommen haben – ich denke zum Beispiel an den Kauf oder die Miete einer Wohnung –, nachzukommen. Es bedarf also gemeinsamer Anstrengungen von seiten der verschiedenen Einrichtungen, um jenen entgegenzukommen, die in Armut leben. Die christliche Gemeinschaft unterstützt durch die Pfarreien und andere karitative Einrichtungen bereits täglich viele Familien, die Mühe haben, einen würdigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten, und sie ist – wie kürzlich bereits geschehen – bereit, mit den Obrigkeiten, denen im Streben nach dem Gemeinwohl die Leitung übertragen ist, zusammenzuarbeiten. Auch in diesem Fall können die Werte der Solidarität und der Großherzigkeit, die im Herzen der Römer verwurzelt sind, vom Licht des Evangeliums unterstützt werden, auf daß alle wieder für die Nöte der Ärmsten Sorge tragen und sich zu einer einzigen Familie zugehörig fühlen. Je mehr nämlich in jedem Bürger das Bewußtsein einer persönlichen Verantwortung für das Leben und die Zukunft der Bewohner unserer Stadt heranreift, desto mehr wird die Zuversicht wachsen, daß die Schwierigkeiten des gegenwärtigen Augenblicks überwunden werden können.

Und was läßt sich über die Familien, die Kinder und die Jugendlichen sagen? Ich danke Ihnen, Herr Bürgermeister, daß Sie mir anläßlich meines Besuchs ein Zeichen der Hoffnung für die Jugendlichen geschenkt haben, dem Sie meinen Namen gegeben haben, den eines bereits betagten Papstes, der vertrauensvoll auf die Jugendlichen blickt und jeden Tag für sie betet. Die Familien, die Jugendlichen können in dem Maße auf eine bessere Zukunft hoffen, in dem der Individualismus Empfindungen brüderlicher Zusammenarbeit aller Elemente der Zivilgesellschaft und der christlichen Gemeinschaft Raum macht. Möge auch dieses zu errichtende Werk Rom ein Ansporn sein, ein Sozialgefüge zu schaffen, in dem Annahme und Achtung herrschen, wo die Begegnung von Kultur und Glaube, von sozialem Leben und religiösem Zeugnis zusammenwirkt, um wirklich freie Gemeinschaften zu schaffen, die von Empfindungen des Friedens beseelt sind. Dazu kann auch die »Beobachtungsstelle für Religionsfreiheit«, die geschaffen werden soll und die Sie vorhin erwähnten, ihren einzigartigen Beitrag leisten.

Herr Bürgermeister, liebe Freunde, gestatten Sie mir, zum Abschluß meiner Ansprache den Blick auf die Muttergottes mit dem Jesuskind zu richten, die seit einigen Jahrhunderten in diesem Saal mütterlich über die Arbeiten der Stadtverwaltung wacht. Ihr vertraue ich einen jeden von Ihnen an, Ihre Arbeit und die guten Vorhaben, die Sie beseelen. Mögen Sie stets alle einvernehmlich im Dienst an dieser geliebten Stadt stehen, in der der Herr mich berufen hat, den bischöflichen Dienst auszuüben. Auf einen jeden von Ihnen rufe ich von Herzen den überreichen göttlichen Segen herab, und allen versichere ich ein Gebetsgedenken. Danke, daß Sie mich empfangen haben!
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BESUCH AUF DEM KAPITOL

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.

AN DIE BEVÖLKERUNG VON ROM Kapitolspalast

Montag, 9. März 2009




Liebe Brüder und Schwestern!

Nach der Begegnung mit den Mitgliedern der Stadtverwaltung freue ich mich sehr, euch alle herzlich zu begrüßen. Ihr seid hier auf dem Kapitolsplatz versammelt, auf den in einer ideellen Umarmung die Kolonnaden ausgerichtet sind, mit denen Bernini den wunderschönen Bau der Vatikanischen Basilika vollendet hat. Da ich seit sehr vielen Jahren in Rom lebe, bin ich bereits ein bißchen zum Römer geworden; aber noch mehr wie ein Römer fühle ich mich als euer Bischof. Aus tiefstem Herzen richte ich daher meinen Gruß durch jeden von euch an alle »unsere« Mitbürger, die ihr in gewisser Weise heute vertretet: an die Familien, die Gemeinschaften und die Pfarreien, an die Kinder, die Jugendlichen und die älteren Menschen, an die Behinderten und die Kranken, an die freiwilligen Helfer und die Sozialarbeiter, an die Einwanderer und an die Pilger. Ich danke dem Kardinalvikar, der mich auf diesem Besuch begleitet, und ich ermutige all jene, die aktiv mit den öffentlichen Verwaltungsbehörden zum Wohl der Stadt Rom, ihrer Randgebiete und Vororte zusammenarbeiten – Priester, geweihte Personen und gläubige Laien –, ihre Bemühungen fortzusetzen.

Vor einigen Tagen habe ich im Rahmen einer Begegnung mit den Pfarrern und Priestern von Rom gesagt, daß das römische Herz ein »Herz voll Poesie« ist. Damit wollte ich hervorheben, daß die Schönheit gleichsam »sein Privileg, sein natürliches Charisma« ist. Die Stadt Rom ist schön durch ihre Überreste aus der Antike, durch ihre kulturellen Einrichtungen und durch die Bauten, die von ihrer Geschichte erzählen, durch die Kirchen und die unzähligen Meisterwerke der Kunst. Aber vor allem ist die Stadt Rom schön durch die Großherzigkeit und die Heiligkeit vieler ihrer Kinder, die beredte Spuren ihrer Leidenschaft für die Schönheit Gottes hinterlassen haben, die Schönheit der Liebe, die nie verblüht oder altert. Zeugen dieser Schönheit waren an den Anfängen des Christentums die Apostel Petrus und Paulus und die Schar der Märtyrer; ihre Zeugen waren auch viele Männer und Frauen, gebürtige Römer oder Wahlrömer, die sich über die Jahrhunderte dem Dienst an der Jugend, an den Kranken, den Armen und allen Notleidenden gewidmet haben. Ich beschränke mich darauf, einige von ihnen zu nennen: den heiligen Diakon Laurentius, die hl. Francesca Romana, deren Festtag wir heute begehen, den hl. Philipp Neri, den hl. Gaspare del Bufalo, den hl. Johannes Baptist de Rossi, den hl. Vinzenz Pallotti, die sel. Anna Maria Taigi, die seligen Eheleute Luigi und Maria Beltrame Quattrocchi. Ihr Vorbild zeigt, daß ein Mensch, der Christus begegnet, sich nicht in sich selbst verschließt, sondern sich öffnet für die Nöte der anderen und in jedem Bereich der Gesellschaft das Gemeinwohl dem Eigennutz voranstellt.

Solche Männer und Frauen brauchen wir wirklich auch in unserer Zeit, denn nicht wenige Familien, nicht wenige Jugendliche und Erwachsene leben in prekären und manchmal sogar dramatischen Situationen, in Situationen, die nur gemeinsam überwunden werden können, wie auch die Geschichte der Stadt Rom lehrt, die schon ganz andere schwierige Augenblicke kennengelernt hat. In diesem Zusammenhang kommt mir ein Vers des großen lateinischen Dichters Ovid in den Sinn, der in einer seiner Elegien den Römern seiner Zeit mit diesen Worten Mut zusprach: »Perfer et obdura: multo graviora tulisti« – Erdulde und harre aus: Du hast schon viel Schwereres ertragen (Trist., B. 5, El. 11,V. 7). Über die notwendige Solidarität und die entsprechenden Bemühungen aller hinaus können wir stets auf die sichere Hilfe Gottes zählen, der seine Kinder niemals verläßt.

Liebe Freunde, wenn ihr nach Hause, in eure Gemeinschaften und Pfarreien zurückkehrt, dann sagt allen, denen ihr begegnet, daß der Papst ihnen sein Verständnis, seine geistliche Nähe und sein Gebet zusichert. Bringt einem jeden, besonders den Kranken, den Leidenden und den Menschen in schwerer Not mein Gedenken und den Segen Gottes, den ich jetzt auf euch herabrufe durch die Fürsprache der hll. Petrus und Paulus, der hl. Francesca Romana, Mitpatronin von Rom, und besonders Marias, »Salus populi romani«. Möge Gott die Stadt Rom und alle ihre Einwohner stets segnen und beschützen!


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BESUCH DES KLOSTERS DER HL. FRANCESCA ROMANA IN ROM

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Kloster "Santa Francesca Romana a Tor de' Specchi"

Montag, 9. März 2009




Liebe Oblatinnen!

Mit großer Freude komme ich nach dem Besuch auf dem nahegelegenen Kapitol zu euch in dieses historische Kloster der hl. Francesca Romana, während noch das 400-Jahr-Jubiläum ihrer Heiligsprechung am 29. Mai 1608 gefeiert wird. Genau auf den heutigen Tag fällt in Erinnerung an das Datum ihrer Geburt zum Himmel das Fest dieser großen Heiligen. Ich bin daher dem Herrn besonders dankbar, der »römischsten aller Heiligen« diese Ehre erweisen zu dürfen, in einer glücklichen Fortsetzung der Begegnung mit den Angehörigen der Stadtregierung. Herzlich begrüße ich eure Gemeinschaft, insbesondere die Oberin, Mutter Maria Camilla Rea, der ich für die freundlichen Worte danke, mit denen sie die Empfindungen aller zum Ausdruck gebracht hat. Mein Gruß gilt auch Weihbischof Ernesto Mandara, den hier wohnenden Studentinnen und allen Anwesenden.

Wie ihr wißt, habe ich vor kurzem mit meinen Mitarbeitern der Römischen Kurie die geistlichen Exerzitien gehalten, die in der ersten Woche der Fastenzeit stattfinden. In diesen Tagen habe ich erneut die Erfahrung gemacht, wie unbedingt notwendig Stille und Gebet sind. Und ich habe auch an die hl. Francesca Romana gedacht, an ihre vollkommene Hingabe an Gott und den Nächsten, aus der die Erfahrung des gemeinschaftlichen Lebens hier in Tor de’ Specchi entstanden ist. Aktion und Kontemplation, der Dienst der Nächstenliebe und das Gebet, sozialer Einsatz und monastisches Ideal: all dies hat hier eine fruchtbare Stätte gefunden, in enger Verbindung mit den Olivetanermönchen von »Santa Maria Nova«. Der wahre Antrieb aber für das, was hier im Lauf der Zeit vollbracht wurde, war das Herz von Francesca, in das der Heilige Geist seine geistlichen Gaben eingegossen hatte und zugleich nach außen so viel Gutes bewirkte.

Euer Kloster befindet sich im Herzen der Stadt. Wie sollte man darin nicht gleichsam ein Symbol für die Notwendigkeit sehen, die geistliche Dimension wieder in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu stellen, um den vielfältigen Tätigkeiten des Menschen ihren vollen Sinn zu geben? Gerade in dieser Hinsicht ist eure Gemeinschaft, gemeinsam mit allen anderen kontemplativen Gemeinschaften, dazu berufen, eine Art geistlicher »Lunge« der Gesellschaft zu sein, damit all dem Tun, dem Aktivismus einer Stadt nicht der geistliche »Atem« fehlt, der Bezug zu Gott und seinem Heilsplan. Dies ist der Dienst, den besonders die Klöster leisten, Orte der Stille und der Betrachtung des Wortes Gottes, Orte, an denen man sich bemüht, die Erde immer auf den Himmel hin geöffnet zu halten. Euer Kloster hat zudem eine Besonderheit, die sicher das Charisma der hl. Francesca Romana widerspiegelt. Hier wird ein außerordentliches Gleichgewicht gelebt zwischen dem Ordensleben und dem weltlichen Leben, zwischen dem Leben in der Welt und außerhalb der Welt. Ein Lebensmodell, das nicht auf dem Papier entstanden ist, sondern in der konkreten Erfahrung einer jungen Römerin: man könnte sagen, geschrieben von Gott selbst im einzigartigen Leben von Francesca, in ihrer Kindheit, Jugendzeit, als junge Braut und Mutter, als reife Frau, die von Jesus Christus ergriffen worden ist, wie der hl. Paulus sagen würde. Nicht ohne Grund sind die Wände dieser Gebäude mit Szenen aus ihrem Leben geschmückt, so zeigen sie, daß das wahre Haus, das Gott bauen will, das Leben der Heiligen ist.

Auch in unseren Tagen braucht Rom Frauen – und natürlich auch Männer, aber ich möchte hier die weibliche Dimension betonen – Frauen, so sagte ich, die ganz Gott und ganz dem Nächsten gehören; Frauen, die zu innerer Sammlung und zu großherzigem und diskretem Dienst fähig sind; Frauen, die den Hirten zu gehorchen, sie aber auch zu unterstützen und anzuregen verstehen mit ihren Ratschlägen, die im Dialog mit Christus gereift sind sowie in der direkten Erfahrung auf dem Gebiet der Nächstenliebe, dem Beistand für Kranke, Ausgegrenzte und Minderjährige in schwierigen Situationen. Es ist die Gabe einer Mutterschaft, die nach dem Vorbild Mariens ganz eins ist mit der Oblation. Denken wir an das Geheimnis der Heimsuchung: Nachdem sie in ihrem Herzen und in ihrem Leib das Wort Gottes empfangen hatte, machte sich Maria sofort auf den Weg, um ihrer betagten Verwandten Elisabet zu helfen. Das Herz Mariens ist die Klausur, in der das göttliche Wort in der Stille spricht, und zugleich ist es der Brandherd einer Liebe, die zu mutigen Gesten antreibt wie auch zu einem beharrlichen und verborgenen Teilen.

Liebe Schwestern! Danke für das Gebet, mit dem ihr den Dienst des Nachfolgers Petri begleitet, und danke für eure wertvolle Gegenwart im Herzen Roms. Ich wünsche euch, daß ihr jeden Tag die Freude spüren könnt, nichts der Liebe Christi vorzuziehen, ein Motto, das wir vom hl. Benedikt geerbt haben, das aber auch gut die Spiritualität des hl. Paulus widerspiegelt, den ihr als Patron eurer Kongregation verehrt. Euch, den Olivetanermönchen und allen Anwesenden erteile ich von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.



AN DIE VERTRETER DES GROSSRABBINATS VON ISRAEL

UND DER PÄPSTLICHEN KOMMISSION FÜR DIE

RELIGIÖSEN BEZIEHUNGEN MIT DEM JUDENTUM Donnerstag, 12. März 2009



Sehr geehrte Vertreter des Großrabbinats von Israel,
liebe katholische Delegierte!

Mit großer Freude heiße ich Sie, die Delegation des Großrabbinats von Israel willkommen, zusammen mit den katholischen Teilnehmern, die angeführt werden von der Kommission des Heiligen Stuhls für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum.

Der wichtige Dialog, in dem sie engagiert sind, ist eine Frucht des historischen Besuchs, den mein geliebter Vorgänger Papst Johannes Paul II. im März 2000 dem Heiligen Land abgestattet hat. Es war sein Wunsch, mit den religiösen Institutionen des Judentums in Israel einen Dialog zu beginnen und seine Ermutigung war entscheidend für die Erreichung dieses Ziels. Als er im Januar 2004 die beiden Großrabbiner von Israel in Audienz empfing, nannte er diesen Dialog ein »Zeichen großer Hoffnung«.

In den letzten sieben Jahren ist nicht nur die Freundschaft zwischen der Kommission und dem Großrabbinat gewachsen, sondern Sie hatten auch Gelegenheit über wichtige Themen zu beraten, die für die jüdische und christliche Tradition gleichermaßen von Bedeutung sind. Weil wir ein reiches gemeinsames Erbe anerkennen, ist ein Dialog, der auf gegenseitiger Kenntnis und Achtung beruht notwendig und möglich, wie es Nostra aetate (Nr. 4) empfiehlt.

Im Rahmen der Zusammenarbeit sind Ihnen immer mehr die gemeinsamen Werte bewußt geworden, die die Grundlage unserer jeweiligen religiösen Traditionen bilden und die Sie bei Ihren Treffen untersucht haben, die hier in Rom oder in Jerusalem abgehalten wurden.

Sie haben über die Heiligkeit des Lebens nachgedacht, über die Werte der Familie, soziale Gerechtigkeit und ethisches Verhalten, die Bedeutung des in den Heiligen Schriften festgehaltenen Wortes Gottes für Gesellschaft und Erziehung, die Beziehung zwischen der religiösen und der zivilen Autorität und die Religions- und Gewissensfreiheit. In den gemeinsamen Erklärungen im Anschluß an jedes Treffen wurden die Sichtweisen, die in unseren jeweiligen religiösen Überzeugungen wurzeln, betont und zugleich Verständnisunterschiede eingeräumt. Die Kirche anerkennt, daß die Anfänge ihres Glaubens im geschichtlichen Eingreifen Gottes in das Leben des jüdischen Volkes zu finden sind und daß unsere einzigartige Beziehung hier ihre Grundlage hat. Das jüdische Volk, welches das auserwählte Volk ist, übermittelt der ganzen Menschheitsfamilie die Kenntnis und Treue zum einzigen, einen und wahren Gott. Die Christen anerkennen gern, daß ihre eigenen Wurzeln in derselben Selbstoffenbarung Gottes zu finden sind, aus der sich auch die religiöse Erfahrung des jüdischen Volkes nährt.

Wie Sie wissen, bereite ich mich darauf vor, als Pilger das Heilige Land zu besuchen. Ich habe die Absicht, besonders um die wertvolle Gabe der Einheit und des Friedens zu beten sowohl für die Region als auch für die Menschheitsfamilie weltweit. Psalm 125 erinnert daran, daß Gott sein Volk beschützt: »Wie Berge Jerusalem rings umgeben, so ist der Herr um sein Volk, von nun an auf ewig.« Möge mein Besuch auch dazu beitragen, den Dialog der Kirche mit dem jüdischen Volk zu vertiefen, so daß Juden und Christen und auch Moslems im Heiligen Land in Frieden und Harmonie leben können.

Ich danke Ihnen für Ihren Besuch und bekräftige erneut meinen persönlichen Einsatz für die Förderung einer Sichtweise, wie sie die Erklärung Nostra aetate des Zweiten Vatikanischen Konzils den kommenden Generationen aufgezeigt hat.



AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG

DER KONGREGATION FÜR DEN GOTTESDIENST UND

DIE SAKRAMENTENORDNUNG Freitag, 13. März 2009



Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
liebe Brüder!

Mit großer Freude und stets aufrichtiger Dankbarkeit empfange ich euch anläßlich der Vollversammlung der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Bei dieser wichtigen Gelegenheit möchte ich zunächst dem Präfekten, Herrn Kardinal Antonio Cañizares Llovera, meinen herzlichen Gruß entbieten. Ich danke ihm für die Worte, mit denen er die in diesen Tagen durchgeführten Arbeiten erläutert und die Gefühle all jener zum Ausdruck gebracht hat, die heute hier anwesend sind. In meinen zuneigungsvollen Gruß und herzlichen Dank schließe ich alle Mitglieder und Beamten des Dikasteriums ein, angefangen beim Sekretär, Erzbischof Malcom Ranjith, und beim Untersekretär bis hin zu allen anderen, die in ihren verschiedenen Aufgabenbereichen fachkundig und voller Hingabe ihren Dienst für »die rechtliche Gestaltung und Förderung der heiligen Liturgie« leisten (Pastor Bonus, 62). Bei der Vollversammlung habt ihr über das eucharistische Mysterium und insbesondere über das Thema der eucharistischen Anbetung nachgedacht. Es ist mir wohl bekannt, daß nach der Veröffentlichung der Instruktion Eucharisticum mysterium (25. Mai 1967) und der Promulgierung des Dokuments De sacra communione et cultu mysterii eucharistici extra Missam am 21. Juni 1973 die Betonung des Themas der Eucharistie als unerschöpfliche Quelle der Heiligkeit eine der erstrangigen Sorgen des Dikasteriums dargestellt hat.

Gern habe ich daher die Anregung aufgenommen, daß sich die Vollversammlung mit dem Thema der eucharistischen Anbetung beschäftigen sollte, im Vertrauen darauf, daß eine erneuerte kollegiale Reflexion über diese Frömmigkeitsübung einen Beitrag dazu leisten kann, innerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Dikasteriums die liturgischen und pastoralen Mittel zu klären, durch die die Kirche unserer Zeiten den Glauben an die Realpräsenz des Herrn in der heiligsten Eucharistie fördern und bei der Feier der heiligen Messe insgesamt die Dimension der Anbetung gewährleisten kann. Ich habe diesen Aspekt im Apostolischen Schreiben Sacramentum caritatis betont, in dem ich die Ergebnisse der XI. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode zusammengefaßt habe, die im Oktober 2005 stattgefunden hat. In diesem Schreiben hob ich die Wichtigkeit der inneren Beziehung zwischen liturgischer Feier und Anbetung hervor (Nr. 66) und zitierte dabei die Lehre des hl. Augustinus: »Nemo autem illam carnem manducat, nisi prius adoraverit; peccemus non adorando - Niemand ißt dieses Fleisch, ohne es vorher anzubeten; wir würden sündigen, wenn wir es nicht anbeteten« (Enarrationes in Psalmos, 98,9: CCL 39,1385). Die Synodenväter haben es nicht versäumt, ihre Sorge über eine gewisse Verwirrung kundzutun, zu der es nach dem II. Vatikanischen Konzil hinsichtlich der Beziehung zwischen heiliger Messe und Anbetung des Allerheiligsten Sakraments (vgl. Sacramentum caritatis, 66) gekommen ist. Darin fand das Widerhall, was mein Vorgänger Papst Johannes Paul II. bereits im Hinblick auf die Mißbräuche gesagt hatte, die bisweilen die liturgische Erneuerung nach dem Konzil geschmälert und dabei »ein stark verkürzendes Verständnis des eucharistischen Mysteriums« (Ecclesia de Eucharistia, 10) sichtbar hat werden lassen.

Das II. Vatikanische Konzil hat die einzigartige Rolle ins Licht gerückt, die das eucharistische Geheimnis im Leben der Gläubigen einnimmt (Sacrosanctum Concilium SC 48-54). Wiederholt betonte Papst Paul VI.: »Die Eucharistie [ist] ein ganz großes Geheimnis […], ja, wie die heilige Liturgie sagt, [ist sie] Geheimnis des Glaubens im eigentlichen Sinn« (Mysterium fidei MF 15). Die Eucharistie steht nämlich am Ursprung der Kirche selbst (vgl. Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia, 21) und ist die Quelle der Gnade, da sie eine unvergleichbare Gelegenheit sowohl für die Heiligung der Menschheit in Christus als auch für die Verherrlichung Gottes ist. In diesem Sinne ist einerseits alles Tun der Kirche auf das Geheimnis der Eucharistie hingeordnet (vgl. Sacrosanctum Concilium SC 10 Lumen gentium LG 11 Presbyterorum ordinis PO 5 Sacramentum caritatis PO 17); andererseits ist es die Eucharistie, »aus der die Kirche immerfort lebt und wächst« (Lumen gentium LG 26). Unsere Aufgabe ist es, den so kostbaren Schatz dieses unaussprechlichen Geheimnisses des Glaubens »zunächst als Feier der Messe, dann auch als Verehrung der eucharistischen Gestalten [wahrzunehmen], die nach der Messe aufbewahrt werden, um die Gnade des Opfers weiterwirken zu lassen« (Instruktion Eucharisticum mysterium, 3, g.). Die Lehre von der Transubstantiation des Brotes und des Weines und die Lehre von der Realpräsenz sind Glaubenswahrheiten, die bereits in der Heiligen Schrift selbst erkennbar und später von den Kirchenvätern bestätigt worden sind. Papst Paul VI. rief diesbezüglich ins Gedächtnis: »Im übrigen hat die katholische Kirche den Glauben an die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi in der Eucharistie nicht nur in der Lehre, sondern auch im Leben festgehalten, da sie dieses so große Sakrament zu allen Zeiten mit dem latreutischen Kult, der nur Gott gebührt, verehrt hat« (Mysterium fidei MF 56 vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1378).

Es ist hilfreich, in diesem Zusammenhang die verschiedenen Bedeutungen in Erinnerung zu rufen, die das Substantiv »Anbetung« in der griechischen und lateinischen Sprache hat. Das griechische Wort proskýnesis bezeichnet den Gestus der Unterwerfung, die Anerkennung Gottes als unseren wahren Maßstab, dessen Weisung wir bereitwillig folgen. Das lateinische Wort ad-oratio hingegen bezeichnet den körperlichen Kontakt, den Kuß, die Umarmung, welche die Liebe in sich einschließt. Der Aspekt der Unterwerfung sieht eine Beziehung der Einung vor, da der, dem wir uns unterwerfen, die Liebe ist. In der Tat muß die Anbetung in der Eucharistie zu Einung werden: Einung mit dem lebendigen Herrn und dann mit seinem mystischen Leib. Wie ich vor den Jugendlichen auf dem Marienfeld in Köln bei der heiligen Messe anläßlich des XX. Weltjugendtages am 21. August 2005 gesagt habe: »Gott ist nicht mehr bloß uns gegenüber der ganz Andere. Er ist in uns selbst und wir in ihm. Seine Dynamik durchdringt uns und will von uns auf die anderen und auf die Welt im ganzen übergreifen, daß seine Liebe wirklich das beherrschende Maß der Welt werde« (O.R. dt., Nr. 34, 26.8.2005, S. 15). In dieser Hinsicht rief ich den Jugendlichen ins Gedächtnis, daß in der Eucharistie die »grundlegende Verwandlung von Gewalt in Liebe, von Tod in Leben« gelebt wird. »Diese erste zieht dann die weiteren Verwandlungen nach sich. Brot und Wein werden sein Leib und sein Blut. Aber an dieser Stelle darf die Verwandlung nicht Halt machen, hier muß sie erst vollends beginnen. Leib und Blut Jesu Christi werden uns gegeben, damit wir verwandelt werden« (ebd.).

Mein Vorgänger Papst Johannes Paul II. sprach in seinem Apostolischen Schreiben Spiritus et Sponsa anläßlich des 40. Jahrestages der Konstitution Sacrosanctum Concilium über die Heilige Liturgie die Mahnung aus, alle notwendigen Schritte zu einer vertieften Erfahrung der Erneuerung zu unternehmen. Dies ist auch bezüglich des Themas der eucharistischen Anbetung wichtig. Eine derartige Vertiefung wird nur durch eine größere Kenntnis des Geheimnisses in vollkommener Treue gegenüber der heiligen Tradition und durch die Intensivierung des liturgischen Lebens in unseren Gemeinden möglich sein (vgl. Spiritus et Sponsa, 6-7). Diesbezüglich schätze ich es vor allem, daß sich die Vollversammlung auch mit dem Problem der Bildung des ganzen Volkes Gottes im Glauben beschäftigt hat, verbunden mit einer besonderen Aufmerksamkeit gegenüber den Seminaristen, um deren Wachstum in einem Geist echter eucharistischer Anbetung zu unterstützen. Der hl. Thomas erklärt nämlich: »Daß der wahre Leib und das wahre Blut Christi in diesem Sakrament seien, läßt sich nicht mit den Sinnen erfassen, sondern nur durch den Glauben, der sich auf die göttliche Autorität stützt« (Summa theologiae, III, 75, 1; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1381).

Wir sind dabei, die Tage der Fastenzeit zu leben, die nicht nur einen Weg innigerer geistlicher Lehrzeit, sondern auch eine wirkungsvolle Vorbereitung darauf bildet, besser das Heilige Osterfest zu feiern. Eingedenk der drei Bußübungen, die der biblischen und christlichen Tradition sehr teuer sind - das Gebet, das Almosengeben, das Fasten -, wollen wir uns gegenseitig dazu ermutigen, mit erneuertem Eifer das Fasten nicht nur als asketische Praxis wiederzuentdecken und zu leben, sondern auch als Vorbereitung auf die Eucharistie und als eine geistliche Waffe, um gegen jedwede sich vielleicht einstellende ungeordnete Verfallenheit an uns selbst anzukämpfen. Diese intensive Zeit des liturgischen Lebens helfe uns, all das fernzuhalten, was den Geist zerstreut, und das zu vermehren, was die Seele nährt und sie für die Liebe zu Gott und zum Nächsten öffnet. Mit diesen Empfindungen spreche ich euch bereits jetzt meine Glückwünsche zu den bevorstehenden Osterfeierlichkeiten aus, und während ich euch für die Arbeit danke, die ihr in dieser Vollversammlung getan habt, wie auch für die gesamte Arbeit der Kongregation, erteile ich einem jeden von Herzen meinen Segen.



AN DIE ERSTE GRUPPE DER BISCHÖFE VON ARGENTINIEN ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES


Samstag, 14. März 2009


Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst!

1. Es ist für mich ein Grund zu tiefer Freude, euch zu dieser Begegnung mit dem Nachfolger Petri und Haupt des Bischofskollegiums willkommen zu heißen.
Ich danke Herrn Kardinal Jorge Mario Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires und Vorsitzender der Argentinischen Bischofskonferenz, für die freundlichen Worte, mit denen er den Gefühlen von euch allen Ausdruck verliehen hat. Durch euch möchte ich auch den ganzen Klerus, die Ordensgemeinschaften und die Laien eurer Diözesen grüßen und ihnen meine Wertschätzung und Nähe sowie auch meine stete Ermutigung bei der faszinierenden Aufgabe der Evangelisierung bekunden, die sie mit großer Hingabe und Hochherzigkeit durchführen.

2. Ihr seid hierhergekommen, um die Gräber der heiligen Apostel Petrus und Paulus zu verehren und mit dem Bischof von Rom die Freuden und Hoffnungen, die Erwartungen und Schwierigkeiten eures Bischofsamtes zu teilen.

Der »Ad-limina«-Besuch ist ein bedeutsames Ereignis im Leben all derer, denen die Hirtensorge für einen Teil des Gottesvolkes übertragen worden ist, da sie dabei ihre Gemeinschaft mit dem Römischen Papst zeigen und stärken. Der Herr hat die Kirche gegründet, damit sie »gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit« sei (II. Vat. Konzil, Lumen gentium LG 1). Die Kirche ist an sich ein Geheimnis von Gemeinschaft, ein »von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeintes Volk« (ebd., Nr. 4). In der Tat hat Gott alle Völker dadurch zur Fülle des Heils führen wollen, daß er sie zu Teilhabern an den Gaben der Erlösung Christi machte und sie auf diese Weise in die Lebensgemeinschaft mit der Dreifaltigkeit eintreten ließ.

3. Das Bischofsamt steht im Dienst der Einheit und der Gemeinschaft des ganzen mystischen Leibes Christi. Der Bischof, sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in seiner Teilkirche, ist dazu berufen, die Unversehrtheit des Glaubens und die gemeinsame Disziplin der Großkirche dadurch zu fördern und zu verteidigen, daß er die Gläubigen zur Liebe zu allen ihren Brüdern anleitet (vgl. ebd., Nr. 23).

Zum Ausdruck bringen möchte ich euch meine Anerkennung für euren entschlossenen Willen, die Einheit innerhalb eurer Bischofskonferenz und eurer Diözesangemeinden aufrechtzuerhalten und zu festigen. Die Worte unseres Herrn – »Alle sollen eins sein« (Jn 17,21) – müssen eine ständige Inspirationsquelle bei eurer Hirtentätigkeit sein, was sich zweifellos in eine größere apostolische Wirksamkeit umsetzen lassen wird. Diese Einheit, die ihr intensiv und auf sichtbare Weise fördern müßt, wird zudem Quelle des Trostes bei der schweren Aufgabe sein, die euch aufgetragen ist. Dank dieser affektiven und effektiven Kollegialität ist kein Bischof allein, da er immer eng mit Christus, dem Guten Hirten, und kraft seiner Bischofsweihe und der hierarchischen Gemeinschaft mit seinen Brüdern im Bischofsamt und mit dem, den der Herr als Nachfolger des Petrus erwählt hat, verbunden ist (vgl. Johannes Paul II., Pastores gregis, 8). Ich möchte euch jetzt besonders bekunden, daß ihr in eurem Bemühen und Einsatz, die Kirche »zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft« (Johannes Paul II., Novo millennio ineunte, 43) zu machen, stets auf meine ganze Unterstützung, auf mein tägliches Gebet und auf meine geistliche Nähe zählen könnt.

4. Einen bevorzugten Anwendungsbereich findet dieser Geist der Gemeinschaft in den Beziehungen des Bischofs zu seinen Priestern. Ich weiß sehr wohl um euren Willen, den Priestern größere Aufmerksamkeit zu schenken, und ich ermutige euch im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils, euch mit der Liebe von Vätern und Brüdern »um deren geistliche, intellektuelle und wirtschaftliche Lage zu kümmern, damit sie heilig und fromm leben und ihren Dienst treu und fruchtbar verrichten können« (Christus Dominus CD 16). In gleicher Weise fordere ich euch auf, euch um äußerste Liebe und Klugheit zu bemühen, wenn ihr Lehren, Handlungen oder Verhaltensweisen korrigieren müßt, die sich für den priesterlichen Stand eurer engsten Mitarbeiter nicht ziemen und darüber hinaus den Glauben und das christliche Leben der Gläubigen beschädigen und verwirren können.

Die fundamentale Rolle, welche die Priester erfüllen, muß euch zu einer großen Anstrengung zur Förderung der Priesterberufe anhalten. Diesbezüglich wäre es angemessen, eine wirksamere Ehe- und Familienpastoral zu planen, die der Dimension der Berufung des Christen Rechnung trägt, und auch eine wagemutigere Jugendpastoral, die den Jugendlichen hilft, auf den Ruf Gottes an sie großzügig zu antworten. Notwendig ist auch, die Ausbildung der Seminaristen in all ihren Dimensionen – menschlich, geistlich, intellektuell, affektiv und pastoral – zu intensivieren und für die Weihekandidaten außerdem einen wirksamen und anspruchsvollen Prozeß der Unterscheidung voranzubringen.

5. Aus dieser Sicht der Vertiefung der Gemeinschaft innerhalb der Kirche ist es von größter Bedeutung, die Beteiligung der Ordensleute an der Evangelisierungsarbeit in den Diözesen, die sie durch den Beitrag ihrer jeweiligen Charismen bereichern, anzuerkennen, zu schätzen und anzuregen.

Auch die Gläubigen sind durch ihre Taufe dazu aufgerufen, am Aufbau des Leibes Christi mitzuarbeiten. Dazu muß ihnen ermöglicht werden, eine lebendigere Erfahrung von Jesus Christus und dem Geheimnis seiner Liebe zu erwerben. Der ständige Kontakt mit dem Herrn durch ein intensives Gebetsleben und eine angemessene geistliche und doktrinelle Bildung wird in allen Christen die Freude über den Glauben und dessen Feier sowie die Freude über die Zugehörigkeit zur Kirche wachsen lassen und sie so dazu anspornen, aktiv am Auftrag teilzunehmen, die Frohe Botschaft allen Menschen zu verkünden.

6. Liebe Brüder, ich versichere euch noch einmal meiner Nähe im täglichen Gebet und meiner festen Hoffnung auf den Fortschritt und die geistliche Erneuerung eurer Gemeinden. Der Herr gewähre euch die Freude, ihm dadurch zu dienen, daß ihr die euch anvertraute Herde in seinem Namen führt! Unter ihrem Titel »Nuestra Señora de Luján« (Unsere Liebe Frau von Luján) begleite und beschütze die Jungfrau Maria euch alle und die Gläubigen eurer Diözesen! Mit großer Zuneigung erteile ich euch einen besonderen Apostolischen Segen.

AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DER KONGREGATION FÜR DEN KLERUS Montag, 16. März 2009



Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt!

Ich freue mich, euch in einer Sonderaudienz am Vorabend meiner Abreise nach Afrika begrüßen zu dürfen. Ich werde mich dorthin begeben, um das »Instrumentum laboris« der Zweiten Sonderversammlung der Synode für Afrika zu überreichen, die hier in Rom im kommenden Oktober stattfinden wird. Ich danke dem Präfekten der Kongregation, Herrn Kardinal Cláudio Hummes, für die freundlichen Worte, mit denen er eure gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat, und ich danke auch für den schönen Brief, den ihr mir geschrieben habt. Mit ihm begrüße ich euch alle, die Oberen, Offizialen und Mitglieder der Kongregation, und danke euch von Herzen für all die Arbeit, die ihr im Dienst eines so wichtigen Bereichs des Lebens der Kirche verrichtet.

Das Thema, das ihr für diese Vollversammlung gewählt habt – »Die missionarische Identität des Priesters in der Kirche: eine der Ausübung der ›tria munera‹ innewohnende Dimension« –, gestattet einige Überlegungen für die Arbeiten dieser Tage und für die reiche Frucht, die diese sicherlich tragen werden. Wenn auch die ganze Kirche missionarisch ist und jeder Christ kraft der Taufe und der Firmung »quasi ex officio« (vgl. KKK 1305) den Auftrag erhält, den Glauben öffentlich zu bekennen, so unterscheidet sich das Amtspriestertum jedoch auch unter diesem Gesichtspunkt ontologisch und nicht nur dem Grade nach vom Taufpriestertum, das auch allgemeines Priestertum genannt wird. Für ersteren nämlich ist der apostolische Auftrag maßgebend: »Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!« (Mc 16,15). Dieser Auftrag ist, wie wir wissen, nicht einfach nur eine Aufgabe, die Mitarbeitern anvertraut ist; seine Wurzeln liegen tiefer und reichen viel weiter zurück.

Die missionarische Dimension des Priesters entspringt seiner sakramentalen Gleichgestaltung mit Christus, dem Haupt: Daraus folgt eine tiefempfundene und vollkommene Treue zur »apostolica vivendi forma«, wie sie in der kirchlichen Überlieferung genannt wird. Sie besteht in der Teilhabe an einem »neuen Leben« im geistlichen Sinne, an jenem »neuen Lebensstil«, den Jesus, der Herr, eingeführt hat und den die Apostel sich zu eigen gemacht haben. Durch die Handauflegung des Bischofs und das Weihegebet der Kirche werden die Kandidaten zu neuen Menschen, zu »Priestern«. In diesem Licht wird deutlich, daß die »tria munera« in erster Linie ein Geschenk sind und erst in zweiter Linie ein Amt. Sie sind zunächst einmal Teilhabe an einem Leben und daher eine »potestas«. Sicher, die lange kirchliche Tradition hat die Wirkkraft des Sakraments zu Recht von der konkreten Lebenssituation des einzelnen Priesters losgelöst; dadurch werden die rechtmäßigen Erwartungen der Gläubigen adäquat geschützt. Aber diese richtige lehrmäßige Klarstellung mindert nicht das notwendige, ja unverzichtbare Streben nach moralischer Vollkommenheit, das in jedem wirklich priesterlichen Herzen wohnen muß.

Um dieses Streben der Priester nach geistlicher Vollkommenheit, von dem die Wirksamkeit ihres Dienstes entscheidend abhängt, zu unterstützen, habe ich entschieden, ein besonderes »Jahr des Priesters« auszurufen, das vom kommenden 19. Juni bis zum 19. Juni 2010 dauern wird. In dieses Jahr fällt nämlich der 150. Todestag des heiligen Pfarrers von Ars, Johannes Maria Vianney, ein wahres Vorbild des Hirten im Dienst der Herde Christi. In Absprache mit den Diözesanbischöfen und den Oberen der Ordensinstitute wird eurer Kongregation die Förderung und Koordinierung der verschiedenen geistlichen und pastoralen Initiativen obliegen, die nützlich sein können, um die Bedeutung der Rolle und der Sendung des Priesters in der Kirche und in der heutigen Gesellschaft immer besser wahrnehmbar zu machen.

Die Sendung des Priesters findet, wie das Thema der Vollversammlung hervorhebt, »in der Kirche« statt. Eine solche kirchliche, gemeinschaftliche, hierarchische und doktrinelle Dimension ist absolut unverzichtbar für jede wahre Sendung, und sie allein gewährleistet ihre geistliche Wirkkraft. Die vier erwähnten Aspekte müssen stets als eng miteinander verbunden betrachtet werden: Die Sendung ist »kirchlich«, weil niemand sich selbst verkündigt oder in die Welt trägt, sondern im eigenen Menschsein und durch das eigene Menschsein muß jeder Priester sich bewußt sein, daß er einen anderen, Gott selbst, in die Welt trägt. Gott ist der einzige Reichtum, den die Menschen letztendlich in einem Priester finden wollen. Die Sendung ist »gemeinschaftlich«, weil sie in einer Einheit und Gemeinschaft stattfindet, die nur am Rande auch wichtige Aspekte sozialer Sichtbarkeit besitzt. Diese entspringen andererseits wesentlich der Vertrautheit mit Gott. Der Priester ist berufen, darin Experte zu sein, damit er die ihm anvertrauten Seelen mit Demut und Vertrauen zur selben Begegnung mit dem Herrn führen kann. Die »hierarchische« und die »doktrinelle« Dimension schließlich legen nahe, die Bedeutung der kirchlichen Disziplin (das Wort ist eng verbunden mit dem Wort »discipulus« – Jünger) und der anfänglichen Ausbildung und ständigen Weiterbildung in der Lehre, und nicht nur in der Theologie, hervorzuheben.

Das Wissen um den radikalen Wandel der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten muß die besten kirchlichen Kräfte dazu bewegen, sich um die Ausbildung der Priesteramtskandidaten zu kümmern. Insbesondere muß es die Hirten anspornen, ständig für ihre ersten Mitarbeiter Sorge zu tragen, sowohl durch die Pflege wirklich väterlicher menschlicher Beziehungen, als auch durch die Fürsorge um ihre ständige Weiterbildung, vor allem unter lehrmäßigem und geistlichem Aspekt. Die Sendung hat ihre Wurzeln insbesondere in einer guten Ausbildung, die vorangetragen wird in Gemeinschaft mit der ununterbrochenen kirchlichen Tradition, ohne Brüche oder Versuchungen einer Diskontinuität. In diesem Sinne ist es wichtig, bei den Priestern, besonders bei den jungen Generationen, eine korrekte Rezeption der Texte des Zweiten Ökumenischen Vatikanischen Konzils zu fördern, die im Licht der gesamten Lehre der Kirche interpretiert werden müssen. Als dringend notwendig erweist sich auch die Wiedererlangung eines Bewußtseins, das die Priester anspornt, präsent, identifizierbar und erkennbar zu sein – sowohl im Glaubensurteil als auch in den persönlichen Tugenden als auch in der Kleidung – im kulturellen und im karitativen Bereich, die seit jeher das Herzstück der Sendung der Kirche darstellen.

Als Kirche und als Priester verkündigen wir Jesus von Nazaret, den Herrn, den gekreuzigten und auferstandenen Christus, den Herrscher über die Zeit und die Geschichte, in der frohen Gewißheit, daß diese Wahrheit den tiefsten Erwartungen des menschlichen Herzens entspricht. Im Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes, in der Tatsache also, daß Gott ein Mensch wie wir geworden ist, liegt sowohl der Inhalt als auch die Methode der christlichen Verkündigung. Die Sendung hat hier ihren wirklichen vitalen Mittelpunkt: in Jesus Christus. Die Zentralität Christi bringt die richtige Wertung des Amtspriestertums mit sich, ohne das es keine Eucharistie und erst recht keine Sendung, ja selbst die Kirche nicht gäbe. In diesem Sinne ist es notwendig, darüber zu wachen, daß die »neuen Strukturen« oder pastoralen Einrichtungen nicht für eine Zeit gedacht sind, in der man ohne das Weiheamt »auskommen« muß, wobei von einem falschen Verständnis der rechten Förderung der Laien ausgegangen wird. In diesem Fall würde man nämlich die Voraussetzungen schaffen für eine noch größere Verwässerung des Amtspriestertums, und die angeblichen »Lösungen« würden sich in dramatischer Weise decken mit den eigentlichen Ursachen der gegenwärtigen Problematiken, die mit dem Amt verbunden sind.

Ich bin sicher, daß die Arbeit der Vollversammlung, unter dem Schutz der »Mater Ecclesiae«, in diesen Tagen diese kurzen Überlegungen vertiefen kann, die ich der Aufmerksamkeit der Herren Kardinäle sowie der Erzbischöfe und Bischöfe zu unterbreiten mir erlaube. Auf alle rufe ich die überreiche Fülle der himmlischen Gaben herab und erteile als deren Unterpfand euch und den euch nahestehenden Personen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.
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Benedikt XVI Predigten 260