Benedikt XVI Predigten 267

267

VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH KAMERUN UND ANGOLA

(17.-23. MÄRZ 2009)

BEGEGNUNG MIT VERTRETERN DER

MUSLIMISCHEN GEMEINDE KAMERUNS

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI. Apostolische Nuntiatur von Yaoundé

Donnerstag, 19. März 2009




auf französisch:

Liebe Freunde!

Erfreut über die mir gebotene Gelegenheit, mit den Vertretern der muslimischen Gemeinde von Kamerun zusammenzutreffen, danke ich Herrn Amadou Bello für die freundlichen Begrüßungsworte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Unsere Begegnung ist ein konkretes Zeichen für den Wunsch, den wir mit allen Menschen guten Willens – in Kamerun, in ganz Afrika und in der ganzen Welt – teilen, nämlich Gelegenheiten zum Gedankenaustausch darüber zu suchen, wie die Religion einen wesentlichen Beitrag zu unserem Verständnis der Kultur und der Welt und zum friedlichen Zusammenleben aller Mitglieder der Menschheitsfamilie leistet. In Kamerun beweisen Gruppen wie die »Association Camerounaise pour le Dialogue Interreligieux«, wie sehr ein solcher Dialog das gegenseitige Verständnis vertieft und zum Aufbau einer stabilen und gerechten politischen Ordnung beiträgt.

Kamerun ist die Heimat von Tausenden von Christen und Muslimen, die häufig Seite an Seite leben, arbeiten und ihren Glauben praktizieren. Alle glauben an den einen, barmherzigen Gott, der am Jüngsten Tag die Menschen richten wird (vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution Lumen gentium LG 16). Gemeinsam bekunden sie die grundlegenden Werte der Familie, der sozialen Verantwortung, des Gehorsams gegenüber dem Gesetz Gottes und der liebevollen Fürsorge gegenüber den Kranken und Leidenden. Wenn Christen und Muslime ihr Leben auf diese Tugenden gründen und sie die jungen Menschen lehren, beweisen sie damit nicht nur, daß sie die volle Entfaltung des Menschen fördern, sondern auch, daß sie Bande der Solidarität mit ihrem Nächsten knüpfen und das Gemeinwohl voranbringen. …

... auf englisch: Meine Freunde, ich glaube, es ist heute eine besonders dringende Aufgabe der Religion, das enorme Potential der menschlichen Vernunft, die selbst Gabe Gottes ist und von der Offenbarung und vom Glauben erhöht wird, sichtbar werden zu lassen. Der Glaube an Gott, weit davon entfernt, unsere Fähigkeit, uns selbst und die Welt zu verstehen, zu beeinträchtigen, erweitert sie vielmehr. Weit davon entfernt, uns gegen die Welt aufzubringen, trägt er sie uns als Pflicht auf. Wir sind aufgerufen, anderen dabei zu helfen, die unaufdringlichen Spuren und die geheimnisvolle Gegenwart Gottes in der Welt zu sehen, die er so wunderbar erschaffen hat und die er mit seiner unaussprechlichen und allumfassenden Liebe fortdauernd erhält. Obwohl seine unendliche Herrlichkeit von unseren begrenzten Sinnen niemals direkt begriffen werden kann, erhaschen wir dennoch einen Schimmer von ihr in der Schönheit, die uns umgibt. Wenn Männer und Frauen von der wunderbaren Ordnung der Welt und dem Glanz menschlicher Würde ihre Sinne erleuchten lassen, entdecken sie, daß das »Vernünftige« weit über das hinausgeht, was die Mathematik berechnen, die Logik ableiten und das naturwissenschaftliche Experimentieren beweisen kann; es schließt auch die Güte und innere Anziehungskraft eines aufrechten und ethisch orientierten Lebens ein, wie es uns gerade durch die Sprache der Schöpfung mitgeteilt wird.

Diese Einsicht veranlaßt uns, alles, was richtig und gerecht ist, zu suchen, aus der begrenzten Sphäre unseres Eigeninteresses herauszugehen und für das Wohl der anderen tätig zu sein. Eine wahre Religion erweitert also den Horizont des menschlichen Begreifens und bildet die Grundlage jeder echten menschlichen Kultur. Sie weist alle Formen der Gewalt und des Totalitarismus zurück: nicht nur aus Glaubensprinzipien, sondern auch aufgrund der rechten Vernunft. Religion und Vernunft stärken sich nämlich gegenseitig, sofern die Religion von der Vernunft gereinigt und strukturiert und das volle Potential der Vernunft durch die Offenbarung und den Glauben freigesetzt wird.

... auf französisch: Ich ermuntere euch daher, liebe muslimische Freunde, die Werte, die sich aus dieser Sicht ergeben und die die menschliche Kultur fördern, in die Gesellschaft eindringen zu lassen und auch andere Menschen zur Teilnahme am Aufbau einer Zivilisation der Liebe einzuladen. Möge die begeisterte Zusammenarbeit von Muslimen, Katholiken und anderen Christen in Kamerun für die anderen afrikanischen Nationen ein leuchtender Hinweis auf das enorme Potential des interreligiösen Einsatzes für den Frieden, die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl sein!

Mit diesen Empfindungen spreche ich euch noch einmal meine Dankbarkeit für diese glückliche Gelegenheit aus, während meines Besuchs in Kamerun mit euch zusammenzutreffen. Ich danke Gott, dem Allmächtigen, für die Gnaden, die er auf euch und auf eure Mitbürger herabkommen läßt, und bete dafür, daß die Bande, die Christen und Muslime in ihrer tiefen Verehrung des einen Gottes verbinden, weiter gestärkt werden, so daß sie die Weisheit des Allmächtigen, der die Herzen aller Menschen erleuchtet, klarer widerspiegeln.




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APOSTOLISCHE REISE

VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH KAMERUN UND ANGOLA

(17.-23. MÄRZ 2009)

FEIER DER VESPER

Basilika "Marie Reine des Apôtres" im Stadtviertel Mvolyé - Yaoundé
Mittwoch, 18. März 2009




... auf französisch:

Liebe Brüder Kardinäle und Bischöfe,
liebe Priester und Diakone,
liebe Brüder und Schwestern des geweihten Lebens,
liebe Freunde aus den anderen christlichen Konfessionen,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude haben wir uns hier versammelt, um Gott in dieser Basilika »Maria, Königin der Apostel« in Mvolyé zu danken. Sie wurde an dem Ort errichtet, an dem die erste Kirche von den Spiritaner-Missionaren erbaut wurde, die gekommen waren, um die Frohe Botschaft nach Kamerun zu bringen. Wie der apostolische Eifer dieser Männer, die mit ihrem Herzen euer ganzes Land umfaßten, birgt dieser Ort symbolisch alle Teile eures Landes in sich. Und deshalb richten wir an diesem Abend, liebe Brüder und Schwestern, unser Lob an den Vater des Lichtes in einer großen geistlichen Nähe zu allen christlichen Gemeinschaften, bei denen ihr euren Dienst ausübt.

Im Beisein der Vertreter der anderen christlichen Konfessionen, die ich achtungsvoll und brüderlich grüße, möchte ich euch vorschlagen, die charakteristischen Züge des hl. Josef durch die Worte der Heiligen Schrift zu betrachten, die wir in diesem Vespergottesdienst hören.

Vor dem Volk und seinen Jüngern erklärt Jesus: »Nur einer ist euer Vater« (Mt 23,9). In der Tat, die alleinige Vaterschaft ist jene Gottvaters, des einzigen Schöpfers »der sichtbaren und der unsichtbaren Welt«. Es wurde jedoch dem nach dem Ebenbild Gottes geschaffenen Menschen gegeben, an der einen Vaterschaft Gottes Anteil zu haben (vgl. Eph Ep 3,15). Der hl. Josef offenbart dies in überraschender Weise, er, der Vater ist ohne eine Vaterschaft in fleischlichem Sinne. Er ist nicht der biologische Vater Jesu, dessen alleiniger Vater Gott ist, und dennoch übt er eine volle und ganzheitliche Vaterschaft aus. Vater sein bedeutet vor allem, Diener des Lebens und des Wachstums zu sein. Der hl. Josef hat in diesem Sinne eine große Hingabe an den Tag gelegt. Um Christi willen hat er die Verfolgung, das Exil und die sich daraus ergebende Armut auf sich genommen. Er mußte sich an einem Ort niederlassen, der nicht sein Heimatdorf war. Sein einziger Lohn bestand darin, mit Christus zu sein. Die Bereitschaft, all dies zu tun, erklären die Worte des hl. Paulus: »Dient Christus, dem Herrn!« (Col 3,24).

... auf englisch: Es geht darum, kein mittelmäßiger Diener, sondern ein »treuer und kluger« Diener zu sein. Die Nebeneinanderstellung dieser beiden Adjektive geschieht nicht zufällig: sie legt nahe, daß die Vernunft ohne Treue und die Treue ohne Weisheit unzureichende Eigenschaften sind. Eine Eigenschaft allein, ohne die andere, würde uns nicht befähigen, die Verantwortung ganz anzunehmen, die Gott uns anvertraut.

Liebe Brüder im priesterlichen Dienst, ihr seid dazu berufen, diese Vaterschaft in den alltäglichen Aufgaben eures Amt zu leben. Die Konzilskonstitution Lumen gentium sagt dazu: »Die Fürsorge für die Gläubigen, die sie geistlich in Taufe und Lehre gezeugt haben, sollen sie wie Väter in Christus wahrnehmen« (Nr. 28). Wie also sollte man nicht ständig auf den tiefsten Grund unseres Priestertums zurückkommen: Jesus Christus, den Herrn? Unsere persönliche Beziehung zu Jesus ist konstitutiv für die Art und Weise, wie wir unser Leben leben wollen. Er nennt uns seine Freunde, da er alles, was er vom Vater gehört hat, uns mitgeteilt hat (vgl. Joh Jn 15,15). Indem ihr diese tiefe Freundschaft mit Christus lebt, werdet ihr die wahre Freiheit und tiefe Freude finden. Das Amt des Priestertums bringt eine tiefe Verbundenheit mit Christus mit sich, der uns in der Eucharistie geschenkt ist. Die Feier der Eucharistie sei wahrhaft der Mittelpunkt eures Priesterlebens, so wird sie auch der Mittelpunkt eurer kirchlichen Sendung sein. Denn unser ganzes Leben lang ruft uns Christus dazu, an seiner Sendung Anteil zu nehmen, seine Zeugen zu sein, damit sein Wort allen verkündet werde. Da wir dieses Sakrament im Namen und in der Person des Herrn feiern, darf die Person des Priesters nicht in den Vordergrund gestellt werden: er ist ein Diener, ein demütiges Werkzeug, das auf Christus verweist, der sich selbst als Opfer für das Heil der Welt darbringt. »Der Führende soll werden wie der Dienende« (Lc 22,26), lehrt uns Jesus. Und Origenes schrieb: »Josef verstand, daß Jesus, obgleich er ihm in allem unterstellt war, höher war als er, und da er die Überlegenheit des ihm Unterstellten kannte, erteilte er ihm seine Anordnungen auf ehrfürchtige und maßvolle Weise. Darüber soll jeder nachdenken: Oft ist ein Mann geringeren Wertes über Menschen gestellt, die besser sind als er, und bisweilen kommt es dazu, daß der Geringere mehr Wert hat als der, der ihm zu gebieten scheint. Wenn einer, der eine Würde empfangen hat, dies begreift, so wird er sich nicht voller Stolz aufgrund seines höheren Ranges aufplustern, sondern er wird wissen, daß der ihm Unterstellte besser sein kann als er selbst es ist, so wie Jesus dem Josef unterworfen war« (Homilie über das Lukasevangelium XX,5, S.C. S. 287).

Liebe Brüder im priesterlichen Dienst, euer seelsorgerisches Amt fordert viel an Verzicht, es ist aber auch Quelle der Freude. Im Vertrauen auf eure Bischöfe, brüderlich vereint mit der gesamten Priesterschaft und getragen von dem Teil des Gottesvolkes, der euch anvertraut ist, werdet ihr es verstehen, getreu dem Ruf zu entsprechen, den der Herr an euch gerichtet hat, so wie er Josef dazu berufen hat, über Maria und das Jesuskind zu wachen! Liebe Priester, möget ihr stets den Versprechen treu bleiben können, die ihr Gott vor eurem Bischof und dem versammelten Volk gegeben habt. Der Nachfolger Petri dankt euch für euren großherzigen Einsatz im Dienst der Kirche und ermutigt euch dazu, euch nicht von den Schwierigkeiten des Weges verwirren zu lassen! Den jungen Männern, die sich darauf vorbereiten, sich euch anzuschließen, wie allen, die sich in bezug auf ihre priesterliche Berufung noch Fragen stellen, möchte ich an diesem Abend erneut die Freude mitteilen, die sich daraus ergibt, sich völlig dem Dienst an Gott und an der Kirche zu schenken. Habt Mut und sagt ein großzügiges »Ja« zu Christus!

Auch euch, Brüder und Schwestern, die ihr euch zum geweihten Leben oder in den kirchlichen Bewegungen verpflichtet habt, lade ich ein, den Blick auf den hl. Josef zu richten. Als Maria bei der Verkündigung den Besuch des Engels empfängt, ist sie bereits die dem Josef versprochene Braut. Da sich der Herr persönlich an Maria wendet, vereint er also bereits zuinnerst Josef mit dem Geheimnis der Menschwerdung. Josef willigte ein, teilzuhaben an den großen Ereignissen, die Gott im Schoß seiner Braut begonnen hatte. Er nahm Maria zu sich. Er hat das Geheimnis angenommen, das in ihr war, sowie das Geheimnis, das sie selbst war. Er hat sie in jener großen Achtung geliebt, die das Siegel der echten Liebe ist. Der hl. Josef lehrt uns, daß es möglich ist, zu lieben, ohne zu besitzen. Mit dem Blick auf ihn gerichtet, können jede Frau und jeder Mann zur Heilung ihrer gefühlsmäßigen Wunden geführt werden, wenn sie nur dem Plan Gottes zustimmen, den Gott bereits in denen zu verwirklichen begonnen hat, die Ihm nahestehen. Ähnlich wie Josef, der in das Werk der Erlösung durch Maria und dank dessen, was Gott schon an ihr getan hatte, eingetreten ist. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr in den kirchlichen Bewegungen engagiert seid, es möge euch gelingen, denjenigen Aufmerksamkeit zu schenken, die euch umgeben, und das liebevolle Antlitz Gottes den Armen zu offenbaren, vor allem durch die Werke der Barmherzigkeit, die menschliche und christliche Erziehung der Jugend, eure Programme zur Förderung der Frauen und auf viele andere Arten!

...auf französisch: Der geistliche Beitrag der geweihten Personen ist seinerseits sehr bedeutsam und unverzichtbar für das Leben der Kirche. Dieser Ruf zur Nachfolge Christi ist ein Geschenk für das ganze Gottesvolk. Indem ihr eurer Berufung getreu den keuschen, armen und gehorsamen Christus nachahmt, der sich völlig der Verherrlichung des Vaters und der Liebe zu den Brüdern und Schwestern geweiht hat, ist es eure Sendung, in unserer Welt, die dessen so sehr bedarf, die Vorrangstellung Gottes und der künftigen Güter zu bezeugen (vgl. Vita consecrata VC 85). Mit eurer vorbehaltlosen Treue zu eurer Weihe seid ihr in der Kirche ein Keim des Lebens, der im Dienst am Reich Gottes wächst. In jedem Augenblick, in besonderer Weise jedoch, wenn die Treue auf dem Prüfstand steht, ruft euch der hl. Josef den Sinn und den Wert eurer Weihe in Erinnerung. Das geweihte Leben ist eine radikale Nachahmung Christi. Es ist somit notwendig, daß euer Lebensstil genau das zum Ausdruck bringt, was euch leben läßt, und daß euer Tun nicht eure tiefe Identität verbirgt. Habt keine Angst, in Fülle das Opfer euer selbst zu leben, das ihr Gott dargebracht habt, und dafür in eurer Umgebung echtes Zeugnis abzulegen. Ein Vorbild regt euch besonders dazu an, diese Heiligkeit des Lebens zu suchen, das Vorbild von P. Simon Mpeke, genannt Baba Simon. Ihr wißt, wie der »barfüßige Missionar« alle Kräfte seines Lebens in einer selbstlosen Demut aufgewandt hat und es ihm dabei am Herzen lag, den Seelen zu helfen, ohne sich die Sorgen und die Last des materiellen Dienstes an seinen Brüdern zu ersparen.

Liebe Brüder und Schwestern, unsere Betrachtung über den menschlichen und geistlichen Weg des hl. Josef lädt uns dazu ein, das Ausmaß des ganzen Reichtums seiner Berufung und des Vorbildes zu erfassen, das er für all jene bleibt, die ihr Leben Christus weihen wollten, im Priestertum wie im geweihten Leben oder in den verschiedenen Formen des Einsatzes als Laien. Josef nämlich hat im Licht des Geheimnisses der Menschwerdung gelebt. Nicht nur in einer körperlichen Nähe, sondern auch in der Aufmerksamkeit des Herzens. Josef offenbart uns das Geheimnis einer Menschlichkeit, die in der Gegenwart des Geheimnisses lebt und für diese Gegenwart offen ist bis in die konkretesten Details des Daseins hinein. Bei ihm gibt es keine Trennung von Glauben und Handeln. Sein Glaube gibt seinem Tun die entscheidende Ausrichtung. Paradoxerweise tritt er durch sein Handeln, dadurch, daß er seine Verantwortung übernimmt, in den Hintergrund, um Gott die Freiheit zu lassen, sein Werk zu verwirklichen, ohne diesem ein Hindernis entgegenzusetzen. Josef ist ein »Mann, der gerecht war« (Mt 1,19), da sein Dasein auf das Wort Gottes hin »ausgerichtet« ist.

Das im Gehorsam dem Wort gegenüber verbrachte Leben des hl. Josef ist ein beredtes Zeichen für alle Jünger Christi, die nach der Einheit der Kirche streben. Sein Vorbild läßt uns verstehen, daß der Mensch dadurch, daß er sich völlig dem Willen Gottes ergibt, wirksam am Plan Gottes mitarbeitet, der die Menschen in einer einzigen Familie, in einer einzigen Gemeinde, in einer einzigen »ecclesia« vereinen will. Liebe Freunde aus den anderen christlichen Bekenntnissen, diese Suche nach der Einheit der Jünger Christi stellt für uns eine große Herausforderung dar. Sie führt uns vor allem dazu, uns zur Person Christi zu bekehren, uns immer mehr von ihm anziehen zu lassen. In ihm sind wir dazu berufen, uns als Brüder zu erkennen, als Kinder ein und desselben Vaters. In diesem Jahr, das dem Apostel Paulus geweiht ist, dem großen Verkündiger Jesu Christi, dem Apostel der Völker, wollen wir uns gemeinsam an ihn wenden, um »den Glauben und die Wahrheit« zu hören und zu lernen, in denen die Gründe für die Einheit unter den Jüngern Christi verwurzelt sind.

Abschließend wenden wir uns an die Braut des hl. Josef, die Jungfrau Maria, »Königin der Apostel«, denn dies ist der Titel, unter dem sie als Patronin von Kamerun angerufen wird. Ihr empfehle ich das gottgeweihte Leben eines jeden von euch an, euer Verlangen, treuer dem Ruf, der an euch ergangen ist, und der euch anvertrauten Sendung zu entsprechen. Schließlich bitte ich um ihre Fürsprache für euer schönes Land. Amen.
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APOSTOLISCHE REISE

VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH KAMERUN UND ANGOLA

(17.-23. MÄRZ 2009)

BEGEGNUNG MIT VERTRETERN DER

MUSLIMISCHEN GEMEINDE KAMERUNS

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI. Apostolische Nuntiatur von Yaoundé

Donnerstag, 19. März 2009




auf französisch:

Liebe Freunde!

Erfreut über die mir gebotene Gelegenheit, mit den Vertretern der muslimischen Gemeinde von Kamerun zusammenzutreffen, danke ich Herrn Amadou Bello für die freundlichen Begrüßungsworte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Unsere Begegnung ist ein konkretes Zeichen für den Wunsch, den wir mit allen Menschen guten Willens – in Kamerun, in ganz Afrika und in der ganzen Welt – teilen, nämlich Gelegenheiten zum Gedankenaustausch darüber zu suchen, wie die Religion einen wesentlichen Beitrag zu unserem Verständnis der Kultur und der Welt und zum friedlichen Zusammenleben aller Mitglieder der Menschheitsfamilie leistet. In Kamerun beweisen Gruppen wie die »Association Camerounaise pour le Dialogue Interreligieux«, wie sehr ein solcher Dialog das gegenseitige Verständnis vertieft und zum Aufbau einer stabilen und gerechten politischen Ordnung beiträgt.

Kamerun ist die Heimat von Tausenden von Christen und Muslimen, die häufig Seite an Seite leben, arbeiten und ihren Glauben praktizieren. Alle glauben an den einen, barmherzigen Gott, der am Jüngsten Tag die Menschen richten wird (vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution Lumen gentium LG 16). Gemeinsam bekunden sie die grundlegenden Werte der Familie, der sozialen Verantwortung, des Gehorsams gegenüber dem Gesetz Gottes und der liebevollen Fürsorge gegenüber den Kranken und Leidenden. Wenn Christen und Muslime ihr Leben auf diese Tugenden gründen und sie die jungen Menschen lehren, beweisen sie damit nicht nur, daß sie die volle Entfaltung des Menschen fördern, sondern auch, daß sie Bande der Solidarität mit ihrem Nächsten knüpfen und das Gemeinwohl voranbringen. …

... auf englisch: Meine Freunde, ich glaube, es ist heute eine besonders dringende Aufgabe der Religion, das enorme Potential der menschlichen Vernunft, die selbst Gabe Gottes ist und von der Offenbarung und vom Glauben erhöht wird, sichtbar werden zu lassen. Der Glaube an Gott, weit davon entfernt, unsere Fähigkeit, uns selbst und die Welt zu verstehen, zu beeinträchtigen, erweitert sie vielmehr. Weit davon entfernt, uns gegen die Welt aufzubringen, trägt er sie uns als Pflicht auf. Wir sind aufgerufen, anderen dabei zu helfen, die unaufdringlichen Spuren und die geheimnisvolle Gegenwart Gottes in der Welt zu sehen, die er so wunderbar erschaffen hat und die er mit seiner unaussprechlichen und allumfassenden Liebe fortdauernd erhält. Obwohl seine unendliche Herrlichkeit von unseren begrenzten Sinnen niemals direkt begriffen werden kann, erhaschen wir dennoch einen Schimmer von ihr in der Schönheit, die uns umgibt. Wenn Männer und Frauen von der wunderbaren Ordnung der Welt und dem Glanz menschlicher Würde ihre Sinne erleuchten lassen, entdecken sie, daß das »Vernünftige« weit über das hinausgeht, was die Mathematik berechnen, die Logik ableiten und das naturwissenschaftliche Experimentieren beweisen kann; es schließt auch die Güte und innere Anziehungskraft eines aufrechten und ethisch orientierten Lebens ein, wie es uns gerade durch die Sprache der Schöpfung mitgeteilt wird.

Diese Einsicht veranlaßt uns, alles, was richtig und gerecht ist, zu suchen, aus der begrenzten Sphäre unseres Eigeninteresses herauszugehen und für das Wohl der anderen tätig zu sein. Eine wahre Religion erweitert also den Horizont des menschlichen Begreifens und bildet die Grundlage jeder echten menschlichen Kultur. Sie weist alle Formen der Gewalt und des Totalitarismus zurück: nicht nur aus Glaubensprinzipien, sondern auch aufgrund der rechten Vernunft. Religion und Vernunft stärken sich nämlich gegenseitig, sofern die Religion von der Vernunft gereinigt und strukturiert und das volle Potential der Vernunft durch die Offenbarung und den Glauben freigesetzt wird.

... auf französisch: Ich ermuntere euch daher, liebe muslimische Freunde, die Werte, die sich aus dieser Sicht ergeben und die die menschliche Kultur fördern, in die Gesellschaft eindringen zu lassen und auch andere Menschen zur Teilnahme am Aufbau einer Zivilisation der Liebe einzuladen. Möge die begeisterte Zusammenarbeit von Muslimen, Katholiken und anderen Christen in Kamerun für die anderen afrikanischen Nationen ein leuchtender Hinweis auf das enorme Potential des interreligiösen Einsatzes für den Frieden, die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl sein!

Mit diesen Empfindungen spreche ich euch noch einmal meine Dankbarkeit für diese glückliche Gelegenheit aus, während meines Besuchs in Kamerun mit euch zusammenzutreffen. Ich danke Gott, dem Allmächtigen, für die Gnaden, die er auf euch und auf eure Mitbürger herabkommen läßt, und bete dafür, daß die Bande, die Christen und Muslime in ihrer tiefen Verehrung des einen Gottes verbinden, weiter gestärkt werden, so daß sie die Weisheit des Allmächtigen, der die Herzen aller Menschen erleuchtet, klarer widerspiegeln.


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(17.-23. MÄRZ 2009)

VERÖFFENTLICHUNG DER INSTRUMENTUM LABORIS

WORTE VON BENEDIKT XVI. Stadion "Amadou Ahidjo", Yaoundé

Donnerstag, 19. März 2009




Liebe Brüder im Bischofsamt,
Vorsitzende der nationalen und regionalen Bischofskonferenzen
von Afrika und Madagaskar!

Vor vierzehn Jahren, am 14. September 1995, unterzeichnete mein verehrter Vorgänger Papst Johannes Paul II. hier in Yaoundé das Nachsynodale Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa. Heute ist es für mich eine große Freude, euch den Text des »Instrumentum laboris« der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika zu übergeben, die im kommenden Oktober in Rom stattfinden wird. Das Thema dieser Versammlung »Die Kirche in Afrika im Dienst von Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden«, das in der Kontinuität mit Ecclesia in Africa steht, ist für das Leben eures Kontinents, aber auch für das Leben der Gesamtkirche, von großer Bedeutung. Das »Instrumentum laboris« ist das Ergebnis eurer Reflexion, ausgehend von den wichtigen Aspekten der kirchlichen und gesellschaftlichen Situation eurer Herkunftsländer. Es spiegelt die große Dynamik der Kirche in Afrika wider, aber auch die Herausforderungen, vor denen sie steht und welche die Synode wird untersuchen müssen. Heute abend werde ich Gelegenheit haben, mich mit den Mitgliedern des Sonderrates der Bischofssynode für Afrika eingehender über dieses Thema zu unterhalten. Ich wünsche also zutiefst, daß die Arbeiten der Synodenversammlung dazu beitragen mögen, die Hoffnung für eure Völker und für den ganzen Kontinent wachsen zu lassen; daß sie dazu beitragen, jeder eurer Ortskirchen einen neuen evangeliumsgemäßen und missionarischen Eifer im Dienst der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens zu verleihen, entsprechend dem Plan, der uns vom Herrn selbst geschenkt worden ist: »Ihr seid das Salz der Erde… Ihr seid das Licht der Welt« (Mt 5,13 Mt 5,14). Möge die Freude der Kirche in Afrika über die Abhaltung dieser Synode auch die Freude der Gesamtkirche sein!

Und euch, liebe Brüder und Schwestern, die ihr hier um eure Bischöfe versammelt seid und so gewissermaßen die unter allen Völkern Afrikas gegenwärtige Kirche repräsentiert, lade ich ein, die Vorbereitung und Durchführung dieses großen kirchlichen Ereignisse in euer Gebet hineinzunehmen. Die Königin des Friedens unterstütze die Anstrengungen all derer, die sich für Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden einsetzen! Unsere Liebe Frau von Afrika, bitte für uns!
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(17.-23. MÄRZ 2009)

BEGEGNUNG MIT DEN KRANKEN

Zentrum "Card. Paul Emile Léger" - CNRH von Yaoundé
Donnerstag, 19. März 2009



... auf französisch:

Meine Herren Kardinäle,
Frau Sozialministerin,
Herr Gesundheitsminister,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt und lieber Herr Bischof Joseph Djida,
Frau Direktorin des »Centre Cardinal Léger«,
liebes Pflegepersonal, liebe Kranke!

Es war mein aufrichtiger Wunsch, diese Augenblicke mit euch zu verbringen, und ich freue mich, euch zu begrüßen, liebe Brüder und Schwestern, die ihr die Last der Krankheit und des Leidens tragt. Ihr seid nicht allein in diesem Schmerz, denn Christus selbst ist solidarisch mit allen Leidenden. Er offenbart den Kranken und den Behinderten den Platz, den sie im Herzen Gottes und in der Gesellschaft haben. Der Evangelist Markus gibt uns als Beispiel die Heilung der Schwiegermutter des Petrus. Er schreibt: »Sie sprachen mit Jesus über sie, und er ging zu ihr, faßte sie an der Hand und richtete sie auf« (Mk 1,30–31). In diesem Abschnitt des Evangeliums sehen wir, wie Jesus einen Tag bei den Kranken verbringt, um ihnen Erleichterung zu schenken. So zeigt er uns durch konkrete Taten seine brüderliche Liebe und Güte gegenüber allen, deren Herz gebrochen und deren Leib verwundet ist.

Von diesem Zentrum aus, das den Namen von Kardinal Paul-Émile Léger trägt, eines Kanadiers, der zu euch gekommen ist, um die Menschen an Leib und Seele aufzurichten, vergesse ich auch jene Menschen nicht, die sich in den Krankenhäusern, in besonderen Einrichtungen oder in den Krankenstationen befinden und die körperlich oder geistig behindert sind – ebenso wenig wie jene, deren Leib von Gewalt und Kriegen gezeichnet ist. Ich denke auch an alle Kranken und hier in Afrika besonders an die Opfer von Krankheiten wie Aids, Malaria und Tuberkulose. Ich weiß, daß die katholische Kirche bei euch sehr darum bemüht ist, diese schrecklichen Geißeln nachhaltig zu bekämpfen, und ich ermutige sie, diese so dringend notwendige Arbeit entschlossen fortzusetzen. Euch, die ihr durch Krankheit und Leiden geprüft seid, sowie allen euren Familien möchte ich von seiten des Herrn ein bißchen Stärkung bringen. Ich möchte euch noch einmal meine Unterstützung zusichern und euch einladen, euch Christus und Maria zuzuwenden, die er uns als Mutter geschenkt hat. Sie hat den Schmerz kennengelernt, und sie ist ihrem Sohn auf dem Kreuzweg gefolgt und hat in ihrem Herzen die Liebe bewahrt: Jesus ist gekommen, um allen Menschen diese Liebe zu bringen.

auf englisch: Wenn man dem Leiden, der Krankheit und dem Tod gegenübersteht, ist man versucht, vor Schmerz zu schreien, wie Ijob es tat, dessen Name »der Leidende« bedeutet (vgl. Gregor der Große, Moralia in Job 1,1,15). Auch Jesus schrie kurz vor seinem Tod laut auf (vgl. Mk Mc 15,37 He 5,7). Wenn unser Zustand sich verschlechtert, wächst unsere Angst; mancher ist versucht, daran zu zweifeln, daß Gott in seinem Leben gegenwärtig ist. Ijob jedoch war sich der Gegenwart Gottes bewußt; sein Schrei war kein Aufbegehren, sondern aus der Tiefe seines Elends heraus ließ er sein Vertrauen wachsen (vgl. Ijob Jb 19 42,2–6). Seine Freunde versuchten, wie jeder von uns, wenn er der dem Leiden eines geliebten Menschen gegenübersteht, ihn zu trösten, aber sie gebrauchten hohle und leere Worte.

Angesichts solcher Qualen fühlen wir uns machtlos und können nicht die richtigen Worte finden. Bei einem Bruder oder einer Schwester, die in das Geheimnis des Kreuzes hineingenommen sind, erreichen respektvolles und mitfühlendes Schweigen, betende Präsenz, eine liebevolle und tröstende Geste, ein freundlicher Blick, ein Lächeln oft mehr als viele Worte. Diese Erfahrung machte eine kleine Gruppe von Männern und Frauen, zu der auch die Jungfrau Maria und der Apostel Johannes gehörten: Sie folgten Jesus in seinem tiefsten Schmerz in der Zeit seines Leidens und seines Todes am Kreuz. Unter ihnen war, wie uns das Evangelium berichtet, ein Afrikaner, Simon von Zyrene. Ihm wurde aufgetragen, Jesus zu helfen, sein Kreuz auf dem Weg nach Golgota zu tragen. Dieser Mann kam, wenn auch nicht aus eigener Entscheidung, dem Schmerzensmann zu Hilfe, als dieser von all seinen Jüngern verlassen und blinder Gewalt ausgeliefert worden war. Aus der Geschichte wissen wir also, daß ein Afrikaner, ein Sohn eures Kontinents, selbst leiden mußte, um am unendlichen Leiden dessen teilzuhaben, der alle Menschen erlöst hat, einschließlich derer, die ihn hinrichteten. Simon von Zyrene konnte nicht wissen, daß es sein Erlöser war, der dort vor ihm stand. Sie »zwangen« ihn, ihm zu helfen (vgl. Mk Mc 15,21). Er wurde genötigt, gezwungen, es zu tun. Es ist schwer zu akzeptieren, das Kreuz eines anderen zu tragen. Erst nach der Auferstehung konnte er verstehen, was er getan hatte. Brüder und Schwestern, so ist es auch für einen jeden von uns: In der Tiefe unseres Schmerzes, unseres eigenen Aufbegehrens, schenkt Christus uns seine liebevolle Gegenwart, auch wenn es für uns schwer ist zu verstehen, daß er an unserer Seite ist. Erst der endgültige Sieg des Herrn wird uns die letztendliche Bedeutung unserer Prüfungen offenbaren.

Kann man nicht sagen, daß jeder Afrikaner gewissermaßen zur Familie des Simon von Zyrene gehört? Jeder Afrikaner, der leidet, jeder Mensch, der leidet, hilft Christus, sein Kreuz zu tragen und geht mit ihm den Weg nach Golgota hinauf, um eines Tages mit ihm aufzuerstehen. Wenn wir die Niedertracht sehen, der Jesus unterworfen war, wenn wir sein Antlitz am Kreuz betrachten, wenn wir sein schreckliches Leiden erkennen, läßt uns der Glaube das strahlende Antlitz des auferstandenen Herrn erahnen, der uns sagt, daß Leiden und Krankheit in unserem menschlichen Leben nicht das letzte Wort haben werden. Ich bete darum, liebe Brüder und Schwestern, daß ihr euch in diesem »Simon von Zyrene« wiedererkennen könnt. Ich bete darum, liebe kranke Brüder und Schwestern, daß viele von euch einem Simon an ihrem Krankenbett begegnen mögen.

Seit der Auferstehung und bis in unsere Zeit hinein haben zahllose Zeugen sich mit Glauben und Hoffnung dem Erlöser der Menschheit zugewandt und seine Gegenwart inmitten ihrer Leiden erkannt. Möge der Vater des Erbarmens gnädig die Gebete aller erhören, die sich ihm zuwenden. Er antwortet auf unseren Ruf und unser Gebet, wie und wann er will, zu unserem Wohl und nicht unseren Wünschen gemäß. Wir wiederum müssen über seine Antwort nachdenken und die Gaben annehmen, die er uns aus Gnade anbietet. Laßt uns den Blick auf den Gekreuzigten richten, mit Glauben und Mut, denn von ihm kommen Leben, Trost und Heilung. Lernen wir, auf ihn zu schauen, der unser Wohl möchte und der es versteht, die Tränen von unseren Augen abzuwischen. Lernen wir, uns in seine Arme zu werfen, wie ein kleines Kind in die Arme seiner Mutter.

... auf französisch: Die Heiligen sind uns dafür ein gutes Vorbild, da sie ihr Leben ganz Gott, unserem Vater, anvertraut haben. Die hl. Teresa von Avila, die ihr Kloster unter den Schutz des hl. Josef gestellt hatte, wurde genau an dessen Festtag von einem Leiden geheilt. Sie sagte, daß sie niemals umsonst gebetet hat, und legte allen ans Herz, die vorgaben, nicht beten zu können: »Ich verstehe nicht, wie man an die Königin der Engel denken kann und an all das, was sie erleiden mußte, als das göttliche Kind noch klein war, ohne dem hl. Josef für die so vollkommene Hingabe zu danken, mit der er sowohl ihm als auch ihr zu Hilfe kam. Wer niemanden hat, der ihn beten lehrt, möge diesen wunderbaren Heiligen zum Lehrmeister wählen. Er braucht nicht zu fürchten, unter seiner Führung vom Weg abzukommen« (Leben, 6). Er war ein Fürsprecher für die leibliche Gesundheit, und so sah die Heilige im hl. Josef einen Fürsprecher für die Gesundheit der Seele, einen Lehrmeister des Gebets.

Wählen auch wir ihn als Lehrmeister des Gebets! Nicht nur wir, die wir bei guter Gesundheit sind, sondern auch ihr, liebe Kranke, und alle Familien. Ich denke ganz besonders an euch, die ihr zum Pflegepersonal gehört, und an all jene, die im Gesundheitswesen arbeiten. Indem ihr die Leidenden begleitet und ihnen Aufmerksamkeit und Fürsorge entgegenbringt, vollbringt ihr einen Akt der Mildtätigkeit und der Liebe, den Gott anerkennt: »Ich war krank, und ihr habt mich besucht« (Mt 25,36). Liebe Wissenschaftler und Ärzte, eure Aufgabe ist es, alle legitimen Mittel anzuwenden, um den Schmerz zu lindern; in erster Linie müßt ihr das menschliche Leben schützen und es verteidigen, von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende. Für jeden Menschen ist die Achtung des Lebens ein Recht und gleichzeitig eine Pflicht, denn jedes Leben ist ein Geschenk Gottes. Ich möchte zusammen mit euch dem Herrn für all jene danken, die auf die eine oder andere Weise im Dienst der leidenden Menschen tätig sind. Ich ermutige die Priester und jene, die die Kranken besuchen, sich durch ihre aktive und freundschaftliche Gegenwart in der Krankenhausseelsorge einzusetzen oder für eine kirchliche Präsenz in der Hauspflege zu sorgen, zur Stärkung und geistlichen Unterstützung der Kranken. Wie er es verheißen hat, wird Gott euch den rechten Lohn geben und es euch im Himmel vergelten.

Bevor ich euch vor meinem Abschied persönlich begrüße, möchte ich einem jeden von euch meine liebevolle Nähe und mein Gebet zusichern. Ich möchte euch auch sagen, daß ich wünsche, daß niemand von euch sich jemals allein fühlen möge. Jeder Mensch ist nämlich nach dem Abbild Christi geschaffen und ist daher aufgerufen, seinem Nächsten beizustehen. Ich vertraue euch alle der Fürsprache der Jungfrau Maria, unserer Mutter, und des hl. Josef an. Gott gewähre uns, füreinander Boten der Barmherzigkeit, der Zartheit und der Liebe unseres Gottes zu sein, und er segne euch!
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